Präambel VO (EU) 2021/525

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten(1), insbesondere auf Artikel 85,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
In Anhang II bzw. III der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 sind die Informationsanforderungen für Wirkstoffe bzw. Biozidprodukte festgelegt, die ein Antrag auf Genehmigung eines Wirkstoffs bzw. auf Zulassung eines Biozidprodukts erfüllen muss.
(2)
Die Informationsanforderungen für Wirkstoffe und Biozidprodukte müssen geändert werden, um neue Methoden zur Erlangung besserer Informationen über toxikologische Eigenschaften (Reizungen, Neurotoxizität, Genotoxizität usw.) und neue Prüfstrategien zur Reduzierung der Versuche an Wirbeltieren durch Bevorzugung von In-vitro-Tests gegenüber In-vivo-Tests sowie eine Prüfstrategie und Methoden zur Bestimmung endokrinschädigender Eigenschaften von Stoffen nach den Kriterien der Delegierten Verordnung (EU) 2017/2100 der Kommission(2) zu berücksichtigen.
(3)
Ein Dossier ist dann als vollständig zu betrachten, wenn es die Anforderungen von Artikel 6 Absatz 1 und Artikel 20 Absatz 1 sowie insbesondere die Informationsanforderungen der Anhänge II und III der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 erfüllt. Konsultationen vor der Antragseinreichung zwischen demjenigen, der einen Antrag auf Genehmigung eines Wirkstoffs oder auf Zulassung eines Biozidprodukts stellt, und der zuständigen bewertenden Stelle tragen zur Qualität des Dossiers und zum reibungslosen Ablauf des Bewertungsprozesses bei. Der Wortlaut von Nummer 2 Absatz 5 bzw. 7 des einleitenden Teils von Anhang II bzw. III sollte geändert werden, um sicherzustellen, dass die Antragsteller die Ergebnisse solcher Konsultationen in den Antrag aufnehmen, um eine zügige Abwicklung des Bewertungsverfahrens zu gewährleisten.
(4)
Gemäß Anhang II bzw. III der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 sind die zur Genehmigung eines Wirkstoffs bzw. zur Zulassung eines Biozidprodukts eingereichten Tests nach den in der Verordnung (EG) Nr. 440/2008 der Kommission(3) beschriebenen Methoden durchzuführen. Da zwischen der Validierung einer international anerkannten Prüfmethode und ihrer Aufnahme in die Verordnung (EG) Nr. 440/2008 einige Zeit vergehen kann, sollte Nummer 5 des einleitenden Teils der Anhänge II und III der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 dahin gehend geändert werden, dass Antragsteller die aktuellste Fassung der Prüfmethoden anwenden können.
(5)
Besondere Bestimmungen für Abweichungen von den in Spalte 1 der Tabellen unter den Titeln 1 und 2 der Anhänge II und III der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 aufgeführten Informationsanforderungen beschränken sich auf Bedenken im Hinblick auf Versuche an Wirbeltieren. Da einige der in dieser Spalte 1 genannten Anforderungen keine Angaben zu Versuchen an Wirbeltieren enthalten, sollte der Umfang der in Spalte 3 der Tabellen unter den Titeln 1 und 2 der Anhänge II und III genannten Abweichungen auf Fälle ausgeweitet werden, in denen keine Versuche an Wirbeltieren durchgeführt werden.
(6)
In Anhang II Titel 1 Nummer 2 sind die Informationsanforderungen für die Identifizierung des Wirkstoffs festgelegt. Diese Anforderungen müssen dahin gehend angepasst werden, dass in situ erzeugte Wirkstoffe identifiziert werden können.
(7)
In Anhang II bzw. III Titel 1 Nummer 6 sind die Anforderungen an die Bewertung der Wirksamkeit eines Wirkstoffs bzw. eines Biozidprodukts gegen Zielorganismen festgelegt. Diese Wirksamkeit sollte auch für die Wirkung eines Wirkstoffs nachgewiesen werden; dabei dürfen keine anderen Stoffe vorhanden sein, die die Wirksamkeit beeinträchtigen könnten. Bei behandelten Waren sollte die Wirksamkeit der bioziden Eigenschaften der Ware nachgewiesen werden. Zudem ist in den derzeitigen Vorschriften über unbeabsichtigte Nebenwirkungen unter Nummer 6 nicht festgelegt, zu welcher Art von Organismen oder Gegenständen Angaben gemacht werden sollten. Daher sollte klargestellt werden, dass alle Beobachtungen unerwünschter oder unbeabsichtigter Nebenwirkungen auf Nichtzielorganismen bzw. Gegenstände und Materialien zu beschränken sind, die durch den Wirkstoff bzw. das Biozidprodukt geschützt werden sollen.
