Artikel 8 VO (EU) 2022/858

Besondere Genehmigung für den Betrieb eines DLT-MTF

(1) Eine juristische Person, die gemäß der Richtlinie 2014/65/EU als Wertpapierfirma oder für den Betrieb eines geregelten Marktes zugelassen ist, kann eine besondere Genehmigung für den Betrieb eines DLT-MTF gemäß dieser Verordnung beantragen.

(2) Beantragt eine juristische Person die Zulassung als Wertpapierfirma oder für den Betrieb eines geregelten Marktes im Sinne der Richtlinie 2014/65/EU und beantragt sie zugleich eine besondere Genehmigung gemäß diesem Artikel zu dem einzigen Zweck, ein DLT-MTF zu betreiben, prüft die zuständige Behörde nicht, ob der Antragsteller die Anforderungen der Richtlinie 2014/65/EU erfüllt, für die der Antragsteller eine Ausnahme gemäß Artikel 4 der vorliegenden Verordnung beantragt hat.

(3) Beantragt eine juristische Person, wie in Absatz 2 dieses Artikels beschrieben, gleichzeitig die Zulassung als Wertpapierfirma, oder für den Betrieb eines geregelten Marktes, und eine besondere Genehmigung, so legt sie in ihrem Antrag die nach Artikel 7 der Richtlinie 2014/65/EU erforderlichen Informationen vor, mit Ausnahme von Informationen, die notwendig wären, um die Erfüllung der Anforderungen zu belegen, für die der Antragsteller eine Ausnahme gemäß Artikel 4 der vorliegenden Verordnung beantragt hat.

(4) Einem Antrag auf eine besondere Genehmigung für den Betrieb eines DLT-MTF gemäß dieser Verordnung sind folgende Informationen beizufügen:

a)
der Geschäftsplan des Antragstellers, die Regeln des DLT-MTF und die rechtlichen Bedingungen gemäß Artikel 7 Absatz 1 sowie die Informationen über die Funktionsweise, die Dienstleistungen und die Tätigkeiten des DLT-MTF gemäß Artikel 7 Absatz 3;
b)
eine Beschreibung über die Funktionsweise der verwendeten Distributed-Ledger-Technologie gemäß Artikel 7 Absatz 2;
c)
eine Beschreibung über die allgemeinen IT- und Cyber-Strukturen des Antragstellers gemäß Artikel 7 Absatz 4;
d)
einen Nachweis darüber, dass der Antragsteller für ausreichende aufsichtsrechtliche Sicherheitsvorkehrungen gesorgt hat, um seinen Verbindlichkeiten nachzukommen und seine Kunden zu entschädigen, wie in Artikel 7 Absatz 6 Unterabsatz 3 ausgeführt;
e)
gegebenenfalls eine Beschreibung der Strukturen für die Verwahrung der DLT-Finanzinstrumente für Kunden gemäß Artikel 7 Absatz 5;
f)
eine Beschreibung der Vorkehrungen zur Gewährleistung des Anlegerschutzes sowie der Mechanismen für die Behandlung von Beschwerden von Verbrauchern und für Abhilfeverfahren gemäß Artikel 7 Absatz 6 Unterabsatz 2;
g)
die Übergangsstrategie des Antragstellers und
h)
Angaben zu den Ausnahmen, die der Antragsteller gemäß Artikel 4 beantragt, den Gründen für jede beantragte Ausnahme, den etwaigen vorgeschlagenen Ausgleichsmaßnahmen sowie den vorgesehenen Mitteln, um die an diese Ausnahmen geknüpften Bedingungen zu erfüllen.

(5) Bis zum 23. März 2023 arbeitet die ESMA Leitlinien zur Festlegung von Standardformularen, Standardformaten und Mustertexten für die Zwecke von Absatz 4 aus.

