Präambel VO (EU) 2020/594

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 des Rates(1), insbesondere auf Artikel 222,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Die Union ist der führende Erzeuger von lebenden Pflanzen und Waren des Blumenhandels, Bulben, Zwiebeln, Knollen, Wurzelknollen und Wurzelstöcken, Schnittblumen und Pflanzenteilen zu Binde- oder Zierzwecken (im Folgenden „lebende Pflanzen und Blumen” ). Der Gesamtwert der Unionserzeugung belief sich 2019 auf 20 Mrd. EUR.
(2)
Ungefähr 85 % der Erzeugung lebender Pflanzen und Blumen in der Union sind für den Binnenmarkt bestimmt; die restlichen 15 % werden in Drittländer ausgeführt.
(3)
Die Lieferkette im Sektor lebende Pflanzen und Blumen ist eng verzahnt und erfordert eine reibungslose und effiziente Logistik für ein funktionierendes Vermarkungssystem für die Erzeugnisse, die größtenteils verderblich sind.
(4)
Darüber hinaus sind die Erzeugung und der Verkauf lebender Pflanzen und Blumen saisonabhängig. Die meisten lebenden Pflanzen und Blumen werden im Frühjahr für besondere Anlässe wie den Muttertag oder Ostern erzeugt, und Zimmerpflanzen werden zur Anpassung an die saisonale Nachfrage speziell in kleineren Töpfen erzeugt. Die meisten Verkäufe finden in der Regel im Frühjahr statt. In einigen Teilsektoren wie einjährigen Beetpflanzen und Schnittblumen werden zwischen März und Juni 40 % bis 80 % der Verkäufe abgewickelt.
(5)
Die derzeitige COVID-19-Pandemie und die umfangreichen Beschränkungen der Bewegungsfreiheit in den Mitgliedstaaten gehen im Sektor lebende Pflanzen und Blumen mit einer wirtschaftlichen Störung einher, die finanzielle Schwierigkeiten und Liquiditätsprobleme bei den Erzeugern hervorruft.
(6)
Durch die Ausbreitung der Krankheit und die ergriffenen Maßnahmen stehen weniger Arbeitskräfte insbesondere für Transporttätigkeiten zur Verfügung, wodurch es vor allem auf den Stufen der Erzeugung, der Sammlung, der Versteigerung und des Verkaufs von lebenden Pflanzen und Blumen zu Engpässen kommt.
(7)
Zudem hat die verordnete Schließung von Märkten, Gartencentern und spezialisierten Einzelhandelsgeschäften sowie die Schließung von Gastronomiebetrieben und die Absage von Veranstaltungen und Feierlichkeiten den Betrieb im Sektor lebende Pflanzen und Blumen zum Stillstand gebracht. Die teilweise erfolgende Wiedereröffnung von Gartencentern und spezialisierten Einzelhandelsgeschäften in einigen Mitgliedstaaten dürfte diese Situation nicht wesentlich ändern, da die Lieferkette eng verzahnt ist, von einer funktionierenden Logistik abhängt und nur begrenzte Lagerkapazitäten zur Verfügung stehen. Maßnahmen zur Kontaktvermeidung ( „social distancing” ) werden vermutlich auch in den kommenden Monaten beibehalten werden und sich weiterhin sowohl auf die Verkehrslogistik als auch auf den Verkauf auswirken, da weniger Verbraucher die Läden betreten können. Zudem wurden wichtige Veranstaltungen wie jährliche Gartenschauen, die in den kommenden Monaten stattfinden sollten, bereits abgesagt, und andere Veranstaltungen, bei denen normalerweise Blumendekorationen eingesetzt würden, wie Hochzeiten, müssen ebenfalls abgesagt werden.
(8)
Darüber hinaus kündigen Käufer in der Union und auf dem Weltmarkt Verträge und zögern den Abschluss neuer Verträge hinaus, da sie mit weiteren Preisrückgängen rechnen. Hinzu kommt, dass es bei den Ausfuhren logistische Probleme gibt, da der Ausbruch der COVID-19-Pandemie in China zu einer erheblichen Überlastung der Häfen in China und anderswo geführt hat. Es wird davon ausgegangen, dass es mindestens bis Juni 2020 vermehrt sogenannte Blank Sailings (Ausfall von Schiffsabfahrten) geben wird, die eine Verknappung der Containerkapazitäten, einen erheblichen Anstieg der Frachtkosten und verspätete Lieferungen bei der Ausfuhr nach sich ziehen werden.
