Artikel 59 VO (EU) 2019/943

Festlegung der Netzkodizes

(1) Die Kommission ist befugt, Durchführungsrechtsakte zu erlassen, um zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung dieser Verordnung Netzkodizes für die folgenden Bereiche festzulegen:

a)
Regeln für Netzsicherheit und -zuverlässigkeit einschließlich der Regeln für technische Übertragungsreservekapazitäten zur Sicherstellung der Netzbetriebssicherheit sowie Regeln für die Interoperabilität zur Umsetzung von Artikel 34 bis 47 und Artikels 57 dieser Verordnung und Artikel 40 der Richtlinie (EU) 2019/944, darunter Regeln für Netzzustände, Entlastungsmaßnahmen und Betriebssicherheitsgrenzwerte, Spannungsregelung und Blindleistungsmanagement, Kurzschlussstrommanagement, Leistungsflussmanagement, Ausfallvariantenrechnung und -management, Schutzeinrichtungen und -maßnahmen, Datenaustausch, Konformität, Aus- und Weiterbildung, Betriebsplanung und Betriebssicherheitsanalyse, regionale Koordinierung der Betriebssicherheit, Nichtverfügbarkeitskoordinierung, Verfügbarkeitspläne für maßgebliche Anlagen, Leistungsbilanzanalyse, Systemdienstleistungen, Fahrplanerstellung und Betriebsplanungsdatenumgebungen (Operational Planning Data Environments, OPDE);
b)
Regeln für Kapazitätsvergabe und Engpassmanagement gemäß den Artikeln 7 bis 10, 13 bis 17, 19 und 35 bis 37 dieser Verordnung sowie Artikel 6 der Richtlinie (EU) 2019/944, darunter Regeln für Methoden und Verfahren zur Berechnung der Day-Ahead-, Intraday- und langfristigen Kapazität, Netzmodelle, Gebotszonenkonfiguration, Redispatch und Countertrading, Handelsalgorithmen, einheitliche Day-Ahead- und Intraday-Marktkopplung, verschiedene Governance-Optionen, Verbindlichkeit der vergebenen zonenübergreifenden Kapazität, Verteilung der Engpasserlöse, Einzelheiten und spezifischen Merkmale der in Artikel 9 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Instrumente unter Bezugnahme auf die in den Absätzen 4 und 5 des genannten Artikels aufgeführten Elemente, Vergabemöglichkeiten und Erleichterung des Handels im Zusammenhang mit langfristigen finanziellen Übertragungsrechten durch die zentrale Vergabeplattform und Häufigkeit der Vergabe, Laufzeiten und spezifische Art dieser langfristigen Übertragungsrechte, Risikoabsicherung bei zonenübergreifender Übertragung, Nominierungsverfahren sowie Deckung der Kosten der Kapazitätsvergabe und des Engpassmanagements und die Methode für den Ausgleich für Betreiber von Offshore-Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen;
c)
Regeln für den Handel in Bezug auf die technische und operative Bereitstellung der Netzzugangsdienste und den Ausgleich zwischen Netzen zur Umsetzung der Artikel 5, 6 und 17, einschließlich netzbezogener Regeln für die Reserveleistung, darunter Regeln für die Aufgaben und Zuständigkeiten, Plattformen für den Austausch von Regelarbeit, Zeitpunkte der Marktschließung, Anforderungen an Standard-Regelreserveprodukten und spezifische Regelreserveprodukte, Beschaffung von Regelreserve, Zuweisung grenzüberschreitender Übertragungskapazität für den Austausch von Regelreserve oder die Reserventeilung, Abrechnung von Regelarbeit, Abrechnung des Energieaustauschs zwischen Netzbetreibern, Abrechnung von Bilanzkreisabweichungen und Abrechnung von Regelleistung, Regeln für die Leistungsfrequenzregelung, qualitätsbestimmende Frequenzparameter und Frequenzqualitätszielparameter, Frequenzhaltungsreserven, Frequenzwiederherstellungsreserven, Ersatzreserven, den Reservenaustausch und die Reserventeilung, grenzüberschreitende Aktivierung von Reserven, Zeitregelungsverfahren sowie die Transparenz der Informationen;
d)
Regeln für die diskriminierungsfreie, transparente Erbringung nicht frequenzbezogener Systemdienstleistungen zur Umsetzung der Artikel 36, 40 und 54 der Richtlinie (EU) 2019/944 darunter statische Spannungsregelung, Schwungmasse, dynamische Blindstromstützung, Schwungmasse für die Netzstabilität, Kurzschlussstrom, Schwarzstartfähigkeit und Fähigkeit zum Inselbetrieb;
e)
Regeln für die Laststeuerung, einschließlich Aggregierung, Energiespeicherung und Lasteinschränkung zur Umsetzung der Artikel 17, 31, 32, 36, 40 und 54 der Richtlinie (EU) 2019/944 sowie von Artikel 57 dieser Verordnung.

Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 67 Absatz 2 vorgesehenen Prüfverfahren erlassen.

(2) Die Kommission ist gemäß Artikel 68 befugt, delegierte Rechtsakte zur Ergänzung dieser Verordnung durch Festlegung von Netzkodizes für die folgenden Bereiche zu erlassen:

a)
Regeln für den Netzanschluss, einschließlich Regeln für den Anschluss von Verbrauchsanlagen mit Übertragungsnetzanschluss, Verteilernetzanlagen und Verteilernetzen mit Übertragungsnetzanschluss, Anschluss von Verbrauchseinheiten, die zur Erbringung von Laststeuerung genutzt werden, Netzanschlussbestimmungen für Stromerzeuger und andere Netznutzer, Netzanschlussbestimmungen für Hochspannungsgleichstromübertragungssysteme (HGÜ-Systeme), Bestimmungen für nichtsynchrone Stromerzeugungsanlagen mit Gleichstromanbindung und erzeugungsseitige HGÜ-Stromrichterstationen sowie Betriebserlaubnisverfahren für den Netzanschluss;
b)
Regeln für den Datenaustausch, die Abrechnung und die Transparenz, insbesondere in Bezug auf Transferkapazitäten für maßgebliche Zeithorizonte, Schätzungen und tatsächliche Werte für die Zuweisung und Nutzung von Übertragungskapazitäten, die Prognose und die tatsächliche Nachfrage von Anlagen und deren Aggregation, einschließlich der Nichtverfügbarkeit von Anlagen, die prognostizierte und die tatsächliche Erzeugung von Erzeugungseinheiten und deren Aggregation, einschließlich der Nichtverfügbarkeit von Einheiten, die Verfügbarkeit und Nutzung von Netzen, Maßnahmen des Engpassmanagements und Regelarbeitsmarktdaten; die Regeln sollten die Art und Weise, wie die Informationen veröffentlicht werden, den Zeitpunkt der Veröffentlichung und die für die Bearbeitung verantwortlichen Stellen umfassen;
c)
Regeln für den Netzzugang Dritter;
d)
operative Notzustand- und Wiederaufbauverfahren bei Notfällen, einschließlich Systemschutzplänen, Netzwiederaufbauplänen, Marktinteraktionen, Informationsaustausch und Kommunikation sowie Instrumenten und Anlagen;
e)
branchenspezifische Regeln für die Cybersicherheitsaspekte grenzüberschreitender Stromflüsse, einschließlich Regeln für gemeinsame Mindestanforderungen, Planung, Beobachtung, Berichterstattung und Krisenbewältigung.

(3) Die Kommission stellt nach Anhörung von ACER, von ENTSO (Strom), der EU-VNBO und der anderen maßgeblichen Interessenträger alle drei Jahre eine Prioritätenliste auf, in der die in den Absätzen 1 und 2 genannten Bereiche aufgeführt werden, die in die Ausarbeitung der Netzkodizes einbezogen werden.

Wenn der Gegenstand des Netzkodex unmittelbar mit dem Betrieb des Verteilernetzes zusammenhängt und für das Übertragungsnetz nicht unbedingt maßgeblich ist, kann die Kommission verlangen, dass die EU-VNBO in Zusammenarbeit mit ENTSO (Strom) einen Redaktionsausschuss einberuft und ACER einen Vorschlag für einen Netzkodex vorlegt.

(4) Die Kommission beantragt bei ACER, ihr innerhalb einer angemessenen Frist von höchstens sechs Monaten nach Eingang des Antrags der Kommission eine nicht bindende Rahmenleitlinie (im Folgenden „Rahmenleitlinie” ) vorzulegen, die präzise und objektive Grundsätze für die Entwicklung von Netzkodizes für die in der Prioritätenliste aufgeführten Bereiche enthält. Der Antrag der Kommission kann Bedingungen enthalten, die in der Rahmenleitlinie zu berücksichtigen sind. Jede Rahmenleitlinie muss zur Marktintegration, zur unterschiedslosen Behandlung, zu einem echten Wettbewerb und zum effizienten Funktionieren des Marktes beitragen. Auf einen mit Gründen versehenen Antrag von ACER hin kann die Kommission die Frist zur Vorlage der Leitlinien verlängern.

(5) ACER führt über einen Zeitraum von mindestens zwei Monaten eine offene und transparente förmliche Anhörung von ENTSO (Strom), der EU-VNBO und anderer maßgeblicher Interessenträger zu der Rahmenleitlinie durch.

(6) ACER legt der Kommission eine nicht bindende Rahmenleitlinie vor, wenn sie gemäß Absatz 4 dazu aufgefordert wird.

