Präambel VO (EU) 2019/933

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates(3) kann für jedes im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats durch ein Patent geschützte Erzeugnis, das vor seinem Inverkehrbringen als Arzneimittel Gegenstand eines verwaltungsrechtlichen Genehmigungsverfahrens gemäß der Richtlinie 2001/82/EG(4) oder 2001/83/EG(5) des Europäischen Parlaments und des Rates ist, nach den Bedingungen der genannten Verordnung ein ergänzendes Schutzzertifikat (im Folgenden „Zertifikat” ) erteilt werden.
(2)
Die Verordnung (EG) Nr. 469/2009 zielt durch die Gewährung eines zusätzlichen Schutzzeitraums darauf ab, in der Union die zur Entwicklung von Arzneimitteln erforderliche Forschung und Innovation zu fördern und dazu beizutragen, die Verlagerung der Arzneimittelforschung zu Standorten außerhalb der Union, die möglicherweise einen größeren Schutz bieten, zu verhindern.
(3)
Seit der Annahme des Vorgängers der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 im Jahr 1992 haben sich die Märkte erheblich weiterentwickelt, und insbesondere in Ländern außerhalb der Union (im Folgenden „Drittländer” ), in denen der Schutz nicht existiert oder abgelaufen ist, ist ein enormes Wachstum bei der Herstellung von Generika und insbesondere von Biosimilars und bei der Herstellung ihrer Wirkstoffe zu verzeichnen.
(4)
Dass in der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 keine Ausnahmeregelung von dem Schutz durch das Zertifikat vorgesehen ist, hatte die unbeabsichtigte Folge, dass in der Union niedergelassene Hersteller von Generika und Biosimilars diese Generika und Biosimilars in der Union nicht einmal für den Zweck der Ausfuhr in Drittlandsmärkte, in denen kein Schutz existiert oder in denen der Schutz abgelaufen ist, herstellen konnten. Ebenso werden Hersteller von Generika und Biosimilars daran gehindert, diese zum Zwecke der Lagerung für einen begrenzten Zeitraum vor dem Ablauf des Zertifikats herzustellen. Diese Umstände erschweren diesen Herstellern im Gegensatz zu Herstellern mit Sitz in Drittländern, in denen kein Schutz existiert oder in denen der Schutz abgelaufen ist, den Markteintritt in der Union unmittelbar nach Ablauf des Zertifikats, da sie nicht in der Lage sind, ihre Produktionskapazität für die Ausfuhr oder den Eintritt in den Markt eines Mitgliedstaats aufzubauen, bis der durch das Zertifikat gebotene Schutz abgelaufen ist.
(5)
Durch diese Umstände entstehen den in der Union niedergelassenen Herstellern von Generika und Biosimilars erhebliche Wettbewerbsnachteile gegenüber Herstellern mit Sitz in Drittländern, die weniger oder gar keinen Schutz bieten. Die Union sollte für Ausgewogenheit dahingehend sorgen, dass einerseits gleiche Wettbewerbsbedingungen für diese Hersteller bestehen und andererseits die ausschließlichen Rechte von Zertifikatsinhabern in Bezug auf den Unionsmarkt im Wesentlichen garantiert sind.
(6)
Ohne ein Eingreifen könnte die Existenzfähigkeit der in der Union niedergelassenen Hersteller von Generika und Biosimilars bedroht sein, was Folgen für die gesamte pharmazeutische industrielle Basis der Union haben könnte. Diese Situation könnte sich auf das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes auswirken, da den Herstellern neue Geschäftsmöglichkeiten für Generika und Biosimilars entgingen, was innerhalb der Union zum Rückgang der damit zusammenhängenden Investitionen führen und der Schaffung neuer Arbeitsplätze im Wege stehen könnte.
(7)
Die zügige Markteinführung von Generika und Biosimilars in der Union ist wichtig, um insbesondere den Wettbewerb zu stärken, die Preise zu senken und für tragfähige Gesundheitssysteme und für besseren Zugang der Patienten in der Union zu erschwinglichen Arzneimitteln zu sorgen. Wie wichtig solch eine zügige Markteinführung ist, hat der Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 17. Juni 2016 zur Verstärkung der Ausgewogenheit der Arzneimittelsysteme in der Union und ihren Mitgliedstaaten hervorgehoben. Die Verordnung (EG) Nr. 469/2009 sollte deshalb dahingehend geändert werden, dass die Herstellung von Generika und Biosimilars für die Ausfuhr und Lagerung unter Beachtung dessen gestattet wird, dass die Rechte des geistigen Eigentums auch künftig einer der Eckpfeiler von Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum auf dem Binnenmarkt sind.
