Präambel VO (EU) 2021/1848

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlaments und des Rates(1), insbesondere auf Artikel 23b Absatz 8,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Der Euro Overnight Index Average (EONIA) ist ein kritischer Referenzwert und ergibt sich aus den Zinssätzen für unbesicherte Euro-Übernachtkontrakte. Er wird in Zusammenhang mit Tagesgeldsatz-Swaps und einer breiten Palette anderer Produkte verwendet. Der EONIA ist für Barabwicklungen von wesentlicher Bedeutung und für andere Zwecke wie unterschiedliche Bewertungsverfahren, wie sie im Rahmen von Verfahren für die Sicherheitenverwaltung und das Risikomanagement oder bei der Rechnungslegung angewandt werden, von hoher Relevanz.
(2)
Die ursprüngliche Methode für die Berechnung des EONIA basierte auf Meldungen der beteiligten Panel-Banken. Im Februar 2018 gab das European Money Market Institute (EMMI) als Administrator des EONIA bekannt, dass mit Blick auf den EONIA die Einhaltung der Verordnung (EU) 2016/1011 zum Zeitpunkt ihres Geltungsbeginns nicht zu erreichen sein dürfte. Infolgedessen wurden vom EMMI und im Finanzsektor Arbeiten zur geordneten Abwicklung des EONIA eingeleitet. Am 13. September 2018 empfahl die Arbeitsgruppe zu risikofreien Euro-Zinssätzen, den EONIA durch den auf Euro lautenden risikofreien Zinssatz Euro Short-Term Rate (EURSTR) zu ersetzen. Am 14. März 2019 veröffentlichte die Arbeitsgruppe außerdem Empfehlungen für eine Umstellung vom EONIA auf den EURSTR, die unter anderem eine Phase vorsahen, während der eine geänderte Methode zur Berechnung des EONIA auf der Grundlage des EURSTR verwendet werden sollte. Zudem wurde eine Methode zur Bestimmung der Spread-Anpassung zwischen EURSTR und EONIA empfohlen.
(3)
Im Nachgang zu diesen Empfehlungen wurde von der Europäischen Zentralbank (EZB) am 31. Mai 2019 ein einmaliger Spread zwischen EONIA und EURSTR berechnet und auf 8,5 Basispunkte festgesetzt. Am selben Tag kündigte das EMMI die Einstellung des EONIA zum 3. Januar 2022 an. Während des Übergangszeitraums veröffentlichte das EMMI eine reformierte Methode für den EONIA, nach der der EONIA dem von der EZB veröffentlichten EURSTR zuzüglich der einmaligen Spread-Anpassung von 8,5 Basispunkten entspricht. Diese reformierte Methode ist seit dem 2. Oktober 2019 und bis zur Einstellung des EONIA zum 3. Januar 2022 anwendbar. Am 11. Dezember 2019 erhielt das EMMI von der belgischen Finanzdienstleistungs- und Marktaufsichtsbehörde (FSMA) die Zulassung für die Bereitstellung und Verwaltung des EONIA gemäß Artikel 34 der Verordnung (EU) 2016/1011, sodass der EONIA bis zu seiner Einstellung am 3. Januar 2022 verwendet werden kann.
(4)
Wenngleich die Einstellung des EONIA zum 3. Januar 2022 frühzeitig angekündigt wurde und die Branche frühzeitig empfohlen hat, Verweise auf den EONIA — insbesondere bei Verträgen mit Fälligkeit nach diesem Zeitpunkt — durch Verweise auf den EURSTR zu ersetzen, steht in einer Reihe von Mitgliedstaaten nach wie vor ein großes Volumen an Kontrakten und Finanzinstrumenten aus, deren Bezugsgrundlage der EONIA ist. Infolgedessen spielt der EONIA für die Finanzmärkte in der Europäischen Union weiterhin eine entscheidende Rolle. Da versucht wurde, einen Experten- und Branchenkonsens über einen geeigneten Fahrplan für die Umstellung zu erreichen, enthalten solche Kontrakte und bestehenden Finanzierungsinstrumente zudem im Allgemeinen keine geeigneten Rückfallklauseln für den Fall der endgültigen Einstellung des EONIA. Die Einstellung des EONIA dürfte daher eine signifikante disruptive Wirkung auf solche Kontrakte und Finanzinstrumente haben.
(5)
