Präambel VO (EU) 2020/771

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Lebensmittelzusatzstoffe(1), insbesondere auf Artikel 10 Absatz 3 und Artikel 14,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 enthält die EU-Liste der für die Verwendung in Lebensmitteln zugelassenen Zusatzstoffe mit den Bedingungen für ihre Verwendung.
(2)
Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 enthält die EU-Liste der für die Verwendung in Lebensmittelzusatzstoffen, -enzymen und -aromen sowie in Nährstoffen zugelassenen Zusatzstoffe mit den Bedingungen für ihre Verwendung.
(3)
Die Verordnung (EU) Nr. 231/2012 der Kommission(2) enthält Spezifikationen für die in den Anhängen II und III der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 aufgeführten Lebensmittelzusatzstoffe.
(4)
Die EU-Listen der Lebensmittelzusatzstoffe und die Spezifikationen können auf Initiative der Kommission oder auf Antrag nach dem in Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1331/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates(3) festgelegten einheitlichen Verfahren aktualisiert werden.
(5)
Annatto, Bixin, Norbixin (E 160b) ist im Einklang mit Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 als Farbstoff für zahlreiche Lebensmittel zugelassen.
(6)
Annatto, Bixin, Norbixin (E 160b) wird aus den Samen des Annattostrauchs (Bixa orellana L.) gewonnen und färbt Lebensmittel gelb bis rot. Die Hauptpigmente in Annatto-Extrakten sind Bixin und Norbixin. Trotz ähnlicher Struktur unterscheiden sich Bixin und Norbixin deutlich in ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften und werden daher je nach Beschaffenheit der Lebensmittelmatrix unterschiedlich verwendet.
(7)
Gemäß Artikel 32 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 werden alle Lebensmittelzusatzstoffe, die bereits vor dem 20. Januar 2009 in der Union zugelassen waren, von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (im Folgenden die „Behörde” ) einer neuen Risikobewertung unterzogen. Gemäß der Verordnung (EU) Nr. 257/2010 der Kommission(4) musste die Neubewertung von Lebensmittelfarbstoffen bis zum 31. Dezember 2015 abgeschlossen sein.
(8)
Am 4. April 2008 wurde die Zulassung der Verwendung von fünf neuen Annatto-Extrakten beantragt, die als bixin- oder norbixinbasiert eingestuft wurden und die derzeit zugelassenen Annatto-Extrakte (E 160b) ersetzen sollen. Der Antrag beinhaltete neue Vorschläge für Verwendungen und Verwendungsmengen, getrennt für Bixin und Norbixin, wohingegen die derzeitigen Verwendungen und Verwendungsmengen für einen einzigen Lebensmittelzusatzstoff (Annatto, Bixin, Norbixin (E 160b)) aufgeführt sind. Die vorgeschlagenen Verwendungen und Verwendungsmengen für Bixin und Norbixin betreffen die Lebensmittelkategorien, für die Annatto, Bixin, Norbixin (E 160b) derzeit zugelassen ist, wie auch einige zusätzliche Lebensmittelkategorien, für die derzeit andere Lebensmittelfarbstoffe zugelassen sind, nicht jedoch Annatto, Bixin, Norbixin (E 160b).
(9)
Gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1331/2008 muss die Kommission die Behörde um ein Gutachten ersuchen, wenn die EU-Liste der Lebensmittelzusatzstoffe in Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 und die Spezifikationen im Anhang der Verordnung (EU) Nr. 231/2012 aktualisiert werden sollen, es sei denn, diese Aktualisierung kann keine Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben.
(10)
