Präambel VO (EU) 2016/2235

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission(1), insbesondere auf Artikel 68 Absatz 1,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Am 6. Mai 2014 legte Frankreich der Europäischen Chemikalienagentur (im Folgenden die „Agentur” ) ein Dossier gemäß Artikel 69 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (im Folgenden das „Dossier nach Anhang XV” (2)) vor, um das in den Artikeln 69 bis 73 dieser Verordnung vorgesehene Beschränkungsverfahren einzuleiten. Das Dossier nach Anhang XV deutete auf ein Risiko für Arbeitnehmer (in erster Linie Kassenpersonal) und Verbraucher hin, die Bisphenol A (im Folgenden „BPA” ) ausgesetzt sind, weil sie auf Thermopapier gedruckte Zahlungsbelege handhaben, und schlug eine Beschränkung des Inverkehrbringens von BPA in Thermopapier in einer Konzentration von 0,02 Gewichtsprozent oder höher vor. Ein Risiko bestand vor allem für die ungeborenen Kinder schwangerer Arbeitnehmerinnen und Verbraucherinnen, die BPA in dem von ihnen gehandhabten Thermopapier ausgesetzt waren.
(2)
Thermopapier besteht aus einem Rohpapier, das mit mindestens einer Schicht, die BPA enthalten kann, beschichtet ist. Die Beschichtung ändert die Farbe, wenn sie Hitze ausgesetzt wird, sodass die gedruckten Zeichen erscheinen.
(3)
Frankreich begründet seine Gefahrenbewertung von BPA mit den Auswirkungen auf mehrere Gesundheitsendpunkte (die weiblichen Fortpflanzungsorgane, das Gehirn und das Verhalten, die Brustdrüse, den Stoffwechsel sowie die Fettleibigkeit). Die Auswirkungen auf die Brustdrüse wurden auf alle Endpunkte bezogen als die gravierendsten Auswirkungen angesehen. Sie wurden zugrunde gelegt, um den DNEL-Wert (Derived No-Effect Level) zu berechnen.
(4)
Während des Meinungsbildungsprozesses der Agentur veröffentlichte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (im Folgenden „EFSA” ) eine neue wissenschaftliche Stellungnahme zu BPA(3). Der Ausschuss für Risikobeurteilung (im Folgenden „RAC” ) der Agentur erörterte die Beurteilung von BPA mit der EFSA, um sicherzustellen, dass die wissenschaftliche Beurteilung konsistent ist und auf der neuesten und aktuellsten wissenschaftlichen Literatur beruht. Die in der Stellungnahme des RAC enthaltene Gefahrenbewertung stimmt mit dem von der EFSA verwendeten Konzept überein.
(5)
Der RAC war der Auffassung, dass die von Frankreich zur Berechnung des DNEL herangezogenen kritischen Studien keine Quantifizierung der Dosis-Wirkungs-Beziehungen ermöglichten und Unsicherheiten aufwiesen. Zur Berechnung eines oralen DNEL legte der RAC daher die Auswirkungen auf die Nieren zugrunde, und da die vorliegenden Daten erkennen ließen, dass es sich dabei nicht um die gravierendsten Auswirkungen von BPA handelt, wandte er einen zusätzlichen Bewertungsfaktor von 6 an, um Auswirkungen auf die weiblichen Fortpflanzungsorgane, das Gehirn und das Verhalten, die Brustdrüse, den Stoffwechsel und die Fettleibigkeit sowie das Immunsystem in der Gesamtbewertung der Gefahren Rechnung zu tragen. Da der Beschränkungsvorschlag die dermale Exposition durch die Handhabung von Papier betrifft, wurde auch ein DNEL für die dermale Exposition der Arbeitnehmer und der allgemeinen Bevölkerung berechnet. Was die Exposition angeht, so verfeinerte der RAC die Beurteilung und ergänzte sie durch neue Biomonitoring-Informationen betreffend die Exposition des Kassenpersonals gegenüber BPA. Durch die Anwendung dieser Methodik kam der RAC zu dem Schluss, dass das Risiko für die Verbraucher zwar angemessen beherrscht ist, bestätigte jedoch, dass ein Risiko für die Arbeitnehmer besteht.
(6)
Am 5. Juni 2015 verabschiedete der RAC seine Stellungnahme mit der Schlussfolgerung, dass die vorgeschlagene Beschränkung die zweckmäßigste unionsweite Maßnahme zur Bewältigung der festgestellten Risiken darstellt, was die Wirksamkeit bei der Verringerung dieser Risiken angeht.
(7)
Aufgrund der Schlussfolgerungen des RAC, dass die vorliegenden Daten keine Quantifizierung der Dosis-Wirkungs-Beziehungen für die gesundheitlichen Auswirkungen von BPA ermöglichen, konnte der Ausschuss für sozioökonomische Analyse (im Folgenden „SEAC” ) der Agentur die in dem französischen Dossier vorgelegten Nutzenschätzungen nicht verwenden und führte daher eine Break-Even-Analyse durch, auf deren Grundlage er zu dem Schluss kam, dass die geschätzten Kosten insgesamt höher sind als die potenziellen gesundheitlichen Nutzen der vorgeschlagenen Beschränkung. Der SEAC stellte jedoch fest, dass die Kosten der Beschränkung einen sehr geringen Teil der gesamten Personalkosten oder des Bruttobetriebsüberschusses der betroffenen Sektoren in der EU ausmachen und es nur zu einem sehr geringen Preisanstieg führen würde, wenn diese durch eine Erhöhung der Preise für Verbrauchsgüter an die Verbraucher weitergegeben würden. Darüber hinaus wies der SEAC darauf hin, dass die Beschränkung zu einer ausgewogeneren Verteilung der Folgen führen könnte, wenn man bedenkt, dass die potenziell bedrohte Teilpopulation des Kassenpersonals unverhältnismäßig stark von den gesundheitsschädigenden Wirkungen betroffen ist, während die wirtschaftlichen Folgen gleichmäßig auf die allgemeine Bevölkerung der EU verteilt würden.