(8)
Gemäß Artikel 62 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 sind Versuche an Wirbeltieren nur als letzter Ausweg durchzuführen. Bei der Festlegung der Datenanforderungen für die Genehmigung von Wirkstoffen und die Zulassung von Biozidprodukten ist zuverlässigen In-vitro-Methoden der Vorzug zu geben gegenüber In-vivo-Methoden unter Einsatz von Wirbeltieren. Die in den Anhängen II und III der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 genannten Prüfstrategien müssen daher an die Prüfrichtlinien für die kürzlich validierten In-vitro-Tests der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sowie an andere internationale Standards angepasst werden.
(9)
Die erste verpflichtende Anforderung für die Nachverfolgung nach einem positiven In-vitro-Genmutationstest ist gegenwärtig der In-vivo-Test zur Prüfung auf eine unplanmäßige DNS-Synthese (UDS) mit inhärenten Einschränkungen und nur geringer Empfindlichkeit. Der wissenschaftliche Ausschuss der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit(4) hat in einer im November 2017 veröffentlichten Stellungnahme festgestellt, dass negative Ergebnisse bei einem UDS-Test kein Beweis dafür sind, dass ein Stoff keine Genmutationen induziert. Daher sollte die Bezugnahme auf den UDS-Test gestrichen und durch einen Verweis auf eine geeignete In-vivo-Genotoxizitätsstudie an somatischen Zellen ersetzt werden.
(10)
Die derzeitigen Datenanforderungen in Anhang II der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 sehen die Durchführung einer Zweigenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität (TGRTS) vor, um die Reproduktionstoxizität eines Stoffs zu untersuchen. Im genannten Anhang ist ferner festgelegt, dass die erweiterte Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität (EOGRTS) als alternativer Ansatz zur TGRTS betrachtet werden kann. Die EOGRTS bietet gegenüber der TGRTS einige Vorteile insoweit, als mit der EOGRTS neben den Auswirkungen auf das männliche und das weibliche Reproduktionssystem weitere toxikologische Wirkungen in Verbindung mit endokrinschädigenden Wirkungsweisen bewertet werden können. Wenn keine Ergebnisse einer TGRTS vorliegen, sollte daher alternativ eine EOGRTS durchgeführt werden.
(11)
Die Exposition gegenüber neurotoxischen Stoffen in utero oder in der Kindheit kann zu verschiedenen neurologischen Entwicklungsstörungen und sonstigen neurologischen Störungen beitragen, die erst mit zunehmendem Alter einer Person zur Ausprägung kommen; darüber hinaus kann eine Exposition zu neurodegenerativen Erkrankungen (z. B. Parkinson oder Alzheimer) beitragen. Angesichts dieser Bedenken sollten Prüfrichtlinien mit Blick auf ein angemessenes Screening und eine geeignete Charakterisierung von für die Gehirnentwicklung potenziell toxischen Stoffen in Anhang II der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 aufgenommen werden.
(12)
Die derzeitige Struktur der Informationsanforderungen im Hinblick auf gesundheitliche Angaben und ärztliche Behandlungen in den Nummern 8.12.1 bis 8.12.8 von Titel 1 des Anhangs II der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 kann bei einigen dieser Punkte die Vorlage einander überschneidender Informationen zur Folge haben. Die Datenanforderungen sollten daher gestrafft werden, um die durch die Einhaltung der Vorschriften entstehenden Kosten und unnötige Verzögerungen bei der Bewertung von Anträgen zu reduzieren.
