Artikel 20 VO (EU) 2016/1011

Kritische Referenzwerte

(1) Die Kommission erlässt gemäß dem in Artikel 50 Absatz 2 genannten Prüfverfahren Durchführungsrechtsakte, um eine Liste der kritischen Referenzwerte, die von Administratoren, die in der Union angesiedelt sind, bereitgestellt werden, zu erstellen und mindestens alle zwei Jahre zu überprüfen, sofern eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:

a)
Der Referenzwert wird direkt oder indirekt in einer Kombination von Referenzwerten als Bezugsgrundlage für Finanzinstrumente oder Finanzkontrakte oder für die Messung der Wertentwicklung von Investmentfonds verwendet, die einen Gesamtwert von mindestens 500 Mrd. EUR haben — berechnet auf der Grundlage der gesamten Bandbreite der Laufzeiten bzw. Fälligkeiten im Zusammenhang mit dem Referenzwert.
b)
Der Referenzwert beruht auf Beiträgen von mehrheitlich in einem Mitgliedstaat angesiedelten Kontributoren und ist in diesem Mitgliedstaat gemäß dem Verfahren der Absätze 2, 3, 4 und 5 des vorliegenden Artikels als kritisch eingestuft.
c)
Der Referenzwert erfüllt alle der folgenden Kriterien:

i)
Der Referenzwert wird direkt oder indirekt in einer Kombination von Referenzwerten als Bezugsgrundlage für Finanzinstrumente oder Finanzkontrakte oder für die Messung der Wertentwicklung von Investmentfonds verwendet, die einen Gesamtwert von mindestens 400 Mrd. EUR haben, aber den unter Buchstabe a festgelegten Wert nicht übersteigen — berechnet auf der Grundlage der gesamten Bandbreite der Laufzeiten bzw. Fälligkeiten im Zusammenhang mit dem Referenzwert.
ii)
Für den Referenzwert gibt es keinen oder nur in sehr wenigen Fällen einen marktbestimmten Ersatz.
iii)
Wenn der Referenzwert nicht mehr oder auf der Grundlage von für den zugrunde liegenden Markt oder die zugrunde liegende wirtschaftliche Realität nicht mehr vollständig repräsentativen oder unzuverlässigen Eingabedaten bereitgestellt würde, gäbe es erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Integrität der Märkte, die Finanzstabilität, die Verbraucher, die Realwirtschaft oder die Finanzierung der Haushalte oder Unternehmen in einem oder mehreren Mitgliedstaaten.

Wenn ein Referenzwert die in Buchstabe c Ziffern ii und iii genannten Kriterien erfüllt, aber das in Buchstabe c Ziffer i genannte Kriterium nicht erfüllt, können die zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten und die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem der Administrator angesiedelt ist, vereinbaren, dass dieser Referenzwert als im Sinne dieses Unterabsatzes kritischer Referenzwert eingestuft werden sollte. In allen Fällen konsultiert die zuständige Behörde des Administrators die zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den zuständigen Behörden entscheidet die zuständige Behörde des Administrators, ob der Referenzwert als kritisch im Sinne dieses Unterabsatzes eingestuft werden sollte, und trägt dabei den Gründen der Meinungsverschiedenheiten Rechnung. Die zuständigen Behörden oder bei Meinungsverschiedenheiten die zuständige Behörde des Administrators übermitteln der Kommission eine Bewertung. Nach Eingang der Bewertung erlässt die Kommission gemäß diesem Absatz einen Durchführungsrechtsakt. Bei Meinungsverschiedenheiten übermittelt die zuständige Behörde des Administrators ihre Bewertung darüber hinaus an die ESMA, die eine Stellungnahme veröffentlichen kann.

(1a) Ist die ESMA der Auffassung, dass ein Referenzwert alle in Absatz 1 Buchstabe c genannten Kriterien erfüllt, legt sie der Kommission einen begründeten Antrag zur Anerkennung dieses Referenzwerts als kritischen Referenzwert vor.

Nach Eingang dieses begründeten Antrags erlässt die Kommission einen Durchführungsrechtsakt gemäß Absatz 1.

Die ESMA überprüft mindestens alle zwei Jahre ihre Bewertung des Referenzwerts als kritisch, unterrichtet die Kommission darüber und übermittelt ihr die Bewertung.

(2) Ist die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats, auf den in Absatz 1 Buchstabe b Bezug genommen wird, der Ansicht, dass ein von ihr beaufsichtigter Administrator einen Referenzwert bereitstellt, der als kritisch eingestuft werden sollte, benachrichtigt sie die ESMA und übermittelt ihr eine dokumentierte Bewertung.

