Präambel VO (EU) 2020/419
DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 des Rates(1), insbesondere auf Artikel 53 Buchstaben b und h,
in Erwägung nachstehender Gründe:
- (1)
- Am 2. Oktober 2019 erließ die Welthandelsorganisation (WTO) den Schiedsspruch in der Sache „European Communities and Certain Member States — Measures Affecting Trade in Large Civil Aircraft” (Europäische Gemeinschaften und einige Mitgliedstaaten — Maßnahmen, die den Handel mit zivilen Großraumflugzeugen betreffen, WT/DS316/ARB). Der Schiedsspruch ermächtigte die Vereinigten Staaten von Amerika (USA), als Reaktion auf die Subventionen der Union für Airbus die Genehmigung zur Verhängung von Gegenmaßnahmen in Höhe von höchstens 7,5 Mrd. USD pro Jahr zu beantragen. Am 18. Oktober 2019 belegten die USA u. a. die von Deutschland, Spanien, Frankreich und dem Vereinigten Königreich in die USA ausgeführten nicht schäumenden Weine mit einem Wertzoll von 25 %. Diese außergewöhnliche, ungerechte und unvorhersehbare Situation hat schwerwiegende nachteilige Auswirkungen auf den weltweiten Handel mit allen Weinen aus der Union. Die USA haben ferner gedroht, als Reaktion auf die französische Digitalsteuer (GAFA-Steuer) 100 % Wertzoll auf Einfuhren französischer Schaumweine zu erheben.
- (2)
- Die von den USA erhobenen Einfuhrzölle haben direkte und schwerwiegende Auswirkungen auf den Weinhandel der Union auf dem US-Markt, dem größten Ausfuhrmarkt der Union für landwirtschaftliche Erzeugnisse, und insbesondere für Wein; dies betrifft sowohl den Wert als auch das Volumen der Ausfuhren. Im Jahr 2018 beliefen sich die Weinausfuhren der Union in die USA auf insgesamt 6,5 Mio. Hektoliter, was einem Wert von 4 Mrd. EUR entspricht. Die Weinausfuhren der Union in die USA machen in der Regel zwischen 30 % und 40 % des Gesamtwerts der Weinausfuhren der Union aus.
- (3)
- Die von den USA erhobenen erhöhten Einfuhrzölle wirken sich nachteilig auf alle Weine aus der Union aus, nicht nur auf nicht schäumende Weine aus den vier Mitgliedstaaten, die den erhöhten Einfuhrzöllen unterliegen. In der Folge werden das Ansehen aller Weine aus der Union und der Handel mit ihnen auf dem US-Markt beeinträchtigt. Das Ansehen eines Weins hängt nicht nur von seiner Qualität ab, sondern auch von seinem Preis und dem wahrgenommenen Preis-Leistungs-Verhältnis. Dies gilt insbesondere für Weine der unteren bis mittleren Preisklasse, die in absoluten Zahlen stärker von einem Einfuhrzoll von 25 % betroffen sind als teurere Weine, die von Kennern gekauft werden, auf die eine Preiserhöhung nicht abschreckend wirkt. Unionsweine konkurrieren auf dem US-Markt mit Weinen anderer Herkunft wie Südamerika, Australien oder Südafrika. Angesichts dieses harten und intensiven Wettbewerbs spielt die Wahrnehmung des Preisniveaus insgesamt eine wichtige Rolle. Ist dem Verbraucher bekannt, dass der Preis von Wein mit bestimmtem Ursprung in der Union einem erhöhten Einfuhrzoll unterliegt, so wird sich dies negativ auf die allgemeine Wahrnehmung des Preisniveaus von Wein aus der Union auswirken und somit die Nachfrage der Verbraucher auf Erzeugnisse mit anderem Ursprung umlenken. Angesichts der sich daraus ergebenden Marktbedingungen und der sinkenden Gesamterträge für die Erzeuger sind sofortige Maßnahmen zur Bewältigung der Auswirkungen der Einfuhrzölle für alle Weine mit Ursprung in allen Mitgliedstaaten und nicht nur für diejenigen Weine, die unmittelbar von den Einfuhrzöllen betroffen sind, gerechtfertigt.
- (4)
- Unter dem Gesichtspunkt der Marktstabilität stellt die von den USA eingeführte Einfuhrzollregelung keine isolierte nationale Maßnahme mit Auswirkungen dar, die auf den Handel mit den USA beschränkt sind. Der Weltmarkt für Wein ist ein globaler Markt, auf dem einzelne Maßnahmen, die von wichtigen Wirtschaftsakteuren wie den USA ergriffen werden, weitreichende Auswirkungen auf den internationalen Handel mit Wein insgesamt haben. Jede negative Veränderung der Bedingungen auf einem wichtigen Zielmarkt für Weine aus der Union, beispielsweise auf dem US-Markt, wirkt sich unweigerlich auf andere Märkte aus, da die Erzeugnisse, die in den USA nicht verkauft werden können, weil sie zu teuer geworden sind, anderswo hin umgeleitet werden müssen. Folglich werden die Verbraucher auf diesen anderen Märkten, die sich der Marktbedingungen sehr wohl bewusst sind, zusätzlichen Druck auf die Preise ausüben, und auch der Wettbewerb wird viel härter als normal sein. Die derzeit von den USA erhobenen Einfuhrzölle dürften daher zu einer Stagnation bei den Weinausfuhren der Union weltweit führen. Berichte aus dem Weinsektor haben gezeigt, dass umfangreiche Bestellungen französischer Weine auf dem US-Markt bereits storniert wurden.
