Artikel 10 VO (EU) 2022/858

Besondere Genehmigungen zum Betrieb von DLT-TSS

(1) Eine juristische Person, die gemäß der Richtlinie 2014/65/EU als Wertpapierfirma oder für den Betrieb eines geregelten Marktes zugelassen ist oder gemäß der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 als Zentralverwahrer zugelassen ist, kann eine besondere Genehmigung für den Betrieb eines DLT-TSS gemäß der vorliegenden Verordnung beantragen.

(2) Beantragt eine juristische Person die Zulassung als Wertpapierfirma oder für den Betrieb eines geregelten Marktes im Sinne der Richtlinie 2014/65/EU oder als Zentralverwahrer im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 und beantragt sie zugleich eine besondere Genehmigung gemäß diesem Artikel zu dem einzigen Zweck, ein DLT-TSS zu betreiben, prüft die zuständige Behörde nicht, ob der Antragsteller die Anforderungen der Richtlinie 2014/65/EU oder die der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 erfüllt, für die der Antragsteller eine Ausnahme gemäß Artikel 6 der vorliegenden Verordnung beantragt hat.

(3) Beantragt eine juristische Person, wie in Absatz 2 des vorliegenden Artikels beschrieben, gleichzeitig die Zulassung als Wertpapierfirma oder für den Betrieb eines geregelten Marktes oder als Zentralverwahrer und eine besondere Genehmigung, so legt sie in ihrem Antrag die nach Artikel 7 der Richtlinie 2014/65/EU bzw. Artikel 17 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 erforderlichen Informationen vor, mit Ausnahme von Informationen, die notwendig wären, um die Erfüllung der Anforderungen zu belegen, für die der Antragsteller eine Ausnahme gemäß Artikel 6 der vorliegenden Verordnung beantragt hat.

(4) Ein Antrag auf eine besondere Genehmigung für den Betrieb eines DLT-TSS gemäß dieser Verordnung muss folgende Informationen enthalten:

a)
der Geschäftsplan des Antragstellers, die Regeln des DLT-TSS und die rechtlichen Bedingungen gemäß Artikel 7 Absatz 1 sowie die Informationen über die Funktionsweise, die Dienstleistungen und die Tätigkeiten des DLT-TSS gemäß Artikel 7 Absatz 3;
b)
eine Beschreibung der Funktionsweise der verwendeten Distributed-Ledger-Technologie gemäß Artikel 7 Absatz 2;
c)
eine Beschreibung der allgemeinen IT- und Cyber-Strukturen des Antragstellers gemäß Artikel 7 Absatz 4;
d)
ein Nachweis darüber, dass der Antragsteller für ausreichende aufsichtsrechtliche Sicherheitsvorkehrungen gesorgt hat, um seinen Verbindlichkeiten nachzukommen und seine Kunden zu entschädigen, wie in Artikel 7 Absatz 6 ausgeführt;
e)
gegebenenfalls eine Beschreibung der Strukturen für die Verwahrung der DLT-Finanzinstrumente für Kunden gemäß Artikel 7 Absatz 5;
f)
eine Beschreibung der Vorkehrungen zur Gewährleistung des Anlegerschutzes sowie der Mechanismen für die Behandlung von Beschwerden von Verbrauchern und für Abhilfeverfahren für Verbraucher gemäß Artikel 7 Absatz 6 Unterabsatz 2;
g)
die Übergangsstrategie des Antragstellers und
h)
Angaben zu den Ausnahmen, die der Antragsteller gemäß Artikel 6 beantragt, den Gründen für jede beantragte Ausnahme, den etwaigen vorgeschlagenen Ausgleichsmaßnahmen sowie den vorgesehenen Mitteln, um die an diese Ausnahmen geknüpften Bedingungen zu erfüllen.

(5) Zusätzlich zu den in Absatz 4 des vorliegenden Artikels genannten Informationen übermittelt ein Antragsteller, der beabsichtigt, ein DLT-TSS als Wertpapierfirma oder Marktbetreiber zu betreiben, die Informationen darüber, wie er die in Artikel 6 Absatz 1 der vorliegenden Verordnung genannten geltenden Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 zu erfüllen gedenkt, mit Ausnahme von Informationen, die notwendig wären, um die Erfüllung der Anforderungen zu belegen, für die der Antragsteller eine Ausnahme gemäß dem genannten Artikel beantragt hat.

