Präambel VO (EU) 2014/316

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung Nr. 19/65/EWG des Rates vom 2. März 1965 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrags auf Gruppen von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen(1), insbesondere auf Artikel 1,

nach Veröffentlichung des Entwurfs dieser Verordnung,

nach Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Nach der Verordnung Nr. 19/65/EWG ist die Kommission ermächtigt, Artikel 101 Absatz 3 AEUV durch Verordnung auf bestimmte unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallende Gruppen von Technologietransfer-Vereinbarungen und entsprechende aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen für anwendbar zu erklären, an denen nur zwei Unternehmen beteiligt sind.
(2)
Auf der Grundlage der Verordnung Nr. 19/65/EWG hat die Kommission insbesondere die Verordnung (EG) Nr. 772/2004(2) erlassen. In der Verordnung (EG) Nr. 772/2004 sind die Gruppen von Technologietransfer-Vereinbarungen festgelegt, die nach Auffassung der Kommission in der Regel die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllen. Angesichts der insgesamt positiven Erfahrungen mit der Anwendung dieser Verordnung, die am 30. April 2014 außer Kraft tritt, und der seit ihrem Erlass gesammelten Erfahrungen sollte eine neue Gruppenfreistellungsverordnung erlassen werden.
(3)
Diese Verordnung sollte sowohl den Wettbewerb wirksam schützen als auch den Unternehmen angemessene Rechtssicherheit bieten. Bei der Verfolgung dieser beiden Ziele ist darauf zu achten, dass die behördliche Kontrolle und der rechtliche Rahmen so weit wie möglich vereinfacht werden.
(4)
Gegenstand einer Technologietransfer-Vereinbarung ist die Vergabe von Technologierechten in Form einer Lizenz. Solche Vereinbarungen steigern in der Regel die Effizienz in der Wirtschaft und fördern den Wettbewerb, da sie den parallelen Forschungs- und Entwicklungsaufwand reduzieren, den Anreiz zur Aufnahme von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten stärken, Anschlussinnovationen fördern, die Verbreitung der Technologie erleichtern und den Wettbewerb auf den Produktmärkten beleben können.
(5)
Die Wahrscheinlichkeit, dass die effizienzsteigernden und wettbewerbsfördernden Wirkungen die wettbewerbsschädigenden Wirkungen überwiegen, die von Beschränkungen in Technologietransfer-Vereinbarungen verursacht werden, hängt von der Marktmacht der beteiligten Unternehmen und somit von dem Ausmaß ab, in dem diese Unternehmen dem Wettbewerb anderer Unternehmen ausgesetzt sind, die über Ersatztechnologien verfügen oder Ersatzprodukte herstellen.
(6)
Diese Verordnung sollte nur für Technologietransfer-Vereinbarungen zwischen einem Lizenzgeber und einem Lizenznehmer gelten. Sie sollte für solche Vereinbarungen auch dann gelten, wenn sie Bedingungen für mehr als eine Handelsstufe enthalten, beispielsweise wenn der Lizenznehmer verpflichtet wird, ein spezielles Vertriebssystem zu errichten, und wenn ihm vorgegeben wird, welche Verpflichtungen er den Wiederverkäufern der in Lizenz hergestellten Produkte auferlegen muss oder kann. Diese Beschränkungen und Verpflichtungen sollten jedoch mit den für Liefer- und Vertriebsvereinbarungen geltenden Wettbewerbsregeln der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission(3) vereinbar sein. Liefer- und Vertriebsvereinbarungen zwischen einem Lizenznehmer und Kunden, die seine Vertragsprodukte kaufen, sollten von dieser Verordnung nicht freigestellt sein.
(7)