Der EONIA wurde gemäß der Durchführungsverordnung (EU) 2019/482 der Kommission(2) als kritischer Referenzwert eingestuft. In der Verordnung (EU) 2021/168 des Europäischen Parlaments und des Rates(3), mit der Artikel 23b in die Verordnung (EU) 2016/1011 aufgenommen wurde, wurde der Europäischen Kommission die Befugnis übertragen, einen oder mehrere Ersatz-Referenzwerte für einen kritischen Referenzwert zu bestimmen, wenn alle in Artikel 23b der Verordnung (EU) 2016/1011 festgelegten Bedingungen erfüllt sind. Durch die Erklärung des EMMI vom 31. Mai 2019, in der die Einstellung des EONIA angekündigt und bekannt gegeben wurde, dass es zum Zeitpunkt der Abgabe dieser Erklärung keinen Nachfolgeadministrator gab, der diesen Referenzwert weiter bereitstellen würde, ist die in Artikel 23b Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2016/1011 festgelegte Bedingung erfüllt.
(6)
Darüber hinaus geht aus den von Mitgliedern der Arbeitsgruppe zu risikofreien Euro-Zinssätzen gemeldeten Daten hervor, dass zum 9. Juli 2021 unionsweit nach wie vor mehrere Tausend Derivatekontrakte mit direkter EONIA-Exponierung sowie Sicherungsvereinbarungen gelten, bei denen der EONIA als Zinssatz für Sicherheiten als Bezugsgrundlage herangezogen wird. Hierauf entfällt bereits ein Nominalbetrag von insgesamt mehreren Billionen Euro. Dieselben Mitglieder gaben auch an, dass ihre Bemühungen um eine Neuverhandlung von Kontrakten bei durchschnittlich weniger als der Hälfte der Kontrakte, deren Bezugsgrundlage der EONIA ist, abgeschlossen seien. Diese Abschlussquoten deuten darauf hin, dass eine individuelle Neuverhandlung aller verbleibenden Verweise auf den EONIA für Vertragsparteien in der Union, insbesondere für die beaufsichtigten Unternehmen, eine große Herausforderung darstellen wird. Ohne Umstellung dieser Verträge auf einen als Ersatz bestimmten Referenzwert besteht die ernsthafte Gefahr des Wegfalls der Vertragsgrundlage. Wenngleich weitere aktive Anstrengungen von Mitgliedern der Industrie erwartet werden, damit alle Kontrakte und Finanzinstrumente, deren Bezugsgrundlage nach wie vor der EONIA ist, bis zum Zeitpunkt der Einstellung des EONIA auf den EURSTR umgestellt werden, dürfte daher mit einem als Ersatz bestimmten Referenzwert für den EONIA das Eintreten dieses Risikos gemindert werden, was insbesondere Kunden schützen könnte, die Tagesgeldsatz-Swaps zur Absicherung des Zinsrisikos nutzen.
(7)
Die wichtige Rolle, die der EONIA laut der vorläufigen Bewertung an den Finanzmärkten der Union spielt, hat sich in den Ergebnissen der Konsultationen der Sachverständigengruppe bestätigt. Aus diesen Konsultationen ging hervor, dass das Fehlen eines harmonisierten Ansatzes Rechtsunsicherheit bewirken würde, die zu Streitigkeiten oder Störungen führen könnte. Darüber hinaus hat die Arbeitsgruppe zu risikofreien Euro-Zinssätzen am 15. Juli 2021 ein förmliches Schreiben an die Kommission gerichtet, in dem sie die Kommission auffordert, rasch einen gesetzlichen Ersatzzinssatz für den EONIA zu bestimmen. Es ist daher angezeigt, dass die Kommission einen gesetzlichen Ersatzzinssatz für den EONIA bestimmt, der bei allen Kontrakten und Finanzinstrumenten im Sinne der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates(4), die keine oder keine geeigneten Rückfallklauseln enthalten, zu verwenden ist.
(8)
Im Rahmen der Konsultationen der Arbeitsgruppe zu risikofreien Euro-Zinssätzen wurde auch darauf hingewiesen, dass es aufgrund des Volumens von Verträgen, die erst nach der Einstellung des EONIA zum 3. Januar 2022 fällig werden, und aufgrund der Schwierigkeit, für jeden einzelnen Kontrakt die Zustimmung sämtlicher Parteien einzuholen, oftmals schwierig ist, Verweise auf den EONIA in Verträgen im Wege von Neuverhandlungen zu ersetzen. Dies erklärt, weshalb bei vielen Verträgen nach wie vor der EONIA als Bezugsgrundlage dient. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe zu risikofreien Euro-Zinssätzen gemeldeten Daten sollte sichergestellt werden, dass sämtliche Kontrakte oder Finanzinstrumente, deren Bezugsgrundlage zum Zeitpunkt der Einstellung des EONIA weiterhin der EONIA ist, in den Anwendungsbereich dieser Durchführungsverordnung und der Maßnahme zur Bestimmung des gesetzlichen Ersatzzinssatzes fallen.
