Präambel VO (EU) 2013/606

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 81 Absatz 2 Buchstaben a, e und f,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Anhörung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen(1),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Die Union hat es sich zum Ziel gesetzt, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln, in dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist und der Zugang zum Recht, insbesondere durch den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen in Zivilsachen, erleichtert wird. Zum schrittweisen Aufbau eines solchen Raums muss die Union Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug erlassen, insbesondere wenn dies für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist.
(2)
Artikel 81 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sieht vor, dass die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen beruhen muss.
(3)
In einem gemeinsamen Rechtsraum ohne Binnengrenzen sind Bestimmungen, die eine zügige und einfache Anerkennung und gegebenenfalls Vollstreckung von in einem Mitgliedstaat angeordneten Schutzmaßnahmen in einem anderen Mitgliedstaat sicherstellen, unerlässlich damit gewährleistet ist, dass der einer natürlichen Person in einem Mitgliedstaat gewährte Schutz in jedem anderen Mitgliedstaat, in den diese Person reist oder umzieht, aufrechterhalten und fortgesetzt wird. Es muss sichergestellt werden, dass die legitime Wahrnehmung des Rechts der Unionsbürger, sich gemäß Artikel 3 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und gemäß Artikel 21 AEUV im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, für die Unionsbürger nicht zum Verlust dieses Schutzes führt.
(4)
Das gegenseitige Vertrauen in die Rechtspflege in der Union sowie das Ziel, einen zügigeren und kostengünstigeren Umlauf von Schutzmaßnahmen innerhalb der Union zu gewährleisten, rechtfertigen den Grundsatz, wonach in einem Mitgliedstaat angeordnete Schutzmaßnahmen in allen anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden, ohne dass es hierzu besonderer Verfahren bedarf. Eine in einem Mitgliedstaat angeordnete Schutzmaßnahme ( „Ursprungsmitgliedstaat” ) sollte daher so behandelt werden, als wäre sie in dem Mitgliedstaat angeordnet worden, in dem um Anerkennung ersucht wird ( „ersuchter Mitgliedstaat” ).
(5)
Um das Ziel des freien Verkehrs von Schutzmaßnahmen zu erreichen, ist es erforderlich und angemessen, dass die Vorschriften über die Anerkennung und gegebenenfalls Vollstreckung von Schutzmaßnahmen im Wege eines Unionsrechtsakts festgelegt werden, der verbindlich und unmittelbar anwendbar ist.
(6)
Diese Verordnung sollte für Schutzmaßnahmen gelten, die angeordnet werden, um eine Person zu schützen, wenn es ernsthafte Gründe zu der Annahme gibt, dass das Leben dieser Person, ihre körperliche oder psychische Unversehrtheit, ihre persönliche Freiheit, ihre Sicherheit oder ihre sexuelle Integrität in Gefahr ist, beispielsweise zur Verhütung jeder Form von geschlechtsbezogener Gewalt oder Gewalt in engen Beziehungen wie körperliche Gewalt, Belästigung, sexuelle Übergriffe, Stalking, Einschüchterung oder andere Formen der indirekten Nötigung. Es ist hervorzuheben, dass diese Verordnung für alle Opfer gilt, und zwar unabhängig davon, ob sie Opfer von geschlechtsbezogener Gewalt sind oder nicht.
(7)
Mit der Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten(3) wird sichergestellt, dass Opfer von Straftaten angemessene Informationen und Unterstützung erhalten.
(8)
Diese Verordnung ergänzt die Richtlinie 2012/29/EU. Die Tatsache, dass eine Person Gegenstand einer in Zivilsachen angeordneten Schutzmaßnahme ist, schließt nicht zwingend aus, dass diese Person als „Opfer” im Sinne der genannten Richtlinie gilt.
(9)