(9)
Dieses Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage führt zu einer wirtschaftlichen Störung im Sektor lebende Pflanzen und Blumen. Aufgrund dieses Ungleichgewichts ist die Nachfrage nach lebenden Pflanzen und Blumen drastisch zurückgegangen, was unmittelbare und erhebliche Auswirkungen auf den Markt hat. Die Nachfrage nach lebenden Pflanzen und Waren des Blumenhandels auf dem Unionsmarkt ist insgesamt um 80 % zurückgegangen. Der Handel bei Auktionen ist erheblich beeinträchtigt. Der niederländische Auktionsmarkt, über den 35 % der Unionsverkäufe abgewickelt werden, verzeichnete Mitte März 2020 einen Umsatzrückgang von 85 %. Inzwischen hat sich der niederländische Auktionsmarkt zwar wieder etwas erholt, doch der Umsatz liegt immer noch um 30 % unter dem Wert von Mitte April 2019. In anderen Mitgliedstaaten wie Belgien und Frankreich sind die Auktionen abgesagt und die Großhandelsmärkte geschlossen worden. Darüber hinaus haben einige Mitgliedstaaten wie die Niederlande berichtet, dass Beetpflanzen, die nicht lagerfähig sind, und Schnittblumen, die leicht verderblich und saisonabhängig sind, in großen Mengen vernichtet wurden. Dies hat zu einem drastischen Preisrückgang bei niederländischen Auktionen geführt. In der Woche vom 16. bis zum 22. März 2020, als die Märkte zusammenbrachen, lagen die Preise um fast 60 % unter denen in der gleichen Woche im Jahr 2019. Zudem lagen die Preise in den Wochen vom 23. bis zum 29. März, vom 30. März bis zum 5. April und vom 6. bis zum 12. April 2020 immer noch um 23 bis 36 % unter denen in den gleichen Wochen im Jahr 2019.
(10)
Aufgrund der genannten Umstände werden diese Ereignisse als Phase eines schweren Marktungleichgewichts eingestuft.
(11)
Damit in dieser Zeit eines schweren Marktungleichgewichts eine Lösung für den Sektor lebende Pflanzen und Blumen gefunden werden kann, sollten Vereinbarungen und Beschlüsse von landwirtschaftlichen Erzeugerbetrieben, Vereinigungen von landwirtschaftlichen Erzeugerbetrieben, Vereinigungen dieser Erzeugervereinigungen, anerkannten Erzeugerorganisationen, Vereinigungen von anerkannten Erzeugerorganisationen und anerkannten Branchenverbänden im Sektor lebende Pflanzen und Blumen für einen Zeitraum von sechs Monaten genehmigt werden. Dazu gehören: i) Marktrücknahme oder kostenlose Verteilung, ii) gemeinsame Absatzförderungsmaßnahmen und iii) vorläufige Planung der Produktion.
(12)
Solche Vereinbarungen und Beschlüsse könnten Folgendes umfassen: i) Kollektive Marktrücknahmen für eine geordnete Vernichtung lebender Pflanzen und Blumen, ii) Absatzförderungsmaßnahmen, mit denen die Verbraucher animiert werden, lebende Pflanzen und Blumen zu kaufen, und iii) kollektive Marktplanung, um die Anpflanzung von lebenden Pflanzen und Blumen im Hinblick auf die künftige Aufhebung der Beschränkungen zu koordinieren.
(13)
Alle Vereinbarungen und Beschlüsse sollten zeitlich befristet für einen Zeitraum von sechs Monaten genehmigt werden. Da dies der Zeitraum ist, in dem die meisten lebenden Pflanzen und Blumen gesammelt und vermarktet werden, sollten die Maßnahmen in diesem Zeitraum den größten Nutzen bringen.
(14)
Gemäß Artikel 222 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 wird eine Genehmigung erteilt, sofern dies nicht das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts unterminiert und diese Vereinbarungen und Beschlüsse strikt darauf abzielen, den Sektor zu stabilisieren. Durch diese besonderen Bedingungen sind Vereinbarungen und Beschlüsse ausgeschlossen, die direkt oder indirekt zur Aufteilung von Märkten, zu unterschiedlicher Behandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder zur Festsetzung von Preisen führen. Erfüllen die Vereinbarungen und Beschlüsse diese Bedingungen nicht oder nicht mehr, so findet Artikel 101 Absatz 1 AEUV auf diese Vereinbarungen und Beschlüsse Anwendung.
(15)
Da das schwere Marktungleichgewicht die gesamte Union betrifft, sollte die in dieser Verordnung vorgesehene Genehmigung für das Gebiet der Union gelten.
(16)
Damit die Mitgliedstaaten beurteilen können, ob die Vereinbarungen und Beschlüsse das Funktionieren des Binnenmarktes nicht unterminieren und strikt darauf abzielen, den Sektor lebende Pflanzen und Blumen zu stabilisieren, sollten die zuständigen Behörden — einschließlich der Wettbewerbsbehörden — des Mitgliedstaats, auf den der höchste Anteil der unter diese Vereinbarungen und Beschlüsse fallenden geschätzten Erzeugungsmenge lebender Pflanzen und Blumen entfällt, Informationen über die geschlossenen Vereinbarungen und gefassten Beschlüsse sowie über die unter diese Vereinbarungen und Beschlüsse fallende Erzeugungsmenge und den Durchführungszeitraum erhalten.
(17)
Angesicht der Tatsache, dass das schwere Marktungleichgewicht in den Zeitraum fällt, in dem die meisten Verkäufe im Sektor lebende Pflanzen und Blumen getätigt werden, sollte diese Verordnung am Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft treten.
(18)
Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ausschusses für die gemeinsame Organisation der Agrarmärkte —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 671.

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