Präambel VO (EU) 2022/112

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114 und Artikel 168 Absatz 4 Buchstabe c,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),

nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Mit der Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates(3) wurde ein neuer Rechtsrahmen geschaffen, um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für unter diese Verordnung fallende In-vitro-Diagnostika zu gewährleisten, wobei ein hohes Gesundheitsschutzniveau für Patienten und Anwender zugrunde gelegt und den in dieser Branche tätigen kleinen und mittleren Unternehmen Rechnung getragen wurde. Außerdem sind in der Verordnung (EU) 2017/746 hohe Standards für die Qualität und Sicherheit von In-vitro-Diagnostika festgelegt, durch die allgemeine Sicherheitsbedenken hinsichtlich solcher Produkte ausgeräumt werden sollen. Darüber hinaus wurden mit der Verordnung (EU) 2017/746 Schlüsselelemente des bestehenden Regulierungskonzepts der Richtlinie 98/79/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(4) erheblich gestärkt, beispielsweise die Beaufsichtigung der Benannten Stellen, die Risikoklassifizierung, die Konformitätsbewertungsverfahren, Leistungsbewertung und Leistungsstudien, Vigilanz und Marktüberwachung, und gleichzeitig Bestimmungen zur Gewährleistung von Transparenz und Rückverfolgbarkeit in Bezug auf In-vitro-Diagnostika eingeführt.
(2)
Die COVID-19-Pandemie und die damit einhergehende Krise im Bereich der öffentlichen Gesundheit stellten und stellen eine beispiellose Herausforderung für die Mitgliedstaaten und eine schwerwiegende Belastung für die nationalen Behörden, Gesundheitseinrichtungen, Unionsbürger, Benannten Stellen sowie Wirtschaftsakteure dar. Die durch die Krise im Bereich der öffentlichen Gesundheit bedingten außergewöhnlichen Umstände erforderten erhebliche zusätzliche Ressourcen sowie eine größere Verfügbarkeit lebenswichtiger In-vitro-Diagnostika, was zum Zeitpunkt der Annahme der Verordnung (EU) 2017/746 vernünftigerweise nicht vorhersehbar war. Diese außergewöhnlichen Umstände haben gravierende Folgen für verschiedene Bereiche, die unter diese Verordnung fallen, wie die Benennung und Arbeit der Benannten Stellen und das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von In-vitro-Diagnostika auf dem Markt der Union.
(3)
In-vitro-Diagnostika sind für die Gesundheit und Sicherheit der Unionsbürger von entscheidender Bedeutung, und insbesondere SARS-CoV-2-Tests kommt bei der Bekämpfung der Pandemie eine Schlüsselrolle zu. Daher ist es notwendig, eine kontinuierliche Marktversorgung mit solchen Produkten in der Union sicherzustellen.
(4)
Angesichts der beispiellosen Dimension der gegenwärtigen Herausforderungen, des zusätzlichen Mittelbedarfs der Mitgliedstaaten, Gesundheitseinrichtungen, Benannten Stellen, Wirtschaftsakteure und anderer relevanter Parteien zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie sowie angesichts der derzeit begrenzten Kapazität der Benannten Stellen und aufgrund der Komplexität der Verordnung (EU) 2017/746 werden die Mitgliedstaaten, Gesundheitseinrichtungen, Benannten Stellen, Wirtschaftsakteure und andere relevante Parteien höchstwahrscheinlich nicht in der Lage sein, die ordnungsgemäße Durchführung und vollständige Anwendung der genannten Verordnung zum darin festgelegten Geltungsbeginn am 26. Mai 2022 sicherzustellen.
(5)
Darüber hinaus endet die derzeitige Übergangsfrist gemäß der Verordnung (EU) 2017/746 hinsichtlich der Gültigkeit von Bescheinigungen, die von Benannten Stellen für In-vitro-Diagnostika gemäß der Richtlinie 98/79/EG ausgestellt wurden, am selben Tag wie die Übergangsfrist nach der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates(5) hinsichtlich der Gültigkeit bestimmter EG-Konformitätserklärungen und der von Benannten Stellen für Medizinprodukte gemäß den Richtlinien 90/385/EWG(6) und 93/42/EWG(7) des Rates ausgestellten Bescheinigungen, d. h. am 26. Mai 2024. Dies stellt eine Belastung für Akteure dar, die sowohl mit Medizinprodukten als auch mit In-vitro-Diagnostika befasst sind.
(6)
Damit das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts, ein hohes Schutzniveau für die öffentliche Gesundheit und die Patientensicherheit gewährleistet sind und Rechtssicherheit hergestellt wird sowie potenzielle Marktstörungen vermieden werden, ist es erforderlich, die in der Verordnung (EU) 2017/746 festgelegten Übergangsfristen für Produkte, für die von Benannten Stellen gemäß der Richtlinie 98/79/EG Bescheinigungen ausgestellt wurden, zu verlängern. Aus denselben Gründen ist es auch erforderlich, eine ausreichende Übergangsfrist für Produkte vorzusehen, die gemäß der Verordnung (EU) 2017/746 erstmals einer Konformitätsbewertung durch eine Benannte Stelle unterzogen werden müssen.
