Präambel VO (EU) 2013/56

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 999/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 mit Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien(1), insbesondere auf Artikel 23 Absatz 1,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Die Verordnung (EG) Nr. 999/2001 legt Vorschriften für die Verhütung, Bekämpfung und Tilgung transmissibler spongiformer Enzephalopathien (TSE) bei Tieren fest. Sie gilt für die Erzeugung und das Inverkehrbringen von lebenden Tieren und Erzeugnissen tierischen Ursprungs und in bestimmten Fällen für deren Ausfuhr.
(2)
Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 sieht vor, dass die Verfütterung tierischer Proteine an Wiederkäuer verboten ist. Artikel 7 Absatz 2 der genannten Verordnung weitet dieses Verbot auf andere Tiere als Wiederkäuer aus und beschränkt es hinsichtlich der Fütterung dieser Tiere mit Erzeugnissen tierischen Ursprungs gemäß ihrem Anhang IV.
(3)
Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 weitet das Verbot gemäß Artikel 7 Absatz 1 auf die Verfütterung von unter anderem verarbeitetem tierischem Protein an andere Nutztiere als Wiederkäuer, ausgenommen zur Gewinnung von Pelzen gehaltene Fleischfresser, aus. Abweichend davon und unter bestimmten Bedingungen ist die Verfütterung bestimmter verarbeiteter tierischer Proteine an andere Nutztiere als Wiederkäuer gemäß Anhang IV zugelassen.
(4)
Nach Artikel 11 der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 (Verordnung über tierische Nebenprodukte)(2) ist die Fütterung von Landtieren einer bestimmten Art, ausgenommen Pelztiere, mit verarbeitetem tierischem Eiweiß, das aus Körpern oder Teilen von Körpern von Tieren derselben Art gewonnen wurde, verboten. Dieser Artikel verbietet außerdem die Fütterung von Zuchtfisch mit verarbeitetem tierischem Protein, das aus Körpern oder Teilen von Körpern von Zuchtfischen derselben Art gewonnen wurde.
(5)
Die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat „Zweiter Fahrplan für die TSE-Bekämpfung: Ein Strategiepapier zum Thema transmissible spongiforme Enzephalopathien 2010-2015” (3) wurde am 16. Juli 2010 angenommen. Darin werden die Bereiche dargelegt, in denen künftige Änderungen der EU-Vorschriften über TSE möglich wären. Ferner wird darauf hingewiesen, dass sich jegliche Überprüfung der TSE-Vorschriften vor allem auf wissenschaftliche Erkenntnisse und technische Fragen im Zusammenhang mit der TSE-Bekämpfung und der Durchsetzung der neuen Maßnahmen stützen sollte.
(6)
Die genannte Mitteilung betrifft unter anderem die Überprüfung der geltenden Bestimmungen über das Verfütterungsverbot in den EU-Vorschriften. Auf Grundlage zweier wissenschaftlicher Gutachten des Gremiums für biologische Gefahren (BIOHAZ) der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vom 24. Januar 2007(4) bzw. vom 17. November 2007(5) wird in der Mitteilung festgestellt, dass bei anderen Nutztieren als Wiederkäuern unter natürlichen Bedingungen keine TSE nachgewiesen wurden und dass ein Risiko der BSE-Übertragung (BSE — Bovine spongiforme Enzephalopathie) von Nichtwiederkäuern auf Nichtwiederkäuer ziemlich unwahrscheinlich ist, solange die Rückführung in die Futtermittelkette derselben Tierart vermieden wird. Folglich wird in der Mitteilung der Schluss gezogen, dass die Aufhebung des Verbots, verarbeitete Nichtwiederkäuer-Proteine an Nichtwiederkäuer zu verfüttern, erwogen werden könnte, allerdings ohne das bestehende Verbot der Rückführung in die Futtermittelkette derselben Tierart aufzuheben und nur, wenn validierte Analyseverfahren zur Feststellung, von welcher Art das verarbeitete tierische Protein stammt, verfügbar sind und die verarbeiteten tierischen Proteine von verschiedenen Tierarten korrekt kanalisiert werden.
(7)
Am 29. November 2010 nahm der Rat Schlussfolgerungen(6) zu dieser Mitteilung an. Darin wird anerkannt, welche grundlegende Bedeutung das Verbot der Verwendung von verarbeitetem tierischem Protein in Futtermitteln für Nutztiere hat, um zu verhindern, dass BSE über die Futtermittelkette verbreitet wird, und dass ihm somit die Schlüsselrolle beim Rückgang der Inzidenz dieser Krankheit in der Rinderpopulation zukommt. Außerdem hält der Rat es für eine etwaige erneute Zulassung der Verwendung von aus Nicht-Wiederkäuern gewonnenem verarbeitetem tierischem Protein in Futtermitteln für andere Nicht-Wiederkäuer für eine Grundvoraussetzung, dass wirksame und validierte Tests verfügbar sind, mit denen die aus verschiedenen Tierarten gewonnenen verarbeiteten tierischen Proteine voneinander unterschieden werden können, und dass die Risiken, die sich bei einer Lockerung der Regelung für die Gesundheit von Mensch und Tier ergeben könnten, sorgfältig analysiert werden.