Am 19. Mai 2008 ersuchte die Kommission die Behörde um eine Bewertung der Sicherheit der fünf neuen Annatto-Extrakte bei den vorgeschlagenen Verwendungen und Verwendungsmengen. Bei Analyse des Antrags stellte die Behörde große Datenlücken fest und wies auf die Notwendigkeit neuer toxikologischer Studien hin. Folglich entschied die Kommission am 14. Januar 2011, dass die Sicherheit der fünf neuen Extrakte im Rahmen der Neubewertung von Annatto, Bixin, Norbixin (E 160b) nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 257/2010 bewertet würde.
(11)
Am 24. August 2016 gab die Behörde eine wissenschaftliche Stellungnahme zur Sicherheit von Annatto-Extrakten (E 160b) als Lebensmittelzusatzstoff(5) ab. Bei den derzeit zugelassenen Annatto-Extrakten schloss die Behörde, dass die Sicherheit ihrer Verwendung im Rahmen der in der Verordnung (EU) Nr. 231/2012 festgelegten Spezifikationen (Bixin und Norbixin, mit Lösungsmittel extrahiert; mit Alkali extrahiertes Annatto; mit Öl extrahiertes Annatto) aufgrund fehlender Daten — sowohl betreffend die Merkmale als auch die toxikologischen Studien — nicht bewertet werden kann. Im Hinblick auf die neuen Annatto-Extrakte, insbesondere wässrig bearbeitetes Bixin (Annatto E), konnte die Behörde aufgrund uneindeutiger Genotoxizitätsergebnisse keine Schlussfolgerungen bezüglich seiner Sicherheit ziehen. Für die übrigen vier neuen Extrakte (mit Lösungsmittel extrahiertes Bixin; mit Lösungsmittel extrahiertes Norbixin; alkalisch bearbeitetes Norbixin, mit Säure gefällt; alkalisch bearbeitetes Norbixin, nicht mit Säure gefällt) gab die Behörde an, dass diese den in der wissenschaftlichen Stellungnahme empfohlenen Spezifikationen entsprechen sollten. Die Behörde legte die annehmbare Tagesdosis auf 6 mg Bixin/kg Körpergewicht pro Tag bzw. 0,3 mg Norbixin/kg Körpergewicht pro Tag fest. Schätzungen zur Exposition im Zusammenhang mit den vorgeschlagenen Verwendungen und Verwendungsmengen für Bixin lagen bei den beiden verfeinerten Expositionsszenarien (markentreu und nicht markentreu) für alle Bevölkerungsgruppen unter der annehmbaren Tagesdosis. Allerdings überstiegen diese Schätzungen bei Norbixin in dem verfeinerten markentreuen Expositionsszenario die annehmbare Tagesdosis für Säuglinge, Kleinkinder und Kinder in hohem Maße (95. Perzentil).
(12)
Nach der Veröffentlichung dieser wissenschaftlichen Stellungnahme ersuchte die Kommission den Antragsteller um Präzisierungen der beantragten Verwendungen und Höchstverwendungsmengen von Bixin und Norbixin. Daraufhin übermittelte der Antragsteller der Kommission am 16. Februar 2017 Änderungen des Originalantrags, z. B. Streichung einiger der beantragten neuen Verwendungen oder in einigen Fällen neue Verwendungsmengen. Am 2. März 2017 ersuchte die Kommission die Behörde um fachliche Unterstützung bei der Schätzung der Bixin- und Norbixin-Exposition auf der Grundlage der vom Antragsteller vorgeschlagenen geänderten Verwendungen und Verwendungsmengen.
(13)
Wie geheißen, veröffentlichte die Behörde am 10. August 2017 eine Erklärung zur Bewertung der Bixin- und Norbixin-Exposition(6) im Hinblick auf diese geänderten Verwendungen und Verwendungsmengen. Sie kam zu dem Schluss, dass die lebensmittelbedingte Bixin-Exposition in keinem Expositionsszenario die annehmbare Tagesdosis übersteigt. Allerdings kam sie auch zu dem Schluss, dass die lebensmittelbedingte Norbixin-Exposition von Kleinkindern und Kindern in den beiden verfeinerten Expositionsszenarien (markentreu und nicht markentreu) die annehmbare Tagesdosis in hohem Maße (95. Perzentil) übersteigt.
(14)
