ANHANG XI VO (EU) 2015/68

Anforderungen und Prüfverfahren für Bremsanlage mit Antiblockiervorrichtung (ABV) und damit ausgerüstete Fahrzeuge

1.
Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Anhangs gelten folgende Begriffsbestimmungen:
1.1.
Eine „integrierte Dauerbremsanlage” ist eine Dauerbremsanlage, deren Betätigungseinrichtung mit der der Betriebsbremsanlage so vereinigt ist, dass beide gleichzeitig oder auf geeignete Weise zeitlich abgestimmt durch die Betätigung der kombinierten Betätigungseinrichtung betätigt werden.
1.2.
Der „Sensor” ist das Teil, das die Drehbewegung des Rades (der Räder) oder die dynamischen Zustände des Fahrzeuges erfasst und an das Auswerteglied weiterleitet.
1.3.
Das „Auswerteglied” ist das Teil, das dazu bestimmt ist, die von dem (den) Sensor(en) übermittelten Daten auszuwerten und ein Signal an das Stellglied weiterzugeben.
1.4.
Das „Stellglied” ist das Teil, das die Bremskraft (-kräfte) in Übereinstimmung mit dem vom Auswerteglied erhaltenen Signal verändert.
1.5.
Ein „indirekt geregeltes Rad” ist ein Rad, dessen Bremskraft in Übereinstimmung mit den Daten geregelt wird, die von dem Sensor eines anderen Rades bzw. den Sensoren anderer Räder geliefert werden.
1.6.
„Volle Regelung” bedeutet, dass die ABV-Bremsanlage die Bremskraft ständig regelt, damit die direkt geregelten Räder nicht blockieren; Bremsungen, bei denen die Regelung nur einmal während eines Abbremsvorgangs bis zum Stillstand erfolgt, entsprechen nicht dieser Begriffsbestimmung.
1.7.
„Volle Betätigungskraft” ist die in den Bremsprüfungen und für die Wirkung der Bremsanlagen vorgeschriebene maximale Betätigungskraft gemäß dieser Verordnung.
Bei ABV-Bremsanlagen mit Select-high-Regelung wird davon ausgegangen, dass diese sowohl direkt als auch indirekt geregelte Räder haben; bei Anlagen mit Select-low-Regelung gelten alle Räder mit Sensoren als direkt geregelte Räder.

2.
Allgemeines

2.1. In diesem Anhang ist die für landwirtschaftliche Fahrzeuge mit ABV-Bremsanlagen erforderliche Bremswirkung festgelegt. In diesem Anhang wird, sofern nicht ausdrücklich anders vermerkt, davon ausgegangen, dass die bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit, für die diese Anforderungen gelten, nur bei Vorwärtsfahrt erreicht wird.

2.2. Die gegenwärtig bekannten ABV-Bremsanlagen umfassen einen oder mehrere Sensoren, Auswerteglieder und Stellglieder. Jede mögliche zukünftige Einrichtung anderer Bauart oder jede ABV, die in ein anderes System integriert ist, gilt als ABV-Bremsanlage im Sinne dieses Anhangs, wenn ihre Wirkung der in diesem Anhang vorgeschriebenen gleichwertig ist.

2.3. Abweichungen von den vorgeschriebenen Prüfverfahren sind zulässig, wenn Prüfbedingungen aufgrund einer zu niedrigen bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit der Zugmaschine nicht eingehalten werden können. In einem solchen Fall ist die Gleichwertigkeit der vorgeschriebenen Wirkungen nachzuweisen, indem die Beschreibung des Nachweisverfahrens und die Ergebnisse dem Typgenehmigungsbericht beigefügt werden.

3.
Ausführungen von ABV-Bremsanlagen

3.1. Eine Zugmaschine gilt als mit einer ABV-Bremsanlage ausgerüstet, wenn eine der folgenden Vorrichtungen eingebaut ist:
3.1.1.
ABV-Bremsanlage der Kategorie 1:

Ein Fahrzeug, das mit einer ABV-Bremsanlage der Kategorie 1 ausgestattet ist, muss allen einschlägigen Anforderungen dieses Anhangs entsprechen.

3.1.2.
ABV-Bremsanlage der Kategorie 2:

Ein Fahrzeug, das mit einer ABV-Bremsanlage der Kategorie 2 ausgestattet ist, muss allen einschlägigen Anforderungen dieses Anhangs außer denen der Nummer 5.3.5 entsprechen.

