Präambel VO (EU) 2016/2338

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 91,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen(2),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Der Schienenverkehr hat das Potenzial, zu wachsen und seinen Anteil am Gesamtverkehrsaufkommen zu steigern und eine wichtige Rolle in einem nachhaltigen Verkehrs- und Mobilitätssystem zu spielen, wobei auch neue Investitionsmöglichkeiten und Arbeitsplätze geschaffen werden. Das Wachstum der Schienenpersonenverkehrsdienste hat jedoch mit der Entwicklung anderer Verkehrsträger nicht Schritt gehalten.
(2)
Der Unionsmarkt für internationale Schienenpersonenverkehrsdienste ist seit 2010 für den Wettbewerb geöffnet. Darüber hinaus haben einige Mitgliedstaaten ihre inländischen Personenverkehrsdienste für den Wettbewerb geöffnet, entweder durch die Einführung von Rechten auf freien Zugang oder durch die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge oder durch beides. Die Öffnung des Marktes für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste sollte sich positiv auf das Funktionieren des einheitlichen europäischen Eisenbahnraums auswirken und zu besseren Diensten für die Nutzer führen.
(3)
In ihrem Weißbuch über die Verkehrspolitik vom 28. März 2011 kündigte die Kommission ihre Absicht an, den Binnenmarkt für Schienenverkehrsdienste zu vollenden und hierfür technische, administrative und rechtliche Hindernisse für den Zugang zum Eisenbahnmarkt auszuräumen.
(4)
Die Vollendung des einheitlichen europäischen Eisenbahnraums sollte die Entwicklung des Schienenverkehrs als glaubhafter Alternative zu anderen Verkehrsträgern — unter anderem in Bezug auf Preis und Qualität — fördern.
(5)
Ein spezifisches Ziel dieser Verordnung besteht darin, die Qualität, Transparenz, Effizienz und Leistungsfähigkeit von öffentlichen Schienenpersonenverkehrsdiensten zu verbessern.
(6)
Dienstleistungen auf grenzüberschreitender Ebene, die im Rahmen öffentlicher Dienstleistungsaufträge erbracht werden, einschließlich öffentlicher Verkehrsdienste zur Erfüllung örtlicher und regionaler Verkehrsbedürfnisse, sollten der Zustimmung der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, in deren Hoheitsgebiet die Dienstleistungen erbracht werden, unterliegen.
(7)
Die zuständigen Behörden sollten Spezifikationen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im öffentlichen Personenverkehr festlegen. Diese Spezifikationen sollten kohärent zu den politischen Zielen sein, wie sie in den Mitgliedstaaten in den Strategiepapieren zur Politik für den öffentlichen Verkehr niedergelegt sind.
(8)
Spezifikationen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im öffentlichen Personenverkehr sollten, soweit möglich, positive Netzwerkeffekte herbeiführen, unter anderem in Bezug auf eine Verbesserung der Dienstleistungsqualität, des sozialen und territorialen Zusammenhalts oder der Gesamteffizienz des öffentlichen Verkehrssystems.
(9)
Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen sollten mit der Politik für den öffentlichen Verkehr im Einklang stehen. Dies verleiht den zuständigen Behörden jedoch keinen Anspruch auf eine bestimmte finanzielle Ausstattung.
(10)
Bei der Ausarbeitung von Strategiepapieren zur Politik für den öffentlichen Verkehr sollten die einschlägigen Interessengruppen entsprechend den nationalen Rechtsvorschriften konsultiert werden. Diese Interessengruppen könnten Verkehrsunternehmen, Infrastrukturbetreiber, Arbeitnehmerorganisationen und Vertreter der Nutzer von öffentlichen Verkehrsdiensten umfassen.
(11)