(3) Für die Zwecke von Absatz 2 bewertet die zuständige Behörde, ob die Einstellung des Referenzwerts oder die Bereitstellung des Referenzwerts auf der Grundlage von Eingabedaten oder einer Kontributorengruppe, die für den zugrunde liegenden Markt oder die zugrunde liegende wirtschaftliche Realität nicht mehr repräsentativ sind bzw. ist, nachteilige Auswirkungen auf die Integrität der Märkte, die Finanzstabilität, die Verbraucher, die Realwirtschaft oder die Finanzierung der Haushalte oder Unternehmen in ihrem Mitgliedstaat hat. Bei der Bewertung berücksichtigt die zuständige Behörde:

a)
den Wert der Finanzinstrumente und Finanzkontrakte, bei denen dieser Referenzwert innerhalb des Mitgliedstaats als Bezugsgrundlage dient, und den Wert der Investmentfonds, für die dieser Referenzwert innerhalb des Mitgliedstaats als Bezugsgrundlage für die Messung der Wertentwicklung dient, und deren Relevanz für den Gesamtwert der in diesem Mitgliedstaat ausstehenden Finanzinstrumente und Finanzkontrakte; und für den Gesamtwert der Investmentfonds in diesem Mitgliedstaat;
b)
den Wert der Finanzinstrumente und Finanzkontrakte, bei denen dieser Referenzwert innerhalb des Mitgliedstaats als Bezugsgrundlage dient und ded Wert von Investmentfonds, für die dieser Referenzwert innerhalb des Mitgliedstaats als Bezugsgrundlage für die Messung der Wertentwicklung dient, und deren Relevanz für das Bruttosozialprodukt des Mitgliedstaats;
c)
sonstige Angaben zur objektiven Bewertung der potenziellen Auswirkungen einer Diskontinuität oder Unzuverlässigkeit des Referenzwerts auf die Integrität der Märkte, die Finanzstabilität, die Verbraucher, die Realwirtschaft oder die Finanzierung der Haushalte und Unternehmen in dem Mitgliedstaat.

Die zuständige Behörde überprüft mindestens alle zwei Jahre ihre Bewertung der Gefährlichkeit des Referenzwerts, benachrichtigt die ESMA und übermittelt ihr die neue Bewertung.

(4) Binnen sechs Wochen nach Eingang der in Absatz 2 genannten Mitteilung gibt die ESMA eine Stellungnahme dazu ab, ob die Bewertung der zuständigen Behörde den Voraussetzungen des Absatzes 3 genügt, und übermittelt der Kommission eine solche Stellungnahme zusammen mit der Bewertung der zuständigen Behörde.

(5) Nach Eingang der Stellungnahme gemäß Absatz 4 erlässt die Kommission Durchführungsrechtsakte gemäß Absatz 1.

(6) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 49 delegierte Rechtsakte zu erlassen, um

a)
zum Zweck des Vergleichs mit den Schwellenwerten gemäß Absatz 1 dieses Artikels und Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe a festzulegen, wie der Nennwert von Finanzinstrumenten mit Ausnahme von Derivaten, der nominelle Wert von Derivaten und der Nettoinventarwert von Investmentfonds bewertet werden muss, auch im Fall einer indirekten Bezugnahme auf einen Referenzwert in einer Kombination von Referenzwerten;
b)
die Berechnungsmethode für die Festlegung der in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Schwellenwerte zu überprüfen und dabei den Entwicklungen des Marktes, der Preise und der Rechtsvorschriften Rechnung zu tragen sowie die Angemessenheit der Einstufung von Referenzwerten mit einem in der Nähe des Schwellenwerts liegenden Gesamtwert der Finanzinstrumente, -kontrakte oder Investmentfonds, für die diese Referenzwerte als Bezugsgrundlage dienen, zu überprüfen. Diese Überprüfung erfolgt mindestens alle zwei Jahre ab dem 1. Januar 2018;
c)
festzulegen, wie die Kriterien gemäß Absatz 1 Buchstabe c Ziffer iii des vorliegenden Artikels anzuwenden sind, wobei allen Daten, die die objektive Bewertung der potenziellen Auswirkungen einer Diskontinuität oder Unzuverlässigkeit des Referenzwerts auf die Integrität der Märkte, die Finanzstabilität, die Verbraucher, die Realwirtschaft oder die Finanzierung der Haushalte und Unternehmen in dem Mitgliedstaat ermöglichen, Rechnung zu tragen ist.

Die Kommission trägt den relevanten Markt- und Technologieentwicklungen gegebenenfalls Rechnung.

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