Präambel VO (EU) 2021/1372

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 999/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 mit Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien(1), insbesondere auf Artikel 23 Absatz 1,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
In der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 sind Vorschriften für die Verhütung, Kontrolle und Tilgung transmissibler spongiformer Enzephalopathien (TSE) festgelegt. Die Verordnung gilt für die Produktion und das Inverkehrbringen lebender Tiere und tierischer Erzeugnisse sowie in bestimmten Sonderfällen für deren Ausfuhr.
(2)
Gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 ist die Verfütterung tierischer Proteine an Wiederkäuer verboten. In Artikel 7 Absatz 2 der genannten Verordnung wird dieses Verbot gemäß Anhang IV Kapitel I auf andere Tiere als Wiederkäuer ausgeweitet, während in den Kapiteln II bis V bestimmte Ausnahmen von den Verboten gemäß Kapitel I unter besonderen Bedingungen festgelegt und im Einzelnen beschrieben werden.
(3)
In der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat „Zweiter Fahrplan für die TSE-Bekämpfung — Ein Strategiepapier zum Thema transmissible spongiforme Enzephalopathien (2010-2015)” (im Folgenden „zweiter TSE-Fahrplan” )(2) werden mögliche Änderungen der Rechtsvorschriften der Union skizziert, um die Maßnahmen zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung von TSE an die Entwicklung der epidemiologischen Situation hinsichtlich der bovinen spongiformen Enzephalopathie (BSE) anzupassen. Ferner wird unterstrichen, dass sich jede Überprüfung der TSE-Vorschriften in erster Linie auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützen sollte. Der zweite TSE-Fahrplan befasst sich mit der Überprüfung der derzeitigen in den Rechtsvorschriften der Union festgelegten Bestimmungen über das Verfütterungsverbot für Nichtwiederkäuer.
(4)
Auf der Grundlage zweier wissenschaftlicher Gutachten des Wissenschaftlichen Gremiums für biologische Gefahren (BIOHAZ) der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (im Folgenden „Behörde” ) vom 24. Januar 2007 bzw. vom 17. November 2007 wird im zweiten TSE-Fahrplan festgestellt, dass bei anderen Nutztieren als Wiederkäuern unter natürlichen Bedingungen keine TSE-Fälle nachgewiesen wurden.
(5)
Am 7. Juni 2018 nahm die Behörde ein wissenschaftliches Gutachten zur Überarbeitung der quantitativen Risikobewertung des von verarbeiteten tierischen Proteinen ausgehenden BSE-Risikos an(3). In der quantitativen Risikobewertung wurde die BSE-Infektiosität insgesamt viermal niedriger als im Jahr 2011 eingeschätzt, wobei pro Jahr weniger als ein neuer BSE-Fall erwartet wird.
(6)
Am 22. September 2020 nahm die Behörde ein wissenschaftliches Gutachten über das potenzielle BSE-Risiko für Rinder durch die Verwendung von Wiederkäuer-Kollagen und -Gelatine in Futtermitteln für andere Nutztiere als Wiederkäuer an(4). Darin kommt die Behörde zu dem Schluss, dass es mit einer Wahrscheinlichkeit von über 99 % (fast sicher) über die drei in diesem Gutachten genannten Risikopfade zu keinem neuen BSE-Fall in der Rinderpopulation kommen würde.
(7)
Gleichzeitig werden in der Union jährlich schätzungsweise 100000 Tonnen ehemaliger Lebensmittel, die Kollagen und/oder Gelatine von Wiederkäuern enthalten, entsorgt, da sie gemäß den geltenden Verfütterungsverbotsvorschriften nicht in der Fütterung von Nutztieren zum Einsatz kommen dürfen.
(8)
Daher sollte das Verbot der Fütterung von anderen Nutztieren als Wiederkäuern mit Wiederkäuer-Kollagen und -Gelatine aufgehoben werden.
(9)
Gemäß Artikel 11 der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates(5) ist es verboten, Landtiere einer bestimmten Art, ausgenommen Pelztiere, mit verarbeitetem tierischem Protein zu füttern, das aus Körpern oder Körperteilen von Tieren derselben Art gewonnen wurde (Rückführung innerhalb derselben Tierart).
(10)
Im zweiten TSE-Fahrplan wird zudem festgestellt, dass das Risiko der Übertragung von BSE von Nichtwiederkäuern auf Nichtwiederkäuer vernachlässigbar ist, solange eine Rückführung innerhalb derselben Tierart vermieden wird. Dementsprechend wird der Schluss gezogen, dass eine Aufhebung des Verbots der Verwendung von verarbeitetem tierischem Protein von Nichtwiederkäuern in Futtermitteln für Nichtwiederkäuer unter Beachtung des bestehenden Verbots der Rückführung innerhalb derselben Tierart in Betracht gezogen werden könnte.
(11)
