Präambel VO (EU) 2023/607

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114 und Artikel 168 Absatz 4 Buchstabe c,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),

nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Mit den Verordnungen (EU) 2017/745(3) und (EU) 2017/746(4) des Europäischen Parlaments und des Rates wird ein neuer Rechtsrahmen geschaffen, um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika zu gewährleisten, wobei ein hohes Gesundheitsschutzniveau für Patienten und Anwender zugrunde gelegt wird. Außerdem sind in den Verordnungen (EU) 2017/745 und (EU) 2017/746 hohe Standards für die Qualität und Sicherheit von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika festgelegt, durch die allgemeine Sicherheitsbedenken hinsichtlich solcher Produkte ausgeräumt werden sollen. Darüber hinaus wurden mit beiden Verordnungen Kernelemente des bestehenden Regulierungsrahmens gemäß den Richtlinien 90/385/EWG(5) und 93/42/EWG(6) des Rates sowie der Richtlinie 98/79/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(7) erheblich gestärkt, beispielsweise die Beaufsichtigung der Benannten Stellen, die Risikoklassifizierung, Konformitätsbewertungsverfahren, Anforderungen an klinische Nachweise, Vigilanz und Marktüberwachung, und Bestimmungen zur Gewährleistung von Transparenz und Rückverfolgbarkeit in Bezug auf Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika eingeführt.
(2)
Aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie wurde der Geltungsbeginn der Verordnung (EU) 2017/745 durch die Verordnung (EU) 2020/561 des Europäischen Parlaments und des Rates(8) um ein Jahr auf den 26. Mai 2021 verschoben, während der 26. Mai 2024 als Enddatum des Übergangszeitraums beibehalten wurde, bis zu dem bestimmte Produkte, die weiterhin der Richtlinie 90/385/EWG oder der Richtlinie 93/42/EWG entsprechen, rechtmäßig in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden können.
(3)
Ebenfalls aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie wurde der in der Verordnung (EU) 2017/746 vorgesehene Übergangszeitraum bereits durch die Verordnung (EU) 2022/112 des Europäischen Parlaments und des Rates(9) verlängert.
(4)
Trotz des stetigen Anstiegs der Zahl der Benannten Stellen, deren Benennung gemäß der Verordnung (EU) 2017/745 erfolgt ist, reicht die Gesamtkapazität der Benannten Stellen noch immer nicht aus, um die Konformitätsbewertung der zahlreichen Produkte, für die Bescheinigungen gemäß der Richtlinie 90/385/EWG oder der Richtlinie 93/42/EWG vorliegen, vor dem 26. Mai 2024 zu gewährleisten. Offenbar sind zahlreiche Hersteller, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, nicht ausreichend vorbereitet, um die Einhaltung der Anforderungen der Verordnung (EU) 2017/745 nachzuweisen, insbesondere unter Berücksichtigung der Komplexität dieser neuen Anforderungen. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass viele Produkte, die gemäß den Übergangsbestimmungen der Verordnung (EU) 2017/745 rechtmäßig in Verkehr gebracht werden können, vor Ablauf des Übergangszeitraums nicht gemäß der genannten Verordnung zertifiziert werden, was zu einem Risiko von Engpässen bei Medizinprodukten in der Union führt.
(5)
Angesichts der Berichte von Angehörigen der Gesundheitsberufe über unmittelbar drohende Engpässe bei Produkten ist es dringend erforderlich, die Gültigkeit der gemäß den Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG ausgestellten Bescheinigungen zu verlängern und den Übergangszeitraum zu verlängern, in dem Produkte, die diesen Richtlinien entsprechen, rechtmäßig in Verkehr gebracht werden können. Die Verlängerung sollte ausreichend lang sein, um den Benannten Stellen die nötige Zeit für die Durchführung der von ihnen geforderten Konformitätsbewertungen zu geben. Ziel der Verlängerung ist es, ein hohes Maß an Schutz der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten, einschließlich der Patientensicherheit und der Vermeidung von Engpässen bei Medizinprodukten, die für das reibungslose Funktionieren der Gesundheitsdienste erforderlich sind, ohne die derzeitigen Qualitäts- oder Sicherheitsanforderungen zu senken.
(6)
Die Verlängerung sollte an bestimmte Bedingungen geknüpft werden, um sicherzustellen, dass die zusätzliche Zeit nur für Produkte gilt, die sicher sind und für die die Hersteller bestimmte Schritte zum Übergang zur Einhaltung der Verordnung (EU) 2017/745 unternommen haben.
(7)
Um einen schrittweisen Übergang zur Verordnung (EU) 2017/745 zu gewährleisten, sollte die angemessene Überwachung von Produkten, für die der Übergangszeitraum gilt, letztendlich von der Stelle, die die Bescheinigung gemäß der Richtlinie 90/385/EWG oder der Richtlinie 93/42/EWG ausgestellt hat, an eine Benannte Stelle, deren Benennung gemäß der Verordnung (EU) 2017/745 erfolgt ist, übertragen werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte die gemäß der Verordnung (EU) 2017/745 Benannte Stelle nicht für die Konformitätsbewertungs- und Überwachungstätigkeiten verantwortlich sein, die von der Benannten Stelle, die die Bescheinigung ausgestellt hat, durchgeführt werden.
(8)