(7)
Im Hinblick auf den Zeitraum, der für den Ausbau der Kapazitäten der Benannten Stellen erforderlich ist, sollte ein Kompromiss zwischen der begrenzten verfügbaren Kapazität dieser Stellen und der Sicherstellung eines hohen Schutzniveaus für die öffentliche Gesundheit gefunden werden. Daher sollte bei den Übergangsfristen für In-vitro-Diagnostika, die gemäß der Verordnung (EU) 2017/746 erstmals einer Konformitätsbewertung durch eine Benannte Stelle unterzogen werden müssen, zwischen Produkten mit höherem und solchen mit niedrigerem Risiko unterschieden werden. Die Dauer der Übergangsfrist sollte von der Risikoklasse des betreffenden Produkts abhängen, sodass der Zeitraum für Produkte einer höheren Risikoklasse kürzer und für Produkte einer niedrigeren Risikoklasse länger ist.
(8)
Um für In-vitro-Diagnostika, die gemäß den Übergangsbestimmungen der vorliegenden Verordnung rechtmäßig in Verkehr gebracht werden, ausreichend Zeit für die weitere Bereitstellung auf dem Markt, einschließlich der Lieferung an die Endnutzer, oder für die Inbetriebnahme zu ermöglichen, sollte der in der Verordnung (EU) 2017/746 als Veräußerungszeitpunkt vorgesehene 27. Mai 2025 unter Berücksichtigung der zusätzlichen Übergangsfristen gemäß der vorliegenden Verordnung angepasst werden.
(9)
Angesichts der von den Gesundheitseinrichtungen für die Bekämpfung der COVID-19-Pandemie benötigten Ressourcen sollte diesen Einrichtungen mehr Zeit eingeräumt werden, um sich auf die spezifischen, in der Verordnung (EU) 2017/746 festgelegten Bedingungen bezüglich der Herstellung und Verwendung von Produkten innerhalb ein und derselben Gesundheitseinrichtung ( „hausinterne Produkte” ) vorzubereiten. Der Geltungsbeginn dieser Bedingungen sollte daher aufgeschoben werden. Da die Gesundheitseinrichtungen einen vollständigen Überblick über die auf dem Markt erhältlichen In-vitro-Diagnostika mit CE-Kennzeichnung benötigen, sollte die Bedingung, die die Gesundheitseinrichtungen verpflichtet, zu begründen, dass die spezifischen Erfordernisse einer Patientenzielgruppe nicht oder nicht auf dem angezeigten Leistungsniveau durch ein gleichartiges auf dem Markt befindliches Produkt befriedigt werden können, erst nach Ablauf der in dieser Verordnung festgelegten Übergangsfristen gelten.
(10)
Die Verordnung (EU) 2017/746 sollte daher entsprechend geändert werden.
(11)
Da die Ziele dieser Verordnung, nämlich die Verlängerung der in der Verordnung (EU) 2017/746 festgelegten Übergangsfristen, die Aufnahme zusätzlicher Übergangsbestimmungen in diese Verordnung und die Aufschiebung des Geltungsbeginns der Bestimmungen dieser Verordnung für hausinterne Produkte, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs und ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.
(12)
Die Annahme dieser Verordnung erfolgt unter außergewöhnlichen Umständen aufgrund der COVID-19-Pandemie und der damit einhergehenden Krise im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Damit diese Verordnung ihre beabsichtigte Wirkung, nämlich die Änderung der Verordnung (EU) 2017/746 hinsichtlich der Übergangsfristen, der zusätzlichen Übergangsbestimmungen und des Geltungsbeginns der Bestimmungen für hausinterne Produkte entfalten kann, insbesondere um Rechtssicherheit für die Wirtschaftsakteure zu schaffen, muss sie vor dem 26. Mai 2022 in Kraft treten. Daher wird es als angemessen erachtet, eine Ausnahme von der Achtwochenfrist nach Artikel 4 des dem EUV, dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft beigefügten Protokolls Nr. 1 über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union vorzusehen.
(13)
Da die mit der COVID-19-Pandemie einhergehende Krise im Bereich der öffentlichen Gesundheit unbedingt sofortiges Handeln erfordert, sollte diese Verordnung aus Gründen der Dringlichkeit am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

Stellungnahme vom 8. Dezember 2021 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(2)

Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 15. Dezember 2021 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 20. Dezember 2021.

(3)

Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 176).

(4)

Richtlinie 98/79/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 1998 über In-vitro-Diagnostika (ABl. L 331 vom 7.12.1998, S. 1).

(5)

Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 1).

(6)

Richtlinie 90/385/EWG des Rates vom 20. Juni 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über aktive implantierbare medizinische Geräte (ABl. L 189 vom 20.7.1990, S. 17).

(7)

Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte (ABl. L 169 vom 12.7.1993, S. 1).

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