Bei öffentlichen Dienstleistungsaufträgen, die nicht nach einem wettbewerblichen Vergabeverfahren vergeben werden, sollte die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen durch den Betreiber eines öffentlichen Dienstes in geeigneter Weise ausgeglichen werden, um die langfristige finanzielle Tragfähigkeit der öffentlichen Personenverkehrsdienste entsprechend den Anforderungen zu gewährleisten, die in der Politik für den öffentlichen Verkehr festgelegt sind. Insbesondere sollte eine solche Ausgleichsleistung die Aufrechterhaltung oder Entwicklung eines effizienten Managements durch den Betreiber eines öffentlichen Dienstes und die Erbringung von Personenverkehrsdiensten von ausreichend hoher Qualität sicherstellen.
(12)
Im Rahmen der Schaffung des einheitlichen europäischen Eisenbahnraums sollten die Mitgliedstaaten ein angemessenes Niveau des sozialen Schutzes für das Personal der Betreiber eines öffentlichen Dienstes gewährleisten.
(13)
Im Hinblick auf die angemessene Einbeziehung sozialer und arbeitsrechtlicher Erfordernisse in die Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge für öffentliche Personenverkehrsdienste sollten die Betreiber eines öffentlichen Dienstes bei der Ausführung öffentlicher Dienstleistungsaufträge die Anforderungen des Sozial- und Arbeitsrechts erfüllen, die in dem Mitgliedstaat gelten, in dem der öffentliche Dienstleistungsauftrag erteilt wurde, und die sich aus den auf nationaler und auf Unionsebene geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften und Beschlüssen sowie aus geltenden Tarifverträgen ergeben, sofern diese nationalen Regelungen und ihre Anwendung mit dem Unionsrecht vereinbar sind.
(14)
Verlangt ein Mitgliedstaat, dass vom vorherigen Betreiber eingestelltes Personal vom neu ausgewählten Betreiber eines öffentlichen Dienstes übernommen wird, so sollten diesen Arbeitnehmern die Rechte gewährt werden, auf die sie Anspruch gehabt hätten, wenn ein Übergang im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG des Rates(4) erfolgt wäre. Es sollte den Mitgliedstaaten freistehen, derartige Vorschriften zu erlassen.
(15)
Die zuständigen Behörden sollten allen interessierten Parteien relevante Informationen für die Vorbereitung eines Angebots im Rahmen eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens zur Verfügung stellen und dabei den legitimen Schutz vertraulicher Geschäftsinformationen gewährleisten.
(16)
Die Verpflichtung einer zuständigen Behörde, allen interessierten Parteien wesentliche Informationen für die Vorbereitung eines Angebots im Rahmen eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens zur Verfügung zu stellen, sollte sich nicht auf die Erstellung zusätzlicher Informationen erstrecken, wenn es solche Informationen nicht gibt.
(17)
Um den unterschiedlichen Gegebenheiten der territorialen und der politischen Organisation der Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen, können öffentliche Dienstleistungsaufträge von einer zuständigen Behörde vergeben werden, die aus einer Gruppe von Behörden besteht. In solchen Fällen sollten klare Vorgaben existieren, die die jeweiligen Funktionen dieser Behörden bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge bestimmen.
(18)
In Anbetracht der unterschiedlichen Verwaltungsstrukturen in den Mitgliedstaaten liegt im Falle von Aufträgen für die Erbringung öffentlicher Schienenpersonenverkehrsdienste, die von einer Gruppe von zuständigen örtlichen Behörden direkt vergeben werden, die Entscheidung, welche örtlichen Behörden für „städtische Ballungsräume” und „ländliche Gebiete” zuständig sind, nach wie vor im Ermessen der Mitgliedstaaten.
(19)
Öffentliche Dienstleistungsaufträge für öffentliche Schienenpersonenverkehrsdienste sollten — außer in den in dieser Verordnung dargelegten Fällen — auf der Grundlage eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens vergeben werden.
(20)
Die Verfahren für die wettbewerbliche Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge sollten allen Betreibern offenstehen, fair sein und den Grundsätzen der Transparenz und Nichtdiskriminierung genügen.
(21)