Zusätzlich zu den in Absatz 4 des vorliegenden Artikels genannten Informationen legt ein Antragsteller, der beabsichtigt, ein DLT-TSS als Zentralverwahrer zu betreiben, die Informationen darüber vor, wie er die in Artikel 6 Absatz 2 der vorliegenden Verordnung genannten geltenden Anforderungen der Richtlinie 2014/65/EU zu erfüllen gedenkt, mit Ausnahme von Informationen, die notwendig wären, um die Erfüllung der Anforderungen zu belegen, für die der Antragsteller eine Ausnahme gemäß dem genannten Artikel beantragt hat.

(6) Bis zum 23. März 2023 arbeitet die ESMA Leitlinien zur Festlegung von Standardformularen, Standardformaten und Mustertexten für die Zwecke von Absatz 4 aus.

(7) Die zuständige Behörde prüft innerhalb von 30 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags auf eine besondere Genehmigung für den Betrieb eines DLT-TSS, ob der Antrag vollständig ist. Ist der Antrag unvollständig, legt die zuständige Behörde eine Frist fest, innerhalb deren der Antragsteller die fehlenden oder etwaige zusätzliche Angaben vorlegen muss. Die zuständige Behörde informiert den Antragsteller, wenn sie den Antrag als vollständig erachtet.

Sobald die zuständige Behörde den Antrag für vollständig erachtet, übermittelt sie eine Kopie des Antrags an

a)
die ESMA und
b)
die in Artikel 12 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 genannten betreffenden Behörden.

(8) Wenn dies zur Förderung der Kohärenz und Verhältnismäßigkeit der Ausnahmen oder zur Gewährleistung des Anlegerschutzes, der Marktintegrität und der Finanzstabilität erforderlich ist, übermittelt die ESMA der zuständigen Behörde innerhalb von 30 Kalendertagen nach Eingang einer Kopie dieses Antrags eine unverbindliche Stellungnahme zu den beantragten Ausnahmen oder zur Angemessenheit der für die Zwecke dieser Verordnung verwendeten Art der Distributed-Ledger-Technologie.

Bevor die ESMA eine unverbindliche Stellungnahme abgibt, konsultiert sie die zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten und trägt deren Standpunkten in ihrer Stellungnahme weitestgehend Rechnung.

Gibt die ESMA eine unverbindliche Stellungnahme ab, so berücksichtigt die zuständige Behörde diese Stellungnahme gebührend und übermittelt der ESMA eine Erklärung zu etwaigen erheblichen Abweichungen von dieser Stellungnahme, wenn die ESMA darum ersucht. Die Stellungnahme der ESMA und die Erklärung der zuständigen Behörde werden nicht veröffentlicht.

Die in Artikel 12 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 genannten betreffenden Behörden übermitteln der zuständigen Behörde innerhalb von 30 Kalendertagen nach Eingang einer Kopie dieses Antrags eine unverbindliche Stellungnahme zu den Merkmalen des vom Antragsteller betriebenen DLT-TSS.

(9) Die zuständige Behörde führt innerhalb von 90 Arbeitstagen nach Eingang eines vollständigen Antrags auf eine besondere Genehmigung für den Betrieb eines DLT-TSS eine Überprüfung des Antrags durch und entscheidet, ob die besondere Genehmigung erteilt wird. Beantragt der Antragsteller gleichzeitig eine Zulassung gemäß der Richtlinie 2014/65/EU oder der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 und eine besondere Genehmigung nach diesem Artikel, so kann der Bewertungszeitraum um einen weiteren Zeitraum bis zu dem in Artikel 7 Absatz 3 der Richtlinie 2014/65/EU bzw. Artikel 17 Absatz 8 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 genannten Zeitraum verlängert werden.

(10) Unbeschadet der Artikel 7 und 44 der Richtlinie 2014/65/EU und des Artikels 17 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 verweigert die zuständige Behörde eine besondere Genehmigung zum Betrieb eines DLT-TSS, wenn Gründe dafür vorliegen, Folgendes anzunehmen

a)
erhebliche Risiken für den Anlegerschutz, die Marktintegrität oder die Finanzstabilität bestehen, die vom Antragsteller nicht angemessen angegangen und abgemildert werden;
b)
die besondere Genehmigung für den Betrieb eines DLT-TSS und die beantragten Ausnahmen dazu dienen sollen, rechtliche oder regulatorische Anforderungen zu umgehen, oder
c)
der Betreiber des DLT-TSS nicht in der Lage sein wird, die geltenden Bestimmungen des Unionsrechts oder die Bestimmungen der nationalen Rechtsvorschriften, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, zu erfüllen, bzw. es seinen Nutzern nicht ermöglichen wird, diese Bestimmungen zu erfüllen.