(6) Die zuständige Behörde prüft innerhalb von 30 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags auf eine besondere Genehmigung für den Betrieb eines DLT-MTF, ob der Antrag vollständig ist. Ist der Antrag unvollständig, legt die zuständige Behörde eine Frist fest, innerhalb deren der Antragsteller die fehlenden oder etwaige zusätzliche Angaben vorlegen muss. Die zuständige Behörde informiert den Antragsteller, wenn sie den Antrag als vollständig erachtet.

Sobald die zuständige Behörde den Antrag für vollständig erachtet, übermittelt sie eine Kopie des Antrags an die ESMA.

(7) Wenn dies zur Förderung der Kohärenz und Verhältnismäßigkeit der Ausnahmen oder zur Gewährleistung des Anlegerschutzes, der Marktintegrität und der Finanzstabilität erforderlich ist, übermittelt die ESMA der zuständigen Behörde innerhalb von 30 Kalendertagen nach Eingang einer Kopie dieses Antrags eine unverbindliche Stellungnahme zu den vom Antragsteller beantragten Ausnahmen oder zur Angemessenheit der für die Zwecke dieser Verordnung verwendeten Art der Distributed-Ledger-Technologie.

Bevor die ESMA eine unverbindliche Stellungnahme abgibt, konsultiert sie die zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten und trägt deren Standpunkten in ihrer Stellungnahme weitestgehend Rechnung.

Gibt die ESMA eine unverbindliche Stellungnahme ab, so berücksichtigt die zuständige Behörde diese Stellungnahme gebührend und übermittelt der ESMA eine Erklärung zu etwaigen erheblichen Abweichungen von dieser Stellungnahme, wenn die ESMA darum ersucht. Die Stellungnahme der ESMA und die Erklärung der zuständigen Behörde werden nicht veröffentlicht.

(8) Bis zum 24. März 2025 arbeitet die ESMA Leitlinien zur Förderung der Kohärenz und Verhältnismäßigkeit der folgenden Elemente aus:

a)
den Betreibern von DLT-MTF in der gesamten Union erteilte Ausnahmen, auch im Zusammenhang mit der Bewertung der Angemessenheit der verschiedenen Arten von Distributed-Ledger-Technologien, die von den Betreibern von DLT-MTF für die Zwecke dieser Verordnung verwendet werden, und
b)
der Rückgriff auf die Option gemäß Artikel 3 Absatz 6.

Mit den Leitlinien werden der Anlegerschutz, die Marktintegrität und die Finanzstabilität gewährleistet.

Die ESMA aktualisiert die Leitlinien regelmäßig.

(9) Die zuständige Behörde führt innerhalb von 90 Arbeitstagen nach Eingang eines vollständigen Antrags auf eine besondere Genehmigung für den Betrieb eines DLT-MTF eine Überprüfung des Antrags durch und entscheidet, ob die besondere Genehmigung erteilt wird. Beantragt der Antragsteller gleichzeitig eine Zulassung gemäß der Richtlinie 2014/65/EU und eine besondere Genehmigung gemäß dieser Verordnung, so kann der Bewertungszeitraum um einen weiteren Zeitraum bis zu dem in Artikel 7 Absatz 3 der Richtlinie 2014/65/EU genannten Zeitraum verlängert werden.

(10) Unbeschadet der Artikel 7 und 44 der Richtlinie 2014/65/EU verweigert die zuständige Behörde eine besondere Genehmigung zum Betrieb eines DLT-MTF, wenn Gründe dafür vorliegen, Folgendes anzunehmen:

a)
Erhebliche Risiken für den Anlegerschutz, die Marktintegrität oder die Finanzstabilität werden vom Antragsteller nicht angemessen angegangen und abgemildert;
b)
die besondere Genehmigung für den Betrieb eines DLT-MTF und die beantragten Ausnahmen sollen dazu dienen, rechtliche oder regulatorische Anforderungen zu umgehen, oder
c)
der Betreiber des DLT-MTF wird nicht in der Lage sein, die geltenden Bestimmungen des Unionsrechts oder die Bestimmungen der nationalen Rechtsvorschriften, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, zu erfüllen, bzw. wird es seinen Nutzern nicht ermöglichen, diese Bestimmungen zu erfüllen.