Im Falle außergewöhnlicher Umstände kann bei öffentlichen Dienstleistungsaufträgen für öffentliche Schienenpersonenverkehrsdienste, die im Wege eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens vergeben werden, vorübergehend eine direkte Vergabe neuer Aufträge erfolgen, um eine möglichst kostenwirksame Erbringung der Dienstleistungen sicherzustellen. Derartige Aufträge, die sich auf dieselben oder ähnliche gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen erstrecken, sollten nicht verlängert werden.
(22)
Wenn auf die Bekanntmachung der Absicht, ein wettbewerbliches Vergabeverfahren durchzuführen, nur ein Betreiber sein Interesse bekundet, können die zuständigen Behörden mit diesem Betreiber Verhandlungen aufnehmen, um den Auftrag ohne weitere Bekanntmachung eines offenen Verfahrens zu vergeben.
(23)
Die Mindestschwellen für direkt vergebene öffentliche Dienstleistungsaufträge sollten angepasst werden, um die bei öffentlichen Schienenpersonenverkehrsdiensten — im Vergleich zu den anderen unter Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates(5) fallenden Verkehrsträgern — höheren Volumen und Stückkosten zu berücksichtigen. Höhere Schwellen sollten auch für öffentliche Schienenpersonenverkehrsdienste gelten, bei denen der Schienenverkehrsanteil mehr als 50 % des Werts der betreffenden Dienste entspricht.
(24)
Die Schaffung des einheitlichen europäischen Eisenbahnraums erfordert gemeinsame Regeln für die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge in diesem Sektor, wobei die spezifischen Gegebenheiten jedes Mitgliedstaats zu berücksichtigen sind.
(25)
Wenn bestimmte Voraussetzungen in Bezug auf Art und Struktur des betreffenden Eisenbahnmarkts oder Schienennetzes erfüllt sind, sollten die zuständigen Behörden befugt sein, öffentliche Dienstleistungsaufträge für öffentliche Schienenpersonenverkehrsdienste direkt zu vergeben, wenn ein derartiger Auftrag zu einer Verbesserung der Qualität der Dienste oder der Kosteneffizienz oder beidem führen würde.
(26)
Die zuständigen Behörden können Maßnahmen ergreifen, um den Wettbewerb zwischen den Eisenbahnunternehmen zu steigern, indem sie die Zahl der Aufträge, die sie an ein einzelnes Eisenbahnunternehmen vergeben, beschränken.
(27)
Die Mitgliedstaaten sollten dafür Sorge tragen, dass ihr Rechtssystem die Möglichkeit vorsieht, die Entscheidungen der zuständigen Behörde über die Direktvergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge für öffentliche Schienenpersonenverkehrsdienste nach einem leistungsgestützten Ansatz durch eine unabhängige Stelle bewerten zu lassen. Dies könnte im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung erfolgen.
(28)
Bei der Vorbereitung wettbewerblicher Vergabeverfahren sollten die zuständigen Behörden prüfen, ob Maßnahmen getroffen werden müssen, um einen effektiven und diskriminierungsfreien Zugang zu geeignetem Rollmaterial zu gewährleisten. Die zuständigen Behörden sollten den Prüfungsbericht öffentlich zugänglich machen.
(29)
Bestimmte zentrale Merkmale anstehender wettbewerblicher Vergabeverfahren für öffentliche Dienstleistungsaufträge müssen vollständig transparent sein, damit sich der Markt besser darauf einstellen kann.
(30)
Die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 sollte daher entsprechend geändert werden —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. C 327 vom 12.11.2013, S. 122.

(2)

ABl. C 356 vom 5.12.2013, S. 92.

(3)

Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 26. Februar 2014 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Standpunkt des Rates nach erster Lesung vom 17. Oktober 2016 (ABl. C 430 vom 22.11.2016, S. 4). Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 14. Dezember 2016 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(4)

Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. L 82 vom 22.3.2001, S. 16).

(5)

Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 1).

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