Präambel VO (EU) 2014/661

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 175 Absatz 3 und Artikel 212 Absatz 2,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs eines Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen(2),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Mit der Verordnung (EG) Nr. 2012/2002 des Rates(4) wurde der Solidaritätsfonds der Europäischen Union (im Folgenden „Fonds” ) eingerichtet.
(2)
Es ist wichtig, dass die Union über ein solides und flexibles Instrument verfügt, damit sie Solidarität zeigen, ein klares politisches Signal aussenden und echte Hilfe für Bürger leisten kann, die von Naturkatastrophen größeren Ausmaßes mit schwerwiegenden Auswirkungen für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung betroffen sind.
(3)
Die Union sollte in ihrer erklärten Absicht, die Bewerberländer auf dem Weg hin zu Stabilität und nachhaltiger wirtschaftlicher und politischer Entwicklung durch eine klare europäische Perspektive zu unterstützen, keine Rückschläge durch die nachteiligen Auswirkungen von Naturkatastrophen größeren Ausmaßes erfahren. Die Union sollte sich daher auch weiterhin mit den Drittländern, die mit ihr Beitrittsverhandlungen führen und mit denen eine Regierungskonferenz über den Beitritt eröffnet wurde, solidarisch zeigen. Für die Einbeziehung dieser Länder in den Anwendungsbereich dieser Verordnung ist daher der Rückgriff auf Artikel 212 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) als zusätzliche Rechtsgrundlage erforderlich.
(4)
Die Kommission sollte in der Lage sein, eine schnelle Entscheidung dahingehend zu treffen, spezifische Finanzmittel bereitzustellen und sie so schnell wie möglich einzusetzen. Verwaltungsverfahren sollten entsprechend angepasst und auf das erforderliche Mindestmaß beschränkt werden. Zu diesem Zweck haben das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission die Interinstitutionelle Vereinbarung vom 2. Dezember 2013 über die Haushaltsdisziplin, die Zusammenarbeit im Haushaltsbereich und die wirtschaftliche Haushaltsführung(5) geschlossen.
(5)
Terminologie und Verfahren der Verordnung (EG) Nr. 2012/2002 sollten an die Bestimmungen der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates(6) angeglichen werden.
(6)
Die Definition einer Naturkatastrophe, die den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 2012/2002 festlegt, sollte eindeutig sein.
(7)
Schäden infolge anderer Arten von Katastrophen, die als Kettenreaktion direkt aufgrund einer Naturkatastrophe eingetreten sind, sollten für die Zwecke der Verordnung (EG) Nr. 2012/2002 als Teil des direkten Schadens infolge der Naturkatastrophe gelten.
(8)
Um die etablierte Praxis festzuschreiben und die Gleichbehandlung der Anträge zu gewährleisten, sollten Finanzbeiträge aus dem Fonds ausschließlich für den direkten Schaden gewährt werden.
(9)
Eine Naturkatastrophe größeren Ausmaßes im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 2012/2002 sollte des Weiteren als Katastrophe definiert werden, die direkten Schaden verursacht hat, der über einen finanztechnisch angegebenen Schwellenwert hinausgeht. Ein solcher Schaden sollte in den Preisen eines Bezugsjahres oder als Prozentsatz des Bruttonationaleinkommens (BNE) des betroffenen Staates angegeben werden.
(10)
Um die spezifischen Charakteristika von Naturkatastrophen, die zwar schwerwiegende Auswirkungen für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der betroffenen Regionen haben, aber nicht die festgesetzten Schwellenwerte für einen Finanzbeitrag aus dem Fonds erreichen, besser zu berücksichtigen, sollten Kriterien in Bezug auf regionale Naturkatastrophen festgelegt werden, die auf dem Schaden basieren, der anhand des regionalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) berechnet werden kann; dabei rechtfertigt die durch besondere Faktoren verstärkte strukturbedingte soziale und wirtschaftliche Lage von Guadeloupe, Französisch-Guayana, Martinique, Réunion, Mayotte, Saint-Martin, den Azoren, Madeira und den Kanarischen Inseln als Gebiete in äußerster Randlage im Sinne des Artikels 349 AEUV die Festlegung einer abweichenden besonderen Schwelle von 1 % des BIP für diese Gebiete. Diese Kriterien sollten klar und einfach vorgegeben werden, um möglichst zu vermeiden, dass Anträge eingereicht werden, die die Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 2012/2002 nicht erfüllen.
