Präambel VO (EU) 2023/1695
DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
gestützt auf die Richtlinie (EU) 2016/797 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Interoperabilität des Eisenbahnsystems in der Europäischen Union(1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 11,
in Erwägung nachstehender Gründe:
- (1)
- In der Verordnung (EU) 2016/919 der Kommission(2) wird die technische Spezifikation für die Interoperabilität (TSI) der Teilsysteme „Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung” (ZZS) festgelegt.
- (2)
- Gemäß Artikel 3 Absatz 5 Buchstaben b und f des Delegierten Beschlusses (EU) 2017/1474 der Kommission(3) sind die TSI zu überarbeiten, um der Entwicklung des Eisenbahnsystems der Union und relevanten Forschungs- und Innovationsmaßnahmen Rechnung zu tragen und Verweise auf Normen zu aktualisieren.
- (3)
- Am 24. Januar 2020 beauftragte die Kommission gemäß Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/796 des Europäischen Parlaments und des Rates(4) die Eisenbahnagentur der Europäischen Union (im Folgenden „Agentur” ) mit der Ausarbeitung von Empfehlungen zur Umsetzung bestimmter spezifischer Ziele, die in den Artikeln 3 und 7 des Delegierten Beschlusses (EU) 2017/1474 festgelegt worden sind.
- (4)
- Am 30. Juni 2022 legte die Agentur eine Empfehlung zu den ZZS-Teilsystemen vor (ERA-REC-1175-1218-2022/REC). Die vorliegende Verordnung stützt sich auf diese Empfehlung.
- (5)
- Der bestehende Rechtsrahmen sollte modernisiert werden, um neue Funktionen im Zusammenhang mit der Digitalisierung von Eisenbahnnetzen zu ermöglichen. Die Effizienz und die Nachhaltigkeit des Schienengüterverkehrs sollten durch eine weitere Harmonisierung des Europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems (European Rail Traffic Management System, ERTMS) und seine breitere und systematischere Einführung in der gesamten Union verbessert werden, insbesondere im Transeuropäischen Verkehrsnetz.
- (6)
- Die neuen Funktionen im Zusammenhang mit der Digitalisierung der Eisenbahnnetze, die in dem Bericht der Agentur über die langfristigen Perspektiven des Europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems (ERTMS Longer Term Perspective Report) ermittelt wurden, erfordern eine Aktualisierung der TSI für ZZS-Teilsysteme. Bei diesen auch vom Eisenbahnsektor geforderten neuen technischen Entwicklungen handelt es sich um das künftige Bahnmobilfunksystem (Future Railway Mobile Communication System, FRMCS), den automatisierten Zugbetrieb, die fortschrittliche Zugpositionierung und digitale automatische Kupplungen.
- (7)
- Daher werden im Rahmen dieser Überarbeitung sowohl vollständige Spezifikationen für den automatisierten Zugbetrieb (Automatisierungsgrad 2) als auch die Schnittstelle zum FRMCS bereitgestellt, die bereits verfügbar sind. Vollständige Spezifikationen für das FRMCS, die fortschrittliche Zugpositionierung und die digitale automatische Kupplung waren noch nicht verfügbar, da weiterer Entwicklungsbedarf besteht.
- (8)
- Um mit dem technologischen Fortschritt Schritt zu halten, können innovative Lösungen erforderlich sein, die den in Anhang I festgelegten Spezifikationen nicht entsprechen oder auf die die in Anhang I beschriebenen Bewertungsmethoden nicht anwendbar sind. Solche innovativen Lösungen, insbesondere diejenigen des Gemeinsamen Unternehmens für Europas Eisenbahnen (Europe’s Rail Joint Undertaking, ERJU), sollten gefördert werden, und ihre freiwillige Umsetzung sollte unter bestimmten Bedingungen gestattet werden. Zu diesem Zweck sollte ein für alle Mitgliedstaaten harmonisiertes Verfahren vorgesehen werden, durch das solche innovativen Lösungen für eine freiwillige Umsetzung validiert werden.
- (9)
- Im Durchführungsbeschluss (EU) 2021/1730 der Kommission(5) werden die harmonisierten Bedingungen für die Verfügbarkeit und die effiziente Nutzung von Funkfrequenzen für den Bahnmobilfunk (Railway Mobile Radio, RMR) festgelegt. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, bei der Planung der Einführung des FRMCS diese Frequenzen zugrunde zu legen.
- (10)
- Das Europäische Zugsicherungs- und Zugsteuerungssystem (European Train Control System, ETCS) ist das als Hauptteil des ERTMS verwendete Signalgebungs- und Zugsteuerungs-/Zugsicherungssystem. Zur Anpassung an den aktualisierten Bedarf des Eisenbahnsektors werden in der jüngsten ETCS-Aktualisierung, d. h. Baseline 4, zwei neue Systemversionen des ETCS (Systemversion 2.2 und Systemversion 3.0) eingeführt und mit der vorliegenden Überarbeitung übernommen. Systemversion 2.2 ist vollständig abwärtskompatibel. Systemversion 3.0 ist nicht kompatibel, da sie Funktionen umfasst, die fahrzeugseitig erforderlich sind, wenn sie streckenseitig implementiert sind.
- (11)
- Um eine weitere Harmonisierung des ERTMS zu erreichen, sieht diese Überarbeitung eine neue kohärente Übergangs- und Migrationsregelung vor, gewährleistet ein robustes Verfahren zur Behebung von Fehlern in Spezifikationen, verringert den Spielraum für Teilkonformität und schafft schrittweise die Notwendigkeit von Kompatibilitätsprüfungen ab.