(8)
Ziel dieser Verordnung ist es, die Wettbewerbsfähigkeit der Union zu fördern, wodurch das Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen auf dem Binnenmarkt gestärkt und ein Beitrag zu einer breiteren Versorgung mit Erzeugnissen unter einheitlichen Bedingungen geleistet werden kann, indem den in der Union niedergelassenen Herstellern von Generika und Biosimilars gestattet wird, in der Union Erzeugnisse oder diese Erzeugnisse enthaltende Arzneimittel für die Ausfuhr auf die Märkte von Drittländern, in denen kein Schutz besteht oder in denen der Schutz abgelaufen ist, herzustellen, wodurch diese Hersteller gleichzeitig dabei unterstützt werden, auf den Märkten dieser Drittländer in wirksamen Wettbewerb zu treten. Durch diese Verordnung sollte solchen Herstellern außerdem gestattet werden, Erzeugnisse oder diese Erzeugnisse enthaltende Arzneimittel, für eine festgelegte Zeit, bevor das entsprechende Zertifikat abläuft, in einem Mitgliedstaat herzustellen und zu lagern, damit sie es bei Ablauf des Zertifikats auf dem Markt aller Mitgliedstaaten einführen können (Tag-1-Markteintritt in der EU) und so dabei unterstützt werden, in der Union unmittelbar nach Ablauf des Schutzes in einen wirksamen Wettbewerb zu treten. Diese Verordnung sollte auch die Bemühungen der Union im Bereich der Handelspolitik ergänzen, offene Märkte für in der Union niedergelassene Hersteller von Erzeugnissen oder Arzneimitteln, die diese Erzeugnisse enthalten, sicherzustellen. Im Laufe der Zeit sollte der gesamte pharmazeutische Sektor in der Union von dieser Verordnung profitieren, weil sie allen Akteuren, auch neuen Akteuren, die Möglichkeit bietet, die neuen Chancen für sich zu nutzen, die der sich schnell verändernde globale Arzneimittelmarkt bietet. Darüber hinaus würde das allgemeine Interesse der Union gefördert, da durch die Stärkung der in der Union niedergelassenen Lieferketten für Arzneimittel und durch die Möglichkeit der Lagerung zur Vorbereitung des Eintritts in den Unionsmarkt nach Ablauf dieses Zertifikats Arzneimittel nach diesem Ablauf für Patienten in der Union besser zugänglich würden.
(9)
In diesen besonderen und begrenzten Fällen und zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen zwischen in der Union niedergelassenen Herstellern und in Drittländern niedergelassenen Herstellern ist es angebracht, eine Ausnahme für den durch ein Zertifikat verliehenen Schutz vorzusehen, um die Herstellung von Erzeugnissen oder diese Erzeugnisse enthaltenden Arzneimitteln zum Zweck der Ausfuhr in Drittländer oder deren Lagerung und alle damit verbundenen, für die Herstellung oder die eigentliche Ausfuhr, oder die eigentliche Lagerung unbedingt erforderlichen Handlungen in der Union zu ermöglichen, wenn diese Handlungen ansonsten die Zustimmung eines Zertifikatsinhabers erfordern würden (im Folgenden „verbundene Handlungen” ). Solche verbundenen Handlungen könnten beispielsweise den Besitz, das Anbieten, die Lieferung, die Einfuhr, die Verwendung oder die Synthese eines Wirkstoffes zum Zwecke der Herstellung eines Arzneimittels oder die zeitweilige Lagerung oder die Werbung zum ausschließlichen Zweck der Ausfuhr in Drittländer umfassen. Diese Ausnahmeregelung sollte auch für verbundene Handlungen Dritter gelten, die in einem Vertragsverhältnis zu dem Hersteller stehen.
(10)
Die Ausnahmeregelung sollte für ein Erzeugnis oder ein dieses Erzeugnis enthaltendes Arzneimittel gelten, das durch ein Zertifikat geschützt ist. Sie sollte ebenso gelten für die Herstellung des betreffenden Erzeugnisses und des dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels, im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats.
(11)