(8)
Am 4. Dezember 2015 verabschiedete der SEAC seine Stellungnahme und vertrat die Auffassung, dass die vorgeschlagene Beschränkung bei einem Vergleich des sozioökonomischen Nutzens mit den sozioökonomischen Kosten wohl nicht verhältnismäßig sein dürfte, wies jedoch auf mögliche Vorteile in Bezug auf Verteilung und Erschwinglichkeit hin. Darüber hinaus bekräftigte der SEAC, dass eine unionsweite Maßnahme gerechtfertigt ist, und kam zu dem Schluss, dass es sich bei der vorgeschlagenen Beschränkung um eine zweckmäßige Maßnahme des Vorgehens gegen gesundheitliche Risiken für Arbeitnehmer handelt.
(9)
Der RAC und der SEAC kamen ferner zu dem Schluss, dass die vorgeschlagene Beschränkung umsetzbar, durchsetzbar, machbar und überprüfbar ist.
(10)
Das bei der Agentur bestehende Forum für den Austausch von Informationen zur Durchsetzung wurde während des Beschränkungsverfahrens konsultiert, und seine Empfehlungen wurden berücksichtigt.
(11)
Am 29. Januar 2016 legte die Agentur der Kommission die Stellungnahmen des RAC und des SEAC(4) vor. Auf der Grundlage dieser Stellungnahmen kam die Kommission zu dem Schluss, dass ein nicht akzeptables Risiko für die Gesundheit der Arbeitnehmer besteht, die Thermopapier mit einem BPA-Gehalt in einer Konzentration von 0,02 Gewichtsprozent oder höher handhaben. Unter Berücksichtigung der Erwägungen des SEAC im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Verteilung und die Erschwinglichkeit ist die Kommission der Auffassung, dass mit der vorgeschlagenen Beschränkung gegen die festgestellten Risiken vorgegangen werden könnte, ohne die Industrie, die Lieferkette oder die Verbraucher erheblich zu belasten. Die Kommission kommt daher zu dem Schluss, dass die von Frankreich vorgeschlagene Beschränkung eine zweckmäßige unionsweite Maßnahme zur Minderung der festgestellten Gefahren für die Gesundheit der Arbeitnehmer, die Thermopapier mit BPA handhaben, darstellt. Durch eine Regulierung des Inverkehrbringens würde die vorgeschlagene Beschränkung außerdem ein größeres Maß an Schutz für den Arbeitnehmer ermöglichen.
(12)
Da derzeit Prüfmethoden zur Messung der BPA-Konzentration in Thermopapier zur Verfügung stehen, ist die Beschränkung durchsetzbar. Nach Auffassung des SEAC sollte der Anwendungsbeginn der Beschränkung verschoben werden, um der Industrie die Befolgung zu ermöglichen. Eine Frist von 36 Monaten erscheint angemessen und ausreichend.
(13)
Der RAC wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass Bisphenol S (BPS), das Frankreich zufolge am wahrscheinlichsten als Ersatz infrage kommt, möglicherweise ein ähnliches toxikologisches Profil wie BPA aufweist und ähnliche gesundheitsschädigende Wirkungen haben könnte. Um zu vermeiden, dass die gesundheitsschädigenden Wirkungen von BPA einfach durch die gesundheitsschädigenden Wirkungen von BPS ersetzt werden, sollte daher besonders auf eine mögliche Tendenz zur Substitution durch BPS geachtet werden. Zu diesem Zweck sollte die Agentur die Verwendung von BPS in Thermopapier überwachen. Die Agentur sollte der Kommission alle weiteren Informationen übermitteln, damit diese abschätzen kann, ob angesichts der Tatsache, dass die gesundheitlichen Risiken von BPS in Thermopapier im Gegensatz zu BPA noch nicht bewertet wurden, ein Vorschlag zur Beschränkung von BPS gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 notwendig ist.
(14)
Die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 sollte daher entsprechend geändert werden.
(15)
Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des mit Artikel 133 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 eingesetzten Ausschusses —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 396 vom 30.12.2006, S. 1.

(2)

http://echa.europa.eu/documents/10162/c6a8003c-81f3-4df6-b7e8-15a3a36baf76

(3)

http://www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/3978

(4)

http://echa.europa.eu/documents/10162/9ce0977b-3540-4de0-af6d-16ad6e78ff20

© Europäische Union 1998-2021

Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.