- (12)
- Die neue Übergangs- und Migrationsregelung wurde entwickelt, um einen kohärenten Rahmen für die Einführung neuer Funktionen im Zusammenhang mit der TSI ZZS im Eisenbahnnetz zu schaffen. Ziel dieser Regelung ist es, ein Gleichgewicht zwischen den Interessen der Eisenbahnakteure, insbesondere der Infrastrukturbetreiber und der Eisenbahnunternehmen, zu gewährleisten.
- (13)
- Angesichts der Tatsache, dass das ERTMS ein komplexes softwaregestütztes System ist, das eine aktive Pflege der Spezifikation erfordert, sollte die Agentur in ihrer Eigenschaft als Systembehörde für das ERTMS die Behebung von Fehlern in ERTMS-Spezifikationen unterstützen. Zur Gewährleistung der Sicherheit und Interoperabilität sollte das Verfahren für die Umsetzung dieser Fehlerbehebungen in den Interoperabilitätskomponenten und den ZZS-Teilsystemen festgelegt werden.
- (14)
- Vollständige TSI-Konformität garantiert die Verwirklichung des einheitlichen europäischen Eisenbahnraums in technischer Hinsicht. Sie gewährleistet interoperable Fahrzeuge und erhöht deren potenziellen Wiederverwendungswert. Teilkonformität wurde anfänglich als notwendig erachtet, um einigen nationalen Zwängen Rechnung zu tragen, sollte jedoch in dieser Verordnung im Umfang erheblich eingeschränkt werden, um das oben genannte Ziel zu erreichen.
- (15)
- Selbst durch ein erfolgreich durchlaufenes Zertifizierungsverfahren kann nicht immer verhindert werden, dass beim Zusammenspiel eines fahrzeugseitiges ZZS-Teilsystems und eines streckenseitigen ZZS-Teilsystems eines der Teilsysteme unter bestimmten Bedingungen wiederholt ausfällt oder nicht wie vorgesehen funktioniert. Daher sollten Prüfungen durchgeführt werden, um die technische Kompatibilität der ZZS-Teilsysteme im Verwendungsgebiet eines Fahrzeugs nachzuweisen.
- (16)
- Diese Prüfungen sollten als eine vorübergehende Maßnahme zur Stärkung des Vertrauens in die technische Kompatibilität der Teilsysteme betrachtet werden. Die für diese Prüfungen geltenden Grundsätze sollten transparent sein und den Weg für eine weitere Harmonisierung bereiten. Vorrang sollte dabei die Möglichkeit erhalten, diese Prüfungen in einem Labor durchzuführen, das die vom Infrastrukturbetreiber bereitzustellende streckenseitige Konfiguration nachbildet. Um die Prüfungen auf ein Mindestmaß zu beschränken, sollte jeder Mitgliedstaat die Harmonisierung innerhalb seiner Infrastruktur fördern.
- (17)
- Es sollten die Schritte erwogen werden, die erforderlich sind, um schnellstmöglich das Vertrauen in die technische Kompatibilität der Fahrzeuggeräte mit verschiedenen streckenseitigen ERTMS-Implementierungen zu stärken und um Tests oder Prüfungen, die zum Nachweis der technischen Kompatibilität der Fahrzeuggeräte mit verschiedenen streckenseitigen ERTMS-Implementierungen notwendig sind, zu reduzieren bzw. ganz abzuschaffen. Die Agentur sollte deshalb die grundlegenden technischen Unterschiede bewerten und die Schritte festlegen, die notwendig sind, damit auf die Tests oder Prüfungen zum Nachweis der technischen Kompatibilität der Fahrzeuggeräte mit verschiedenen streckenseitigen Implementierungen verzichtet werden kann.
- (18)
- Ziel der Analyse von Zugortungsanlagen ist die wirtschaftlich vertretbare Verbesserung der Interoperabilität und Harmonisierung des europäischen Eisenbahnsystems. Ein Teil dieser Analyse besteht in der transparenten Identifizierung von nicht TSI-konformen Zugortungsanlagen.
- (19)
- Die Verordnung (EU) 2016/919 sollte daher aufgehoben werden.
- (20)
- Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des nach Artikel 51 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2016/797 eingesetzten Ausschusses —
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
Fußnote(n):
- (1)
ABl. L 138 vom 26.5.2016, S. 44.
- (2)
Verordnung (EU) 2016/919 der Kommission vom 27. Mai 2016 über die technische Spezifikation für die Interoperabilität der Teilsysteme „Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung” des Eisenbahnsystems in der Europäischen Union (ABl. L 158 vom 15.6.2016, S. 1).
- (3)
Delegierter Beschluss (EU) 2017/1474 der Kommission vom 8. Juni 2017 zur Ergänzung der Richtlinie (EU) 2016/797 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf spezifische Ziele für die Ausarbeitung, Annahme und Überarbeitung der Technischen Spezifikationen für die Interoperabilität (ABl. L 210 vom 15.8.2017, S. 5).
- (4)
Verordnung (EU) 2016/796 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Eisenbahnagentur der Europäischen Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 881/2004 (ABl. L 138 vom 26.5.2016, S. 1).
- (5)
Durchführungsbeschluss (EU) 2021/1730 der Kommission vom 28. September 2021 über die harmonisierte Nutzung der gepaarten Frequenzbänder 874,4–880,0 MHz und 919,4–925,0 MHz sowie des ungepaarten Frequenzbands 1900–1910 MHz für den Bahnmobilfunk (ABl. L 346 vom 30.9.2021, S. 1).
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