Die Ausnahmeregelung sollte nicht erlauben, dass ein zum Zwecke der Ausfuhr in Drittländer oder zur Lagerung mit dem Ziel des Tag-1-Markteintritts in der EU hergestellte Erzeugnis oder dieses Erzeugnis enthaltende Arzneimittel mittelbar oder unmittelbar nach der Ausfuhr auf dem Markt eines Mitgliedstaats, in dem ein Zertifikat gilt, in Verkehr gebracht wird, noch sollte sie zur Wiedereinfuhr eines solchen Erzeugnisses oder dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels auf den Markt eines Mitgliedstaats führen, in dem ein Zertifikat gilt. Außerdem sollte sie nicht für Handlungen oder Tätigkeiten gelten, die der Einfuhr von Erzeugnissen oder diese Erzeugnisse enthaltenden Arzneimitteln in die Union nur zum Zwecke der Neuverpackung und Wiederausfuhr dienen. Die Ausnahmeregelung sollte sich außerdem nicht auf die Lagerung von Erzeugnissen oder Arzneimitteln, die diese Erzeugnisse enthalten, zu anderen als den in dieser Verordnung festgelegten Zwecken erstrecken.
(12)
Indem der Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung auf die Herstellung zum Zwecke der Ausfuhr in Drittländer oder auf die Herstellung zum Zwecke der Lagerung und auf die für eine solche Herstellung oder eigentliche Ausfuhr oder Lagerung unbedingt erforderlichen Handlungen beschränkt wird, sollte die Ausnahmereglung dieser Verordnung nicht im Widerspruch zur normalen Verwertung des Erzeugnisses oder des dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels in dem Mitgliedstaat stehen, in dem das Zertifikat gilt, das heißt zum grundlegenden ausschließlichen Recht des Zertifikatsinhabers, das betreffende Erzeugnis herzustellen, um es während der Laufzeit des Zertifikats auf dem Markt der Union in Verkehr zu bringen. Außerdem sollte diese Ausnahmeregelung die berechtigten Interessen des Zertifikatsinhabers nicht unangemessen beeinträchtigen und zugleich den berechtigten Interessen Dritter Rechnung tragen.
(13)
Für die Ausnahmeregelung sollten wirksame und verhältnismäßige Sicherungsmaßnahmen gelten, um die Transparenz zu verbessern, den Inhaber eines Zertifikats bei der Durchsetzung seines Schutzes in der Union zu unterstützen, die Erfüllung der in dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen zu überprüfen und das Risiko der widerrechtlichen Umlenkung auf den Unionsmarkt während der Geltungsdauer des Zertifikats zu verringern.
(14)
In dieser Verordnung sollte für den Hersteller, d. h. die in der Union ansässige Person, in deren Namen die Herstellung eines Erzeugnisses oder eines dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels zum Zwecke der Ausfuhr oder der Lagerung vorgenommen wird, eine Informationspflicht vorgesehen werden. Der Hersteller kann die Herstellung direkt vornehmen. Die Informationspflicht sollte darin bestehen, dass der Hersteller verpflichtet wird, der für den gewerblichen Rechtsschutz zuständigen Stelle, oder einer anderen benannten Behörde, die das Zertifikat in dem Mitgliedstaat erteilt hat (im Folgenden „Behörde” ), in dem die Herstellung erfolgen wird, bestimmte Informationen zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Zweck sollte ein Standardformular bereitgestellt werden. Die Informationen sollten vor dem erstmaligen Beginn der Herstellung eines Erzeugnisses oder eines dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels, in dem entsprechenden Mitgliedstaat oder aller verbundenen Handlungen vor der Herstellung, je nachdem, was früher eintritt, übermittelt werden. Die Informationen sollten aktualisiert werden, soweit und sobald das sachdienlich ist. Die Herstellung eines Erzeugnisses oder eines dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels, und die damit verbundenen Handlungen, einschließlich jener in anderen Mitgliedstaaten als dem Mitgliedstaat der Herstellung, falls das Erzeugnis in diesen anderen Mitgliedstaaten ebenfalls durch ein Zertifikat geschützt ist, sollten nur dann in den Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung fallen, wenn der Hersteller die Mitteilung der Behörde des Mitgliedstaats der Herstellung übermittelt und wenn der Hersteller den Inhaber des in dem entsprechenden Mitgliedstaat erteilten Zertifikats unterrichtet hat. Erfolgt die Herstellung in mehr als einem Mitgliedstaat, so sollte in jedem dieser Mitgliedstaaten eine Mitteilung vorgeschrieben sein. Im Interesse der Transparenz sollte die Behörde verpflichtet werden, die eingegangenen Informationen und das Übermittlungsdatum dieser Informationen so bald wie möglich zu veröffentlichen. Die Mitgliedstaaten sollten vorsehen können, dass für die Mitteilungen und deren Aktualisierungen eine einmalige Gebühr erhoben wird. Die Höhe dieser Gebühr sollte so festgesetzt werden, dass sie die Verwaltungskosten der Bearbeitung der Mitteilungen und Aktualisierungen nicht übersteigt.