3.1.3.
ABV-Bremsanlage der Kategorie 3:

Ein Fahrzeug, das mit einer ABV-Bremsanlage der Kategorie 3 ausgestattet ist, muss allen einschlägigen Anforderungen dieses Anhangs außer denen der Nummern 5.3.4 und 5.3.5 entsprechen. Bei solchen Fahrzeugen muss jede Einzelachse (oder jedes Achsaggregat), die bzw. das nicht mindestens ein direkt geregeltes Rad besitzt, die Bedingungen der Kraftschlussausnutzung und der Blockier-Reihenfolge nach Anhang II Anlage 1 hinsichtlich der Abbremsung und der Belastung erfüllen. Diese Anforderungen können auf Fahrbahnoberflächen mit hohem und niedrigem Kraftschlussbeiwert (ungefähr 0,8 und 0,3 maximal) durch Verändern der Betätigungskraft für die Betriebsbremse überprüft werden.

3.2. Ein Anhängefahrzeug gilt als mit einer ABV-Bremsanlage ausgestattet, wenn mindestens zwei Räder, die auf gegenüberliegenden Seiten des Fahrzeuges liegen müssen, direkt und alle übrigen Räder entweder direkt oder indirekt durch die ABV-Bremsanlage geregelt werden. Bei Anhängefahrzeugen mit Deichsel müssen mindestens zwei Räder einer Vorderachse und zwei Räder einer Hinterachse direkt geregelt werden, wobei jede dieser Achsen mit mindestens einem unabhängigen Stellglied versehen ist und alle übrigen Räder entweder direkt oder indirekt geregelt werden. Außerdem muss das mit einer ABV-Bremsanlage ausgerüstete Anhängefahrzeug einer der nachstehenden Bedingungen entsprechen:
3.2.1.
ABV-Bremsanlage der Kategorie A:

Ein Anhängefahrzeug, das mit einer ABV-Bremsanlage der Kategorie A ausgestattet ist, muss allen einschlägigen Anforderungen dieses Anhangs entsprechen.

3.2.2.
ABV-Bremsanlage der Kategorie B:

Ein Anhängefahrzeug, das mit einer ABV-Bremsanlage der Kategorie B ausgestattet ist, muss allen einschlägigen Anforderungen dieses Anhangs, außer denen der Nummer 6.3.2, entsprechen.

4.
Allgemeine Anforderungen

4.1. Störungen in der elektrischen Steuer-Übertragungseinrichtung der ABV-Bremsanlage, die die ABV-Bremsanlage bezüglich der Funktions- und Wirkungsanforderungen dieses Anhangs beeinträchtigen, müssen dem Fahrer durch ein spezielles optisches Warnsignal angezeigt werden. Dazu ist das gelbe Warnsignal nach Anhang I Nummer 2.2.1.29.1.2 zu verwenden. Bis einheitliche Prüfverfahren vereinbart sind, muss der Hersteller dem technischen Dienst eine Analyse der möglichen Störungen in der Steuer-Übertragungseinrichtung und ihrer Auswirkungen vorlegen. Diese Informationen sind zwischen technischem Dienst und Fahrzeughersteller zu vereinbaren und festzulegen.

4.1.1. Anomalien des Sensors, die nicht bei der statischen Prüfung festgestellt werden können, müssen spätestens dann festgestellt werden, wenn die Fahrzeuggeschwindigkeit 10 km/h überschreitet. Um jedoch eine falsche Störmeldung zu vermeiden, wenn ein Sensor kein Ausgangssignal für die Fahrzeuggeschwindigkeit erzeugt, weil ein Rad sich nicht dreht, kann diese Überprüfung später erfolgen, allerdings muss die Störung spätestens dann festgestellt werden, wenn die Fahrzeuggeschwindigkeit 15 km/h überschreitet. Die Warneinrichtung kann bei stehendem Fahrzeug wieder aufleuchten, sofern sie erlischt, bevor die Fahrzeuggeschwindigkeit 10 km/h bzw. 15 km/h erreicht, wenn keine Störung vorliegt.

4.1.2. Wenn bei stehendem Fahrzeug Spannung an die ABV-Bremsanlage angelegt wird, müssen die elektrisch gesteuerten Ventile des pneumatischen Stellglieds mindestens einmal einen Regelzyklus durchführen.