Der Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt unter die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen im Sinne des Artikels 81 AEUV. Diese Verordnung gilt nur für Schutzmaßnahmen, die in Zivilsachen angeordnet werden. Schutzmaßnahmen, die in Strafsachen angeordnet werden sind von der Richtlinie 2011/99/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Europäische Schutzanordnung(4) erfasst.
(10)
Der Begriff Zivilsachen sollte im Einklang mit den Grundsätzen des Unionsrechts autonom ausgelegt werden. Für die Beurteilung des zivilrechtlichen Charakters einer Schutzmaßnahme sollte nicht entscheidend sein, ob eine zivil-, verwaltungs- oder strafrechtliche Behörde die Schutzmaßnahme anordnet.
(11)
Diese Verordnung sollte das Funktionieren der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung(5) (im Folgenden „Brüssel-IIa-Verordnung” ) nicht beeinträchtigen. Entscheidungen, die gemäß der Brüssel-IIa-Verordnung ergehen, sollten weiterhin gemäß jener Verordnung anerkannt und vollstreckt werden.
(12)
Die vorliegende Verordnung trägt den unterschiedlichen Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten Rechnung und berührt nicht die nationalen Systeme für die Anordnung von Schutzmaßnahmen. Diese Verordnung verpflichtet die Mitgliedstaaten weder dazu, ihre nationalen Systeme dahin gehend zu ändern, dass Schutzmaßnahmen in Zivilsachen angeordnet werden können, noch dazu, für die Zwecke der Anwendung dieser Verordnung Schutzmaßnahmen in Zivilsachen einzuführen.
(13)
Um den unterschiedlichen Arten von Behörden, die in den Mitgliedstaaten Schutzmaßnahmen in Zivilsachen anordnen, Rechnung zu tragen, sollte diese Verordnung — anders als in anderen Bereichen der justiziellen Zusammenarbeit — für Entscheidungen sowohl von Gerichten als auch von Verwaltungsbehörden gelten, sofern Letztere Garantien insbesondere hinsichtlich ihrer Unparteilichkeit und des Rechts der Parteien auf gerichtliche Nachprüfung bieten. In keinem Fall sollten die Polizeibehörden als Ausstellungsbehörden im Sinne dieser Verordnung gelten.
(14)
Gemäß dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung sollten Schutzmaßnahmen, die in dem Ursprungsmitgliedstaat in Zivilsachen angeordnet werden, in dem ersuchten Mitgliedstaat als Schutzmaßnahmen in Zivilsachen im Sinne dieser Verordnung anerkannt werden.
(15)
Gemäß dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung entspricht die Anerkennung der Gültigkeitsdauer der Schutzmaßnahme. Unter Berücksichtigung der Vielfalt der Schutzmaßnahmen nach dem Recht der Mitgliedstaaten, insbesondere ihre Dauer betreffend, und der Tatsache, dass diese Verordnung typischerweise in dringenden Fällen angewandt werden wird, sollte die Wirkung der Anerkennung nach dieser Verordnung jedoch ausnahmsweise auf einen Zeitraum von 12 Monaten ab der Ausstellung der in dieser Verordnung vorgesehenen Bescheinigung beschränkt sein, unabhängig davon, ob die Schutzmaßnahme (sei sie nun vorläufig, befristet oder unbefristet) eine längere Gültigkeitsdauer hat.
(16)
In Fällen, in denen die Dauer einer Schutzmaßnahme länger als 12 Monate ist, sollte die Beschränkung der Wirkung der Anerkennung nach dieser Verordnung nicht das Recht der geschützten Person berühren, die Schutzmaßnahme gemäß jedwedem anderen hierfür zur Verfügung stehenden Rechtsakt der Union geltend zu machen oder eine nationale Schutzmaßnahme im ersuchten Mitgliedstaat zu beantragen.
(17)
Die Befristung der Wirkung der Anerkennung hat aufgrund der Besonderheit des Gegenstands dieser Verordnung Ausnahmecharakter und sollte nicht als Präzedenzfall für andere Instrumente in Zivil- und Handelssachen herangezogen werden.
(18)