(15)
Der Hersteller sollte dem Zertifikatsinhaber außerdem durch geeignete und dokumentierte Mittel mitteilen, dass er beabsichtigt, gemäß der Ausnahmeregelung ein Erzeugnis oder ein dieses Erzeugnis enthaltendes Arzneimittel herzustellen, indem er dem Zertifikatsinhaber dieselben Informationen zur Verfügung stellt, die er der Behörde mitgeteilt hat. Diese Informationen sollten sich auf das beschränken, was erforderlich und angemessen ist, damit der Zertifikatsinhaber beurteilen kann, ob die durch das Zertifikat gewährten Rechte eingehalten werden, und sie sollten keine vertraulichen oder sensiblen Geschäftsinformationen enthalten. Das Standardformular könnte auch genutzt werden, um den Zertifikatsinhaber zu informieren, und die übermittelten Informationen sollten aktualisiert werden, soweit und sobald es angezeigt ist.
(16)
Im Falle etwaiger verbundener Handlungen vor der Herstellung eines Erzeugnisses oder eines dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels, sollte in der Mitteilung der Name des Mitgliedstaats angezeigt werden, in dem die erste verbundene Handlung erfolgen wird die andernfalls die Zustimmung des Zertifikatsinhabers erfordern würde, da diese Information für den Zeitpunkt der Mitteilung relevant ist.
(17)
Wenn eine örtliche Genehmigung für das Inverkehrbringen oder etwas Gleichwertiges für ein bestimmtes Arzneimittel in einem bestimmten Drittland veröffentlicht wird, nachdem die Mitteilung an die Behörde übermittelt wurde, sollte die Mitteilung unverzüglich durch Aufnahme der Nummer dieser Genehmigung für das Inverkehrbringen oder etwas Gleichwertiges aktualisiert werden, sobald sie öffentlich verfügbar ist. Wenn die Nummer der Genehmigung für das Inverkehrbringen oder etwas Gleichwertiges noch nicht veröffentlicht ist, sollte der Hersteller verpflichtet sein, diese Nummer in der Mitteilung anzugeben, sobald sie öffentlich verfügbar ist.
(18)
Werden diese Anforderungen im Verhältnis zu einem Drittland nicht eingehalten, so sollte sich das aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur auf die Ausfuhren in dieses Land auswirken, die somit nicht durch die in dieser Verordnung vorgesehene Ausnahmeregelung begünstigt werden sollten. Der in der Union niedergelassene Hersteller sollte dafür verantwortlich sein, sich zu vergewissern, dass in einem Ausfuhrland kein Schutz besteht oder bereits abgelaufen ist, oder ob der Schutz Beschränkungen oder Ausnahmeregelungen unterliegt.
(19)
Eine Mitteilung an die Behörde und die Übermittlung der entsprechenden Informationen an den Zertifikatsinhaber könnte während des Zeitraums zwischen dem Tag des Inkrafttretens dieser Verordnung und dem Tag vorgenommen werden, ab dem die in dieser Verordnung vorgesehene Ausnahmeregelung für das betreffende Zertifikat gilt.
(20)
Diese Verordnung sollte dem Hersteller als Voraussetzung für die Nutzung der Ausnahmeregelung bestimmte Sorgfaltspflichten auferlegen. Der Hersteller sollte verpflichtet sein, die Personen in seiner Lieferkette in der Union, einschließlich des Exporteurs und der Person, die die Lagerung vornimmt, mithilfe geeigneter und dokumentierter, insbesondere vertraglicher, Mittel darüber zu informieren, dass das Erzeugnis oder das Arzneimittel, das das Erzeugnis enthält, unter die in dieser Verordnung vorgesehene Ausnahmeregelung fällt und dass die Herstellung zum Zwecke der Ausfuhr oder der Lagerung erfolgt. Für Hersteller, die diese Sorgfaltspflichten nicht erfüllen, sowie für Dritte, die eine verbundene Handlung im Mitgliedstaat der Herstellung oder einem anderen Mitgliedstaat, in dem ein Zertifikat zum Schutz des Erzeugnisses gilt, vornehmen, sollte die Ausnahmeregelung nicht gelten. Der Inhaber des entsprechenden Zertifikats hätte daher Anspruch auf die Durchsetzung seiner Rechte aus dem Zertifikat, unter gebührender Beachtung der in der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(6) vorgesehenen allgemeinen Verpflichtung, von Klagemissbrauch abzusehen.