4.2. Zugfahrzeuge, die mit einer ABV-Bremsanlage ausgestattet und für das Ziehen eines mit einer solchen Anlage ausgestatteten Anhängefahrzeugs ausgerüstet sind, müssen mit einer eigenen optischen Warneinrichtung für die ABV-Bremsanlage des Anhängefahrzeugs versehen sein, die den Anforderungen nach Nummer 4.1 entspricht. Die eigenen gelben Warnsignale nach Anhang I Nummer 2.2.1.29.2 müssen hierfür benutzt und über den Stift 5 des elektrischen Steckverbinders, der der Norm ISO 7638:2003 entspricht, ausgelöst werden. Der Steckverbinder nach ISO 7638:2003 kann je nach Bedarf als Fünfstift- oder Siebenstift-Steckverbinder verwendet werden.

4.2.1. Das Warnsignal darf nicht aufleuchten, wenn ein Anhängefahrzeug ohne ABV-Bremsanlage oder wenn kein Anhängefahrzeug angehängt ist. Diese Funktion muss automatisch sein.

4.3. Im Falle einer Störung nach Nummer 4.1 gilt Folgendes:

    Zugmaschinen: Die Restbremswirkung beim Ausfall eines Teiles der Übertragungseinrichtung der Betriebsbremsanlage muss 1,3 m/s2 betragen. Diese Anforderung darf nicht als Abweichung von den Anforderungen zur Hilfsbremsung ausgelegt werden.

    Anhängefahrzeuge: Die Restbremswirkung muss mindestens 30 % der für die Betriebsbremsanlage des betreffenden gezogenen Fahrzeugs vorgeschriebenen Bremswirkung betragen.

4.4. Die Funktion des Systems darf nicht durch magnetische oder elektrische Felder beeinträchtigt werden. Dies ist durch Einhaltung der in Artikel 19 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 2015/208 festgelegten einschlägigen technischen Anforderungen nachzuweisen.

4.5. Eine handbetätigte Einrichtung, mit der die ABV-Bremsanlage abgeschaltet oder ihre Regelungsart verändert werden kann, darf nicht vorhanden sein, außer bei Zugmaschinen der Klasse T oder C. Ist bei Zugmaschinen der Klasse T oder C eine solche Einrichtung vorhanden, müssen die folgenden Bedingungen erfüllt sein:
4.5.1.
Ein optisches Warnsignal muss dem Fahrer anzeigen, dass die ABV-Bremsanlage abgeschaltet oder die Regelungsart geändert wurde; dazu kann das Störungswarnsignal gemäß Anhang I Nummer 2.2.1.29.1.2 verwendet werden.

Das Warnsignal muss leuchten oder blinken.

4.5.2.
Die ABV-Bremsanlage muss automatisch wieder eingeschaltet/auf den Betrieb auf der Straße umgeschaltet werden, wenn die Zünd-(Start-)Einrichtung wieder auf Anlassstellung gebracht wird oder wenn die Fahrzeuggeschwindigkeit 30 km/h überschreitet.
4.5.3.
In der vom Hersteller mitgelieferten Betriebsanleitung sollte der Fahrzeugführer auf die Folgen einer manuellen Abschaltung oder Veränderung der Regelungsart der ABV-Bremsanlage hingewiesen werden.
4.5.4.
Mit der in Nummer 4.5 genannten Einrichtung darf in Verbindung mit der Zugmaschine die Regelungsart der ABV-Bremsanlage eines Anhängefahrzeugs abgeschaltet/geändert werden. Eine eigenständige Einrichtung für das Anhängefahrzeug ist nicht zulässig.
4.5.5.
Einrichtungen, die die Regelungsart der ABV-Bremsanlage verändern, unterliegen nicht den Anforderungen der Nummer 4.5, wenn bei veränderter Regelungsart alle Anforderungen an die Kategorie der ABV, mit der das Fahrzeug ausgerüstet ist, erfüllt sind. In einem solchen Fall müssen jedoch die Anforderungen der Nummern 4.5.1, 4.5.2 und 4.5.3 erfüllt sein.

4.6. Bei Fahrzeugen, die mit einer ABV-Bremsanlage und einer integrierten Dauerbremsanlage ausgestattet sind, muss die ABV-Bremsanlage mindestens auf die Betriebsbremsen der von der Dauerbremsanlage geregelten Achse und auf die Dauerbremsanlage selbst wirken sowie die einschlägigen Anforderungen dieses Anhangs erfüllen.

