Präambel VO (EU) 2021/250

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 100 Absatz 2,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),

nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Die COVID-19-Krise hat infolge der sinkenden Nachfrage und der von den Mitgliedstaaten und Drittländern zur Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 ergriffenen direkten Maßnahmen zu einem deutlichen Rückgang des Luftverkehrs geführt. Seit dem 1. März 2020 spüren die Luftfahrtunternehmen die negativen Auswirkungen, die in den kommenden Jahren wahrscheinlich anhalten werden.
(2)
Diese Umstände sind von den Luftfahrtunternehmen nicht zu beherrschen und haben zur freiwilligen oder obligatorischen Annullierung ihrer Luftverkehrsdienste geführt. Durch freiwillige Annullierungen wird insbesondere die finanzielle Solidität von Luftfahrtunternehmen geschützt und es werden Umweltbelastungen durch leere oder überwiegend leere Flüge vermieden, die nur zum Zweck der Aufrechterhaltung der entsprechenden Flughafenzeitnischen durchgeführt werden.
(3)
Die von Eurocontrol, dem Netzmanager für die Funktionen des Luftverkehrsnetzes des einheitlichen europäischen Luftraums, veröffentlichten Zahlen lassen darauf schließen, dass sich der seit Mitte Juni 2020 beobachtete Rückgang des Luftverkehrs um rund 74 % im Vergleich zum Vorjahr fortsetzen wird.
(4)
Die bekannten Vorausbuchungen, Prognosen von Eurocontrol und epidemiologischen Prognosen lassen keine Vorhersagen darüber zu, wann die Phase der infolge der COVID-19-Krise stark verringerten Nachfrage voraussichtlich enden wird. Den jüngsten Prognosen von Eurocontrol zufolge wird das Luftverkehrsaufkommen im Februar 2021 nur die Hälfte des Verkehrsaufkommens vom Februar 2020 erreichen. Prognosen, die über dieses Datum hinausgehen, hängen von einer Reihe unbekannter Faktoren wie der Verfügbarkeit von COVID-19-Impfstoffen ab. Unter diesen Umständen sollten Luftfahrtunternehmen, die ihre Zeitnischen nicht entsprechend dem in der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates(3) festgelegten Nutzungsgrad nutzen, nicht automatisch den Vorrang in Bezug auf die Abfolge von Zeitnischen nach Artikel 8 Absatz 2 und Artikel 10 Absatz 2 der genannten Verordnung verlieren, den sie ansonsten genießen könnten. Durch die vorliegende Verordnung sollten hierfür besondere Vorschriften festgelegt werden.
(5)
Diese Vorschriften sollten gleichzeitig etwaigen negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb von Luftfahrtunternehmen Rechnung tragen. Insbesondere muss sichergestellt werden, dass Luftfahrtunternehmen, die bereit sind, Flüge anzubieten, ungenutzte Kapazitäten nutzen dürfen, und dass sie die Aussicht haben, diese Zeitnischen langfristig beizubehalten. Dadurch sollte Luftfahrtunternehmen auch weiterhin der Anreiz gegeben werden, Flughafenkapazitäten zu nutzen, was wiederum den Verbrauchern zugutekäme.
(6)
Daher gilt es, im Einklang mit diesen Grundsätzen und für einen begrenzten Zeitraum die Bedingungen festzulegen, unter denen Luftfahrtunternehmen ihren Anspruch auf eine Abfolge von Zeitnischen nach Artikel 8 Absatz 2 und Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 aufrechterhalten können, und festzulegen, wann Luftfahrtunternehmen verpflichtet sind, ungenutzte Kapazitäten freizugeben.
(7)
Für den Zeitraum, in dem der Luftverkehr durch die COVID-19-Krise beeinträchtigt wird, sollte die Definition des Begriffs „Neubewerber” erweitert werden, um die Anzahl der erfassten Luftfahrtunternehmen zu erhöhen und damit mehr Luftfahrtunternehmen die Möglichkeit zu geben, ihren Flugbetrieb einzurichten und auszuweiten, falls sie dies wünschen. Es ist jedoch notwendig, die Vorrechte, die den unter diese Definition fallenden Luftfahrtunternehmen zustehen, auf echte Neubewerber zu beschränken, indem Luftfahrtunternehmen ausgeschlossen werden, die zusammen mit ihrer Muttergesellschaft oder mit ihren eigenen Tochtergesellschaften oder Tochtergesellschaften ihrer Muttergesellschaft über mehr als 10 % der Gesamtanzahl der an dem betreffenden Tag auf einem bestimmten Flughafen zugewiesenen Zeitnischen verfügen.
(8)