Am 29. November 2010 nahm der Rat Schlussfolgerungen zum zweiten TSE-Fahrplan an(6). In diesen Schlussfolgerungen wird es als eine Grundvoraussetzung für eine etwaige erneute Zulassung der Verwendung von verarbeitetem tierischem Nichtwiederkäuer-Protein in Futtermitteln für andere Nichtwiederkäuer erachtet, dass wirksame und validierte Analysetechniken zur Verfügung stehen, mit denen die aus verschiedenen Tierarten gewonnenen verarbeiteten tierischen Proteine voneinander unterschieden werden können, und dass die sich bei einer solchen erneuten Zulassung für die Gesundheit von Mensch und Tier ergebenden Risiken sorgfältig analysiert werden.
(12)
Das EU-Referenzlaboratorium für tierische Proteine in Futtermitteln (EURL-AP) hat 2012 eine neue DNA-basierte Diagnosemethode (PCR) validiert, mit der Wiederkäuermaterial in Futtermitteln nachgewiesen werden kann. Die Validierung dieser Methode ermöglichte 2013 die Wiederzulassung der Verwendung von verarbeitetem tierischem Nichtwiederkäuer-Protein in Futtermitteln für Tiere in Aquakultur gemäß der Verordnung (EU) Nr. 56/2013 der Kommission(7).
(13)
In der Folge wurden 2015 bzw. 2018 auch PCR-Methoden vom EURL-AP validiert, mit denen von Schweinen oder Geflügel stammendes Material in Futtermitteln nachgewiesen werden kann. Sie ermöglichen also die Kontrolle der ordnungsgemäßen Anwendung des Verbots der Rückführung innerhalb derselben Tierart bei Schweinen und Geflügel.
(14)
In dem am 22. November 2018 veröffentlichten Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Entwicklung von Pflanzenproteinen in der Europäischen Union(8) wird die Notwendigkeit unterstrichen, die Abhängigkeit der Union von Drittländern bei der Proteinversorgung zu verringern. Aus ernährungsphysiologischer Sicht sind verarbeitete tierische Proteine hervorragende Einzelfuttermittel mit einer hohen Konzentration an hochverdaulichen Nährstoffen wie Aminosäuren und Phosphor und einem hohen Vitamingehalt. Eine erneute Zulassung verarbeiteter tierischer Nichtwiederkäuer-Proteine in Futtermitteln für Nichtwiederkäuer würde diese Abhängigkeit von Protein aus Drittländern verringern.
(15)
Die Verwendung von verarbeitetem tierischem Protein von Schweinen für Geflügelfutter und von verarbeitetem tierischem Protein von Geflügel für Schweinefutter sollte wieder zugelassen werden. Für die Sammlung, den Transport und die Verarbeitung dieser Erzeugnisse sollten strenge Anforderungen gelten, und es sollten regelmäßige Probenahmen und Analysen durchgeführt werden, um jegliches Risiko zu vermeiden und eine Kreuzkontamination mit nicht zulässigem Wiederkäuer-Protein und eine Rückführung innerhalb derselben Tierart ausschließen zu können.
(16)
Mit der Verordnung (EU) 2017/893 der Kommission(9) wurde die Verwendung von verarbeitetem tierischem Protein aus Insekten und von Mischfuttermitteln, die solches verarbeitetes tierisches Protein enthalten, zur Verfütterung an Tiere in Aquakultur zugelassen. Nachdem Geflügel Insektenfresser und Schweine Allesfresser sind, bestehen keine Bedenken hinsichtlich dieses Einzelfuttermittels. Folglich sollte verarbeitetes tierisches Protein aus Insekten zur Fütterung von Geflügel und Schweinen zugelassen werden, und zwar unter denselben Bedingungen, die für die Fütterung von Tieren in Aquakultur gelten.
(17)
Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 sollte daher entsprechend geändert werden.
(18)
Die in der vorliegenden Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 147 vom 31.5.2001, S. 1.

(2)

KOM(2010)384 endgültig vom 16.7.2010.

(3)

https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.2903/j.efsa.2018.5314

(4)

https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.2903/j.efsa.2020.6267

(5)

Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 (ABl. L 300 vom 14.11.2009, S. 1).

(6)

https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-13889-2010-ADD-1-REV-1/de/pdf

(7)

Verordnung (EU) Nr. 56/2013 vom 16. Januar 2013 zur Änderung der Anhänge I und IV der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien (ABl. L 21 vom 24.1.2013, S. 3).

(8)

https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2018/DE/COM-2018-757-F1-DE-MAIN-PART-1.PDF

(9)

Verordnung (EU) 2017/893 der Kommission vom 24. Mai 2017 zur Änderung der Anhänge I und IV der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Anhänge X, XIV und XV der Verordnung (EU) Nr. 142/2011 der Kommission in Bezug auf die Bestimmungen über verarbeitetes tierisches Protein (ABl. L 138 vom 25.5.2017, S. 92).

© Europäische Union 1998-2021

Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.