4.7. Bei Anhängefahrzeugen mit Druckluftbremsanlagen ist die volle Regelung durch die ABV-Bremsanlage nur gewährleistet, wenn der wirksame Druck an jedem Bremszylinder eines direkt geregelten Rades mehr als 100 kPa über dem höchsten Regeldruck während einer bestimmten Prüfung liegt. Der wirksame Versorgungsdruck darf nicht auf mehr als 800 kPa erhöht werden. Bei Anhängefahrzeugen mit hydraulischen Bremsanlagen ist die volle Regelung durch die ABV-Bremsanlage nur gewährleistet, wenn der wirksame Druck an jedem Bremszylinder eines direkt geregelten Rades mehr als 1750 kPa über dem höchsten Regeldruck während einer bestimmten Prüfung liegt. Der auf die ABV-Bremsanlage wirkende Druck darf nicht auf mehr als 14200 kPa erhöht werden.

5.
Besondere Vorschriften für Zugmaschinen

5.1.
Energieverbrauch

Bei Zugmaschinen mit ABV-Bremsanlage muss die Wirkung der ABV-Bremsanlage über längere Zeit bei voll betätigter Betätigungseinrichtung der Betriebsbremse aufrechterhalten bleiben. Die Übereinstimmung mit dieser Anforderung ist durch das in den Nummern 5.1.1, 5.2.3, 5.2.4, 5.2.5, 5.3, 6.1.1, 6.1.3, 6.1.4 und 6.3 genannte Verfahren festzustellen:

5.1.1.
Prüfverfahren

5.1.1.1. Der Anfangswert des Energievorrats in dem (den) Energiespeicher(n) muss dem vom Hersteller angegebenen Wert entsprechen. Dieser Wert muss bei beladenem Fahrzeug mindestens die vorgeschriebene Betriebsbremswirkung sicherstellen. Der (Die) Energiespeicher für Druckluft-Nebenverbraucher ist (sind) abzutrennen.
5.1.1.2. Aus einer Ausgangsgeschwindigkeit von mindestens 50 km/h (oder vmax, je nachdem, welcher Wert kleiner ist) auf einer Oberfläche mit einem Kraftschlussbeiwert von 0,3 oder weniger müssen die Bremsen des beladenen Fahrzeuges für einen Zeitraum t voll betätigt werden, während der die von den indirekt geregelten Rädern verbrauchte Energie zu berücksichtigen ist und alle direkt geregelten Räder von der ABV-Bremsanlage geregelt bleiben müssen. Falls solche Fahrbahnoberflächen noch nicht allgemein zur Verfügung stehen, dürfen nach Ermessen des technischen Dienstes bis zur Verschleißgrenze abgenutzte Reifen und höhere Kraftschlussbeiwerte bis maximal 0,4 verwendet werden. Der ermittelte Wert, der Reifentyp und die Beschaffenheit der Fahrbahn sind anzugeben.
5.1.1.3. Danach ist der Motor des Fahrzeuges abzustellen oder die Zufuhr zu dem (den) Energiespeicher(n) zu unterbrechen.
5.1.1.4. Die Betätigungseinrichtung der Betriebsbremse ist danach viermal hintereinander bei Stillstand des Fahrzeuges voll zu betätigen.
5.1.1.5. Bei der fünften Bremsbetätigung muss es möglich sein, das Fahrzeug mit mindestens der Wirkung zu bremsen, die für die Hilfsbremsung des Fahrzeuges im beladenen Zustand vorgeschrieben ist.
5.1.1.6. Bei Fahrzeugen, die zum Ziehen von Fahrzeugen mit einer Druckluftbremsanlage ausgerüstet sind, ist während der Prüfungen die Vorratsleitung abzuschließen und an die Druckluft-Steuerleitung (entsprechend Anhang IV Teil A Nummer 1.2.2.3) ein Behälter von 0,5 l Inhalt anzuschließen. Bei der fünften nach Nummer 5.1.1.5 dieses Anhangs vorgeschriebenen Bremsbetätigung darf der Druck in der Bremsleitung nicht unter die Hälfte des Wertes absinken, der bei einer vollen Bremsbetätigung erreicht wurde, bei der zu Beginn der Anfangswert des Energievorrats vorhanden war.