Während der Geltungsdauer der Entlastung von den Vorschriften für die Nutzung von Zeitnischen sollten im System der Zeitnischenzuweisung die Bemühungen der Luftfahrtunternehmen berücksichtigt werden, die Flüge unter Ausnutzung von Zeitnischen einer Zeitnischenabfolge durchgeführt haben, auf die ein anderes Luftfahrtunternehmen nach Artikel 8 Absatz 2 und Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 Anspruch hat, die jedoch dem Zeitnischenkoordinator für eine vorübergehende Neuzuweisung zur Verfügung gestellt wurden. Daher sollten Luftfahrtunternehmen, die mindestens fünf Zeitnischen einer Abfolge genutzt haben, bei der Zuweisung dieser Abfolgen in der entsprechenden darauffolgenden Flugplanperiode Vorrang erhalten, sofern das Luftfahrtunternehmen, das nach jenen Artikeln Anspruch auf diese Abfolge hat, diese nicht beantragt.
(9)
Die Auferlegung pandemiebedingter Hygienemaßnahmen an Flughäfen führt möglicherweise zu einer Verringerung der verfügbaren Kapazitäten, was die Festlegung spezifischer COVID-19-Koordinierungsparameter erforderlich machen könnte. Um in solchen Situationen die ordnungsgemäße Anwendung solcher Parameter zu ermöglichen, sollten die Koordinatoren die Erlaubnis erhalten, den Zeitplan der den Luftfahrtunternehmen nach Artikel 8 der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 zugewiesenen Zeitnischen anzupassen oder solche Zeitnischen für die Flugplanperiode, in der die spezifischen COVID-19-Hygienemaßnahmen gelten, zu streichen.
(10)
Um die Nutzung der Flughafenkapazitäten während der Sommerflugplanperiode 2021 zu erleichtern, sollte es Luftfahrtunternehmen gestattet sein, angestammte Zeitnischen vor Beginn der Flugplanperiode an den Koordinator zurückzugeben, damit sie ad hoc neu zugewiesen werden können. Luftfahrtunternehmen, die vollständige Abfolgen von Zeitnischen vor der in dieser Verordnung festgelegten Frist zurückgeben, sollten ihre Ansprüche auf dieselbe Abfolge von Zeitnischen an diesem Flughafen für die Sommerflugplanperiode 2022 beibehalten. In Anbetracht der anderen in dieser Verordnung enthaltenen Maßnahmen zur Zeitnischen-Entlastung sollte Luftfahrtunternehmen mit einer erheblichen Anzahl von Zeitnischen an einem Flughafen gestattet werden, maximal die Hälfte ihrer Zeitnischen auf diese Weise zurückzugeben.
(11)
Unbeschadet der Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Einhaltung des Unionsrechts, insbesondere der Vorschriften der Verträge und der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates(4),dürfen die Beeinträchtigungen durch etwaige Maßnahmen, die von Behörden der Mitgliedstaaten oder von Drittländern zur Bekämpfung der Ausbreitung von COVID-19 getroffen werden und die die Reisemöglichkeiten sehr kurzfristig einschränken, nicht den Luftfahrtunternehmen angelastet werden und sollten abgefedert werden, wenn diese Maßnahmen die Rentabilität oder die Möglichkeit des Reisens oder die Nachfrage auf den betreffenden Strecken erheblich beeinträchtigen. Dies sollte Maßnahmen einschließen, die zu einer teilweisen oder vollständigen Schließung der Grenzen oder des Luftraums oder zu einer teilweisen oder vollständigen Schließung oder Reduzierung der Kapazitäten der betroffenen Flughäfen, zu Beschränkungen der Bewegungen der Flugbesatzung, die den Betrieb eines Flugdienstes erheblich behindern, oder zu einer schwerwiegenden Behinderung der Möglichkeit von Fluggästen führen, mit einem Luftfahrtunternehmen auf der betreffenden Strecke zu reisen, einschließlich Reisebeschränkungen, Bewegungseinschränkungen oder Quarantänemaßnahmen im Zielland oder in der Zielregion oder Beschränkungen der Verfügbarkeit von Diensten, die für die direkte Unterstützung der Durchführung eines Flugdienstes unerlässlich sind. Abhilfemaßnahmen sollten sicherstellen, dass Luftfahrtunternehmen nicht für die Nichtnutzung von Zeitnischen bestraft werden sollten, wenn dies auf solche einschränkenden Maßnahmen zurückzuführen ist, die zum Zeitpunkt der Zuweisung der Zeitnischen noch nicht veröffentlicht waren. Maßnahmen, die speziell auf die Entlastung von den Auswirkungen solcher Maßnahmen abzielen, sollten von begrenzter Dauer und in jedem Fall auf zwei aufeinander folgende Flugplanperioden beschränkt sein.
(12)
In Zeiten, in denen die Nachfrage aufgrund der COVID-19-Krise deutlich beeinträchtigt ist, sollten Luftfahrtunternehmen in dem erforderlichen Umfang von den Anforderungen in Bezug auf die Nutzung von Zeitnischen zur Wahrung ihrer Ansprüche in den darauffolgenden Flugplanperioden entlastet werden. Damit sollen Luftfahrtunternehmen in die Lage versetzt werden, ihre Flugdienste zu erhöhen, sobald die Umstände dies zulassen. Bei den zu diesem Zweck festgelegten niedrigeren Mindestanforderungen sollten die Luftverkehrsprognosen für 2021 ab Anfang 2021, die bei 50 % des Verkehrsaufkommens von 2019 lagen, die Unsicherheit im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise sowie Fragen der Wiederherstellung des Verbrauchervertrauens und des Wiederanstiegs des Verkehrsaufkommens berücksichtigt werden.