(21)
Diese Verordnung sollte für Erzeugnisse oder diese Erzeugnisse enthaltende Arzneimittel, die zur Ausfuhr bestimmt sind, Kennzeichnungsvorschriften für Hersteller enthalten, um mittels eines Logos die Identifizierung solcher Erzeugnisse oder solcher Arzneimittel als ein ausschließlich zum Zwecke der Ausfuhr in Drittländer bestimmtes Erzeugnis zu erleichtern. Die Herstellung zum Zwecke der Ausfuhr und verbundene Handlungen sollten nur dann unter die Ausnahme fallen, wenn das Erzeugnis oder das Arzneimittel, das das Erzeugnis enthält, in der in dieser Verordnung vorgesehenen Art und Weise gekennzeichnet ist. Diese Kennzeichnungspflicht sollte keine Auswirkungen auf die Kennzeichnungsvorschriften in Drittländern haben.
(22)
Alle Handlungen, die nicht unter die Ausnahmeregelung dieser Verordnung fallen, sollten im Geltungsbereich des durch ein Zertifikat gewährten Schutzes verbleiben. Jede Umlenkung eines im Rahmen der Ausnahmeregelung hergestellten Erzeugnisses oder dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels auf den Unionsmarkt sollte während der Laufzeit des Zertifikats auch künftig verboten sein.
(23)
Diese Verordnung gilt unbeschadet anderer Rechte des geistigen Eigentums, durch die andere Aspekte eines Erzeugnisses oder eines dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels, geschützt sein könnten. Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung von Unionsrechtsakten zur Verhinderung von Verstößen und zur Erleichterung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums berühren, einschließlich der Richtlinie 2004/48/EG und der Verordnung (EU) Nr. 608/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates(7).
(24)
Diese Verordnung lässt die Vorschriften über das individuelle Erkennungsmerkmal gemäß der Richtlinie 2001/83/EG unberührt. Der Hersteller sollte sicherstellen, dass zum Zwecke der Ausfuhr gemäß der vorliegenden Verordnung hergestellte Arzneimittel kein aktives individuelles Erkennungsmerkmal im Sinne der Delegierten Verordnung (EU) 2016/161 der Kommission(8) tragen. Gemäß der genannten delegierten Verordnung gilt jedoch die Vorschrift, ein solches aktives individuelles Erkennungsmerkmal anzubringen, für Arzneimittel, bei denen die Absicht besteht, sie nach Ablauf des entsprechenden Zertifikats auf dem Markt eines Mitgliedstaats in Verkehr zu bringen.
(25)
Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung der Richtlinien 2001/82/EG und 2001/83/EG, insbesondere nicht die Anforderungen an die Erlaubnis zur Herstellung von zur Ausfuhr hergestellten Arzneimitteln. Das umfasst die Einhaltung der Grundsätze und Leitlinien guter Herstellungspraxis für Arzneimittel und den ausschließlichen Einsatz von Wirkstoffen, die gemäß der guten Herstellungspraxis und Vertriebspraxis für Wirkstoffe hergestellt und vertrieben wurden.
(26)
Um die Rechte der Zertifikatsinhaber zu schützen, sollte die in dieser Verordnung vorgesehene Ausnahmeregelung nicht auf Zertifikate anwendbar sein, die am Tag des Inkrafttretens dieser Verordnung bereits gelten. Damit die Rechte der Zertifikatsinhaber nicht übermäßig eingeschränkt werden, sollte die Ausnahmeregelung auf Zertifikate anwendbar sein, die ab dem Tag des Inkrafttretens dieser Verordnung angemeldet werden. Da ein Zertifikat nach Ablauf der gesetzlichen Laufzeit des Grundpatents gilt, was unter Umständen erst verhältnismäßig lange nach dem Anmeldedatum des Zertifikats eintritt, und um das Ziel dieser Verordnung zu erreichen, ist es gerechtfertigt, dass sich diese Verordnung für einen bestimmten Zeitraum auch auf Zertifikate erstreckt, die vor dem Tag des Inkrafttretens dieser Verordnung angemeldet wurden, aber vor diesem Tag noch nicht gilt, und zwar unabhängig davon, ob diese Zertifikate vor diesem Tag erteilt wurden. Für Zertifikate, die ab dem Tag des Inkrafttretens dieser Verordnung bereits gelten, sollte die Ausnahmeregelung deshalb vom 2. Juli 2022 an gelten. Mit dem Konzept des „bestimmten Zeitraums” für jedes einzelne Zertifikat, das