Präambel VO (EU) 2020/521

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 122 Absatz 1,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Die COVID-19-Krise, die am 11. März 2020 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu einer Pandemie erklärt wurde, hat die Gesellschaft und die Wirtschaft der Union in dramatischer Weise getroffen, sodass sich die Mitgliedstaaten gezwungen sahen, eine Reihe außergewöhnlicher Maßnahmen zu ergreifen.
(2)
Neben den wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Pandemie sind die Gesundheitssysteme der Mitgliedstaaten durch die Krise stark belastet. Die Mitgliedstaaten sind mit steigender Nachfrage konfrontiert, insbesondere nach medizinischer Ausrüstung und Versorgung, grundlegenden öffentlichen Dienstleistungen und Produktionskapazitäten für diese Materialien.
(3)
Es bedarf rascher und diversifizierter Maßnahmen, damit die Union als Ganzes die Krise unter den durch die schnelle Ausbreitung des Virus bedingten Zwängen im Geiste der Solidarität angehen kann. Solche Maßnahmen sollten insbesondere darauf abzielen, Leben zu erhalten, menschliches Leid zu vermeiden und zu lindern und die Menschenwürde zu wahren, wo immer dies infolge der derzeitigen COVID-19-Krise erforderlich ist.
(4)
Art und Folgen des COVID-19-Ausbruchs sind schwerwiegend und länderübergreifend und erfordern daher eine umfassende Reaktion. Die im Rahmen des mit dem Beschluss Nr. 1313/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates(1) eingeführten Katastrophenschutzverfahrens der Union ( „rescEU” ) und anderer bestehender Instrumente der Union vorgesehenen Maßnahmen sind von begrenztem Umfang und ermöglichen daher keine ausreichende Reaktion und kein wirksames Angehen der weitreichenden Folgen der COVID-19-Krise in der Union.
(5)
Daher ist es notwendig, die Soforthilfe gemäß der Verordnung (EU) 2016/369 des Rates(2) zu aktivieren.
(6)
Um das Maß an Flexibilität zu gewährleisten, das erforderlich ist, um eine längere koordinierte Reaktion unter unvorhergesehenen Umständen sicherzustellen, wie dies bei der COVID-19-Krise der Fall ist, zum Beispiel Bereitstellung von medizinischen Hilfsgütern und Medikamenten, Wiederherstellungsmaßnahmen und einschlägiger medizinischer Forschung, ist, abweichend von Artikel 114 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates(3), dafür zu sorgen, dass die während des Aktivierungszeitraums eingegangenen Mittelbindungen während des gesamten Aktivierungszeitraums für das Eingehen rechtlicher Verpflichtungen verwendet werden können. Dies gilt unbeschadet der Verpflichtung, auch die Kosten der enstprechenden rechtlichen Verpflichtungen, die nach dem Aktivierungszeitraum eingeganen werden, gemäß der n+1 Regel jenes Unterabsatzes zu decken. Die im Rahmen dieser rechtlichen Verpflichtungen angefallenen Kosten sollten für den gesamten Durchführungszeitraum förderfähig sein.
(7)
Um Gleichbehandlung und gleiche Voraussetzungen für die Mitgliedstaaten zu gewährleisten, ist es notwendig, die rückwirkende Förderfähigkeit von Kosten ab dem Zeitpunkt der Aktivierung der Soforthilfe zuzulassen, auch für bereits abgeschlossene Maßnahmen, sofern sie nach diesem Datum angelaufen sind.
(8)
Um den subsidiären Charakter der Soforthilfe im Rahmen der Verordnung (EU) 2016/369 zu wahren' sollte eine solche Unterstützung die Hilfe, die im Rahmen anderer Unionsinstrumente bereitgestellt wird, strikt ergänzen.
(9)
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise hat sich gezeigt, dass der Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2016/369 ausgeweitet werden muss, um dringend benötigte Finanzmittel für medizinische Ausrüstung und Materialien wie Beatmungsgeräte und Schutzausrüstung, Chemikalien für Tests, Entwicklungskosten, Herstellung und Verteilung von Arzneimitteln sowie sonstige Güter und Materialien bereitzustellen. Es sollte auch möglich sein, Maßnahmen zur Unterstützung der notwendigen Schritte zur Erlangung der Zulassung für die Verwendung medizinischer Erzeugnisse zu finanzieren.