(13)
Um den sich entwickelnden Auswirkungen der COVID-19-Krise und der resultierenden Unklarheit in Bezug auf die mittelfristige Entwicklung des Verkehrsaufkommens zu begegnen und um soweit unbedingt notwendig und gerechtfertigt flexibel auf die Herausforderungen reagieren zu können, denen sich der Luftverkehrssektor aufgrund der COVID-19-Krise gegenübersieht, sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, gemäß Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Rechtsakte zur Änderung der Geltungsdauer der Entlastung von der Zeitnischennutzungsregel und der Prozentwerte der Mindestnutzungsrate innerhalb einer bestimmten Spanne zu erlassen. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Sachverständigen, durchführt, die mit den Grundsätzen in Einklang stehen, die in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung niedergelegt wurden(5). Um insbesondere für eine gleichberechtigte Beteiligung an der Vorbereitung delegierter Rechtsakte zu sorgen, erhalten das Europäische Parlament und der Rat alle Dokumente zur gleichen Zeit wie die Sachverständigen der Mitgliedstaaten, und ihre Sachverständigen haben systematisch Zugang zu den Sitzungen der Sachverständigengruppen der Kommission, die mit der Vorbereitung der delegierten Rechtsakte befasst sind.
(14)
Damit Luftfahrtunternehmen und Koordinatoren in der Lage sind, im Hinblick auf die für den Betrieb von Zeitnischen in einer bestimmten Flugplanperiode notwendigen Vorbereitungen rechtzeitig zu treffen, müssen sie die geltenden Bedingungen kennen. Daher sollte die Kommission bestrebt sein, die entsprechenden delegierten Rechtsakte so früh wie möglich zu erlassen und sollte solche Rechtsakte in jedem Fall vor Ablauf der in Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 festgelegten Frist für die Rückgabe von Zeitnischen erlassen.
(15)
Flughäfen, Flughafendienstleister und Luftfahrtunternehmen müssen sich für eine angemessene Planung Informationen zu den verfügbaren Kapazitäten verschaffen können. Die Luftfahrtunternehmen sollten dem Koordinator die Zeitnischen, die sie nicht zu nutzen beabsichtigen, so früh wie möglich, spätestens aber drei Wochen vor dem geplanten Flugbetrieb, für eine mögliche Neuzuweisung an andere Luftfahrtunternehmen zur Verfügung stellen. Kommen Luftfahrtunternehmen dieser Anforderung oder anderen Anforderungen der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 wiederholt und vorsätzlich nicht nach, sollten sie mit angemessenen Sanktionen oder gleichwertigen Maßnahmen belegt werden.
(16)
Ist ein Koordinator davon überzeugt, dass ein Luftfahrtunternehmen den Betrieb an einem Flughafen eingestellt hat, sollte der Koordinator dem betreffenden Luftfahrtunternehmen unverzüglich die Zeitnischen entziehen und sie zur Neuzuweisung an andere Luftfahrtunternehmen in den Pool einstellen.
(17)
Da das Ziel dieser Verordnung, nämlich die Festlegung besonderer Vorschriften und die vorübergehende Entlastung von den allgemeinen Vorschriften für die Nutzung von Zeitnischen, um die Auswirkungen der COVID-19-Krise auf den Luftverkehr abzumildern, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann, sondern vielmehr wegen des Umfangs und der Wirkungen der vorgeschlagenen Maßnahme auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.
(18)
Wegen der Dringlichkeit, die sich aus den außergewöhnlichen Umständen infolge der COVID-19-Krise ergibt, wird es als angemessen angesehen, eine Ausnahme von der Achtwochenfrist nach Artikel 4 des dem Vertrag über die Europäische Union, dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft beigefügten Protokolls Nr. 1 über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union vorzusehen.
(19)
Damit die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen zügig angewendet werden können, sollte sie aus Gründen der Dringlichkeit am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

Stellungnahme vom 27. Januar 2021 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(2)

Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 15. Februar 2021.

(3)

Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates vom 18. Januar 1993 über gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der Gemeinschaft (ABl. L 14 vom 22.1.1993, S. 1).

(4)

Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (ABl. L 293 vom 31.10.2008, S. 3).

(5)

ABl. L 123 vom 12.5.2016, S. 1.

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