Diese Verordnung sollte nur für Vereinbarungen gelten, mit denen der Lizenzgeber dem Lizenznehmer und/oder einem oder mehreren seiner Zulieferer(n) erlaubt, die lizenzierten Technologierechte — gegebenenfalls nach weiteren Forschungs- und Entwicklungsarbeiten des Lizenznehmers und/oder seines Zulieferers bzw. seiner Zulieferer — zur Produktion von Waren oder Dienstleistungen zu nutzen. Sie sollte nicht gelten für die Lizenzvergabe im Zusammenhang mit Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen, die unter die Verordnung (EU) Nr. 1217/2010 der Kommission(4) fallen, und die Lizenzvergabe im Zusammenhang mit Spezialisierungsvereinbarungen, die unter die Verordnung (EU) Nr. 1218/2010 der Kommission(5) fallen. Ebenfalls nicht gelten sollte sie für Vereinbarungen zur reinen Vervielfältigung und zum reinen Vertrieb urheberrechtlich geschützter Softwareprodukte, da derartige Vereinbarungen nicht die Vergabe von Technologielizenzen zu Produktionszwecken zum Gegenstand haben, sondern eher mit Vertriebsvereinbarungen vergleichbar sind. Ferner sollte die Verordnung weder für Vereinbarungen zur Errichtung von Technologiepools, das heißt Vereinbarungen über die Zusammenführung von Technologien mit dem Ziel, diese Dritten zur Nutzung anzubieten, noch für Vereinbarungen gelten, in deren Rahmen diesen Dritten Lizenzen für die zusammengeführten Technologien erteilt werden.
(8)
Für die Anwendung des Artikels 101 Absatz 3 AEUV durch Verordnung ist es nicht erforderlich, diejenigen Technologietransfer-Vereinbarungen zu bestimmen, die unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen könnten. Bei der individuellen Beurteilung von Vereinbarungen nach Artikel 101 Absatz 1 sind mehrere Faktoren zu berücksichtigen, insbesondere die Struktur und Dynamik der relevanten Technologie- und Produktmärkte.
(9)
Die in dieser Verordnung geregelte Gruppenfreistellung sollte nur für Vereinbarungen gelten, von denen mit hinreichender Sicherheit angenommen werden kann, dass sie die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllen. Damit die Vorteile des Technologietransfers genutzt und die damit verbundenen Ziele erreicht werden können, sollte diese Verordnung nicht nur für den Technologietransfer als solchen, sondern auch für andere in Technologietransfer-Vereinbarungen enthaltene Bestimmungen gelten, soweit diese Bestimmungen unmittelbar mit der Produktion oder dem Verkauf von Vertragsprodukten verbunden sind.
(10)
Bei Technologietransfer-Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern kann davon ausgegangen werden, dass sie im Allgemeinen zu einer Verbesserung der Produktion oder des Vertriebs und zu einer angemessenen Beteiligung der Verbraucher an den daraus resultierenden Vorteilen führen, wenn der gemeinsame Marktanteil der beteiligten Unternehmen auf den relevanten Märkten 20 % nicht überschreitet und die Vereinbarungen keine stark wettbewerbsschädigenden Beschränkungen enthalten.
(11)
Bei Technologietransfer-Vereinbarungen zwischen Nicht-Wettbewerbern kann davon ausgegangen werden, dass sie im Allgemeinen zu einer Verbesserung der Produktion oder des Vertriebs und zu einer angemessenen Beteiligung der Verbraucher an den daraus resultierenden Vorteilen führen, wenn der individuelle Marktanteil der beteiligten Unternehmen auf den relevanten Märkten 30 % nicht überschreitet und die Vereinbarungen keine stark wettbewerbsschädigenden Beschränkungen enthalten.
(12)
Wird die anwendbare Marktanteilsschwelle auf einem oder mehreren Produkt- oder Technologiemärkten überschritten, so sollte die Gruppenfreistellung für die Vereinbarung in Bezug auf die betreffenden relevanten Märkte nicht gelten.
(13)
Bei Technologietransfer-Vereinbarungen oberhalb dieser Marktanteilsschwellen kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass sie unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen. Eine Vereinbarung zwischen nichtkonkurrierenden Unternehmen über die Vergabe einer Exklusivlizenz fällt beispielsweise häufig nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV. Auch bei unter Artikel 101 Absatz 1 fallenden Technologietransfer-Vereinbarungen oberhalb dieser Marktanteilsschwellen kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass sie die Freistellungsvoraussetzungen nicht erfüllen. Ebenso wenig kann jedoch angenommen werden, dass sie in der Regel objektive Vorteile mit sich bringen, die nach Art und Umfang geeignet sind, die durch sie verursachten Wettbewerbsbeeinträchtigungen auszugleichen.
(14)