(10)
Um die akute Belastung der medizinischen Fachkräfte und der staatlichen Ressourcen aufgrund unzureichender Kapazitäten grundlegender öffentlicher Dienste zu verringern und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems zu erhalten, sollten eine vorübergehende Verstärkung und ein vorübergehender Austausch von medizinischen Fachkräften sowie die Behandlung von Patienten aus anderen Mitgliedstaaten finanziell oder organisatorisch unterstützt werden.
(11)
Finanzielle Unterstützung sollte auch Schulungen von Fachkräften im Gesundheits- und Logistikbereich im Hinblick auf die Bekämpfung von Produktfälschungen im Gesundheitswesen abdecken.
(12)
Angesichts der weitreichenden Folgen von COVID-19 ist ein rasches und umfassendes Engagement aller einschlägigen Partner erforderlich, einschließlich Behörden, öffentlicher und privater Anbieter von Primär- und Krankenhausversorgung und öffentlicher und privater Pflegeheime. Es sind Maßnahmen zur Entlastung der Gesundheitsinfrastruktur und zur Unterstützung von Risikogruppen erforderlich.
(13)
Um Versorgungsengpässe anzugehen, sollten Produktionskapazitäten für grundlegende medizinische Erzeugnisse wie Medikamente, Diagnosetests, Laborvorräte und Schutzausrüstung gefördert und Mittel bereitgestellt werden, um einen Bestand an diesen Erzeugnissen aufrechtzuerhalten.
(14)
Zusätzliche oder alternative Testverfahren zur Erhöhung der Kapazität und einschlägige medizinische Forschung sollten finanziell und/oder organisatorisch unterstützt werden.
(15)
Öffentliche Auftraggeber aus den Mitgliedstaaten sehen sich bei der Beschaffung von Waren oder Dienstleistungen in Notsituationen mit erheblichen rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten konfrontiert. Damit die öffentlichen Auftraggeber das Potenzial des Binnenmarkts in Bezug auf Größenvorteile und Risiko-Nutzen-Teilung optimal nutzen können, ist es von größter Bedeutung, dass die Möglichkeiten der Kommission, Waren oder Dienstleistungen im Namen der Mitgliedstaaten zu erwerben, ausgeweitet werden. Die Kommission sollte in die Lage versetzt werden, die entsprechenden Vergabeverfahren durchzuführen. Führt ein öffentlicher Auftraggeber in einem Mitgliedstaat bestimmte Teile des Vergabeverfahrens durch, beispielsweise einen erneuten Aufruf zum Wettbewerb auf der Grundlage einer Rahmenvereinbarung oder die Vergabe von Einzelaufträgen auf der Grundlage eines dynamischen Beschaffungssystems, bleibt er für die von ihm durchgeführten Verfahrensschritte verantwortlich.
(16)
In Notsituationen, in denen eine gemeinsame Auftragsvergabe der Kommission und eines oder mehrerer öffentlicher Auftraggeber der Mitgliedstaaten erforderlich ist, sollte es für die Mitgliedstaaten möglich gemacht werden, die gemeinsam beschafften Kapazitäten vollständig zu erwerben, zu mieten oder zu leasen.
(17)
Die Kommission sollte die Möglichkeit haben, Waren und Dienstleistungen anzukaufen, zu lagern und an Mitgliedstaaten oder an von der Kommission ausgewählte Partnerorganisationen weiterzuverkaufen oder sie ihnen als Zuwendung zukommen zu lassen, einschließlich Vermietungen.
(18)
Die Verordnung (EU) 2016/369 sollte daher entsprechend geändert werden.
(19)