5.1.2.
Zusätzliche Anforderungen

5.1.2.1. Der Kraftschlussbeiwert der Fahrbahnoberfläche ist mit dem betreffenden Fahrzeug nach dem in Anlage 2 Nummer 1.1 beschriebenen Verfahren zu messen.
5.1.2.2. Die Bremsprüfung ist mit beladenem Fahrzeug bei ausgekuppeltem Motor im Leerlauf durchzuführen.
5.1.2.3. Die Bremsdauer t beträgt 15 Sekunden.
5.1.2.4. Kann die Bremsdauer t nicht in einem einzigen Bremsvorgang erreicht werden, so sind weitere, maximal insgesamt vier, Vorgänge zulässig.
5.1.2.5. Erfolgt die Prüfung in mehreren Bremsvorgängen, so darf zwischen den einzelnen Vorgängen der Prüfung der Energievorrat nicht ergänzt werden. Vom zweiten Bremsvorgang an kann der Energieverbrauch, der bei der ersten Bremsbetätigung auftrat, berücksichtigt werden, indem jeweils beim zweiten, dritten und vierten Bremsvorgang, die bei der Prüfung nach Nummer 5.1.1 erfolgen, von den vier vollen Bremsbetätigungen, die in den Nummern 5.1.1.4, 5.1.1.5, 5.1.1.6 und 5.1.2.6 vorgeschrieben sind, eine volle Bremsbetätigung abgezogen wird.
5.1.2.6. Die in Nummer 5.1.1.5 vorgeschriebene Wirkung gilt als erreicht, wenn am Ende der vierten Betätigung bei Stillstand des Fahrzeuges der Energievorrat in dem (den) Energiespeicher(n) gleich groß oder größer ist als derjenige, der bei beladenem Fahrzeug zur Erzielung der Hilfsbremswirkung benötigt wird.

5.2.
Kraftschlussausnutzung

5.2.1. Die Ausnutzung des Kraftschlusses durch die ABV-Bremsanlage berücksichtigt die tatsächliche Zunahme des Bremswegs über seinen theoretischen Minimalwert. Die ABV-Bremsanlage gilt als ausreichend, wenn die Bedingung ε ≥ 0,75 erfüllt ist, wobei ε die Kraftschlussausnutzung bedeutet, wie sie in Anlage 2 Nummer 1.2 definiert ist.

5.2.2. Die Kraftschlussausnutzung (ε) wird auf Straßenoberflächen mit einem Kraftschlussbeiwert von höchstens 0,3 und von etwa 0,8 (trockene Straße) aus einer Ausgangsgeschwindigkeit von 50 km/h oder vmax (je nachdem, welches der niedrigere Wert ist) ermittelt. Um die Wirkungen von unterschiedlichen Temperaturen der Bremsen auszuschließen, wird empfohlen, zAL (siehe Anlage 1) vor der Bestimmung von k zu bestimmen. Falls solche Fahrbahnoberflächen noch nicht allgemein zur Verfügung stehen, dürfen nach Ermessen des technischen Dienstes bis zur Verschleißgrenze abgenutzte Reifen und höhere Kraftschlussbeiwerte bis maximal 0,4 verwendet werden. Der ermittelte Wert, der Reifentyp und die Beschaffenheit der Fahrbahn sind anzugeben.

5.2.3. Das Prüfverfahren zur Bestimmung des Kraftschlussbeiwertes (k) und die Formel zur Berechnung der Kraftschlussausnutzung (ε) sind in der Anlage 2 beschrieben.

5.2.4. Die Kraftschlussausnutzung durch die ABV-Bremsanlage muss bei ABV-Bremsanlagen der Kategorien 1 oder 2 am kompletten Fahrzeug überprüft werden. Bei Fahrzeugen, die mit einer ABV-Bremsanlage der Kategorie 3 ausgerüstet sind, muss (müssen) nur die Achse(n), die mindestens ein direkt geregeltes Rad hat (haben), diese Anforderung erfüllen.

5.2.5. Die Bedingung ε ≥ 0,75 muss mit beladenem und mit unbeladenem Fahrzeug überprüft werden. Die Prüfung mit beladenem Fahrzeug auf der Oberfläche mit hohem Kraftschlussbeiwert kann entfallen, wenn die vorgeschriebene Kraft, die auf die Betätigungseinrichtung ausgeübt wird, keine volle Regelung durch die ABV-Bremsanlage bewirkt. Bei der Prüfung mit unbeladenem Fahrzeug kann die Betätigungskraft bis auf 1000 N erhöht werden, wenn bei voller Betätigungskraft keine Regelung bewirkt wird. Gegebenenfalls kann auch eine größere Kraft als die volle Betätigungskraft angewendet werden, um die ABV-Bremsanlage zum Ansprechen zu bringen. Reichen dagegen 1000 N nicht aus, um die Regelung durch die ABV-Bremsanlage zu bewirken, so kann diese Prüfung entfallen. Bei Druckluftbremsanlagen darf der Luftdruck zum Zweck dieser Prüfung nicht über den Abschaltdruck hinaus erhöht werden.