Diese Verordnung sollte ausschließlich die Anerkennung der im Rahmen einer Schutzmaßnahme auferlegten Verpflichtung behandeln. Sie sollte nicht die Verfahren zur Durchführung oder Vollstreckung der Schutzmaßnahme regeln und auch keine potenziellen Sanktionen umfassen, die verhängt werden könnten, wenn im ersuchten Mitgliedstaat gegen die im Rahmen der Schutzmaßnahme angeordnete Verpflichtung verstoßen wird. Diese Angelegenheiten bleiben dem Recht dieses Mitgliedstaats überlassen. Im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts und insbesondere dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung müssen die Mitgliedstaaten jedoch sicherstellen, dass nach dieser Verordnung anerkannte Schutzmaßnahmen im ersuchten Mitgliedstaat wirksam werden können.
(19)
Durch diese Verordnung erfasste Schutzmaßnahmen sollten einer geschützten Person Schutz an ihrem Wohnort oder Arbeitsort oder an jedem anderen Ort bieten, den diese Person regelmäßig aufsucht, wie z. B. dem Wohnort enger Verwandter oder der von ihrem Kind besuchten Schule oder Bildungseinrichtung. Unabhängig davon, ob der fragliche Ort oder die Ausdehnung der Fläche, der/die durch die Schutzmaßnahme erfasst wird, in der Schutzmaßnahme durch eine oder mehrere konkrete Anschriften oder durch Bezugnahme auf ein bestimmtes abgegrenztes Gebiet beschrieben ist, der (denen) sich die gefährdende Person nicht nähern darf bzw. das sie nicht betreten darf (oder eine Kombination aus diesen beiden Kriterien), bezieht sich die Anerkennung der mit der Schutzmaßnahme angeordneten Verpflichtung auf den Zweck, den dieser Ort für die geschützte Person hat, und nicht auf die konkrete Anschrift.
(20)
Daher, und sofern der Charakter und die wesentlichen Elemente der Schutzmaßnahme beibehalten werden, sollte die zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaats befugt sein, die faktischen Elemente der Schutzmaßnahme anzupassen, wenn diese Anpassung erforderlich ist, damit die Anerkennung der Schutzmaßnahme im ersuchten Mitgliedstaat praktisch wirksam wird. Zu den faktischen Elementen gehören die Anschrift, der Ort im Allgemeinen oder der Mindestabstand, den die gefährdende Person zur geschützten Person, zur Anschrift oder zum Ort im Allgemeinen halten muss. Die Art und der zivilrechtliche Charakter der Schutzmaßnahme dürfen durch eine solche Anpassung jedoch nicht berührt werden.
(21)
Um jede mögliche Anpassung einer Schutzmaßnahme zu erleichtern, sollte die Bescheinigung angeben, ob die in der Schutzmaßnahme angegebene Anschrift den Wohnort, den Arbeitsort oder einen Ort, den die geschützte Person regelmäßig aufsucht, darstellt. Außerdem sollte in der Bescheinigung gegebenenfalls das abgegrenzte Gebiet (ungefährer Radius um die konkrete Anschrift) angegeben werden, das für die der gefährdenden Person im Rahmen der Schutzmaßnahme auferlegte Verpflichtung gilt.
(22)
Um den freien Verkehr von Schutzmaßnahmen in der Union zu erleichtern, sollten mit dieser Verordnung ein einheitliches Muster für eine entsprechende Bescheinigung festgelegt und ein mehrsprachiges Standardformular für diesen Zweck bereitgestellt werden. Die Ausstellungsbehörde sollte die Bescheinigung auf Ersuchen der geschützten Person ausstellen.
(23)
Das mehrsprachige Standardformular der Bescheinigung sollte so wenige Freitextfelder wie möglich enthalten, so dass die Übersetzung oder Transkription in den meisten Fällen durch Verwendung des Standardformulars in der jeweiligen Sprache kostenfrei für die geschützte Person erfolgen kann. Kosten für eine Übersetzung, die über den Text des mehrsprachigen Standardformulars hinaus erforderlich ist, sind nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats zuzuweisen.
(24)
Enthält eine Bescheinigung freien Text, so sollte die zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaats darüber entscheiden, ob eine Übersetzung oder Transkription erforderlich ist. Dies sollte die geschützte Person oder die Ausstellungsbehörde im Ursprungsmitgliedstaat nicht daran hindern, aus eigener Initiative für eine Übersetzung oder Transkription zu sorgen.
(25)