ab dem Tag nach dem Tag des Inkrafttretens dieser Verordnung gilt, sollte sichergestellt werden, dass die Ausnahmeregelung je nach dem Datum, zu dem ein Zertifikat beginnt, seine Wirkung zu entfalten, und je nach seiner Laufzeit schrittweise auf ein solches Zertifikat angewandt wird. Durch eine solche Anwendung der Ausnahmeregelung würde dem Inhaber eines Zertifikats, das am Tag des Inkrafttretens dieser Verordnung erteilt wurde aber noch nicht gilt, eine angemessene Übergangszeit für die Anpassung an die geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen eingeräumt und gleichzeitig sichergestellt, dass die Ausnahmeregelung Herstellern von Generika und Biosimilars ohne übermäßige Verzögerung zugutekommt.
(27)
Ein Antragsteller stellt den Antrag üblicherweise in jedem Beantragungsmitgliedstaat ungefähr am gleichen Tag. Aufgrund der unterschiedlichen nationalen Verfahren für die Prüfung der Anträge kann der Tag der Erteilung des Zertifikats jedoch von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat erheblich variieren, wodurch Unterschiede in der Rechtsstellung des Antragstellers in den verschiedenen Mitgliedstaaten, in denen das Zertifikat beantragt wurde, entstehen würden. Die Anwendung der Ausnahmeregelung auf der Grundlage des Tages der Anmeldung eines Zertifikats würde daher Einheitlichkeit fördern und das Risiko von Ungleichheiten begrenzen.
(28)
Die Kommission sollte in regelmäßigen Abständen eine Bewertung dieser Verordnung vornehmen. Gemäß der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung(9) sollte sich diese Bewertung auf die fünf Kriterien Effektivität, Effizienz, Relevanz, Kohärenz und Mehrwert stützen und die Grundlage für die Abschätzung der Folgen von Optionen für weitergehende Maßnahmen bilden. Bei dieser Bewertung sollten einerseits die Ausfuhr in Drittländer und andererseits die Auswirkungen der Lagerung auf einen rascheren Eintritt von Generika und insbesondere Biosimilars in die Märkte in der Union so bald wie möglich nach dem Ablauf eines Zertifikats berücksichtigt werden. Diese regelmäßige Bewertung sollte auch die Auswirkungen dieser Verordnung auf die Herstellung von Generika und Biosimilars in der Union durch in der Union niedergelassene Hersteller von Generika und Biosimilars berücksichtigen. Dazu müsste festgestellt werden, ob eine zuvor außerhalb der Union erfolgende Herstellung in die Union verlagert wird. Bei dieser Bewertung sollte insbesondere die Wirksamkeit der Ausnahmeregelung im Hinblick auf das Ziel überprüft werden, weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen für Hersteller von Generika und Biosimilars in der Union wiederherzustellen. Ferner sollten die Auswirkungen der Ausnahmeregelung auf die Erforschung und die Herstellung innovativer Arzneimittel durch Zertifikatsinhaber in der Union untersucht und die unterschiedlichen Interessen, insbesondere die öffentliche Gesundheit, die öffentlichen Ausgaben und in diesem Zusammenhang der Zugang zu Arzneimitteln in der Union, gegeneinander abgewogen werden. Außerdem sollte bei der Bewertung untersucht werden, ob der Zeitraum, der für die Herstellung von Generika und Biosimilars zum Zwecke der Lagerung vorgesehen ist, ausreicht, um das Ziel des Tag-1-Markteintritts in der EU zu erreichen, und inwieweit sich das beispielsweise auf die öffentliche Gesundheit auswirkt.
(29)
Da das Ziel dieser Verordnung, nämlich die Wettbewerbsfähigkeit der Union auf eine Weise zu fördern, dass für die Hersteller von Generika und Biosimilars in der Union die gleichen Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden wie für ihre Mitbewerber in Drittlandmärkten, in denen der Schutz nicht existiert oder abgelaufen ist, indem Vorschriften erlassen werden, mit denen die Herstellung eines Erzeugnisses oder eines dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels, während der Laufzeit des entsprechenden Zertifikats ermöglicht wird, und bestimmte Informations-, Kennzeichnungs- und Sorgfaltspflichten für Hersteller vorgeschrieben werden, die von diesen Vorschriften Gebrauch machen, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann, sondern vielmehr wegen seines Umfangs und seiner Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.