- (5)
- Der Weinmarkt der Union war im Laufe des Jahres 2019 erschwerten Bedingungen ausgesetzt, und die Weinbestände haben ihren höchsten Stand seit 2009 erreicht. Diese Entwicklung ist in erster Linie auf eine Kombination aus der Rekordernte im Jahr 2018 und dem Rückgang des Weinkonsums in der Union zurückzuführen. Werden die von den Einfuhrzöllen der USA betroffenen Weine nicht auf den Ausfuhrmärkten außerhalb der Union verkauft, so wird dies nur dazu beitragen, den Druck und den Ernst der Lage auf dem Unionsmarkt zu verstärken. Hinzu kommt, dass der Druck durch den Zeitpunkt der Anwendung der Einfuhrzölle noch erhöht wird. Die Zölle gelten seit dem 18. Oktober 2019, fallen also mitten in die Weinernte- und -erzeugungskampagne 2019 und kurz vor die Feiertage zum Jahreswechsel — zwei der wichtigsten Verkaufszeiträume des Jahres für den Weinsektor in der Union. Vor diesem Hintergrund ist es daher notwendig, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um Abhilfe zu schaffen.
- (6)
- Von den Stützungsmaßnahmen im Weinsektor gemäß Artikel 43 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 ist nur die Absatzförderung gemäß Artikel 45 Absatz 1 Buchstabe b der genannten Verordnung direkt auf die Förderung von EU-Weinen in Drittländern ausgerichtet, um deren Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Im Laufe der Jahre hat sich die Absatzförderung als bemerkenswert wirksam erwiesen, um die Märkte in Drittländern zu erobern und zu konsolidieren. Sie hat sich als das wirksamste Instrument zur Unterstützung von EU-Weinen auf Drittlandsmärkten erwiesen, indem ihr Ansehen gestärkt und das Bewusstsein für ihre Qualität geschärft werden. Der internationale Weinmarkt ist ein globaler Markt, und jede Absatzförderungsmaßnahme für Wein aus der Union auf Drittlandsmärkten kommt allen Weinen aus der Union zugute. Sie eröffnet Chancen für diejenigen, die anschließend mit anderen Weinen aus der Union in den betreffenden Markt eintreten. Die einzelnen Absatzförderungsmaßnahmen haben einen „Multiplikatoreffekt” auf den Absatz, da sie Weinsorten oder Weinbaugebiete als Ganzes und nicht nur eine einzelne Weinmarke oder Weinart betreffen. Daher ist es wichtig, Absatzförderungsmaßnahmen auf allen Märkten fortzusetzen, einzuleiten und zu intensivieren, um Absatzmöglichkeiten für die Weine zu finden, die auf dem US-Markt nicht verkauft werden, um das Ansehen der Weine aus der Union auf diesen anderen Märkten zu erhalten und um dem Preisdruck entgegenzuwirken.
- (7)
- Um den Marktteilnehmern zu helfen, auf die derzeitigen außergewöhnlichen Umstände auf den Ausfuhrmärkten in der ganzen Welt infolge der von den USA eingeführten Einfuhrzollregelung zu reagieren und diese unvorhersehbare und prekäre Situation zu bewältigen, ist es daher angezeigt, durch Abweichung von einigen Bestimmungen der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1149 der Kommission(2) mehr Flexibilität bei der Durchführung der Absatzförderung gemäß Artikel 45 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 zu gewähren.
- (8)
- Damit die Begünstigten ihre Absatzförderungsmaßnahmen verstärken und ihre Präsenz auf den Zielmärkten festigen können, sollten die Mitgliedstaaten die Dauer der Unterstützung für bereits ausgewählte Vorhaben im Rahmen der Absatzförderung gemäß Artikel 45 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 über die in Artikel 4 der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1149 festgelegte Höchstdauer von fünf Jahren hinaus verlängern können. Eine solche Maßnahme wird bei Marktteilnehmern, die bereits auf dem US-Markt präsent und unmittelbar von den Einfuhrzöllen betroffen sind, für mehr Stabilität und Kontinuität bei den Absatzförderungsvorhaben sorgen. Darüber hinaus kommt sie auch denjenigen Marktteilnehmern zugute, die den Absatz von Wein auf anderen Drittlandsmärkten fördern, die nicht unmittelbar der von den USA eingeführten Einfuhrzollregelung unterliegen, aber Schwierigkeiten haben, ihre Position in der neu geschaffenen instabilen Lage auf dem hart umkämpften Weltweinmarkt aufrechtzuerhalten.