Um sicherzustellen, dass die Verteidigungsrechte der gefährdenden Person auch in Fällen gewahrt werden, in denen eine Schutzmaßnahme bei Nichteinlassung auf das Verfahren oder im Rahmen eines Verfahrens angeordnet wurde, in dem die vorherige Unterrichtung der gefährdenden Person nicht vorgesehen ist (Ex-parte-Verfahren), sollte die Bescheinigung nur dann ausgestellt werden können, wenn diese Person Gelegenheit dazu hatte, Vorkehrungen für ihre Verteidigung gegen die Schutzmaßnahme zu treffen. Zur Verhinderung einer Umgehung und in Anbetracht der typischen Dringlichkeit der Fälle, in denen Schutzmaßnahmen notwendig sind, sollte es jedoch nicht erforderlich sein, dass die Frist für die Geltendmachung dieser Verteidigungsrechte abgelaufen ist, bevor eine Bescheinigung ausgestellt werden kann. Die Bescheinigung sollte ausgestellt werden, sobald die Schutzmaßnahme im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar ist.
(26)
Da in Bezug auf die Verfahren Einfachheit und Schnelligkeit angestrebt werden, sieht diese Verordnung einfache und zügige Methoden vor, um der gefährdenden Person die Verfahrensschritte zur Kenntnis zu bringen. Diese spezifischen Methoden der Unterrichtung sollten jedoch aufgrund der Besonderheit des Gegenstands dieser Verordnung nur für deren Zwecke gelten; sie sollten nicht als Präzedenzfall für andere Instrumente in Zivil- und Handelssachen gelten und sie sollten die Verpflichtungen eines Mitgliedstaats betreffend die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivilsachen im Ausland, die sich aus einem bilateralen oder multilateralen Übereinkommen zwischen diesem Mitgliedstaat und einem Drittstaat ergeben, nicht berühren.
(27)
Wenn die Bescheinigung der gefährdenden Person zur Kenntnis gebracht wird und auch bei jeglicher Anpassung der faktischen Elemente einer Schutzmaßnahme im ersuchten Mitgliedstaat, sollte das Interesse der geschützten Person an einer Geheimhaltung ihres Aufenthaltsorts und anderer Kontaktdaten gebührend berücksichtigt werden. Solche Angaben sollten der gefährdenden Person nicht mitgeteilt werden, es sei denn, eine solche Mitteilung ist für die Einhaltung oder die Vollstreckung der Schutzmaßnahme erforderlich.
(28)
Gegen die Ausstellung der Bescheinigung sollte kein Rechtsbehelf eingelegt werden können.
(29)
Die Bescheinigung sollte berichtigt werden, wenn sie aufgrund eines offensichtlichen Fehlers oder offensichtlicher Ungenauigkeiten — wie einem Tippfehler oder einem Fehler bei der Transkription oder der Abschrift — die Schutzmaßnahme nicht korrekt wiedergibt, beziehungsweise aufgehoben werden, wenn sie eindeutig zu Unrecht erteilt wurde, beispielsweise wenn sie für eine Maßnahme verwendet wurde, die nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt, oder wenn sie unter Verstoß gegen die Anforderungen an ihre Ausstellung ausgestellt wurde.
(30)
Die ausstellende Behörde im Ursprungsmitgliedstaat sollte der geschützten Person auf Ersuchen dabei behilflich sein, Informationen über die Behörden des ersuchten Mitgliedstaats zu erhalten, bei denen die Schutzmaßnahme geltend zu machen oder die Vollstreckung der Schutzmaßnahme zu beantragen ist.
(31)
Eine geordnete Rechtspflege erfordert es, dass in zwei Mitgliedstaaten keine miteinander unvereinbaren Entscheidungen ergehen sollten. Deshalb sollte diese Verordnung in Fällen der Unvereinbarkeit mit einer im ersuchten Mitgliedstaat ergangenen oder anerkannten Entscheidung die Möglichkeit der Versagung der Anerkennung oder Vollstreckung der Schutzmaßnahme vorsehen.
(32)
Aus Gründen des öffentlichen Interesses kann unter außergewöhnlichen Umständen eine Verweigerung durch das Gericht des ersuchten Mitgliedstaats, die Schutzmaßnahme anzuerkennen oder zu vollstrecken, gerechtfertigt sein, wenn deren Anwendung mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) dieses Mitgliedstaats offensichtlich unvereinbar wäre. Jedoch sollte das Gericht den Vorbehalt der öffentlichen Ordnung dann nicht zur Verweigerung der Anerkennung oder Vollstreckung einer Schutzmaßnahme anwenden dürfen, wenn dies gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und insbesondere gegen ihren Artikel 21 verstoßen würde.