Diese Verordnung sollte keine Technologietransfer-Vereinbarungen freistellen, die Beschränkungen enthalten, die für die Verbesserung der Produktion oder des Vertriebs nicht unerlässlich sind. Insbesondere Technologietransfer-Vereinbarungen, die stark wettbewerbsschädigende Beschränkungen enthalten, wie die Festsetzung von Preisen gegenüber Dritten, sollten ungeachtet des Marktanteils der beteiligten Unternehmen von dem Vorteil der Gruppenfreistellung nach dieser Verordnung ausgenommen werden. Bei diesen sogenannten Kernbeschränkungen sollte die gesamte Vereinbarung vom Vorteil der Gruppenfreistellung ausgeschlossen werden.
(15)
Um Innovationsanreize zu wahren und eine angemessene Anwendung der Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen, sollten bestimmte Beschränkungen von der Gruppenfreistellung ausgenommen werden. Dies gilt vor allem für bestimmte Rücklizenz-Verpflichtungen und Nichtangriffsklauseln. Sind solche Beschränkungen in einer Lizenzvereinbarung enthalten, so sollte nur die betreffende Beschränkung vom Vorteil der Gruppenfreistellung ausgeschlossen werden.
(16)
Die Marktanteilsschwellen und der Ausschluss von der Gruppenfreistellung von Technologietransfer-Vereinbarungen welche stark wettbewerbsschädigende Beschränkungen und nichtfreigestellte Beschränkungen, die in dieser Verordnung vorgesehen sind, enthalten, dürften im Allgemeinen sicherstellen, dass Vereinbarungen, auf die die Gruppenfreistellung Anwendung findet, den beteiligten Unternehmen nicht die Möglichkeit eröffnen, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Produkte den Wettbewerb auszuschalten.
(17)
Nach Artikel 29 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates(6) kann die Kommission den mit dieser Verordnung verbundenen Rechtsvorteil entziehen, wenn sie in einem bestimmten Fall feststellt, dass eine nach dieser Verordnung freigestellte Vereinbarung gleichwohl Wirkungen hat, die mit Artikel 101 Absatz 3 AEUV unvereinbar sind. Dies kann unter anderem dann der Fall sein, wenn Innovationsanreize eingeschränkt werden oder der Marktzugang erschwert wird.
(18)
Die Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats kann nach Artikel 29 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 den Rechtsvorteil der vorliegenden Verordnung für das Gebiet oder ein Teilgebiet des jeweiligen Mitgliedstaats entziehen, wenn sie in einem bestimmten Fall feststellt, dass eine unter die Freistellung nach dieser Verordnung fallende Vereinbarung im Gebiet oder in einem Teilgebiet des Mitgliedstaats, das alle Merkmale eines gesonderten räumlichen Marktes aufweist, Wirkungen hat, die mit Artikel 101 Absatz 3 AEUV unvereinbar sind.
(19)
Im Hinblick auf die Verstärkung der Überwachung paralleler Netze von Technologietransfer-Vereinbarungen, die gleichartige wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen haben und mehr als 50 % eines Marktes abdecken, kann die Kommission durch Verordnung erklären, dass die vorliegende Verordnung auf Technologietransfer-Vereinbarungen, die bestimmte auf den betroffenen Markt bezogene Beschränkungen enthalten, keine Anwendung findet, und dadurch die volle Anwendbarkeit des Artikels 101 AEUV auf diese Vereinbarungen wiederherstellen —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. 36 vom 6.3.1965, S. 533/65.

(2)

Verordnung (EG) Nr. 772/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag auf Gruppen von Technologietransfer-Vereinbarungen (ABl. L 123 vom 27.4.2004, S. 11).

(3)

Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20. April 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen (ABl. L 102 vom 23.4.2010, S. 1).

(4)

Verordnung (EU) Nr. 1217/2010 der Kommission vom 14. Dezember 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung (ABl. L 335 vom 18.12.2010, S. 36).

(5)

Verordnung (EU) Nr. 1218/2010 der Kommission vom 14. Dezember 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf bestimmte Gruppen von Spezialisierungsvereinbarungen (ABl. L 335 vom 18.12.2010, S. 43).

(6)

Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. L 1 vom 4.1.2003, S. 1).

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