Präambel VO (EU) 2015/282

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission(1), insbesondere auf Artikel 13 Absatz 2,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
In Artikel 13 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 ist festgelegt, dass die aufgrund der Verordnung erforderlichen Prüfmethoden zur Gewinnung von Informationen über inhärente Stoffeigenschaften regelmäßig zu überprüfen und zu verbessern sind, um die Zahl der Tierversuche und beteiligten Wirbeltiere zu senken. Bei der Ausarbeitung der Prüfmethoden sind die in der Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates(2) verankerten Grundsätze zu berücksichtigen, nach denen die Verwendung von Tieren bei Verfahren ersetzt, verringert und verfeinert werden soll, insbesondere, wenn geeignete validierte Verfahren zur Verfügung stehen, mit denen Tierversuche ersetzt, verringert oder verfeinert werden können. Nach dieser Überprüfung sind die Verordnung (EG) Nr. 440/2008(3) und die Anhänge der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 gegebenenfalls zu ändern, um Tierversuche zu ersetzen, zu verringern oder verfeinern.
(2)
Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 ist zur Ermittlung der Reproduktionstoxizität chemischer Stoffe eine Zweigenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität durchzuführen, um die Standarddatenanforderungen von Abschnitt 8.7.3 der Anhänge IX und X der Verordnung zu erfüllen. Ferner ergibt sich aus Anhang VIII Spalte 2 Abschnitt 8.7.1 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006, dass die Zweigenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität eine Möglichkeit zur Bewertung von Fällen darstellt, bei denen ernste Bedenken hinsichtlich des Potenzials für schädigende Wirkungen im Hinblick auf Fruchtbarkeit oder Entwicklung bestehen.
(3)
Die erweiterte Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität(4) (EOGRTS) ist ein neues Prüfverfahren, das zur Bewertung der Reproduktionstoxizität chemischer Stoffe entwickelt wurde. Dieses Prüfverfahren wurde im Juli 2011 von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angenommen. Die EOGRTS ist ein modulares Prüfverfahren, wobei die Züchtung und Bewertung einer zweiten Filialgeneration (F2) und die Prüfung auf Entwicklungsneurotoxizität (DNT) und Entwicklungsimmunotoxizität (DIT) eigene und unabhängige Module darstellen.
(4)
Die EOGRTS hat gegenüber der Zweigenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität eine Reihe von Vorteilen. Da eine größere Zahl von Tieren aus der ersten Filialgeneration (F1) bewertet und zusätzliche Parameter berücksichtigt werden, ergeben sich eine höhere Sensitivität und ein besserer Informationsgehalt der Prüfung. Da außerdem die Züchtung der F2-Generation nicht Teil der Basiskonfiguration der Prüfung ist, werden deutlich weniger Tiere benötigt, wenn diese Konfiguration verwendet wird.
(5)
Die EOGRTS wurde durch die Verordnung (EU) Nr. 900/2014 der Kommission(5) in die Verordnung (EG) Nr. 440/2008 aufgenommen. Die Anhänge IX und X der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 sollten geändert werden, um festzulegen, wie die neue Prüfmethode für die Zwecke der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 zu verwenden ist. Zu diesem Zweck wurde 2011 eine Untergruppe der Expertengruppe der Kommission eingesetzt, in der die für die REACH-Verordnung und die Verordnung über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen zuständigen Behörden vertreten sind (die Expertengruppe). Nach den wissenschaftlichen Empfehlungen dieser Expertengruppe sollte der EOGRTS als Prüfmethode der Vorzug vor der Zweigenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität gegeben werden, um die in Spalte 1 des Abschnitts 8.7.3 der Anhänge IX und X der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 festgelegten Standarddatenanforderungen einzuhalten.
(6)
Die Standarddatenanforderungen laut den Anhängen IX und X der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 sollten sich auf die Basiskonfiguration der EOGRTS beschränken. In bestimmten und gerechtfertigten Fällen sollten jedoch der Registrant vorschlagen und die Europäische Agentur für chemische Stoffe (ECHA) verlangen können, dass die Prüfung auch die F2-Generation sowie die DNT- und DIT-Kohorten umfasst.
(7)
Es sollte sichergestellt werden, dass die Prüfung auf Reproduktionstoxizität gemäß Abschnitt 8.7.3 der Anhänge IX und X der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 eine angemessene Bewertung der möglichen Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit gestattet. Die Expositionsdauer vor der Paarung und die Dosis sollten so gewählt werden, dass die nach der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 und der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates(6) geltenden Anforderungen für die Risikobewertung sowie für Einstufung und Kennzeichnung erfüllt werden.
(8)
In Anbetracht der Tatsache, dass die noch bestehenden wissenschaftlichen Vorbehalte hinsichtlich des Werts der F2-Generation auf der Grundlage empirischer Daten geklärt und Stoffe mit dem potenziell höchsten Risiko für Verbraucher und professionelle Verwender auf der Grundlage eines konservativen Ansatzes bewertet werden sollten, sollte die Erzeugung und Bewertung der F2-Generation für bestimmte Stoffe auf Einzelfallbasis veranlasst werden. Die Expertengruppe empfahl einen expositionsbasierten Trigger für die relevanten Abschnitte der Anhänge IX und X der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 in Verbindung mit bei Verbrauchern und professionellen Verwendern zu Expositionen führenden Verwendungen. Weitere Kriterien auf der Grundlage des Nachweises, dass ein Stoff aufgrund der verfügbaren Toxizitäts- und toxikokinetischen Daten als bedenklich anzusehen ist, sollten einbezogen werden, um die Auswahl der Stoffe, für die die F2-Generation produziert und geprüft werden sollte, weiter zu optimieren.
