Artikel 4 VO (EU) 2016/794
Aufgaben
(1) Europol kommt folgenden Aufgaben nach, um die in Artikel 3 genannten Ziele zu erreichen:
- a)
- Erhebung, Speicherung, Verarbeitung, Analyse und Austausch von Informationen, einschließlich strafrechtlich relevanter Erkenntnisse;
- b)
- unverzügliche Unterrichtung der Mitgliedstaaten — über die gemäß Artikel 7 Absatz 2 errichteten oder benannten nationalen Stellen — über alle sie betreffenden Informationen und etwaige Zusammenhänge zwischen Straftaten;
- c)
-
Koordinierung, Organisation und Durchführung von Ermittlungs- und operativen Maßnahmen, um die Tätigkeit der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zu unterstützen und zu stärken, wobei die Maßnahmen
- i)
- gemeinsam mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten durchgeführt werden oder
- ii)
- im Zusammenhang mit gemeinsamen Ermittlungsgruppen nach Maßgabe des Artikels 5 sowie gegebenenfalls in Verbindung mit Eurojust durchgeführt werden;
- d)
- Mitwirkung in gemeinsamen Ermittlungsgruppen und Anregung, dass solche gemeinsamen Ermittlungsgruppen nach Maßgabe des Artikels 5 eingesetzt werden;
- e)
- Unterstützung der Mitgliedstaaten bei internationalen Großereignissen durch Informationen und Analysen;
- f)
- Erstellung von Bedrohungs-, strategischen und operativen Analysen sowie von allgemeinen Lageberichten;
- g)
- Entwicklung, Weitergabe und Förderung von Fachwissen über Methoden der Kriminalitätsverhütung, Ermittlungsverfahren und (kriminal-)technische Methoden sowie Beratung der Mitgliedstaaten;
- h)
- Unterstützung von grenzüberschreitenden Informationsaustauschtätigkeiten, Operationen und Ermittlungen der Mitgliedstaaten sowie von gemeinsamen Ermittlungsgruppen, auch in operativer, technischer und finanzieller Hinsicht;
- ha)
- Bereitstellung administrativer und finanzieller Unterstützung für die Spezialeinheiten der Mitgliedstaaten im Sinne des Beschlusses 2008/617/JI des Rates(1);
- i)
- Erbringung von spezialisierten Schulungsleistungen und Unterstützung der Mitgliedstaaten — auch in finanzieller Hinsicht — bei der Durchführung von Maßnahmen zur Schulung im Rahmen ihrer Ziele und nach Maßgabe der ihr zur Verfügung stehenden personellen und finanziellen Ressourcen in Abstimmung mit der Agentur der Europäischen Union für die Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet der Strafverfolgung (EPA);
- j)
- Zusammenarbeit mit den auf der Grundlage von Titel V AEUV errichteten Unionseinrichtungen, mit OLAF und der durch die Verordnung (EU) 2019/881 des Europäischen Parlaments und des Rates(2) eingerichtete Agentur der Europäischen Union für Cybersicherheit (ENISA), insbesondere durch den Austausch von Informationen und durch Unterstützung mit Analysen zu den in ihre jeweiligen Zuständigkeiten fallenden Bereichen;
- k)
- Bereitstellung von Informationen und Unterstützung für die auf dem EUV basierenden Krisenbewältigungsstrukturen und -missionen der EU im Rahmen der Ziele von Europol gemäß Artikel 3;
- l)
- Weiterentwicklung von Zentren der Union, die auf die Bekämpfung bestimmter unter die Ziele von Europol fallender Kriminalitätsformen spezialisiert sind, insbesondere des Europäischen Zentrums zur Bekämpfung der Cyberkriminalität;
- m)
-
Unterstützung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten bei der Verhütung und Bekämpfung der in Anhang I aufgeführten Kriminalitätsformen, die mithilfe des Internets erleichtert, gefördert oder begangen werden, unter anderem durch
- i)
- Unterstützung der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten auf deren Ersuchen bei der Reaktion auf vermutlich kriminell motivierte Cyberangriffe,
- ii)
- Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten gemäß Artikel 14 der Verordnung (EU) 2021/784 bei den Entfernungsanordnungen und
- iii)
- die Verweisung von Online-Inhalten an die betroffenen Anbieter von Online-Diensten, damit diese freiwillig die Vereinbarkeit dieser Inhalte mit ihren eigenen Geschäftsbedingungen überprüfen;
- r)
- Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Identifizierung von Personen, deren kriminellen Aktivitäten unter die in Anhang I aufgeführten Kriminalitätsformen fallen und die ein hohes Sicherheitsrisiko darstellen;
- s)
- Erleichterung gemeinsamer, koordinierter und prioritärer Ermittlungen gegenüber in Buchstabe r genannten Personen;
- t)
- Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Verarbeitung von Daten, die von Drittstaaten oder internationalen Organisationen an Europol übermittelt werden und an Terrorismus oder schwerer Kriminalität beteiligte Personen betreffen, sowie Vorschlag der möglichen Eingabe von Informationsausschreibungen über Staatsangehörige eines Drittstaates im Interesse der Union (im Folgenden „Informationsausschreibung” ) in das Schengener Informationssystem (SIS) durch die Mitgliedstaaten nach deren Ermessen und im Anschluss an die Überprüfung und Analyse dieser Daten, gemäß der Verordnung (EU) 2018/1862 des Europäischen Parlaments und des Rates(3);
- u)
- im Zusammenhang mit den Zielen von Europol Unterstützung des Evaluierungs- und Überwachungsmechanismus zur Überprüfung der Anwendung des Schengen-Besitzstandes nach der Verordnung (EU) Nr. 1053/2013 im Wege der Bereitstellung von Fachwissen und Analysen, falls angezeigt;
- v)
- proaktive Beobachtung der Forschungs- und Innovationstätigkeiten, die für die Erreichung der Ziele von Europol relevant sind, und Leistung eines Beitrags zu diesen Tätigkeiten, indem sie damit zusammenhängende Tätigkeiten der Mitgliedstaaten unterstützt und ihre eigenen Forschungs- und Innovationstätigkeiten, darunter Projekte zum Entwickeln, Trainieren, Erproben und Validieren von Algorithmen für die Entwicklung spezifischer Instrumente für die Verwendung durch Strafverfolgungsbehörden, durchführt, sowie Verbreitung der Ergebnisse dieser Tätigkeiten an die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 67;
- w)
- Leistung eines Beitrags zur Schaffung von Synergien zwischen den Forschungs- und Innovationstätigkeiten der Einrichtungen und Agenturen der EU, die für die Erfüllung der Ziele von Europol relevant sind, einschließlich mittels des EU-Innovationszentrums für innere Sicherheit, und in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten;
- x)
- Unterstützung von Maßnahmen der Mitgliedstaaten auf deren Ersuchen bei der Bewältigung von Online-Krisensituationen, insbesondere dadurch, dass privaten Parteien die zur Ermittlung relevanter Online-Inhalte benötigten Informationen übermittelt werden;
- y)
- Unterstützung von Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung der Verbreitung von Online-Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet;
- z)
- Zusammenarbeit nach Artikel 12 der Richtlinie (EU) 2019/1153 des Europäischen Parlaments und des Rates(4) mit den gemäß der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates(5) errichteten zentralen Meldestellen (Financial Intelligence Units, FIU) über die maßgebliche nationale Europol-Stelle oder, sofern der jeweilige Mitgliedstaat es gestattet, durch direkten Kontakt mit den FIU, insbesondere durch den Austausch von Informationen und die Bereitstellung von Analysen an die Mitgliedstaaten, um grenzüberschreitende Ermittlungen zu Geldwäscheaktivitäten internationaler krimineller Vereinigungen und zu Terrorismusfinanzierung zu unterstützen.
Damit ein Mitgliedstaat innerhalb von zwölf Monaten, nachdem Europol die mögliche Eingabe einer Ausschreibung gemäß Unterabsatz 1 Buchstabe t vorgeschlagen hat, andere Mitgliedstaaten und Europol über das Ergebnis der Überprüfung und Analyse sowie darüber unterrichtet, ob eine Ausschreibung in das SIS eingegeben wurde, wird ein Mechanismus für die regelmäßige Berichterstattung eingerichtet.
Die Mitgliedstaaten unterrichten Europol gemäß dem in der Verordnung (EU) 2018/1862 festgelegten Verfahren Europol über jede in das SIS eingegebene Ausschreibung und jeden Treffer zu diesen Ausschreibungen und können über Europol den Drittstaat oder die internationale Organisation, von dem bzw. der die zu der Ausschreibung führenden Daten stammen, über Treffer zu dieser Ausschreibung.
(2) Europol erstellt strategische Analysen und Bedrohungsanalysen, um den Rat und die Kommission bei der Festlegung der vorrangigen strategischen und operativen Ziele der Union im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung zu unterstützen. Europol leistet zudem Unterstützung bei der operativen Umsetzung dieser Ziele, insbesondere im Rahmen der Europäischen multidisziplinären Plattform gegen kriminelle Bedrohungen, unter anderem durch die Erleichterung und Bereitstellung administrativer, logistischer, finanzieller und operativer Unterstützung für operative und strategische Tätigkeiten unter Führung der Mitgliedstaaten.
