Artikel 22 VO (EU) 2017/567

Positionsmanagementbefugnisse der ESMA (Artikel 45 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014)

(1) Für die Zwecke von Artikel 45 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 wird das Vorliegen einer Gefahr für die ordnungsgemäße Funktionsweise und die Integrität der Finanzmärkte, auch der Warenderivatemärkte im Einklang mit den Zielen nach Artikel 57 Absatz 1 der Richtlinie 2014/65/EU einschließlich Lieferungsvereinbarungen für physische Waren, oder einer Gefahr für die Stabilität des gesamten oder eines Teils des Finanzsystems in der Union anhand der folgenden Kriterien und Faktoren bestimmt:

a)
Vorliegen schwerer finanzieller, monetärer oder budgetärer Probleme, die bei einem Mitgliedstaat oder bei einem Finanzinstitut, das als wichtig für das globale Finanzsystem angesehen wird, einschließlich in der Union tätige Kreditinstitute, Versicherungsgesellschaften, Marktinfrastruktur-Anbieter und Vermögensverwaltungsgesellschaften, zu Finanzinstabilität führen können, sofern diese Probleme das ordnungsgemäße Funktionen und die Integrität von Finanzmärkten oder die Stabilität des Finanzsystems in der Union bedrohen können;
b)
eine Rating-Maßnahme oder der Ausfall eines Mitgliedstaats oder eines Kreditinstituts oder eines anderen Finanzinstituts, die als wichtig für das globale Finanzsystem angesehen werden, wie in der Union tätige Versicherungsgesellschaften, Marktinfrastruktur-Anbieter und Vermögensverwaltungsgesellschaften, welche schwere Zweifel an deren Solvenz aufkommen lassen oder nach vernünftigem Ermessen aufkommen lassen dürften;
c)
erheblicher Verkaufsdruck oder ungewöhnliche Volatilität, die bei Finanzinstrumenten, die sich auf ein Kreditinstitut oder andere Finanzinstitute, die als wichtig für das globale Finanzsystem angesehen werden, wie in der Union tätige Versicherungsgesellschaften, Marktinfrastruktur-Anbieter und Vermögensverwaltungsgesellschaften, und auf öffentliche Emittenten beziehen, eine erhebliche Abwärtsspirale in Gang setzen;
d)
ein Schaden an den physischen Strukturen von wichtigen Finanzemittenten, Marktinfrastrukturen, Clearing- und Abwicklungssystemen oder zuständigen Behörden, der sich insbesondere in Fällen, in denen er auf eine Naturkatastrophe oder einen terroristischen Angriff zurückzuführen ist, in erheblichem Maße nachteilig auf die Märkte auswirken kann;
e)
eine Störung bei einem Zahlungssystem oder Abwicklungsprozess — insbesondere wenn diese das Interbankengeschäft betrifft —, die innerhalb der Zahlungssysteme der Union zu erheblichen Zahlungs- oder Abwicklungsfehlern oder -verzögerungen führt oder führen kann, speziell wenn diese in einem Kreditinstitut oder einem anderen Finanzinstitut, die als wichtig für das globale Finanzsystem angesehen werden, wie in der Union tätige Versicherungsgesellschaften, Marktinfrastruktur-Anbieter und Vermögensverwaltungsgesellschaften, oder in einem Mitgliedstaat zur Ausbreitung einer finanziellen oder wirtschaftlichen Krise führen können;
f)
ein signifikanter und plötzlicher Rückgang des Angebots oder ein signifikanter und plötzlicher Anstieg der Nachfrage bei einer Ware, wodurch das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage gestört wird;
g)
die Tatsache, dass eine Person oder mehrere gemeinsam handelnde Personen eine erhebliche Position einer bestimmten Ware an einem oder mehreren Handelsplätzen über einen oder mehrere Marktmitglieder hält/halten;
h)
die Unfähigkeit eines Handelsplatzes, aufgrund eines Zwischenfalls in der Geschäftskontinuität die eigenen Positionsmanagementbefugnisse auszuüben.

(2) Für die Zwecke von Artikel 45 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 wird die entsprechende Verringerung der Größe einer Position oder offenen Forderung anhand der folgenden Kriterien und Faktoren bestimmt:

a)
Art des Inhabers der Position, einschließlich Herstellern, Verbrauchern oder Finanzinstitut;
b)
Laufzeit des Finanzinstruments;
c)
Größe der Position im Verhältnis zur Größe des betreffenden Warenderivatemarkts;
d)
Größe der Position im Verhältnis zur Größe des Marktes für die zugrunde liegende Ware;
e)
Ausrichtung der Position (Short oder Long) und Delta oder Delta-Bereiche;
f)
Zweck der Position, insbesondere, ob die Position zu Absicherungszwecken oder zum Zwecke des finanziellen Engagements gehalten wird;
g)
Erfahrung eines Positionsinhabers im Halten von Positionen einer bestimmten Größe oder im Liefern oder Annehmen einer bestimmten Ware;
h)
Andere Positionen, die von der Person im zugrunde liegenden Markt oder in demselben Derivat mit anderen Laufzeiten gehalten werden;
i)
Liquidität des Marktes und die Auswirkung der Maßnahme auf andere Marktteilnehmer;
j)
Art der Lieferung.

(3) Für die Zwecke von Artikel 45 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 werden Situationen, in denen sich das Risiko einer Aufsichtsarbitrage stellen kann, anhand der folgenden Kriterien bestimmt:

a)
ob derselbe Kontrakt an einem anderen Handelsplatz oder außerbörslich gehandelt wird;
b)
ob ein im Wesentlichen gleichartiger Kontrakt an einem anderen Handelsplatz oder außerbörslich gehandelt wird (ähnlicher und zusammenhängender Kontrakt, der jedoch nicht als Teil derselben fungiblen offenen Position angesehen wird);
c)
Auswirkungen des Beschlusses auf den Markt für die zugrunde liegende Ware;
d)
Auswirkungen des Beschlusses auf Märkte und Marktteilnehmer, die nicht unter die Positionsmanagementbefugnisse des ESMA fallen; und
e)
wahrscheinliche Auswirkung auf das ordnungsgemäße Funktionieren und die Integrität der Märkte, sofern keine Maßnahmen seitens der ESMA getroffen werden.

(4) Für die Zwecke von Artikel 45 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 wendet die ESMA die in Absatz 1 des vorliegenden Artikels aufgeführten Kriterien und Faktoren an, wobei sie berücksichtigt, ob die vorgesehene Maßnahme einem Handlungsversäumnis der zuständigen Behörde oder einem zusätzlichen Risiko Rechnung trägt, dem die zuständige Behörde im Einklang mit Artikel 69 Absatz 2 Buchstabe j oder o der Richtlinie 2014/65/EU nicht ausreichend begegnen kann.

Für die Zwecke von Unterabsatz 1 wird von einem Handlungsversäumnis der zuständigen Behörde ausgegangen, wenn sie aufgrund der ihr übertragenen Befugnisse über ausreichende Aufsichtsbefugnisse verfügt, um der Gefahr bei Eintritt des Ereignisses ohne Hilfe seitens einer anderen zuständigen Behörde in vollem Umfang zu begegnen, sie aber keine entsprechende Maßnahme ergreift.

Eine zuständige Behörde gilt als nicht in der Lage befindlich, einer Gefahr ausreichend zu begegnen, wenn einer oder mehrere Faktoren, auf den bzw. die in Artikel 45 Absatz 10 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 Bezug genommen wird, im Hoheitsgebiet der zuständigen Behörde und in einem oder mehreren weiteren Hoheitsgebieten vorliegen.

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