(33)
Wird die Schutzmaßnahme im Ursprungsmitgliedstaat aufgehoben oder wird die Bescheinigung dort aufgehoben, so sollte auch die zuständige Stelle im ersuchten Mitgliedstaat nach Vorlage der entsprechenden Bescheinigung die Wirkung der Anerkennung und gegebenenfalls die Vollstreckung der Schutzmaßnahme aussetzen oder aufheben.
(34)
Eine geschützte Person sollte in anderen Mitgliedstaaten wirksamen Zugang zum Recht haben. Zur Gewährleistung eines solchen wirksamen Zugangs in von dieser Verordnung erfassten Verfahren ist nach Maßgabe der Richtlinie 2003/8/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen(6) Prozesskostenhilfe zu gewähren.
(35)
Um die Anwendung dieser Verordnung zu erleichtern, sollten die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, im Rahmen des mit der Entscheidung 2001/470/EG des Rates(7) eingerichteten Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen bestimmte Informationen zu ihren nationalen Vorschriften und Verfahren betreffend Schutzmaßnahmen in Zivilsachen bereitzustellen. Die von den Mitgliedstaaten bereitgestellten Informationen sollten über das europäische E-Justiz-Portal zugänglich sein.
(36)
Zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung dieser Verordnung sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse im Hinblick auf die Erstellung und spätere Änderung der in dieser Verordnung vorgesehenen Formulare übertragen werden. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren(8), ausgeübt werden.
(37)
Für den Erlass von Durchführungsrechtsakten zur Erstellung und späteren Änderung der in dieser Verordnung vorgesehenen Formulare sollte das Prüfverfahren angewandt werden.
(38)
Diese Verordnung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden. Sie sucht insbesondere die Verteidigungsrechte und das Recht auf ein faires Verfahren gemäß Artikeln 47 und 48 der Charta zu wahren. Ihre Anwendung sollte unter Beachtung dieser Rechte und Grundsätze erfolgen.
(39)
Da das Ziel der Verordnung, nämlich die Schaffung von Regeln für einen einfachen und zügigen Mechanismus zur Anerkennung von in einem Mitgliedstaat angeordneten Schutzmaßnahmen in Zivilsachen, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann und daher besser auf Unionsebene zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 EUV niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.
(40)
Gemäß Artikel 3 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls (Nr. 21) über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts haben diese Mitgliedstaaten mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten.
(41)
Gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls (Nr. 22) über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Verordnung und ist weder durch diese gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.
(42)
Der Europäische Datenschutzbeauftragte hat am 17. Oktober 2011(9), gestützt auf Artikel 41 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr(10), eine Stellungnahme abgegeben —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. C 113 vom 18.4.2012, S. 56.

(2)

Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 22. Mai 2013 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 6. Juni 2013.

(3)

ABl. L 315 vom 14.11.2012, S. 57.

(4)

ABl. L 338 vom 21.12.2011, S. 2.

(5)

ABl. L 338 vom 23.12.2003, S. 1.

(6)

ABl. L 26 vom 31.1.2003, S. 41.

(7)

ABl. L 174 vom 27.6.2001, S. 25.

(8)

ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13.

(9)

ABl. C 35 vom 9.2.2012, S. 10.

(10)

ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1.

© Europäische Union 1998-2021

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