(8)
Am 9. Dezember 2010 nahm das BIOHAZ-Gremium der EFSA ein wissenschaftliches Gutachten zur Überarbeitung der quantitativen Risikobewertung des von verarbeiteten tierischen Proteinen ausgehenden BSE-Risikos(7) an. Darin wird der Schluss gezogen, dass auf Grundlage der BSE-Überwachungsdaten der Union von 2009 und bei Annahme einer Kontamination von 0,1 % (Nachweisgrenze für verarbeitete tierische Proteine in Futtermitteln) mit verarbeiteten Nichtwiederkäuer-Proteinen nach dem EFSA-Modell der quantitativen Bewertung des von verarbeiteten tierischen Proteinen ausgehenden Risikos die geschätzte durchschnittliche BSE-Gesamtinfektiositätsbelastung, die in der Union jährlich in Futtermittel für Rinder gelangen könnte, einer oralen Infektionsdosis bei Rindern (50 %) von 0,2 gleichkäme. Dem Gutachten zufolge würde dies bedeuten, dass in der Rinderpopulation der EU bei einer oberen Vertrauensgrenze von 95 % jährlich weniger als ein zusätzliches mit BSE infiziertes Tier zu erwarten wäre.
(9)
In der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. März 2011 zu dem Thema „Das Proteindefizit in der EU: Wie lässt sich das seit langem bestehende Problem lösen?” (8) wird die Kommission aufgefordert, dem Parlament und dem Rat einen Legislativvorschlag vorzulegen, durch den die Verwendung von aus Schlachtabfällen kommenden verarbeiteten tierischen Proteinen für die Herstellung von Futtermitteln für einmägige Tiere (Schweine und Geflügel) erlaubt wird, wenn diese Bestandteile von Fleisch stammen, das für den menschlichen Verzehr zugelassen worden ist, und wenn das Verbot der Wiederverwendung innerhalb der Artengrenze und des Zwangskannibalismus voll und ganz umgesetzt und überwacht wird.
(10)
Das Europäische Parlament unterstützt in seiner Entschließung vom 6. Juli 2011 zu den EU-Vorschriften über transmissible spongiforme Enzephalopathien (TSE) und den diesbezüglichen Futter- und Nahrungsmittelkontrollen — Umsetzung und Ausblick(9) vor allem angesichts des in der EU bestehenden Proteindefizits den Vorschlag der Kommission, die Bestimmungen zum Verbot der Verfütterung von verarbeiteten tierischen Proteinen an Nichtwiederkäuer aufzuheben, sofern dies nur auf Nicht-Pflanzenfresser angewendet wird und unter bestimmten Bedingungen.
(11)
Außerdem wird darin gefordert, dass die auf verarbeitete tierische Proteine angewandten Produktions- und Sterilisierungsmethoden den höchsten Sicherheitsstandards sowie den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 über tierische Nebenprodukte entsprechen und dass die modernste und sicherste Technologie angewendet wird. Ferner, dass die geltenden Verbote der Wiederverwendung innerhalb derselben Art ( „Kannibalismus” ) bestehen bleiben, die Produktionskanäle für von unterschiedlichen Arten stammende verarbeitete Tierproteine vollkommen getrennt sind und die Trennung dieser Produktionskanäle von den zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten kontrolliert und von der Kommission geprüft wird. Darüber hinaus, dass das Verbot erst dann aufgehoben wird, wenn eine zuverlässige artspezifische Methode zur Ermittlung der artspezifischen Herkunft der Proteine in dem verarbeitete Tierproteine enthaltenden Tierfutter existiert, so dass eine Wiederverwendung innerhalb einer Tierart und das Vorhandensein von verarbeiteten Tierproteinen von Wiederkäuern ausgeschlossen werden können, und dass die Produktion von verarbeiteten Tierproteinen aus Material der Kategorie 1 oder Kategorie 2 verboten wird und nur für den menschlichen Verzehr geeignetes Material der Kategorie 3 für die Produktion von verarbeiteten Tierproteinen verwendet werden darf. In dieser Entschließung wird die Verwendung von verarbeiteten Nichtwiederkäuer- oder Wiederkäuer-Proteinen in Futtermitteln für Wiederkäuer abgelehnt.
(12)