(11) Eine besondere Genehmigung gilt in der gesamten Union für einen Zeitraum von bis zu sechs Jahren ab dem Ausstellungsdatum. In der besonderen Genehmigung sind die gemäß Artikel 6 erteilten Ausnahmen, etwaige Ausgleichsmaßnahmen und niedrigere Schwellenwerte, die von der zuständigen Behörde gemäß Artikel 3 Absatz 6 festgelegt wurden, anzugeben.

Die zuständige Behörde unterrichtet die ESMA und die in Artikel 12 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 genannten betreffenden Behörden unverzüglich über die Erteilung, die Verweigerung oder den Entzug einer besonderen Genehmigung gemäß diesem Artikel, einschließlich aller in Unterabsatz 1 des vorliegenden Absatzes genannten Informationen.

Die ESMA veröffentlicht auf ihrer Website

a)
die Liste der DLT-TSS, das Anfangs- und Enddatum ihrer besonderen Genehmigungen, die Liste der für jedes dieser DLT-TSS erteilten Ausnahmen und die für jedes dieser DLT-TSS von den zuständigen Behörden festgelegten niedrigeren Schwellenwerte und
b)
die Gesamtzahl der nach Artikel 6 gestellten Anträge auf Ausnahmen mit Angabe der Anzahl und der Art der erteilten und der verweigerten Ausnahmen sowie der Begründung der Ablehnungen.

Die in Unterabsatz 3 Buchstabe b genannten Informationen werden anonym veröffentlicht.

(12) Unbeschadet der Artikel 8 und 44 der Richtlinie 2014/65/EU und des Artikels 20 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 entzieht die zuständige Behörde eine besondere Genehmigung oder alle damit verbundenen Ausnahmen, wenn

a)
in der Funktionsweise der verwendeten Distributed-Ledger-Technologie oder den vom Betreiber des DLT-TSS erbrachten Dienstleistungen und durchgeführten Tätigkeiten eine Schwachstelle entdeckt wurde, die ein Risiko für den Anlegerschutz, die Marktintegrität oder die Finanzstabilität darstellt und das Risiko schwerer wiegt als die Vorteile der zu erprobenden Dienstleistungen und Tätigkeiten;
b)
der Betreiber des DLT-TSS gegen die Bedingungen verstoßen hat, die an die Ausnahmen geknüpft sind;
c)
der Betreiber des DLT-TSS Finanzinstrumente zum Handel zugelassen oder verbucht hat, die nicht die Bedingungen gemäß Artikel 3 Absatz 1 erfüllen;
d)
der Betreiber des DLT-TSS einen in Artikel 3 Absatz 2 festgelegten Schwellenwert überschritten hat;
e)
der Betreiber des DLT-TSS den in Artikel 3 Absatz 3 genannten Schwellenwert überschritten und die Übergangsstrategie nicht aktiviert hat oder
f)
der Betreiber des DLT-TSS die besondere Genehmigung oder die damit verbundenen Ausnahmen auf der Grundlage irreführender Informationen oder einer wesentlichen Auslassung erhalten hat.

(13) Beabsichtigt ein Betreiber eines DLT-TSS, eine wesentliche Änderung der Funktionsweise der verwendeten Distributed-Ledger-Technologie oder der Dienstleistungen oder Tätigkeiten dieses Betreibers vorzunehmen, und erfordert diese wesentliche Änderung eine neue besondere Genehmigung, eine neue Ausnahme oder die Änderung einer oder mehrerer bestehender Ausnahmen des Betreibers oder von an eine Ausnahme geknüpften Bedingungen, so beantragt der Betreiber des DLT-TSS eine neue besondere Genehmigung, Ausnahme oder Änderung.

Beantragt ein Betreiber eines DLT-TSS eine neue Genehmigung, Ausnahme oder Änderung, findet das Verfahren nach Artikel 6 Anwendung. Dieser Antrag wird von der zuständigen Behörde gemäß diesem Artikel bearbeitet.

© Europäische Union 1998-2021

Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.