Präambel VO (EU) 2019/481

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates(1), insbesondere auf Artikel 13 Absatz 2,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Das Vereinigte Königreich erhielt am 23. Februar 2011 von dem Unternehmen Otsuka AgriTechno Co., Ltd. einen Antrag gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 auf Genehmigung des Wirkstoffs Flutianil.
(2)
Am 21. Oktober 2011 informierte der berichterstattende Mitgliedstaat, das Vereinigte Königreich, gemäß Artikel 9 Absatz 3 der genannten Verordnung den Antragsteller, die anderen Mitgliedstaaten, die Kommission und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (im Folgenden die „Behörde” ) über die Zulässigkeit des Antrags.
(3)
Am 19. Juni 2013 legte der berichterstattende Mitgliedstaat der Kommission — mit Kopie an die Behörde — den Entwurf eines Bewertungsberichts vor, in dem er bewertet hat, ob angenommen werden kann, dass der genannte Wirkstoff die Genehmigungskriterien gemäß Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erfüllt.
(4)
Die Behörde handelte gemäß den Bestimmungen des Artikels 12 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Sie ersuchte den Antragsteller gemäß Artikel 12 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 um Übermittlung zusätzlicher Informationen an die Mitgliedstaaten, die Kommission und sie selbst. Der berichterstattende Mitgliedstaat legte der Behörde seine Bewertung der zusätzlichen Informationen am 2. Juni 2014 in Form eines aktualisierten Entwurfs des Bewertungsberichts vor.
(5)
Am 29. Juli 2014 übermittelte die Behörde dem Antragsteller, den Mitgliedstaaten und der Kommission ihre Schlussfolgerung(2) dazu, ob angenommen werden kann, dass der Wirkstoff Flutianil die Genehmigungskriterien gemäß Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erfüllt. Sie machte ihre Schlussfolgerung der Öffentlichkeit zugänglich.
(6)
Die Behörde gelangte zu dem Schluss, dass Flutianil als karzinogener Stoff der Kategorie 2 und als reproduktionstoxischer Stoff (in Bezug auf die Entwicklung) der Kategorie 2 eingestuft werden sollte. Daher wurde davon ausgegangen, dass der Wirkstoff nicht die Genehmigungskriterien gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erfüllt.
(7)
Am 4. Dezember 2014 teilte der berichterstattende Staat seine Absicht mit, ein Ersuchen um harmonisierte Einstufung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates(3) einzuleiten. Gemäß dem entsprechenden Vorschlag war es nicht angezeigt, Flutianil als karzinogenen oder reproduktionstoxischen Stoff einzustufen, sodass Flutianil die Genehmigungskriterien gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erfüllte. Das Vereinigte Königreich reichte den Antrag am 23. Februar 2015 bei der Europäischen Chemikalienagentur ein.
(8)
Am 10. Dezember 2015 legte die Kommission dem Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel den Entwurf eines Überprüfungsberichts zugunsten der Nichtgenehmigung von Flutianil vor. Aufgrund möglicher Auswirkungen auf die Beschlussfassung entschied die Kommission, das Ergebnis der Einstufung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 abzuwarten und erst dann dem Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel den Entwurf einer Verordnung vorzulegen.
(9)
Im März 2016 sprach sich der Ausschuss für Risikobeurteilung der Europäischen Chemikalienagentur gegen eine Einstufung des Wirkstoffs Flutianil als karzinogener oder reproduktionstoxischer Stoff aus(4). Auf Ersuchen der Europäischen Kommission veröffentlichte die Behörde am 5. Juli 2018 eine Erklärung zu den Auswirkungen der harmonisierten Einstufung auf die Schlussfolgerung zum Peer-Review der Risikobewertung für den Pflanzenschutzmittelwirkstoff Flutianil(5). In dieser Erklärung erkannte die Behörde an, dass sich die vom Ausschuss für Risikobeurteilung der Europäischen Chemikalienagentur vorgeschlagene harmonisierte Einstufung, gestützt auf neue zusätzliche Informationen, von der vorläufigen Einstufung in der Schlussfolgerung der Behörde unterschied. Am 4. Oktober 2018 wurde der Wirkstoff Flutianil in Anhang VI Teil 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 aufgenommen, wobei er nicht als karzinogener oder reproduktionstoxischer Stoff eingestuft wurde(6).
(10)
Die Kommission überarbeitete den im Entwurf vorliegenden Überprüfungsbericht dahin gehend, dass sie ihn an das Ergebnis der Einstufung anpasste, und legte ihn am 20. März 2018 zusammen mit dem Entwurf einer Verordnung dem Antragsteller zur Stellungnahme vor. Am 21. März 2018 wurden die Unterlagen dem Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel vorgelegt.
(11)
Nach der Veröffentlichung der Erklärung der Behörde legte die Kommission dem Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel am 24. Oktober 2018 einen überarbeiteten Überprüfungsbericht und den Entwurf einer Verordnung zur Genehmigung von Flutianil vor.
(12)
Der Antragsteller erhielt Gelegenheit, zum überarbeiteten Überprüfungsbericht und zur Erklärung der Behörde Stellung zu nehmen.
(13)
In Bezug auf die neuen Kriterien zur Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften, die in der seit dem 10. November 2018 geltenden Verordnung (EU) 2018/605 der Kommission(7) dargelegt sind, und auf den gemeinsamen Leitfaden zur Identifizierung endokrin schädigender Stoffe(8) kann aus den Informationen in den Schlussfolgerungen der Behörde abgeleitet werden, dass es höchst unwahrscheinlich ist, dass Flutianil ein endokriner Disruptor mit östrogener, androgener, thyroidogener und steroidogener Wirkungsweise ist. Es wurden zwar Auswirkungen auf die Schilddrüse beobachtet (Gewichtszunahme), diese traten jedoch nur bei den höchsten Dosen oberhalb der bei derjenigen Art der Studie empfohlenen Höchstdosen auf, bei der die Auswirkungen beobachtet wurden. Die beobachteten Auswirkungen in Bezug auf Hoden, Prostata und Gebärmutter (histopathologische Veränderungen) blieben im Rahmen der historischen Kontrollwerte oder sie wurden nicht durch die Zweigenerationenstudie zur Prüfung auf Reproduktionstoxizität bestätigt, und sie hatten keine Auswirkungen auf die Fertilitätsparameter. Die Zweigenerationenstudie zur Prüfung auf Reproduktionstoxizität wurde anhand des Testprotokolls gemäß den jüngsten OECD-Leitlinien(9) durchgeführt, wie im gemeinsamen Leitfaden zur Identifizierung endokrin schädigender Stoffe vorgeschrieben, und mit ihr wurden keine für eine endokrine Wirkung anfälligen Reproduktions- oder Entwicklungsparameter wie Länge des Östruszyklus, Paarungsindex, durchschnittliche Anzahl der Einnistungsstellen, Präputialseparation und Vaginalöffnung ermittelt.
(14)
In Bezug auf einen oder mehrere repräsentative Verwendungszwecke mindestens eines Pflanzenschutzmittels mit dem Wirkstoff, insbesondere in Bezug auf die im Überprüfungsbericht untersuchten und beschriebenen Verwendungszwecke, wurde festgestellt, dass die Genehmigungskriterien gemäß Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erfüllt sind.
(15)
Es ist daher angezeigt, Flutianil zu genehmigen.
(16)
Gemäß Artikel 13 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 in Verbindung mit deren Artikel 6 und angesichts des derzeitigen wissenschaftlichen und technischen Kenntnisstands sind jedoch bestimmte Auflagen und Einschränkungen notwendig. Es ist insbesondere angezeigt, weitere bestätigende Informationen u. a. zur Bestätigung dessen anzufordern, dass es sich bei Flutianil um keinen endokrinen Disruptor gemäß Anhang II Nummern 3.6.5 und 3.8.2 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 handelt, um gemäß Anhang II Nummer 2.2 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 das Vertrauen in die in Erwägungsgrund 13 dargelegte Schlussfolgerung der Kommission zu stärken.
(17)
Gemäß Artikel 13 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sollte der Anhang der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission(10) entsprechend geändert werden.
(18)
Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 309 vom 24.11.2009, S. 1.