(3) Europol erstellt strategische Analysen und Bedrohungsanalysen, um den effizienten und effektiven Einsatz der auf nationaler Ebene und auf Unionsebene für operative Tätigkeiten verfügbaren Ressourcen zu erleichtern und derartige Tätigkeiten zu unterstützen. Europol erstellt auch Bedrohungsanalysen auf der Grundlage der ihr vorliegenden Informationen über kriminelle Erscheinungsformen und Entwicklungstrends, um die Kommission und die Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Risikobewertungen zu unterstützen.
(4) Europol fungiert als Zentralstelle zur Bekämpfung der Euro-Fälschung gemäß dem Beschluss 2005/511/JI des Rates(6). Europol fördert zudem die Koordinierung der von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten oder im Rahmen gemeinsamer Ermittlungsgruppen zur Bekämpfung der Euro-Fälschung durchgeführten Maßnahmen, gegebenenfalls in Verbindung mit Unionseinrichtungen und Drittstaatsbehörden.
(4a) Europol unterstützt die Mitgliedstaaten und die Kommission bei der Festlegung zentraler Forschungsthemen.
Europol unterstützt die Kommission bei der Ausarbeitung und Durchführung der Rahmenprogramme der Union für Forschung und Innovation, die für die Erreichung der Ziele von Europol relevant sind.
Gegebenenfalls kann Europol die Ergebnisse ihrer Forschungs- und Innovationstätigkeiten im Rahmen ihres Beitrags zur Schaffung von Synergien zwischen den bei Forschungs- und Innovationstätigkeiten der maßgebenden Einrichtungen der Union gemäß Absatz 1, Unterabsatz 1, Buchstabe w verbreiten.
Europol ergreift alle erforderlichen Maßnahmen, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Europol erhält keine Mittel aus einem Rahmenprogramm der Union, wenn sie die Kommission bei der Festlegung zentraler Forschungsthemen sowie bei der Ausarbeitung und Durchführung dieses Programms unterstützt.
Bei der Gestaltung und der Konzeption der Forschungs- und Innovationstätigkeiten im Zusammenhang mit Bereichen, die unter diese Verordnung fallen, kann Europol gegebenenfalls die Gemeinsame Forschungsstelle der Kommission konsultieren.
(4b) Europol unterstützt die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die zu erwartenden Auswirkungen auf die Sicherheit bei der Überprüfung bestimmter Fälle ausländischer Direktinvestitionen in die Union nach Maßgabe der Verordnung (EU) 2019/452 des Europäischen Parlaments und des Rates(7), die Unternehmen betreffen, welche Technologien bereitstellen, einschließlich Software, die Europol zur Verhütung und Untersuchung von unter die Ziele von Europol fallenden Straftaten verwendet.
(5) Bei der Durchführung ihrer Aufgaben wendet Europol keine Zwangsmaßnahmen an.
Das Europol-Personal kann den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten während der Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen auf deren Ersuchen und nach Maßgabe ihres nationalen Rechts operative Unterstützung leisten, insbesondere durch Erleichterung des grenzüberschreitenden Informationsaustauschs, forensische und technische Unterstützung und durch Anwesenheit bei der Durchführung dieser Maßnahmen. Das Europol-Personal selbst führt keine Ermittlungsmaßnahmen durch.
(5a) Europol achtet bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta” ) verankerten Grundrechte und -freiheiten.
Fußnote(n):
- (1)
Beschluss 2008/617/JI des Rates vom 23. Juni 2008 über die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Spezialeinheiten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Krisensituationen (ABl. L 210 vom 6.8.2008, S. 73).
- (2)
Verordnung (EU) 2019/881 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über die ENISA (Agentur der Europäischen Union für Cybersicherheit) und über die Zertifizierung der Cybersicherheit von Informations- und Kommunikationstechnik und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 526/2013 (Rechtsakt zur Cybersicherheit) (ABl. L 151 vom 7.6.2019, S. 15).
- (3)
Verordnung (EU) 2018/1862 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. November 2018 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems (SIS) im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, zur Änderung und Aufhebung des Beschlusses 2007/533/JI des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1986/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und des Beschlusses 2010/261/EU der Kommission (ABl. L 312 vom 7.12.2018, S. 56).
- (4)
Richtlinie (EU) 2019/1153 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Festlegung von Vorschriften zur Erleichterung der Nutzung von Finanz- und sonstigen Informationen für die Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung oder Verfolgung bestimmter Straftaten und zur Aufhebung des Beschlusses 2000/642/JI des Rates (ABl. L 186 vom 11.7.2019, S. 122).
- (5)
Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission (ABl. L 141 vom 5.6.2015, S. 73).
Beschluss 2005/511/JI des Rates vom 12. Juli 2005 über den Schutz des Euro gegen Fälschung durch Benennung von Europol als Zentralstelle zur Bekämpfung der Euro-Fälschung (ABl. L 185 vom 16.7.2005, S. 35).
Verordnung (EU) 2019/452 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2019 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union (ABl. L 79 I vom 21.3.2019, S. 1).
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