In Bezug auf den Zeitraum, der erforderlich ist, damit Hersteller und Benannte Stellen die Konformitätsbewertung gemäß der Verordnung (EU) 2017/745 bei jenen Medizinprodukten durchführen können, für die eine Bescheinigung oder eine Konformitätserklärung gemäß der Richtlinie 90/385/EWG oder der Richtlinie 93/42/EWG ausgestellt wurde, sollte ein Kompromiss zwischen den begrenzten verfügbaren Kapazitäten der Benannten Stellen und der Gewährleistung eines hohen Niveaus der Patientensicherheit und des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gefunden werden. Die Dauer der Übergangsfrist sollte daher von der Risikoklasse der betreffenden Medizinprodukte abhängen, sodass der Zeitraum für Produkte einer höheren Risikoklasse kürzer und für Produkte einer niedrigeren Risikoklasse länger ist.
(9)
Im Gegensatz zu den Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG ist nach der Verordnung (EU) 2017/745 die Mitwirkung einer Benannten Stelle an der Konformitätsbewertung von implantierbaren Sonderanfertigungen der Klasse III vorgeschrieben. Aufgrund der unzureichenden Kapazitäten der Benannten Stellen und der Tatsache, dass es sich bei den Herstellern von Sonderanfertigungen häufig um kleine oder mittlere Unternehmen handelt, die keinen Zugang zu einer Benannten Stelle gemäß den Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG hatten, sollte ein Übergangszeitraum vorgesehen werden, in dem implantierbare Sonderanfertigungen der Klasse III ohne eine von einer Benannten Stelle ausgestellte Bescheinigung rechtmäßig in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden können.
(10)
Artikel 120 Absatz 4 der Verordnung (EU) 2017/745 und Artikel 110 Absatz 4 der Verordnung (EU) 2017/746 verbieten die weitere Bereitstellung auf dem Markt oder Inbetriebnahme von Produkten, die bis zum Ende des geltenden Übergangszeitraums in Verkehr gebracht werden und sich ein Jahr nach Ablauf dieses Übergangszeitraums noch in der Lieferkette befinden. Um die unnötige Entsorgung sicherer Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika, die sich noch in der Lieferkette befinden, zu vermeiden, wodurch das unmittelbare Risiko von Engpässen noch erhöht würde, sollte eine weitere Bereitstellung auf dem Markt oder Inbetriebnahme solcher Produkte zeitlich unbegrenzt sein.
(11)
Die Verordnungen (EU) 2017/745 und (EU) 2017/746 sollten daher entsprechend geändert werden.
(12)
Da die Ziele dieser Verordnung, nämlich das Risiko von Engpässen bei Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika in der Union anzugehen, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen des Umfangs oder der Wirkungen der Maßnahme auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.
(13)
Die Verordnung wird aufgrund außergewöhnlicher Umstände angenommen, die sich aus einem unmittelbaren Risiko von Engpässen bei Medizinprodukten und dem damit einhergehenden Risiko einer Krise im Bereich der öffentlichen Gesundheit ergeben. Um die beabsichtigte Wirkung der Änderungen der Verordnungen (EU) 2017/745 und (EU) 2017/746 zu erreichen und die Verfügbarkeit von Produkten sicherzustellen, deren Bescheinigungen bereits abgelaufen sind oder vor dem 26. Mai 2024 ablaufen werden, um Rechtssicherheit für Wirtschaftsakteure und Gesundheitsdienstleister zu schaffen sowie aus Gründen der Kohärenz in Bezug auf die Änderungen beider Verordnungen sollte diese Verordnung saus Gründen der Dringlichkeit am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten. Aus den gleichen Gründen wird es auch als angemessen erachtet, sich auf die Ausnahme von der Achtwochenfrist gemäß Artikel 4 des dem EUV, dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft beigefügten Protokolls Nr. 1 über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union zu berufen —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

Standpunkt vom 24. Januar 2023 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(2)

Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 16. Februar 2023 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 7. März 2023.

(3)

Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 1).

(4)

Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 176).

(5)

Richtlinie 90/385/EWG des Rates vom 20. Juni 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über aktive implantierbare medizinische Geräte (ABl. L 189 vom 20.7.1990, S. 17).

(6)

Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte (ABl. L 169 vom 12.7.1993, S. 1).

(7)

Richtlinie 98/79/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 1998 über In-vitro-Diagnostika (ABl. L 331 vom 7.12.1998, S. 1).

(8)

Verordnung (EU) 2020/561 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2020 zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte hinsichtlich des Geltungsbeginns einiger ihrer Bestimmungen (ABl. L 130 vom 24.4.2020, S. 18).

(9)

Verordnung (EU) 2022/112 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Januar 2022 zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/746 hinsichtlich der Übergangsbestimmungen für bestimmte In-vitro-Diagnostika und des späteren Geltungsbeginns der Bedingungen für hausinterne Produkte (ABl. L 19 vom 28.1.2022, S. 3).

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