Die Mitgliedstaaten haben als Vertragsparteien der gemeinsamen Beschaffungsvereinbarung gemäß Artikel 5 des Beschlusses Nr. 1082/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates(4) erklärt, dass sie der Aufnahme laufender gemeinsamer Beschaffungsverfahren gemäß dem genannten Artikel in das mit dieser Verordnung eingeführte beschleunigte Vergabeverfahren unter den darin festgelegten Bedingungen zustimmen. Die Art der zu beschaffenden medizinischen Gegenmittel und die Verteilung der Gegenmittel an die Mitgliedstaaten sollte gemäß den im Rahmen dieser laufenden Beschaffungsverfahren getroffenen Vereinbarungen erfolgen.
(20)
Die sofortige Vergabe und Ausführung der Verträge, die sich aus den für die Zwecke dieser Verordnung durchgeführten Vergabeverfahren ergeben, sind in Anbetracht der Dringlichkeit der derzeitigen Gesundheitskrise gerechtfertigt. Für diesen besonderen Zweck müssen Ausnahmen von einzelnen Bestimmungen der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 und des Beschlusses Nr. 1082/2013/EU zugelassen werden, die von dem öffentlichen Auftraggeber ordnungsgemäß zu dokumentieren sind. Bei der Verteilung medizinischer Gegenmittel im Rahmen dieser Vergabeverfahren sollten eventuelle von den Mitgliedstaaten vereinbarte Verteilungsschlüssel eingehalten werden. EWR-Staaten, die die gemeinsame Beschaffungsvereinbarung zur Beschaffung medizinischer Gegenmittel unterzeichnet haben, können sich damit einverstanden erklären, dass ihre Teilnahme an von der EU verwalteten Beschaffungen medizinischer Gegenmittel den in dieser Verordnung festgelegten Vorschriften und Bedingungen, soweit relevant, unterliegt. Da die betreffenden Ausnahmeregelungen infolge der derzeitigen COVID-19-Krise eingeführt werden, sollten sie zeitlich begrenzt sein und für denselben Zeitraum gelten, für den die Soforthilfe gemäß der vorliegenden Verordnung aktiviert wird.
(21)
Diese Maßnahmen werden ihre volle Wirksamkeit nur entfalten, wenn die mithilfe der beschleunigten und der gemeinsamen Verfahren beschafften medizinischen Gegenmittel die Gesundheitsdienste in den Mitgliedstaaten ohne jegliche Verzögerung erreichen. Die Mitgliedstaaten sollten daher während der COVID-19-Krise die wesentlichen Verkehrsströme aufrechterhalten, insbesondere über ausgewiesene vorrangige Fahrspuren, Sonderfahrspuren ( „green lanes” ), an Grenzübergangsstellen entlang des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN‐V) — und den Luftfrachtbetrieb erleichtern. Erforderlichenfalls sollten die Transportmittel des Katastrophenschutzverfahrens der Union eingesetzt werden. Für diesen besonderen Zweck muss eine Ausnahme von Artikel 1 Absatz 6 des Beschlusses Nr. 1313/2013/EU vorgesehen werden.
(22)
Angesichts der Lage im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise sollte diese Verordnung unverzüglich in Kraft treten.
(23)
Um Gleichbehandlung und gleiche Voraussetzungen für die Mitgliedstaaten zu gewährleisten und eine Abdeckung unabhängig vom Zeitpunkt des Ausbruchs in einem Mitgliedstaat zu gewährleisten, sollte diese Verordnung ab dem 1. Februar 2020 gelten —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

Beschluss Nr. 1313/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über ein Katastrophenschutzverfahren der Union (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 924).

(2)

Verordnung (EU) 2016/369 des Rates vom 15. März 2016 über die Bereitstellung von Soforthilfe innerhalb der Union (ABl. L 70 vom 16.3.2016, S. 1).

(3)

Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1296/2013, (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013, (EU) Nr. 1304/2013, (EU) Nr. 1309/2013, (EU) Nr. 1316/2013, (EU) Nr. 223/2014, (EU) Nr. 283/2014 und des Beschlusses Nr. 541/2014/EU sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 (ABl. L 193 vom 30.7.2018, S. 1).

(4)

Beschluss Nr. 1082/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 2119/98/EG (ABl. L 293 vom 5.11.2013, S. 1).

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