- (9)
- Die für die Projekte individuell gewährte Verlängerung sollte jedoch nicht über den laufenden Programmplanungszeitraum von 2019 bis 2023 hinausgehen und somit am 15. Oktober 2023 enden.
- (10)
- Hinsichtlich möglicher Änderungen von Vorhaben gemäß Artikel 53 Absatz 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1149 im Rahmen der Absatzförderung gemäß Artikel 45 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 sollte mehr Flexibilität eingeräumt werden. Damit die Begünstigten angemessen und effizient auf außergewöhnliche Umstände reagieren und ihre Zielmärkte je nach Bedarf anpassen können, sollten die Mitgliedstaaten ermächtigt werden, von diesen Vorschriften abzuweichen, indem sie Änderungen des Zielmarkts zulassen, selbst wenn die Änderung nicht mit dem ursprünglichen Ziel des Vorhabens in Einklang steht. Eine solche Abweichung würde Begünstigten, die derzeit in den USA Absatzförderungsvorhaben durchführen, dabei helfen, sich auf andere Märkte auszurichten und weitere wirtschaftliche Verluste zu verhindern. Sie würde auch diejenigen Begünstigten unterstützen, die Vorhaben in anderen Drittländern durchführen, die von den Auswirkungen der von den USA auf dem betreffenden Markt eingeführten Einfuhrzollregelung betroffen sind und ihre Anstrengungen anderswo hin umlenken möchten.
- (11)
- Um zu vermeiden, dass Begünstigte, die die Flexibilität in Anspruch nehmen und beschließen, den Zielmarkt zu ändern, bestraft werden, weil sie ihr von der zuständigen Behörde ursprünglich genehmigtes Gesamtvorhaben nicht umgesetzt haben, muss auch von Artikel 54 Absatz 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1149 abgewichen werden. Dadurch würde sichergestellt, dass die gemäß der vorliegenden Verordnung geänderten Einzelmaßnahmen unterstützt werden, solange diese Maßnahmen vollständig durchgeführt und den anzuwendenden Kontrollen gemäß Kapitel IV Abschnitt 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1150 der Kommission(3) unterzogen werden.
- (12)
- Die beiden mit dieser Verordnung eingeführten Maßnahmen sollten für alle Marktteilnehmer gelten, die bereits auf einem bestimmten Drittlandsmarkt präsent sind, um sicherzustellen, dass sie in gleicher Weise unterstützt werden wie Marktneulinge, die gemäß der Durchführungsverordnung (EU) 2020/132 der Kommission(4) Anspruch auf einen höheren Unionsbeitrag von bis zu 60 % der förderfähigen Ausgaben haben. Diese Maßnahmen sollten ungeachtet der spezifischen geförderten Weinkategorie für alle Vorhaben zur Absatzförderung von Wein gemäß Artikel 45 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 gelten, da die von den USA eingeführte Einfuhrzollregelung das Ansehen aller Weine aus der Union insgesamt beeinträchtigt. Darüber hinaus wäre es sehr schwierig, innerhalb eines Absatzförderungsvorhabens die Maßnahmen für nicht schäumende Weine von jenen für andere Weine zu trennen, da die Absatzförderungsvorhaben in der Regel auf die Förderung einer ganzen Reihe von Erzeugnissen und nicht nur einer bestimmten Kategorie ausgerichtet sind. Viele Absatzförderungskampagnen betreffen alle Weine einer Region oder eine große Vielfalt von Weinen, die von einem bestimmten Marktteilnehmer verkauft werden. Die Maßnahmen für andere Weine von jenen für nicht schäumende Weine im Rahmen einer Absatzförderungskampagne zu trennen, würde einen hohen Verwaltungsaufwand mit sich bringen und die positiven Auswirkungen des Absatzförderungsvorhabens untergraben.
- (13)
- Daher ist eine Abweichung von Artikel 4, Artikel 53 Absatz 1 und Artikel 54 Absatz 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1149 erforderlich —
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
Fußnote(n):
- (1)
ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 671.
- (2)
Delegierte Verordnung (EU) 2016/1149 der Kommission vom 15. April 2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die nationalen Stützungsprogramme im Weinsektor und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 555/2008 der Kommission (ABl. L 190 vom 15.7.2016, S. 1).
- (3)
Durchführungsverordnung (EU) 2016/1150 der Kommission vom 15. April 2016 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die nationalen Stützungsprogramme im Weinsektor (ABl. L 190 vom 15.7.2016, S. 23).
- (4)
Durchführungsverordnung (EU) 2020/132 der Kommission vom 30. Januar 2020 zur Festlegung einer Dringlichkeitsmaßnahme in Form einer Abweichung von Artikel 45 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich des Unionsbeitrags zur Absatzförderung im Weinsektor (ABl. L 27 vom 31.1.2020, S. 20).
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