Präambel VO (EU) 2021/167

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 207 Absatz 2,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(1),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Mit der Verordnung (EU) Nr. 654/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates(2) wurde ein gemeinsamer Rechtsrahmen für die Ausübung der Rechte der Union aus internationalen Handelsübereinkünften in bestimmten Situationen geschaffen. Eine dieser Situationen steht in Zusammenhang mit den Streitbeilegungsmechanismen, die durch das Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) und andere internationale Handelsübereinkünfte, einschließlich regionaler oder bilateraler Übereinkünfte, eingerichtet wurden. Die Verordnung (EU) Nr. 654/2014 ermöglicht es der Union, nach Abschluss eines Streitbeilegungsverfahrens Zugeständnisse oder sonstige Verpflichtungen aus internationalen Handelsübereinkünften auszusetzen.
(2)
Die Verordnung (EU) Nr. 654/2014 befasst sich nicht mit Situationen, in denen die Union als Reaktion auf eine von einem Drittland aufrechterhaltene Maßnahme ihrerseits Maßnahmen ergreifen darf, bei denen aber die durch eine Entscheidung zu erfolgende Streitbeilegung blockiert wird oder deshalb nicht zur Verfügung steht, weil das Drittland, das die Maßnahme erlassen hat, nicht zur Zusammenarbeit bereit ist.
(3)
Das WTO-Streitbeilegungsgremium war nicht in der Lage, die frei gewordenen Sitze im WTO-Berufungsgremium (im Folgenden „WTO-Berufungsgremium” ) zu besetzen. Das WTO-Berufungsgremium kann seine Aufgabe nicht mehr erfüllen, sobald es weniger als drei Mitglieder hat. Die Union hat sich darum bemüht, bis zur Auflösung dieser Lage und im Hinblick auf die Wahrung der wesentlichen Grundsätze und Merkmale des WTO-Streitbeilegungssystems und der Verfahrensrechte der Union in laufenden und künftigen Streitigkeiten Interimsvereinbarungen über das Rechtsmittelschiedsverfahren nach Artikel 25 der WTO-Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten (im Folgenden „WTO-Streitbeilegungsvereinbarung” ) zu treffen. Dieser Ansatz wurde vom Rat am 27. Mai 2019, am 15. Juli 2019 und am 15. April 2020 gebilligt und in der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 28. November 2019 zu der Krise des WTO-Berufungsgremiums befürwortet. Wenn sich ein WTO-Mitglied weigert, eine solche Vereinbarung zu schließen, und ein Rechtsmittel bei einem nicht funktionsfähigen WTO-Berufungsgremium einlegt, wird die Beilegung des Streits de facto blockiert.
(4)
Im Rahmen anderer internationaler Handelsübereinkünfte, insbesondere regionaler oder bilateraler Übereinkünfte, könnte es zu einer ähnlichen Situation kommen, wenn ein Drittland nicht in der Weise kooperiert, wie es für eine funktionierende Streitbeilegung erforderlich wäre, wenn es also beispielsweise keinen Schiedsrichter bestellt und kein Mechanismus vorgesehen ist, mit dem das Funktionieren der Streitbeilegung in dieser Situation sichergestellt würde.
(5)
Solange die Streitbeilegung blockiert ist, ist die Union nicht in der Lage, internationale Handelsübereinkünfte durchzusetzen. Daher sollte der Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 654/2014 auf solche Situationen ausgeweitet werden.
(6)
Zu diesem Zweck sollte die Union Zugeständnisse oder sonstige Verpflichtungen aus internationalen Handelsübereinkünften, einschließlich regionaler oder bilateraler Übereinkünfte, umgehend aussetzen können, wenn ein wirksamer Rückgriff auf verbindliche Streitbeilegung nicht möglich ist, weil das Drittland nicht bei der Ermöglichung eines solchen Rückgriffs kooperiert.
(7)
Ferner ist es angemessen festzulegen, dass in Fällen, in denen Maßnahmen ergriffen werden, um den Handel mit einem Drittland zu beschränken, diese Maßnahmen im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Union nicht über den durch die Maßnahmen dieses Drittlands verursachten vollständigen oder teilweisen Entzug von Handelsvorteilen der Union hinausgehen.
(8)
Maßnahmen, die gemäß dieser Verordnung zu erlassen sind, betreffen insoweit speziell den internationalen Handel, als mit ihnen im Wesentlichen der Handelsverkehr geregelt werden soll und sie sich unmittelbar und sofort auf ihn auswirken, und fallen daher gemäß Artikel 207 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in die ausschließliche Zuständigkeit der Union(3).
(9)
Dienstleistungen und Rechte des geistigen Eigentums machen einen bedeutenden und immer größeren Teil des Welthandels aus und sind Gegenstand internationaler Handelsübereinkünfte, einschließlich regionaler oder bilateraler Übereinkünfte der Union. Maßnahmen in den Bereichen des Handels mit Dienstleistungen und handelsbezogener Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums sollten daher in den Anwendungsbereich der handelspolitischen Maßnahmen, die der Union zur Verfügung stehen, aufgenommen werden, um die Verordnung (EU) Nr. 654/2014 kohärenter und wirksamer zu gestalten.
(10)
Mit dieser Verordnung sollte die einheitliche Anwendung des Durchsetzungsmechanismus in Handelsstreitigkeiten im Zusammenhang mit internationalen Handelsübereinkünften, einschließlich regionaler oder bilateraler Übereinkünften, sichergestellt werden. Der Durchsetzungsmechanismus der Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung der internationalen Handelsabkommen der Union ist fester Bestandteil der Handelspolitik der Union, und diese Verordnung würde für die Aussetzung von Zugeständnissen oder sonstigen Verpflichtungen und den Erlass von Maßnahmen bei Verstößen gegen diese Kapitel gelten, sofern und soweit solche Maßnahmen zulässig und durch die Umstände gerechtfertigt sind.
(11)
Die Überprüfungsklausel der Verordnung (EU) Nr. 654/2014 sollte sich auch auf die Anwendung der mit der vorliegenden Verordnung eingeführten Änderung jener Verordnung erstrecken.
(12)
Die Verordnung (EU) Nr. 654/2014 sollte daher entsprechend geändert werden —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 19. Januar 2021 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 3. Februar 2021.

(2)

Verordnung (EU) Nr. 654/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über die Ausübung der Rechte der Union in Bezug auf die Anwendung und die Durchsetzung internationaler Handelsregeln und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 3286/94 des Rates zur Festlegung der Verfahren der Gemeinschaft im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik zur Ausübung der Rechte der Gemeinschaft nach internationalen Handelsregeln, insbesondere den im Rahmen der Welthandelsorganisation vereinbarten Regeln (ABl. L 189 vom 27.6.2014, S. 50).

(3)

Gutachten 2/15 des Gerichtshofs vom 16. Mai 2017, ECLI:EU:C:2017:376, Randnummer 36.

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