Am 9. März 2012 validierte das EU-Referenzlaboratorium für tierische Proteine in Futtermitteln eine neue DNA-basierte Diagnosemethode, die den Nachweis sehr geringer Gehalte an Wiederkäuermaterial in Futtermitteln ermöglicht(10). Damit können verarbeitete tierische Proteine und verarbeitete tierische Proteine enthaltende Mischfuttermittel Routinekontrollen unterzogen und auf Wiederkäuer-Proteine überprüft werden.
(13)
Derzeit gibt es keine validierte Diagnosemethode, mit der das Vorhandensein von Schweine- oder Geflügelmaterial in Futtermitteln nachgewiesen werden könnte. Daher wäre es nicht möglich, die ordnungsgemäße Durchführung des Verbots der Rückführung in die Futtermittelkette derselben Tierart zu kontrollieren, wenn die Verwendung verarbeiteter tierischer Proteine von Schweinen in Futtermitteln für Geflügel und die Verwendung von verarbeiteten tierischen Proteinen von Geflügel in Futtermitteln für Schweine wieder zugelassen würde.
(14)
Die Aquakulturhaltung wirft hinsichtlich der Einhaltung des Verbots der Rückführung in die Futtermittelkette derselben Tierart keine Bedenken auf, da sich die geltenden Kanalisierungsvorschriften für die Verwendung von Fischmehl in Futtermitteln für Tiere in Aquakultur bereits als wirksam erwiesen haben.
(15)
Mit Ausnahme von Fischmehl und Fischmehl enthaltenden Mischfuttermitteln, die bereits zur Fütterung von Nichtwiederkäuern zugelassen sind, sollten daher verarbeitete Nichtwiederkäuer-Proteine und solche Proteine enthaltende Futtermittel für die Fütterung von Tieren in Aquakultur wieder zugelassen werden. Es sollten strenge Vorschriften für die Sammlung, den Transport und die Verarbeitung dieser Produkte gelten, damit das Risiko der Kreuzkontamination mit Wiederkäuer-Protein vermieden wird. Außerdem sollten die verarbeiteten tierischen Proteine und solche Proteine enthaltende Mischfuttermittel regelmäßig beprobt und auf Kreuzkontamination mit Wiederkäuerproteinen untersucht werden.
(16)
Daher sollte das in Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 festgelegte Verbot der Verfütterung von verarbeiteten Nichtwiederkäuer-Proteinen an Tiere in Aquakultur gestrichen werden. Im Interesse der Klarheit der EU-Rechtsvorschriften sollte der gesamte Anhang IV durch den im Anhang zur vorliegenden Verordnung enthaltenen Anhang IV ersetzt werden.
(17)
Anhang I Nummer 1 der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 enthält Verweise auf Begriffsbestimmungen für Futtermittel und nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte, die in inzwischen aufgehobenen EU-Rechtsakten festgelegt sind. Im Interesse der Klarheit der EU-Rechtsvorschriften sollten diese Verweise durch Verweise auf die entsprechenden Begriffsbestimmungen in geltenden Rechtsakten ersetzt werden. Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 sollte daher nach Maßgabe des Anhangs der vorliegenden Verordnung geändert werden.
(18)
Da die Mitgliedstaaten und die Unternehmer im Futtermittelsektor ausreichend Zeit für die Anpassung ihrer Kontrollverfahren an die neuen, mit der vorliegenden Verordnung eingeführten Vorschriften brauchen, sollte diese nicht unmittelbar nach ihrem Inkrafttreten gelten.
(19)
Die Verordnung (EG) Nr. 999/2001 sollte daher entsprechend geändert werden.
(20)
Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ständigen Ausschusses für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 147 vom 31.5.2001, S. 1.

(2)

ABl. L 300 vom 14.11.2009, S. 1.

(3)

KOM(2010) 0384.

(4)

Opinion of the Scientific Panel on Biological Hazards on a request from the European Parliament on the assessment of the health risks of feeding of ruminants with fishmeal in relation to the risk of TSE, The EFSA Journal (2007), 443, 1-26.

(5)

Opinion of the Scientific Panel on Biological Hazards on a request from the European Parliament on Certain Aspects related to the Feeding of Animal Proteins to Farm Animals, The EFSA Journal (2007) 576, 1-41.

(6)

http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/10/st13/st13889-ad01re01.de10.pdf.

(7)

Opinion of the Scientific Panel on Biological Hazards on a revision of the quantitative risk assessment (QRA) of the BSE risk posed by processed animal protein (PAPs), EFSA Journal 2011;9(1):1947.

(8)

Angenommener Text, P7_TA(2011)0084.

(9)

Angenommener Text, P7_TA(2011)0328.

(10)

http://eurl.craw.eu/index.php?page=24&id=10.

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