Artikel 9 VO (EU) 2017/2394

Mindestbefugnisse der zuständigen Behörden

(1) Jede zuständige Behörde verfügt über die für die Anwendung dieser Verordnung erforderlichen Mindestermittlungs- und Durchsetzungsbefugnisse nach den Absätzen 3, 4, 6 und 7 dieses Artikels und übt diese gemäß Artikel 10 aus.

(2) Ungeachtet des Absatzes 1 können die Mitgliedstaaten beschließen, nicht jeder zuständigen Behörde sämtliche Befugnisse zu übertragen, sofern jede dieser Befugnisse bei jedem Verstoß nach dieser Verordnung gemäß Artikel 10 wirksam und soweit erforderlich ausgeübt werden kann.

(3) Die zuständigen Behörden verfügen mindestens über die folgenden Ermittlungsbefugnisse, die es ihnen gestatten,

a)
Zugang zu allen relevanten Dokumenten, Daten oder Informationen in Bezug auf einem Verstoß nach dieser Verordnung, in jeder Form oder jedem Format zu erhalten, unabhängig von ihrem Speichermedium oder dem Ort, an dem sie aufbewahrt werden;
b)
von jeder Behörde, Stelle oder Agentur in ihrem Mitgliedstaat oder von jeder natürlichen oder juristischen Person die Bereitstellung aller relevanten Informationen, Daten oder Dokumente in jeder Form oder jedem Format, unabhängig von ihrem Speichermedium oder dem Ort, an dem sie aufbewahrt werden, zu verlangen, und zwar zur Feststellung, ob ein Verstoß nach dieser Verordnung stattgefunden hat oder gerade stattfindet, und zur Feststellung der Einzelheiten dieses Verstoßes, wozu auch die Rückverfolgung von Daten- und Finanzströmen, die Feststellung der Identität der an Daten- und Finanzströmen beteiligten Personen und die Feststellung der Bankverbindung und des Inhabers von Internetseiten gehört;
c)
erforderliche Prüfungen vor Ort vorzunehmen, einschließlich der Befugnis, alle Räumlichkeiten, Grundstücke und Transportmittel zu betreten, die der von der Prüfung betroffene Unternehmer zu Zwecken seiner gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit nutzt, oder andere Behörden dazu aufzufordern, um Informationen, Daten oder Dokumente, unabhängig von ihrem Speichermedium zu untersuchen, sicherzustellen oder Kopien davon anzufertigen oder zu erhalten; alle Informationen, Daten oder Dokumente für den erforderlichen Zeitraum und in dem für die Prüfung erforderlichen Ausmaß sicherzustellen; von jedem Vertreter oder Mitglied des Personals des von der Prüfung betroffenen Unternehmers zu verlangen, dass sie in Bezug auf den Gegenstand der Prüfung Erklärungen zu Sachverhalten, Informationen, Daten oder Dokumenten abgeben, und die Antworten aufzuzeichnen;
d)
Waren oder Dienstleistungen als Testeinkäufe zu erwerben, erforderlichenfalls mit verdeckter Identität, diese zu prüfen und zu betrachten, zu untersuchen, auseinanderzunehmen oder zu testen, um Verstöße nach dieser Verordnung aufzudecken und Beweismaterial zu beschaffen.

(4) Die zuständigen Behörden verfügen mindestens über die folgenden Durchsetzungsbefugnisse, die es ihnen gestatten,