(11)
Mit Blick auf die Gleichbehandlung der Anträge sollten bei der Festlegung des direkten Schadens von Eurostat bereitgestellte Daten in harmonisiertem Format herangezogen werden.
(12)
Die Fondsmittel sollten in den Wiederaufbau der Infrastruktur, die Säuberung der von der Katastrophe betroffenen Gebiete und die Kosten der Rettungsdienste und Notunterkünfte für die Bevölkerung während des gesamten Durchführungszeitraums fließen. Die Bedeutung von „Wiederaufbau der Infrastruktur” sollte definiert werden, und es sollte geklärt werden, inwieweit der Fonds einen Beitrag zu den entsprechenden Kosten leisten kann. Es sollte ebenfalls festgelegt werden, für welchen Zeitraum die Unterbringung von durch eine Naturkatastrophe obdachlos gewordenen Personen als vorübergehend im Sinne einer Notunterkunft angesehen werden kann.
(13)
Die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 2012/2002 sollten in Bezug auf die Mehrwertsteuer an die allgemeine Finanzierungspolitik der Union angepasst werden.
(14)
Ferner sollte spezifiziert werden, inwieweit förderfähige Maßnahmen Ausgaben für technische Hilfe enthalten können.
(15)
Um einen Nettogewinn für die Empfängerstaaten infolge von Interventionen über den Fonds auszuschließen, sollte klar vorgegeben werden, unter welchen Bedingungen aus dem Fonds finanzierte Maßnahmen Einnahmen schaffen können.
(16)
Bestimmte Arten von Naturkatastrophen, z. B. unter anderem Dürren, entstehen über einen längeren Zeitraum hinweg, bevor ihre Auswirkungen zum Tragen kommen. Es sollten Bestimmungen festgelegt werden, um auch in diesen Fällen die Nutzung des Fonds zu ermöglichen.
(17)
Es ist wichtig, zu gewährleisten, dass förderfähige Staaten die erforderlichen Anstrengungen unternehmen, um Naturkatastrophen zu verhindern und ihre Auswirkungen abzumildern, unter anderem durch die umfassende Umsetzung der relevanten Rechtsvorschriften der Union zu Katastrophenprävention und -management und den Einsatz der zur Verfügung stehenden Finanzmittel der Union für entsprechende Investitionen. Es sollten daher Bestimmungen festgelegt werden, die es ermöglichen, dass die durch ein endgültiges Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union festgestellte mangelnde Umsetzung der entsprechenden Rechtsvorschriften der Union zu Katastrophenprävention und -management durch einen Mitgliedstaat, der bereits in der Vergangenheit wegen einer Naturkatastrophe einen Finanzbeitrag aus dem Fonds erhalten hat, zu einer Ablehnung des Antrags bzw. Kürzung des Finanzbeitrags führt, falls in Bezug auf eine Naturkatastrophe derselben Art nochmals ein Antrag gestellt wird.
(18)
Unter Umständen benötigen die Mitgliedstaaten im Fall einer Naturkatastrophe die finanzielle Unterstützung schneller, als dies nach dem üblichen Verfahren möglich ist. Deshalb sollte die Möglichkeit geschaffen werden, auf Antrag des betroffenen Mitgliedstaats eine Vorschusszahlung zu leisten, kurz nachdem bei der Kommission ein Finanzbeitrag aus dem Fonds beantragt wurde. Diese Vorschusszahlung sollte einen bestimmten Höchstbetrag nicht übersteigen und bei der Auszahlung des endgültigen Finanzbeitrags verrechnet werden. Rechtsgrundlos gezahlte Vorschüsse sollten von dem Mitgliedstaat innerhalb einer festgelegten kurzen Frist zurückgezahlt werden. Das Leisten einer Vorschusszahlung sollte das Ergebnis der endgültigen Entscheidung über den Einsatz des Fonds nicht vorwegnehmen.
(19)