5.3.
Zusatzprüfungen

Die folgenden Zusatzprüfungen müssen mit beladenem und mit unbeladenem Fahrzeug bei ausgekuppeltem Motor durchgeführt werden:
5.3.1.
Die durch eine ABV-Bremsanlage direkt geregelten Räder dürfen nicht blockieren, wenn bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 40 km/h und bei einer hohen Ausgangsgeschwindigkeit entsprechend den Angaben in der nachstehenden Tabelle, die volle Betätigungskraft schnell auf die Betätigungseinrichtung aufgebracht wird und sich das Fahrzeug auf den in Nummer 5.2.2 beschriebenen Fahrbahnoberflächen befindet.

Bedingunghöchste Prüfgeschwindigkeit
Oberfläche mit hohem Kraftschlussbeiwert0,8 vmax ≤ 80 km/h
Oberfläche mit niedrigem Kraft-schlussbeiwert0,8 vmax ≤ 70 km/h

5.3.2.
Beim Übergang einer Achse von einer Oberfläche mit hohem Kraftschlussbeiwert (kH) auf eine solche mit niedrigem Kraftschlussbeiwert (kL), mit kH ≥ 0,5 und kH/kL ≥ 2 dürfen bei voller Betätigungskraft auf der Betätigungseinrichtung die direkt geregelten Räder nicht blockieren. Die Fahrgeschwindigkeit und der Zeitpunkt der Bremsbetätigung müssen so gewählt werden, dass, wenn die ABV-Bremsanlage auf der Oberfläche mit hohem Kraftschlussbeiwert voll regelt, der Übergang von einer Fahrbahnoberfläche zur anderen bei hoher und bei niedriger Geschwindigkeit unter den in Nummer 5.3.1 festgelegten Bedingungen erfolgt.
5.3.3.
Beim Übergang eines Fahrzeuges von einer Oberfläche mit niedrigem Kraftschlussbeiwert (kL) auf eine solche mit hohem Kraftschlussbeiwert (kH), mit kH ≥ 0,5 und kH/kL ≥ 2 muss bei voller Betätigungskraft auf der Betätigungseinrichtung die Fahrzeugverzögerung auf den entsprechenden hohen Wert innerhalb einer annehmbaren Zeit ansteigen, und das Fahrzeug darf nicht von seinem ursprünglichen Kurs abweichen. Die Fahrgeschwindigkeit und der Zeitpunkt der Bremsbetätigung müssen so gewählt werden, dass, wenn die ABV-Bremsanlage auf der Oberfläche mit niedrigem Kraftschlussbeiwert voll regelt, der Übergang von einer Fahrbahnoberfläche zur anderen bei annähernd 50 km/h oder 0,8 vmax (je nachdem, welches der niedrigere Wert ist) erfolgt.
5.3.4.
Falls die Fahrzeuge mit einer ABV-Bremsanlage der Kategorie 1 oder 2 ausgerüstet sind, gilt: Befinden sich die rechten und die linken Räder des Fahrzeuges auf Oberflächen mit unterschiedlichen Kraftschlussbeiwerten (kH und kL), wobei kH ≥ 0,5 und kH/kL ≥ 2 ist, so dürfen die direkt geregelten Räder nicht blockieren, wenn bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h oder 0,8 vmax(je nachdem, welches der niedrigere Wert ist) die volle Betätigungskraft schnell auf die Betätigungseinrichtung aufgebracht wird.
5.3.5.
Außerdem müssen beladene, mit einer ABV-Bremsanlage der Kategorie 1 ausgestattete Fahrzeuge die geforderte Abbremsung unter den in Anlage 3 Nummer 5.3.4 genannten Bedingungen erbringen.
5.3.6.
Bei den Prüfungen, die in den Nummern 5.3.1, 5.3.2, 5.3.3, 5.3.4 und 5.3.5 vorgesehen sind, ist jedoch kurzes Blockieren der Räder erlaubt. Außerdem ist das Blockieren der Räder erlaubt, wenn die Fahrgeschwindigkeit kleiner als 15 km/h ist; ebenfalls ist das Blockieren von indirekt geregelten Rädern bei jeder Geschwindigkeit erlaubt, sofern Fahrstabilität und Lenkbarkeit nicht beeinträchtigt werden.
5.3.7.
Lenkkorrekturen sind während der in den Nummern 5.3.4 und 5.3.5 vorgesehenen Prüfungen erlaubt, wenn der Drehwinkel des Lenkrads während der ersten zwei Sekunden maximal 120° und insgesamt nicht mehr als 240° ist. Weiterhin muss bei Prüfbeginn die Längsmittelebene des Fahrzeugs über der Grenzlinie zwischen den Oberflächen mit hohem und niedrigem Kraftschlussbeiwert liegen, und während der genannten Prüfungen darf kein Teil der (äußeren) Reifen diese Grenzlinie überschreiten.
5.3.8.
Folgendes ist zu berücksichtigen:

5.3.8.1.
kH und kL werden nach den Vorschriften der Anlage 2 zu diesem Anhang gemessen.
5.3.8.2.
Zweck der in den Nummern 5.3.1, 5.3.2, 5.3.3 und 5.3.4 genannten Prüfungen ist es sicherzustellen, dass die direkt geregelten Räder nicht blockieren und das Fahrzeug stabil bleibt. In diesen Prüfungen kann gegebenenfalls auch eine größere Kraft als die volle Betätigungskraft angewendet werden, um die ABV-Bremsanlage zum Ansprechen zu bringen.
5.3.8.3.
Hinsichtlich der Nummern 5.3.1 und 5.3.2 ist es daher nicht erforderlich, voll abzubremsen und das Fahrzeug auf der Oberfläche mit niedrigem Kraftschlussbeiwert zum Stillstand zu bringen.

6.
Spezielle Vorschriften für Anhängefahrzeuge

6.1.
Energieverbrauch

Mit einer ABV-Bremsanlage ausgerüstete Anhängefahrzeuge müssen so beschaffen sein, dass selbst dann, wenn die Betätigungseinrichtung der Betriebsbremsanlage über einen gewissen Zeitraum voll betätigt wird, im Fahrzeug ein ausreichender Energievorrat verbleibt, um das Anhalten innerhalb eines angemessenen Weges sicherzustellen.

6.1.1. Die Einhaltung der obigen Vorschrift ist durch das nachstehend beschriebene Verfahren mit einem leeren Fahrzeug auf einer waagerechten, geradlinigen Fahrbahn mit gutem Kraftschlussbeiwert zu prüfen, wobei außerdem die Bremsen so eng wie möglich eingestellt sein müssen, und ein eventuell vorhandener lastabhängiger Bremskraftregler sich während der Prüfungen in der Stellung „beladen” befinden muss. Ist der Kraftschlussbeiwert der Prüfbahn zu hoch und kommt dadurch die ABV-Bremsanlage nicht zum Regeln, so darf die Prüfung auf einer Oberfläche mit einem niedrigeren Kraftschlussbeiwert durchgeführt werden.

6.1.2. Bei Druckluftbremsanlagen muss der Anfangswert des Energievorrats in dem (den) Energiespeicher(n) einem Druck von 800 kPa am Kupplungskopf der Vorratsleitung des Anhängefahrzeugs entsprechen.

6.1.3. Bei einer Ausgangsgeschwindigkeit des Fahrzeugs von mindestens 30 km/h müssen die Bremsen während eines Zeitraumes von t = 15 s voll betätigt werden; während dieses Zeitraums ist die von den indirekt geregelten Rädern verbrauchte Energie zu berücksichtigen und alle direkt geregelten Räder müssen weiterhin von der ABV-Bremsanlage gesteuert werden. Während dieser Prüfung ist die Energiezufuhr zu dem (den) Energiespeicher(n) zu unterbrechen. Kann die Bremsdauer t = 15 s nicht in einem einzigen Bremsvorgang erreicht werden, so sind weitere Bremsvorgänge zulässig. Während dieser Bremsvorgänge darf der Energievorrat in dem (den) Energiespeicher(n) nicht ergänzt werden, und vom zweiten Bremsvorgang an ist der zusätzliche Energieverbrauch zum Füllen der Bremszylinder zum Beispiel mit Hilfe des nachstehenden Prüfverfahrens zu berücksichtigen. Der Druck in dem (den) Behälter(n) zu Beginn des ersten Bremsvorgangs muss dem in Nummer 6.1.2 angegebenen entsprechen. Zu Beginn des darauf folgenden Bremsvorgangs (der darauf folgenden Bremsvorgänge) darf der Druck in dem (den) Behälter(n) nach Betätigung der Bremsen nicht niedriger als der Druck in dem (den) Behälter(n) am Schluss des vorhergehenden Bremsvorgangs sein. Bei dem darauf folgenden Bremsvorgang (bei den darauf folgenden Bremsvorgängen) ist nur der Zeitraum zu berücksichtigen, zu dessen Beginn der Druck in dem (den) Behälter(n) dem Druck am Schluss des vorhergehenden Bremsvorgangs entspricht.

