Artikel 9 VO (EU) 2023/1322
Erstbericht
(1) Ist die Agentur, die Kommission oder eine Mehrheit der Mitgliedstaaten der Auffassung, dass Informationen, die über eine neue psychoaktive Substanz in einem oder mehreren Mitgliedstaaten gesammelt und ihm oder ihnen übermittelt wurden, Anlass zu der Sorge geben, dass von der neuen psychoaktiven Substanz Risiken für die Gesundheit oder die Gesellschaft auf Unionsebene ausgehen könnten, so erstellt die Agentur einen Erstbericht über die neue psychoaktive Substanz.
Für die Zwecke des Unterabsatzes 1 informieren die Mitgliedstaaten die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten über ihren Wunsch, dass ein Erstbericht erstellt werden soll. Wenn eine Mehrheit der Mitgliedstaaten dies der Kommission mitgeteilt hat, weist die Kommission die Agentur entsprechend an und setzt die Mitgliedstaaten davon in Kenntnis.
(2) Ein Erstbericht gemäß Absatz 1 enthält
- a)
- erste Angaben zu der Art, Anzahl und dem Ausmaß von Vorkommnissen, die Probleme für die Gesundheit und für die Gesellschaft aufzeigen, die möglicherweise in Zusammenhang mit der neuen psychoaktiven Substanz stehen, und zum Konsummuster der neuen psychoaktiven Substanz;
- b)
- erste Angaben zur chemischen und physikalischen Beschreibung der neuen psychoaktiven Substanz und der zu ihrer Herstellung oder Extrahierung verwendeten Methoden und Ausgangsstoffe;
- c)
- erste Angaben zur pharmakologischen und toxikologischen Beschreibung der neuen psychoaktiven Substanz;
- d)
- erste Angaben zur Beteiligung krimineller Vereinigungen an der Herstellung oder dem Vertrieb der neuen psychoaktiven Substanz;
- e)
- Informationen über die Verwendung der neuen psychoaktiven Substanz als Human- oder Tierarzneimittel einschließlich der Verwendung als Wirkstoff eines Human- oder Tierarzneimittels;
- f)
- Informationen über die gewerbliche und industrielle Verwendung der neuen psychoaktiven Substanz, das Ausmaß dieser Verwendung und ihre Verwendung zu Zwecken der wissenschaftlichen Forschung und Entwicklung;
- g)
- Informationen darüber, ob die neue psychoaktive Substanz in jedem Mitgliedstaat etwaigen Beschränkungen unterliegt;
- h)
- Informationen darüber, ob die neue psychoaktive Substanz im Rahmen des Systems der Vereinten Nationen aktuell bewertet wird oder wurde;
- i)
- sonstige relevante Informationen, sofern verfügbar.
(3) Zur Erstellung eines Erstberichts gemäß Absatz 1 verwendet die Agentur die ihr vorliegenden Informationen.
(4) Hält die Agentur dies für erforderlich, so ersucht sie die nationalen Kontaktstellen um zusätzliche Informationen über eine neue psychoaktive Substanz. Die nationalen Kontaktstellen übermitteln diese Informationen binnen zwei Wochen nach Erhalt dieses Ersuchens.
(5) Die Agentur ersucht die Europäische Arzneimittel-Agentur unverzüglich, nachdem sie mit der Erstellung eines Erstberichts nach Absatz 1 begonnen hat, Informationen darüber vorzulegen, ob die neue psychoaktive Substanz auf Unionsebene oder auf nationaler Ebene als Wirkstoff
- a)
- eines Human- oder Tierarzneimittels verwendet wird, für das eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(1), der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 oder der Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates(2) erteilt wurde;
- b)
- eines Human- oder Tierarzneimittels verwendet wird, für das eine Genehmigung für das Inverkehrbringen beantragt wurde;
- c)
- eines Human- oder Tierarzneimittels verwendet wird, dessen Genehmigung für das Inverkehrbringen von der zuständigen Behörde ausgesetzt wurde;
- d)
- eines nicht zugelassenen Humanarzneimittels nach Artikel 5 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 2001/83/EG oder eines Tierarzneimittels nach Artikel 112 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung (EU) 2019/6 verwendet wird;
- e)
- eines Prüfpräparats im Sinne des Artikels 2 Buchstabe d der Richtlinie 2001/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(3) verwendet wird.
Beziehen sich die nach Unterabsatz 1 ermittelten Informationen auf von den Mitgliedstaaten erteilte Genehmigungen für das Inverkehrbringen, so stellen die betreffenden Mitgliedstaaten der Europäischen Arzneimittel-Agentur diese Informationen auf deren Antrag hin zur Verfügung.
(6) Die Agentur ersucht Europol unverzüglich, nachdem sie mit der Erstellung eines Erstberichts nach Absatz 1 begonnen hat, Informationen über die Beteiligung krimineller Vereinigungen an der Herstellung, dem Vertrieb und den Vertriebsmethoden sowie dem Handel mit der neuen psychoaktiven Substanz und an jeglicher Verwendung der neuen psychoaktiven Substanz vorzulegen.
(7) Die Agentur ersucht die mit der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates(4) geschaffene Europäische Chemikalienagentur, das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten und die mit der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates(5) errichtete Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit unverzüglich, nachdem sie mit der Erstellung eines Erstberichts nach Absatz 1 begonnen hat, die ihnen vorliegenden Informationen und Daten über die neue psychoaktive Substanz vorzulegen.
(8) Die Einzelheiten der Zusammenarbeit zwischen der Agentur und den in den Absätzen 5, 6 und 7 des vorliegenden Artikels genannten Agenturen der Union werden in Arbeitsvereinbarungen festgelegt. Diese Arbeitsvereinbarungen werden nach Artikel 53 Absatz 2 geschlossen.
(9) Die Agentur hält die Bedingungen für die Verwendung der ihr mitgeteilten Informationen ein, darunter die Bedingungen für den Zugang zu Dokumenten und Informationen, die Datensicherheit und den Schutz vertraulicher Daten, einschließlich sensibler Daten und von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Dritter.
(10) Die Agentur legt der Kommission und den Mitgliedstaaten gemäß Absatz 1 einen Erstbericht binnen fünf Wochen nach Stellung des in den Absätzen 5, 6 und 7 genannten Informationsersuchens vor.
(11) Trägt die Agentur Informationen über mehrere neue psychoaktive Substanzen zusammen, die ihrer Ansicht nach einen ähnlichen chemischen Aufbau aufweisen, so unterbreitet sie der Kommission und den Mitgliedstaaten binnen sechs Wochen nach Stellung des in den Absätzen 5, 6 und 7 genannten Informationsersuchens für jede dieser neuen psychoaktiven Substanzen einen einzelnen Erstbericht gemäß Absatz 1 oder kombinierte Erstberichte, die sich mit mehreren neuen psychoaktiven Substanzen befassen, sofern jede neue psychoaktive Substanz eindeutig anhand ihrer Eigenschaften identifiziert wird.
Fußnote(n):
- (1)
Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67).
- (2)
Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über Tierarzneimittel und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/82/EG (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 43).
- (3)
Richtlinie 2001/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln (ABl. L 121 vom 1.5.2001, S. 34).
Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. L 396 vom 30.12.2006, S. 1).
Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1).
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