(9)
Entwicklungsneurotoxizität und Entwicklungsimmunotoxizität gelten als wichtige und relevante Endpunkte der Entwicklungstoxizität, die weiter untersucht werden könnten. Eine Analyse der DNT- und DIT-Kohorten verursacht jedoch für die Prüflaboratorien erhebliche zusätzliche Kosten sowie technische und praktische Probleme. Es wird daher als angemessen erachtet, die Analyse der DNT- und DIT-Kohorten bzw. nur einer von ihnen von spezifischen durch Bedenken motivierten wissenschaftlichen Triggern abhängig zu machen. Es sollten spezifische Vorschriften für die Anpassung der Datenanforderungen in Abschnitt 8.7.3 der Anhänge IX und X der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 in Bezug auf die Veranlassung der Immunotoxizitäts- und der Neurotoxizitätsprüfung eingeführt werden. In Fällen, in denen die verfügbaren Daten über einen Stoff Anlass zu konkreten Bedenken hinsichtlich Neurotoxizität oder Immunotoxizität geben, sollte es möglich sein, die DNT- und die DIT-Kohorten bzw. nur eine von beiden je nach Bedarf einzubeziehen. Diese Bedenken könnten sich aufgrund vorhandener Daten aus In-vivo-Prüfungen oder Verfahren ohne Tierversuche, aufgrund der Kenntnis der relevanten Mechanismen/Wirkungsweisen des Stoffes selbst oder aufgrund vorhandener Daten über strukturell verwandte Stoffe ergeben. Wenn solche konkreten Bedenken begründet sind, sollte der Registrant daher verpflichtet sein, die Durchführung der DNT- und der DIT-Kohortenstudien bzw. nur einer von beiden vorzuschlagen, und die ECHA sollte diese verlangen können.
(10)
In Abschnitt 8.7.3 des Anhangs IX der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 wird die Durchführung einer Prüfung der Reproduktionstoxizität nur dann vorgeschrieben, wenn Bedenken aufgrund zuvor festgestellter schädigender Wirkungen auf Reproduktionsorgane oder -gewebe bestehen. In diesem Abschnitt wird festgelegt, dass nur die Ergebnisse der 28-Tage- oder der 90-Tage-Prüfung der Toxizität bei wiederholter Aufnahme die Quelle für solche Informationen sein können. Da auch Screeningtests auf Reproduktionstoxizität wie die OECD-Testrichtlinien 421 oder 422, oder andere Tests mit wiederholter Verabreichung der Dosis Hinweise auf schädigende Wirkungen in Bezug auf die relevanten Reproduktionsparameter liefern können, was die Notwendigkeit der anschließenden Durchführung einer EOGRTS begründen kann, sollte Spalte 1 von Abschnitt 8.7.3 geändert werden, um die Berücksichtigung solcher zusätzlichen Studien zu ermöglichen.
(11)
Um eine unverhältnismäßige Belastung der Wirtschaftsakteure zu vermeiden, die die Prüfungen vielleicht bereits durchgeführt haben oder sich Ergebnisse von Zweigenerationen-Prüfungen auf Reproduktionstoxizität verschafft haben, sowie im Interesse des Tierschutzes sollten die qualifizierten Zusammenfassungen der Studien, die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung begonnen wurden, als geeignet angesehen werden, um die Standarddatenanforderungen von Abschnitt 8.7.3 der Anhänge IX und X der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 zu erfüllen.
(12)
Aus Gründen der Kohärenz sollte Abschnitt 8.7.1 Spalte 2 des Anhangs VIII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 angepasst werden, um den Querverweis auf die gemäß Abschnitt 8.7.3 des Anhangs IX der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 erforderliche Prüfung von Zweigenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität durch die EOGRTS zu ersetzen.
(13)
Die ECHA sollte in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und den interessierten Kreisen weitere Leitliniendokumente zur Anwendung der EOGRTS für die Zwecke der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 entwickeln, unter anderem auch zur Anwendung der Kriterien für F2 und DNT-/DIT-Kohorten. Die ECHA sollte dabei die Arbeiten im Rahmen der OECD sowie in anderen relevanten wissenschaftlichen Gremien und Expertengruppen einbeziehen. Außerdem sollte die ECHA bei der Festlegung der Fristen für die Vorlage von Dossieraktualisierungen zur Übermittlung von Ergebnissen der EOGRTS die Verfügbarkeit dieses Prüfverfahrens am Markt berücksichtigen.
(14)
Die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 ist daher entsprechend zu ändern.
(15)
Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen stehen im Einklang mit der Stellungnahme des gemäß Artikel 133 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 eingesetzten Ausschusses —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 396 vom 30.12.2006, S. 1.

(2)

Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (ABl. L 276 vom 20.10.2010, S. 33).

(3)

Verordnung (EG) Nr. 440/2008 des Rates vom 30. Mai 2008 zur Festlegung von Prüfmethoden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) (ABl. L 142 vom 31.5.2008, S. 1).

(4)

OECD-Testrichtlinie 443.

(5)

Verordnung (EU) Nr. 900/2014 der Kommission vom 15. Juli 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 440/2008 zur Festlegung von Prüfmethoden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) zwecks Anpassung an den technischen Fortschritt (ABl. L 247 vom 21.8.2014, S. 1).

(6)

Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1).

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