a)
vorläufige Maßnahmen zur Vermeidung der Gefahr einer schwerwiegenden Schädigung der Kollektivinteressen von Verbrauchern zu ergreifen;
b)
zu versuchen, von dem für den Verstoß nach dieser Verordnung verantwortlichen Unternehmer Zusagen zur Einstellung des Verstoßes zu erhalten, oder solche Zusagen zu akzeptieren;
c)
vom Unternehmer auf dessen Initiative zusätzliche Abhilfezusagen zugunsten der von dem mutmaßlichen Verstoß nach dieser Verordnung betroffenen Verbraucher entgegenzunehmen oder gegebenenfalls zu versuchen, vom Unternehmer Zusagen zu erhalten, um den von diesem Verstoß betroffenen Verbrauchern angemessene Abhilfe anzubieten;
d)
gegebenenfalls Verbraucher, die vorbringen, infolge eines Verstoßes nach dieser Verordnung geschädigt worden zu sein, in angemessener Weise darüber zu informieren, wie sie Entschädigungsansprüche nach nationalem Recht geltend machen können;
e)
die Einstellung von Verstößen durch den Unternehmer nach dieser Verordnung schriftlich anzuordnen;
f)
die Einstellung oder Untersagung von Verstößen nach dieser Verordnung zu bewirken;
g)
wenn keine anderen wirksamen Mittel zur Verfügung stehen, um die Einstellung oder Untersagung des Verstoßes nach dieser Verordnung zu bewirken, und um das Risiko einer schwerwiegenden Schädigung der Kollektivinteressen von Verbrauchern zu verhindern,

i)
Inhalte von Online- Schnittstellen zu entfernen oder den Zugang zu einer Online-Schnittstelle zu beschränken oder anzuordnen, dass beim Zugriff auf die Online-Schnittstelle ein ausdrücklicher Warnhinweis an die Verbraucher angezeigt wird,
ii)
anzuordnen, dass Anbieter von Hosting-Diensten den Zugang zu einer Online-Schnittstelle entfernen, sperren oder beschränken, oder
iii)
gegebenenfalls anzuordnen, dass Register oder Registrierungsstellen für Domänennamen einen vollständigen Domänennamen entfernen, und der betreffenden zuständigen Behörde seine Registrierung zu gestatten,

auch durch Aufforderung an Dritte oder andere Behörden, solche Maßnahmen durchzuführen.

h)
Sanktionen, wie beispielsweise Geldbußen oder Zwangsgelder, für Verstöße nach dieser Verordnung sowie für das Versäumnis, Entscheidungen, Anordnungen, vorläufige Maßnahmen, Zusagen des Unternehmers oder anderen nach dieser Verordnung ergriffenen Maßnahmen Folge zu leisten, zu verhängen.

Die in Buchstabe h genannten Sanktionen müssen wirksam, angemessen und abschreckend sein und im Einklang mit den Anforderungen des Unionsrechts zum Schutz der Verbraucherinteressen stehen. Insbesondere ist gegebenenfalls die Art, Schwere und Dauer des betreffenden Verstoßes gebührend zu berücksichtigen.

(5) Die Befugnis zur Verhängung von Sanktionen, wie beispielsweise Geldbußen oder Zwangsgelder, für Verstöße nach dieser Verordnung gilt für jeden Verstoß gegen das Unionsrecht zum Schutz der Verbraucherinteressen, sofern in dem einschlägigen im Anhang genannten Unionsrechtsakt Sanktionen vorgesehen sind. Dies berührt nicht die Befugnis der nationalen Behörden, nach nationalem Recht Sanktionen, wie beispielsweise Bußgelder oder andere Geldstrafen oder Zwangsgelder, zu verhängen, wenn in den im Anhang genannten Unionsrechtsakten keine Sanktionen vorgesehen sind.

(6) Die zuständigen Behörden sind befugt, von sich aus Ermittlungen oder Verfahren einzuleiten, um die Einstellung oder Untersagung von Verstößen nach dieser Verordnung zu bewirken.

(7) Die zuständigen Behörden können sämtliche abschließenden Entscheidungen, Zusagen des Unternehmers oder nach dieser Verordnung erlassene Anordnungen veröffentlichen, wozu auch die Offenlegung der Identität des für den Verstoß nach dieser Verordnung verantwortlichen Unternehmers gehört.

(8) Die zuständigen Behörden können gegebenenfalls Verbraucherorganisationen, Unternehmerverbände, benannte Stellen oder weitere betroffene Personen zur Wirksamkeit der vorgeschlagenen Zusagen zur Einstellung des Verstoßes nach dieser Verordnung konsultieren.

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