(2)

EFSA Journal 2014;12(8):3805 [89 S.]. doi: 10.2903/j.efsa.2014.3805.

(3)

Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1).

(4)

Committee for Risk Assessment (RAC) — Opinion proposing harmonised classification and labelling at EU level of Flutianil (ISO); (2Z)-{[2-fluoro-5-(trifluoromethyl)phenyl]thio}[3-(2-methoxyphenyl)-1,3-thiazolidin-2-ylidene] acetonitrile, EC Number: —, CAS Number: 958647-10-4, CLH-O-0000001412-86-101/F. Angenommen am 10. März 2016.

https://echa.europa.eu/documents/10162/efc05a0b-a819-51d6-6f43-5396ee76e29f.

(5)

EFSA Journal 2018;16(7):5383 [19 S.]. doi: 10.2903/j.efsa.2018.5383.

(6)

Verordnung (EU) 2018/1480 der Kommission vom 4. Oktober 2018 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen zwecks Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt und zur Berichtigung der Verordnung (EU) 2017/776 der Kommission (ABl. L 251 vom 5.10.2018, S. 1).

(7)

Verordnung (EU) 2018/605 der Kommission vom 19. April 2018 zur Änderung von Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 durch die Festlegung wissenschaftlicher Kriterien für die Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften (ABl. L 101 vom 20.4.2018, S. 33).

(8)

Guidance for the identification of endocrine disruptors in the context of Regulations (EU) No 528/2012 and (EC) No 1107/2009. https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2018.5311.

(9)

OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), 2001. Test No. 416: Two-Generation Reproduction Toxicity. In: OECD Guidelines for the Testing of Chemicals, Abschnitt 4. OECD Publishing, Paris. 13 S. https://doi.org/10.1787/9789264070868-en.

(10)

Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission vom 25. Mai 2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Liste zugelassener Wirkstoffe (ABl. L 153 vom 11.6.2011, S. 1).

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