ANHANG VO (EU) 2022/423

Technische Spezifikationen, Maßnahmen und sonstige Anforderungen an das dezentrale IT-System nach Maßgabe von Artikel 1

1.
Einleitung

Das in der Verordnung (EU) 2020/1784 genannte dezentrale IT-System ist ein e-CODEX-basiertes System für den Austausch von Schriftstücken und Nachrichten im Zusammenhang mit der Zustellung von Schriftstücken zwischen den Mitgliedstaaten im Einklang mit der genannten Verordnung. Die autorisierten e-CODEX-Zugangspunkte des dezentralen IT-Systems unterliegen dem durch die Verordnung (EU) 2022/850 geschaffenen Rechtsrahmen. Mitgliedstaaten, die nicht an die Verordnung (EU) 2020/1784 gebunden sind, für die aber die Bestimmungen der genannten Verordnung aufgrund eines internationalen Übereinkommens zwischen diesem Mitgliedstaat und der Union über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen gelten, dürfen sich an dem in der Verordnung (EU) 2020/1784 genannten dezentralen IT-System beteiligen, soweit dies für die Anwendung der Bestimmungen der genannten Verordnung erforderlich ist. Soweit diese Mitgliedstaaten nicht an die Verordnung (EU) 2022/850 gebunden sind, setzen sie den Inhalt der Artikel 8 und 9, des Artikels 11 Absätze 3, 4 und 6, der Artikel 12 und 14, des Artikels 15 Absätze 1 und 3 sowie des Artikels 20 der genannten Verordnung in nationales Recht um, damit die für den ordnungsgemäßen Betrieb des dezentralen IT-Systems erforderlichen Garantien bestehen. Sobald der betreffende Mitgliedstaat der Kommission gemäß dem geltenden internationalen Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke mitgeteilt hat, dass er diese Bestimmungen in nationales Recht umgesetzt hat, wird er ausschließlich für die Zwecke des Betriebs des in der Verordnung (EU) 2020/1784 genannten dezentralen IT-Systems wie andere Mitgliedstaaten behandelt.

2.
Begriffsbestimmungen

2.1.
„Sicheres Hypertext-Übertragungsprotokoll” oder „HTTPS” steht für verschlüsselte Kommunikation und gesicherte Verbindungswege;
2.2.
„Portal” bezeichnet die mit dem dezentralen IT-System verbundene Referenzimplementierungslösung oder nationale Back-End-Lösung;
2.3.
„Nichtabstreitbarkeit der Herkunft” steht für die Maßnahmen, mit denen die Integrität und die Herkunft der Daten unter anderem durch digitale Zertifikate, Public-Key-Infrastruktur und digitale Signaturen nachgewiesen wird;
2.4.
„Nichtabstreitbarkeit des Erhalts” steht für die Maßnahmen, mit denen der Absender unter anderem durch digitale Zertifikate, Public-Key-Infrastruktur und digitale Signaturen den Nachweis erhält, dass der vorgesehene Empfänger die Daten erhalten hat;
2.5.
„SOAP” im Sinne der Standards des World Wide Web Consortium steht für ein Nachrichtenprotokoll für den Austausch strukturierter Informationen über Webdienste in Computernetzen.
2.6.
„Webdienst” steht für ein Software-System, das die Interoperabilität zwischen Geräten in einem Netzwerk unterstützt; ein Webdienst verfügt über eine Schnittstelle, die in einem maschinenlesbaren Format beschrieben ist.
2.7.
„Datenaustausch” steht für den Austausch von Nachrichten und Schriftstücken über das dezentrale IT-System.

3.
Methoden zur elektronischen Kommunikation

Für den Austausch von Nachrichten und Schriftstücken nutzt das System für die Zustellung von Schriftstücken dienstbasierte Methoden der Kommunikation wie etwa Webdienste oder andere wiederverwendbare digitale Dienstinfrastrukturen. Insbesondere wird die e-CODEX-Infrastruktur verwendet, die aus zwei Hauptkomponenten, dem Konnektor und dem Gateway, besteht. Der Konnektor dient der Kommunikation mit der Referenzimplementierungslösung oder den nationalen Implementierungen. Er kann den Nachrichtenaustausch mit dem Gateway in beide Richtungen verarbeiten, Nachrichten verfolgen und den Eingang mithilfe von Standards wie ETSI-REM Evidences bestätigen, Signaturen von Geschäftsunterlagen validieren, ein Token mit dem Ergebnis der Validierung im PDF- und XML-Format erstellen und einen Container unter Verwendung von Standards wie ASIC-S erstellen, um Geschäftsinhalte einer Nachricht abzulegen und zu signieren. Das Gateway dient dem Austausch von Nachrichten und funktioniert unabhängig vom Inhalt der Nachricht. Es kann Nachrichten vom Konnektor empfangen und an ihn versenden, Header-Informationen validieren, den richtigen Verarbeitungsmodus ermitteln, Nachrichten signieren und verschlüsseln und Nachrichten an andere Gateways weiterleiten.