(11) Eine besondere Genehmigung gilt in der gesamten Union für einen Zeitraum von bis zu sechs Jahren ab dem Ausstellungsdatum. In der besonderen Genehmigung werden die gemäß Artikel 4 erteilten Ausnahmen, etwaige Ausgleichsmaßnahmen und niedrigere Schwellenwerte, die von der zuständigen Behörde gemäß Artikel 3 Absatz 6 festgelegt wurden, aufgeführt.

Die zuständige Behörde unterrichtet die ESMA unverzüglich über die Erteilung, die Verweigerung oder den Entzug einer besonderen Genehmigung gemäß diesem Artikel, einschließlich aller in Unterabsatz 1 des vorliegenden Absatzes genannten Informationen.

Die ESMA veröffentlicht auf ihrer Website:

a)
die Liste der DLT-MTF, das Anfangs- und Enddatum ihrer besonderen Genehmigungen, die Liste der für jedes dieser DLT-MTF erteilten Ausnahmen und die für jedes dieser DLT-MTF von den zuständigen Behörden festgelegten niedrigeren Schwellenwerte und
b)
die Gesamtzahl der nach Artikel 4 gestellten Anträge auf Ausnahmen mit Angabe der Anzahl und der Art der erteilten und der verweigerten Ausnahmen sowie der Begründung der Ablehnungen.

Die in Unterabsatz 3 Buchstabe b genannten Informationen werden anonym veröffentlicht.

(12) Unbeschadet der Artikel 8 und 44 der Richtlinie 2014/65/EU entzieht die zuständige Behörde eine besondere Genehmigung oder damit verbundene Ausnahmen, wenn

a)
in der Funktionsweise der verwendeten Distributed-Ledger-Technologie oder den vom Betreiber des DLT-MTF erbrachten Dienstleistungen und durchgeführten Tätigkeiten eine Schwachstelle entdeckt wurde, die ein Risiko für den Anlegerschutz, die Marktintegrität oder die Finanzstabilität darstellt und das Risiko schwerer wiegt als die Vorteile der zu erprobenden Dienstleistungen und Tätigkeiten;
b)
der Betreiber des DLT-MTF gegen die Bedingungen verstoßen hat, die an die Ausnahmen geknüpft sind;
c)
der Betreiber des DLT-MTF Finanzinstrumente zum Handel zugelassen hat, die nicht die Bedingungen gemäß Artikel 3 Absatz 1 erfüllen;
d)
der Betreiber des DLT-MTF einen in Artikel 3 Absatz 2 festgelegten Schwellenwert überschritten hat;
e)
der Betreiber des DLT-MTF die in Artikel 3 Absatz 3 festgelegten Schwellenwerte überschritten und die Übergangsstrategie nicht aktiviert hat oder
f)
der Betreiber des DLT-MTF die besondere Genehmigung oder die damit verbundenen Ausnahmen auf der Grundlage irreführender Informationen oder einer wesentlichen Auslassung erhalten hat.

(13) Beabsichtigt ein Betreiber eines DLT-MTF, eine wesentliche Änderung der Funktionsweise der verwendeten Distributed-Ledger-Technologie oder der Dienstleistungen oder Tätigkeiten dieses Betreibers vorzunehmen, und erfordert diese wesentliche Änderung eine neue besondere Genehmigung, eine neue Ausnahme oder die Änderung einer oder mehrerer bestehender Ausnahmen des Betreibers oder von an eine Ausnahme geknüpften Bedingungen, so beantragt der Betreiber des DLT-MTF eine neue besondere Genehmigung, Ausnahme oder Änderung.

Beantragt ein Betreiber eines DLT-MTF eine neue besondere Genehmigung, Ausnahme oder Änderung, findet das Verfahren nach Artikel 4 Anwendung. Dieser Antrag wird von der zuständigen Behörde gemäß dem vorliegenden Artikel bearbeitet.

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