(9)
Mit der Ankündigung vom 31. Mai 2019, die Veröffentlichung des EONIA zum 3. Januar 2022 einzustellen, kündigte das EMMI auch Änderungen an der Methode zur Berechnung des EONIA an, um die weitere Einhaltung der Verordnung (EU) 2016/1011 sicherzustellen und einen reibungslosen Übergang bis zur endgültigen Einstellung des EONIA zu gewährleisten. Diese Änderungen gelten seit dem 2. Oktober 2019 und knüpfen die EONIA-Berechnung direkt an die Entwicklung des EURSTR, da festgelegt ist, dass der EONIA dem EURSTR zuzüglich einer festen Spread-Anpassung auf der Grundlage des von der EZB berechneten Spreads entspricht. Die Hinzurechnung einer festen Spread-Anpassung begrenzt die wirtschaftlichen Auswirkungen, die sich aus der Bestimmung des EURSTR als gesetzlicher Ersatzzinssatz für den EONIA in allen Verträgen ergeben, deren Laufzeit über den Zeitpunkt der Einstellung des EONIA zum 3. Januar 2022 hinausgeht.
(10)
In dem förmlichen Schreiben der Arbeitsgruppe zu risikofreien Euro-Zinssätzen vom 15. Juli 2021 wurde ausdrücklich gefordert, dass der gesetzliche Ersatzzinssatz für den EONIA auf dem EURSTR zuzüglich der bestehenden festen Anpassung des Spreads zwischen EONIA und EURSTR beruhen sollte, um eine Wertübertragung während der Umstellung zu vermeiden. Es ist angemessen, dass der gesetzliche Ersatzzinssatz für den EONIA die Empfehlungen der betreffenden Arbeitsgruppe zu risikofreien Zinssätzen widerspiegelt und sich somit auf den EURSTR zuzüglich der von der EZB berechneten festen Spread-Anpassung stützt.
(11)
Ein Ersatzzinssatz für den EONIA ersetzt kraft Gesetzes alle Verweise auf diesen Referenzwert in sämtlichen Kontrakten und Finanzinstrumenten im Sinne der Richtlinie 2014/65/EU, die keine oder keine geeigneten Rückfallklauseln nach Artikel 23b Absatz 3 der Verordnung (EU) 2016/1011 enthalten. Im Einklang mit Artikel 23b Absatz 11 der Verordnung (EU) 2016/1011 wirkt sich diese Ersetzung daher nicht auf Kontrakte aus, die mit Blick auf die Einstellung des EONIA erfolgreich neu verhandelt wurden.
(12)
Da der EONIA ab dem 3. Januar 2022 nicht mehr veröffentlicht wird, sollte ab diesem Datum der bestimmte Ersatzzinssatz den EONIA als Bezugsgrundlage ersetzen.
(13)
Die FSMA als für den Administrator des EONIA zuständige Aufsichtsbehörde und die EZB als für das Währungsgebiet des EONIA zuständige Zentralbank haben zu dieser Verordnung Stellung genommen.
(14)
Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Europäischen Wertpapierausschusses —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2014/17/EU sowie der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 (ABl. L 171 vom 29.6.2016, S. 1).

(2)

Durchführungsverordnung (EU) 2019/482 der Kommission vom 22. März 2019 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1368 zur Erstellung einer Liste der an den Finanzmärkten verwendeten kritischen Referenzwerte gemäß der Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 82 vom 25.3.2019, S. 26).

(3)

Verordnung (EU) 2021/168 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Februar 2021 zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/1011 im Hinblick auf die Ausnahme bestimmter Devisenkassakurs-Referenzwerte aus Drittstaaten und die Bestimmung von Ersatz-Referenzwerten für bestimmte eingestellte Referenzwerte und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 49 vom 12.2.2021, S. 6).

(4)

Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 349).

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