(13)
Die Möglichkeit unbeabsichtigter Wirkungen von Stoffen auf das Immunsystem sollte bewertet werden. Da keine OECD-Prüfrichtlinie eine spezifische Studie zur Prüfung der Entwicklungsimmunotoxizität vorsieht, sollte die Vorlage einschlägiger Daten als zusätzlicher Datensatz verlangt werden.
(14)
Anhang II Titel 1 Nummer 8.18 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 stellt eine inhaltliche Wiederholung von Nummer 13 dieses Titels dar und sollte daher gestrichen werden.
(15)
Anhang II Titel 1 Nummer 9.1.1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 sollte dahin gehend geändert werden, dass klargestellt wird, wann eine Prüfung der Langzeittoxizität für Fische vorzunehmen ist. Die Liste der OECD-Prüfmethoden unter Nummer 9.1.6.1 sollte ersetzt werden, um laufende Entwicklungen hinsichtlich der Informationsanforderungen bei Prüfungen der Langzeittoxizität für Fische zu berücksichtigen.
(16)
Mehrere Informationsanforderungen für Mikroorganismen in Titel 2 der Anhänge II und III der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 überschneiden sich entweder mit anderen Bestimmungen der Anhänge oder sind für Mikroorganismen nicht relevant. Titel 2 der Anhänge II und III der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 sollte daher geändert werden, um solche Überschneidungen und Vorschriften über die Vorlage irrelevanter Informationen zu beseitigen.
(17)
Gemäß Nummer 2 Absatz 4 des einleitenden Teils von Anhang III der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 müssen die Antragsteller im Falle nichtaktiver Stoffe die ihnen im Rahmen von Titel IV der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates(5) zur Verfügung gestellten Informationen verwenden. Dieser Absatz sollte dahin gehend geändert werden, dass klargestellt wird, dass die Antragsteller möglicherweise zusätzliche Informationen über bedenkliche Stoffe in Biozidprodukten vorlegen müssen; insbesondere ist ein Datensatz einzureichen, anhand dessen deren endokrinschädigende Eigenschaften ermittelt werden können.
(18)
Um unverhältnismäßige Belastungen für die Wirtschaftsteilnehmer zu vermeiden, sollten einige in den Anhängen II und III der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 vorgeschriebene Tests, die bereits vor dem Geltungsbeginn der vorliegenden Verordnung eingeleitet oder durchgeführt wurden, als geeignet zur Erfüllung dieser Informationsanforderungen angesehen werden.
(19)
Vor dem Geltungsbeginn der mit dieser Delegierten Verordnung geänderten Datenanforderungen sollte eine angemessene Frist eingeräumt werden, damit sich die Antragsteller auf die neuen Anforderungen einstellen können. Im Interesse des Schutzes der Gesundheit von Mensch und Tier sowie des Umweltschutzes sollte den Antragstellern die Möglichkeit eingeräumt werden, die mit dieser Verordnung eingeführten Änderungen vor Geltungsbeginn der Verordnung auf freiwilliger Basis zu berücksichtigen.
(20)
Die Verordnung (EU) Nr. 528/2012 sollte daher entsprechend geändert werden —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 167 vom 27.6.2012, S. 1.

(2)

Delegierte Verordnung (EU) 2017/2100 der Kommission vom 4. September 2017 zur Festlegung wissenschaftlicher Kriterien für die Bestimmung endokrinschädigender Eigenschaften gemäß der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 301 vom 17.11.2017, S. 1).

(3)

Verordnung (EG) Nr. 440/2008 der Kommission vom 30. Mai 2008 zur Festlegung von Prüfmethoden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) (ABl. L 142 vom 31.5.2008, S. 1).

(4)

Scientific Opinion on the clarification of some aspects related to genotoxicity assessment. EFSA Journal 2017;15(12):5113, 25 S.https://doihttps://doi

(5)

Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. L 396 vom 30.12.2006, S. 1).

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