6.1.4. Am Ende des Bremsvorganges ist bei stehendem Fahrzeug die Betätigungseinrichtung der Betriebsbremse viermal voll zu betätigen. Bei der fünften Bremsbetätigung muss der Druck im Bremskreis hoch genug sein, um am Umfang der Räder eine Bremskraft zu erzielen, die mindestens 22,5 % der von den Rädern bei stillstehendem Fahrzeug getragenen Gesamtmasse entspricht, und es darf dabei zu keiner selbsttätigen Betätigung eines Bremssystems kommen, das nicht von der ABV-Bremsanlage geregelt wird.

6.2.
Kraftschlussausnutzung

6.2.1. Die mit einer ABV-Bremsanlage ausgerüsteten Anhängefahrzeuge gelten als ausreichend, wenn die Bedingung ε ≥ 0,75 erfüllt ist, wobei ε die Kraftschlussausnutzung bedeutet, wie in Anlage 2 Nummer 2 definiert. Diese Bedingung ist mit leerem Fahrzeug auf einer waagerechten, geraden Fahrbahn mit einer Oberfläche mit gutem Kraftschlussbeiwert zu prüfen. Ist der Kraftschlussbeiwert der Prüfbahn zu hoch und kommt dadurch die ABV-Bremsanlage nicht zum Regeln, so darf die Prüfung auf einer Oberfläche mit einem niedrigeren Kraftschlussbeiwert durchgeführt werden. Bei Anhängern, die mit einem lastabhängigen Bremskraftregler ausgerüstet sind, kann der Druck höhergestellt werden, um ein vollständiges Regeln sicherzustellen.

6.2.2. Um die Wirkungen von unterschiedlichen Temperaturen der Bremsen auszuschließen, wird empfohlen, zRAL vor der Bestimmung von kR zu bestimmen.

6.3.
Zusatzprüfungen

6.3.1. Bei Geschwindigkeiten über 15 km/h dürfen die durch eine ABV-Bremsanlage direkt geregelten Räder nicht blockieren, wenn die volle Betätigungskraft schnell auf die Betätigungseinrichtung der Zugmaschine aufgebracht wird. Dies ist unter den in Nummer 6.2 vorgeschriebenen Bedingungen bei Ausgangsgeschwindigkeiten von 40 km/h und 60 km/h nachzuprüfen.

6.3.2. Die Vorschriften dieses Absatzes gelten nur für Anhängefahrzeuge, die mit einer ABV-Bremsanlage der Kategorie A ausgerüstet sind. Befinden sich die rechten und linken Räder auf Oberflächen, die eine unterschiedliche maximale Abbremsung (zRALH und zRALL) bewirken, wobei Folgendes gilt: zRALHεH0,5 und zRALHzRALL2 so dürfen die direkt geregelten Räder nicht blockieren, wenn bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h die volle Betätigungskraft schnell auf die Betätigungseinrichtung der Zugmaschine aufgebracht wird. Das Verhältnis zRALH/zRALL kann nach dem in Anlage 2 Nummer 2 beschriebenen Verfahren oder durch Berechnung des Verhältnisses zRALH/zRALL ermittelt werden. Unter dieser Bedingung muss das unbeladene Fahrzeug die in der Anlage 3 vorgeschriebene Abbremsung erreichen. Bei Anhängefahrzeugen, die mit einem lastabhängigen Bremskraftregler ausgerüstet sind, kann der Druck der Vorrichtung höhergestellt werden, um ein vollständiges Regeln sicherzustellen.

6.3.3. Bei Fahrzeuggeschwindigkeiten ≥ 15 km/h ist ein kurzzeitiges Blockieren der direkt geregelten Räder zulässig, und bei Geschwindigkeiten < 15 km/h ist ein Blockieren ohne Einschränkung zulässig. Bei indirekt geregelten Rädern ist ein Blockieren bei jeder Geschwindigkeit zulässig. Allerdings darf in allen Fällen die Stabilität nicht beeinträchtigt werden.

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