(7) Trägt die Rahmenleitlinie nach Auffassung der Kommission nicht zur Marktintegration, zur unterschiedslosen Behandlung, zu einem echten Wettbewerb und zum effizienten Funktionieren des Marktes bei, so kann sie ACER auffordern, die Rahmenleitlinie innerhalb einer angemessenen Frist zu überarbeiten und erneut der Kommission vorzulegen.

(8) Legt ACER nicht innerhalb der von der Kommission nach Absatz 4 oder Absatz 7 gesetzten Frist eine Rahmenleitlinie erstmals oder erneut vor, so arbeitet die Kommission diese Rahmenleitlinie aus.

(9) Die Kommission fordert ENTSO (Strom) oder — sofern dies in der Prioritätenliste nach Absatz 3 entsprechend festgelegt wurde — die EU-VNBO in Zusammenarbeit mit ENTSO (Strom) auf, ACER innerhalb einer angemessenen Frist von höchstens zwölf Monaten nach Eingang der Aufforderung der Kommission einen Vorschlag für einen Netzkodex vorzulegen, der der einschlägigen Rahmenleitlinie entspricht.

(10) ENTSO (Strom) oder — sofern dies in der Prioritätenliste nach Absatz 3 entsprechend festgelegt wurde — die EU-VNBO in Zusammenarbeit mit ENTSO (Strom) beruft einen Redaktionsausschuss ein, der ENTSO (Strom) bzw. die EU-VNBO im Verfahren der Ausarbeitung des Netzkodex unterstützt. Der Redaktionsausschuss besteht aus Vertretern von ACER, von ENTSO (Strom), der EU-VNBO (soweit angebracht) und der NEMO (soweit angebracht) sowie einer begrenzten Zahl der wichtigsten betroffenen Interessenträger. ENTSO (Strom) oder — sofern dies in der Prioritätenliste nach Absatz 3 entsprechend festgelegt wurde — die EU-VNBO in Zusammenarbeit mit ENTSO (Strom) arbeitet auf Aufforderung durch die Kommission gemäß Absatz 9 Vorschläge für Netzkodizes für die in den Absätzen 1 und 2 des vorliegenden Artikels genannten Bereiche aus.

(11) ACER überarbeitet den vorgeschlagenen Netzkodex und sorgt dafür, dass der anzunehmende Netzkodex der einschlägigen Rahmenleitlinie entspricht und zur Marktintegration, zur unterschiedslosen Behandlung, zu einem echten Wettbewerb und zum effizienten Funktionieren des Marktes beiträgt, und legt den überarbeiteten Netzkodex binnen sechs Monaten nach dem Eingang des Vorschlags der Kommission vor. ACER trägt in dem der Kommission vorgelegten Vorschlag den Ansichten aller Akteure Rechnung, die an der von ENTSO (Strom) oder der EU-VNBO geleiteten Ausarbeitung des Vorschlags beteiligt waren, und führt zu der bei der Kommission einzureichenden Fassung eine Konsultation der maßgeblichen Interessenträger durch.

(12) Ist ENTSO (Strom) oder die EU-VNBO außerstande, innerhalb der von der Kommission nach Absatz 9 gesetzten Frist einen Netzkodex auszuarbeiten, so kann die Kommission ACER auffordern, auf der Grundlage der einschlägigen Rahmenleitlinie den Entwurf eines Netzkodex auszuarbeiten. ACER kann, während sie diesen Entwurf ausarbeitet, eine weitere Anhörung einleiten. ACER legt den nach diesem Absatz ausgearbeiteten Entwurf eines Netzkodex der Kommission vor und kann ihr dessen Annahme empfehlen.

(13) Die Kommission kann von sich aus, wenn ENTSO (Strom) oder die EU-VNBO keinen Netzkodex ausgearbeitet hat oder ACER keinen Entwurf eines Netzkodex gemäß Absatz 12 ausgearbeitet hat, oder auf Vorschlag von ACER gemäß Absatz 11 einen oder mehrere Netzkodizes für die in den Absätzen 1 und 2 aufgeführten Bereiche erlassen.

(14) Plant die Kommission, von sich aus einen Netzkodex zu erlassen, so konsultiert sie ACER, ENTSO (Strom) und alle maßgeblichen Interessenträger innerhalb eines Zeitraums von mindestens zwei Monaten zu dem Entwurf eines Netzkodex.

(15) Dieser Artikel berührt nicht das Recht der Kommission, die Leitlinien gemäß Artikel 61 zu erlassen und zu ändern. Davon unberührt bleibt auch die Möglichkeit von ENTSO (Strom), in den in den Absätzen 1 und 2 genannten Bereichen nicht bindende Leitlinien auszuarbeiten, sofern diese Leitlinien nicht die Bereiche betreffen, für die die Kommission eine Aufforderung an ENTSO (Strom) gerichtet hat. Diese Leitlinien werden ACER von ENTSO (Strom) zur Stellungnahme zugeleitet; ENTSO (Strom) trägt dieser Stellungnahme gebührend Rechnung.

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