Am 30. August 2017 übermittelte der Antragsteller Daten einer neuen Genotoxizitätsstudie zu Annatto E.
(15)
Unter Berücksichtigung des Ergebnisses der von der Behörde am 10. August 2017 veröffentlichten Expositionsbewertung änderte der Antragsteller erneut die vorgeschlagenen Verwendungen und Verwendungsmengen für Bixin und Norbixin und legte der Kommission am 20. Juli 2018 drei alternative Szenarien für Verwendungen und Verwendungsmengen vor.
(16)
Am 1. August 2018 ersuchte die Kommission die Behörde, die neuen Genotoxizitätsdaten des Antragstellers für Annatto E zu bewerten und anzugeben, ob eine Aussage über die Sicherheit dieses Annatto-Extraktes möglich ist. Ferner wurde die Behörde ersucht, die Bixin- und Norbixin-Exposition auf der Grundlage der geänderten diesbezüglichen Verwendungen und Verwendungsmengen neu zu bewerten, die der Antragsteller in drei alternativen Szenarien vorgelegt hat.
(17)
Am 13. März 2019 veröffentlichte die Behörde eine wissenschaftliche Stellungnahme zur Sicherheit von Annatto E und zur Bixin- und Norbixin-Exposition.(7) Im Hinblick auf die Sicherheit von Annatto E kam die Behörde zu dem Schluss, dass die Genotoxizität keinen Anlass zu Bedenken gibt, und stellte fest, dass die 2016 für Bixin und Norbixin festgelegte annehmbare Tagesdosis auch für Annatto E herangezogen werden kann. Zur Exposition bei den geänderten Verwendungen und Verwendungsmengen für Bixin, die der Antragsteller am 20. Juli 2018 vorgelegt hatte, gab die Behörde an, dass keine Expositionsschätzung die annehmbare Tagesdosis von 6 mg/k Körpergewicht pro Tag überschreitet. Für Norbixin stellte die Behörde fest, dass in den beiden verfeinerten Expositionsbewertungsszenarien bei Kleinkindern die annehmbare Tagesdosis — wenn auch nur in einem einzigen Land — in hohem Maße (95. Perzentil) erreicht wurde. Dennoch kam die Behörde zu dem Schluss, dass angesichts der Unsicherheiten und der höchstwahrscheinlich überschätzten Exposition das Expositionsniveau in keinem der drei Szenarien für die Verwendungen und Verwendungsmengen von Bixin und Norbixin Anlass zu gesundheitlichen Bedenken gibt.
(18)
Aufgrund obiger Überlegungen ist es angemessen, die Anhänge der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 zu ändern. Da Annatto Bixin (E 160b(i)) und Annatto Norbixin (E 160b(ii)) unterschiedliche toxikologische Eigenschaften und damit unterschiedliche annehmbare Tagesdosen haben, sollte zunächst der Lebensmittelzusatzstoff „Annatto, Bixin, Norbixin (E 160b)” aus der EU-Liste der zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe in Anhang II Teil B der genannten Verordnung gestrichen werden, und es sollten zwei Lebensmittelzusatzstoffe voneinander getrennt aufgenommen werden, nämlich Annatto Bixin (E 160b(i)) und Annatto Norbixin (E 160b(ii)). Infolgedessen sollten die zugelassenen Verwendungen und Verwendungsbedingungen des Lebensmittelzusatzstoffes „Annatto, Bixin, Norbixin (E 160b)” aus der Liste der zugelassenen Verwendungsbedingungen in Lebensmitteln in Anhang II Teil E der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 gestrichen und jegliche Verweise darauf in den Anhängen der Verordnung durch Verweise auf die beiden neuen Lebensmittelzusatzstoffe ersetzt werden. Für diese beiden neuen Zusatzstoffe sollten die zugelassenen Verwendungen und Verwendungsmengen festgelegt werden. Auf der Grundlage der oben genannten Bewertungen durch die Behörde sollten die vom Antragsteller mit der letzten Antragsänderung beantragten Verwendungen zugelassen werden, jedoch nur für die Mengen aus dem dritten und konservativsten Szenario zu Verwendung und Verwendungsmengen.