Die Verwaltungsverfahren für die Auszahlung eines Finanzbeitrags sollten möglichst einfach und zeiteffizient gestaltet sein. Detaillierte Bestimmungen zur Verwendung des Finanzbeitrags aus dem Fonds für die Mitgliedstaaten sollten daher in den Durchführungsrechtsakten zur Gewährung dieses Finanzbeitrags enthalten sein. Im Fall von Empfängerstaaten, die noch keine Mitgliedstaaten sind, sollten dagegen aus rechtlichen Gründen weiterhin separate Durchführungsvereinbarungen geschlossen werden.
(20)
Die Kommission sollte als Hilfe für die Mitgliedstaaten Leitlinien für den effizienten Zugang zu dem Fonds und die effiziente Nutzung des Fonds sowie dazu verfassen, wie am einfachsten Hilfe aus dem Fonds beantragt werden kann.
(21)
Mit der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 wurden Veränderungen bei der geteilten und indirekten Mittelverwaltung vorgenommen, einschließlich spezifischer Anforderungen an die Berichterstattung; diese sollten berücksichtigt werden. Die Berichterstattungspflichten sollten die kurze Durchführungszeit der Fondsmaßnahmen widerspiegeln. Die Verfahren für die Benennung der für die Verwaltung und Kontrolle der Unionsmittel zuständigen Stellen sollten der Art des Instruments gerecht werden und die Auszahlung des Finanzbeitrags aus dem Fonds nicht verzögern. Daher ist es erforderlich, dass von der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 abgewichen wird.
(22)
Es sollten Bestimmungen zur Vermeidung von Doppelfinanzierungen von aus dem Fonds finanzierten Maßnahmen durch andere Finanzinstrumente der Union oder internationale Rechtsinstrumente im Zusammenhang mit Entschädigungszahlungen bei spezifischen Schäden festgelegt werden.
(23)
Das Erklären der Ausgaben, die die Staaten aus einem Finanzbeitrag aus dem Fonds bestritten haben, sollte möglichst einfach gemacht werden. Daher sollte für Staaten, die nicht dem Euro-Währungsgebiet angehören, ein Einheitswechselkurs für die gesamte Ausführung des Finanzbeitrags gelten.
(24)
Um einheitliche Bedingungen für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 2012/2002 zu gewährleisten, sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse zu Beschlüssen über bestimmte Finanzbeiträge oder gegebenenfalls Vorschusszahlung aus dem Fonds an förderfähige Staaten übertragen werden.
(25)
Die Bestimmungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2012/2002 zum Schutz der finanziellen Interessen der Union sollten genauer gefasst werden, damit die Maßnahmen zur Prävention, Aufdeckung und Untersuchung von Unregelmäßigkeiten sowie zur Wiedereinziehung entgangener, zu Unrecht gezahlter oder falsch verwendeter Finanzmittel deutlich dargelegt werden.
(26)
Da die Ziele dieser Verordnung — nämlich die Gewährleistung unionsweiter Solidaritätsaktionen zur Unterstützung von Naturkatastrophen betroffenen Staaten — von den Mitgliedstaaten ad hoc nicht ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr aufgrund der Anwendung einer systematischen, regelmäßigen und fairen Methode zur Gewährung der finanziellen Unterstützung, die alle Mitgliedstaaten je nach ihrer Leistungsfähigkeit einbindet, auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.
(27)
Die Verordnung (EG) Nr. 2012/2002 sollte daher entsprechend geändert werden —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

Stellungnahme vom 10. Dezember 2013 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht)

(2)

Stellungnahme vom 28. November 2013 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(3)

Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 16. April 2014 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates 6. Mai 2014.

(4)

Verordnung (EG) Nr. 2012/2002 des Rates vom 11. November 2002 zur Errichtung des Solidaritätsfonds der Europäischen Union (ABl. L 311 vom 14.11.2002, S. 3).

(5)

Interinstitutionelle Vereinbarung vom 2. Dezember 2013 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission über die Haushaltsdisziplin, die Zusammenarbeit im Haushaltsbereich und die wirtschaftliche Haushaltsführung (ABl. C 373 vom 20.12.2013, S. 1).

(6)

Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 (ABl. L 298 vom 26.10.2012, S. 1).

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