(30)
Diese Verordnung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta) anerkannt wurden. Insbesondere zielt diese Verordnung darauf ab, sicherzustellen, dass die in Artikel 17 und 35 der Grundrechtecharta verankerten Rechte auf Eigentum und auf Gesundheitsvorsorge in vollem Umfang gewahrt bleiben. Mit dieser Verordnung sollten die Kernrechte aus dem Zertifikat beibehalten werden' indem die in dieser Verordnung vorgesehene Ausnahmeregelung auf die Herstellung eines Erzeugnisses oder eines dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels, beschränkt wird, die nur zum Zwecke seiner Ausfuhr aus der Union oder zum Zwecke seiner Lagerung für einen begrenzten Zeitraum mit dem Ziel des Eintritts in den Unionsmarkt nach Ablauf des Schutzes erfolgt, sowie auf die Handlungen, die für eine solche Herstellung oder für die eigentliche Ausfuhr oder die eigentliche Lagerung unbedingt erforderlich sind. Angesichts dieser Grundrechte und Grundsätze geht diese Ausnahmeregelung nicht über das hinaus, was notwendig und angemessen ist, um das übergeordnete Ziel dieser Verordnung zu erreichen, nämlich die Wettbewerbsfähigkeit der Union zu stärken, indem Standortverlagerungen abgewendet werden und den in der Union niedergelassenen Herstellern von Generika und Biosimilars ermöglicht wird, einerseits auf schnell wachsenden Märkten in der Welt, auf denen kein Schutz besteht oder auf denen der Schutz bereits abgelaufen ist, und andererseits zum Zeitpunkt des Ablaufs der Geltungsdauer des Zertifikats auf dem Unionsmarkt wettbewerbsfähig zu sein. Die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen der Ausnahmeregelung müssen genutzt werden, da die Union sonst Gefahr läuft, ihre Position als Zentrum für pharmazeutische Entwicklung und Produktion erheblich zu schwächen. Es ist daher angemessen, diese Ausnahmeregelung einzuführen, um die Wettbewerbsposition von in der Union niedergelassenen Herstellern von Generika und Biosimilars in Drittländern, deren Märkte dem Wettbewerb in jedem Falle offen stehen, zu stärken, wobei Umfang und Dauer des durch das Zertifikat in der Union gewährten Schutzes unberührt bleiben. Die Angemessenheit der Maßnahme wird außerdem sichergestellt, indem geeignete Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, durch die die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung reguliert wird. Den Behörden sollte mit dieser Verordnung genügend Zeit dafür eingeräumt werden, die notwendigen Vorkehrungen für die Entgegennahme und Veröffentlichung von Mitteilungen zu treffen —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. C 440 vom 6.12.2018, S. 100.

(2)

Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 17. April 2019 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 14. Mai 2019.

(3)

Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (ABl. L 152 vom 16.6.2009, S. 1).

(4)

Richtlinie 2001/82/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel (ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 1). Die Richtlinie 2001/82/EG wird mit Wirkung vom 28. Januar 2022 durch die Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über Tierarzneimittel und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/82/EG (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 43) aufgehoben und ersetzt.

(5)

Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67).

(6)

Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 157 vom 30.4.2004, S. 45).

(7)

Verordnung (EU) Nr. 608/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juni 2013 zur Durchsetzung der Rechte geistigen Eigentums durch die Zollbehörden und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates (ABl. L 181 vom 29.6.2013, S. 15).

(8)

Delegierte Verordnung (EU) 2016/161 der Kommission vom 2. Oktober 2015 zur Ergänzung der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates durch die Festlegung genauer Bestimmungen über die Sicherheitsmerkmale auf der Verpackung von Humanarzneimitteln (ABl. L 32 vom 9.2.2016, S. 1).

(9)

ABl. L 123 vom 12.5.2016, S. 1.

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