(19)
Die Verordnung (EU) Nr. 231/2012 sollte ebenfalls geändert werden. Einerseits sollten die drei dort aufgeführten Annatto-Extrakte (Bixin und Norbixin, mit Lösungsmittel extrahiert; mit Alkali extrahiertes Annatto; mit Öl extrahiertes Annatto) nicht länger zugelassen sein, da ihre Sicherheit nicht bewertet werden konnte; entsprechend sollten auch ihre Spezifikationen gestrichen werden. Andererseits gibt es bei den beiden neuen Extrakten von Annatto Bixin (mit Lösungsmittel extrahiertes Bixin; wässrig bearbeitetes Bixin) und den drei neuen Extrakten von Annatto Norbixin (mit Lösungsmittel extrahiertes Norbixin; alkalisch bearbeitetes Norbixin, mit Säure gefällt; alkalisch bearbeitetes Norbixin, nicht mit Säure gefällt) keine Sicherheitsbedenken; Spezifikationen hierzu in Bezug auf die beiden neuen Zusatzstoffe sollten in den Anhang der genannten Verordnung aufgenommen werden. Diese Spezifikationen sollten den von der Behörde in der wissenschaftlichen Stellungnahme vom 24. August 2016 zur Sicherheit von Annatto-Extrakten (E 160b) als Lebensmittelzusatzstoff empfohlenen Spezifikationen entsprechen.
(20)
Die Anhänge II und III der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 und der Anhang der Verordnung (EU) Nr. 231/2012 sollten daher entsprechend geändert werden.
(21)
Selbst wenn die bis zum Geltungsbeginn der vorliegenden Verordnung zugelassenen Annatto-Extrakte ihre Zulassung verlieren sollen, da ihre Sicherheit nicht bewertet werden konnte, ist es höchst unwahrscheinlich, dass sie andere toxikologische Eigenschaften haben und daher Anlass zu gesundheitlichen Bedenken geben, was es erforderlich machen würde, dass sie mit sofortiger Wirkung ab dem Geltungsbeginn dieser Verordnung gar nicht mehr in Verkehr gebracht werden oder in Verkehr bleiben dürfen. Daher ist es für einen reibungslosen Übergang von jenen drei Extrakten zu den neuen Extrakten angezeigt, während eines Übergangszeitraums zuzulassen, dass sowohl die alten als auch die neuen Extrakte rechtmäßig in Verkehr gebracht werden und in Verkehr bleiben dürfen.
(22)
Aus denselben Gründen ist es ebenfalls angemessen, dass Lebensmittel, die Annatto-Extrakte enthalten, welche bis zum Geltungsbeginn der vorliegenden Verordnung zugelassen waren und rechtmäßig vor oder während des Übergangszeitraums in Verkehr gebracht wurden, auch weiterhin bis zur Erschöpfung der Bestände in Verkehr gebracht werden dürfen.
(23)
Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 354 vom 31.12.2008, S. 16.

(2)

Verordnung (EU) Nr. 231/2012 der Kommission vom 9. März 2012 mit Spezifikationen für die in den Anhängen II und III der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates aufgeführten Lebensmittelzusatzstoffe (ABl. L 83 vom 22.3.2012, S. 1).

(3)

Verordnung (EG) Nr. 1331/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über ein einheitliches Zulassungsverfahren für Lebensmittelzusatzstoffe, -enzyme und -aromen (ABl. L 354 vom 31.12.2008, S. 1).

(4)

Verordnung (EU) Nr. 257/2010 der Kommission vom 25. März 2010 zur Aufstellung eines Programms zur Neubewertung zugelassener Lebensmittelzusatzstoffe gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über Lebensmittelzusatzstoffe (ABl. L 80 vom 26.3.2010, S. 19).

(5)

EFSA Journal 2016; 14(8):4544.

(6)

EFSA Journal 2017; 15(8):4966.

(7)

EFSA Journal 2019;17(3):5626.

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