4.
Kommunikationsprotokolle

Das System für die Zustellung von Schriftstücken nutzt sichere Internetprotokolle wie HTTPS für die Kommunikation über Portal- und dezentrale IT-Systemkomponenten und Standardkommunikationsprotokolle wie SOAP für die Übermittlung von strukturierten Daten und Metadaten. e-CODEX bietet insbesondere eine hohe Informationssicherheit durch eine dem Stand der Technik entsprechende Authentifizierung und ein mehrschichtiges kryptografisches Protokoll.

5.
Sicherheitsstandards

Die technischen Maßnahmen, mit denen im Hinblick auf die Bereitstellung und Verbreitung von Informationen über das System für die Zustellung von Schriftstücken die Einhaltung von IT-Mindestsicherheitsstandards gewährleistet werden soll, müssen Folgendes umfassen:
a)
Maßnahmen, die die Vertraulichkeit der Informationen gewährleisten, z. B. durch Nutzung sicherer Kanäle (HTTPS);
b)
Maßnahmen, die die Integrität der Daten während des Austauschs gewährleisten;
c)
Maßnahmen, die die Nichtabstreitbarkeit der Herkunft durch den Absender der Informationen innerhalb des Systems für die Zustellung von Schriftstücken sowie die Nichtabstreitbarkeit des Erhalts der Informationen gewährleisten;
d)
Maßnahmen, die die Protokollierung von sicherheitsrelevanten Ereignissen im Einklang mit anerkannten internationalen Empfehlungen für IT-Sicherheitsstandards gewährleisten;
e)
Maßnahmen, die die Authentifizierung und Autorisierung registrierter Nutzer gewährleisten, und Maßnahmen zur Überprüfung der Identität der mit dem System für die Zustellung von Schriftstücken verbundenen Systeme.
f)
Das System für die Zustellung von Schriftstücken wird gemäß den Grundsätzen des Datenschutzes durch Technikgestaltung und durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen entwickelt.

6.
Verfügbarkeit von Diensten

6.1.
Die Dienste werden 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche erbracht, wobei die technische Verfügbarkeitsquote des Systems ohne planmäßige Wartungen bei mindestens 98 % liegen muss.
6.2.
Die Mitgliedstaaten setzen die Kommission im Voraus von Wartungsarbeiten in Kenntnis. Dabei gelten folgende Fristen:

a)
5 Arbeitstage vor Wartungsarbeiten, die eine Nichtverfügbarkeit von bis zu 4 Stunden zur Folge haben können;
b)
10 Arbeitstage vor Wartungsarbeiten, die eine Nichtverfügbarkeit von bis zu 12 Stunden zur Folge haben können;
c)
30 Arbeitstage vor Wartungsarbeiten, die eine Nichtverfügbarkeit von bis zu 6 Tagen pro Jahr zur Folge haben können.

6.3.
Soweit möglich, werden Wartungsarbeiten an den Arbeitstagen zwischen 20 Uhr und 7 Uhr MEZ geplant.
6.4.
Sofern Mitgliedstaaten feste wöchentliche Wartungszeiten festgelegt haben, unterrichten sie die Kommission darüber, an welchem Wochentag und zu welchen Uhrzeiten solche festen wöchentlichen Wartungszeiten geplant sind. Unbeschadet der unter 6.2 genannten Verpflichtungen können Mitgliedstaaten, wenn ihre Systeme während solcher fester Wartungszeiten nicht verfügbar sind, davon absehen, die Kommission jedes Mal in Kenntnis zu setzen.
6.5.
Im Falle eines unerwarteten technischen Versagens ihrer Systeme unterrichten die Mitgliedstaaten die Kommission unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit des Systems und, soweit bekannt, über den geplanten Zeitpunkt der Wiederaufnahme des Dienstes.
6.6.
Im Falle eines unerwarteten Ausfalls der Datenbank der zuständigen Behörden unterrichtet die Kommission die Mitgliedstaaten unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit und, soweit bekannt, über den geplanten Zeitpunkt der Wiederaufnahme des Dienstes.

© Europäische Union 1998-2021

Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.