Präambel VO (EU) 2023/736

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) 2022/2578 des Rates(1), insbesondere auf Artikel 9 Absatz 1,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Mit der Verordnung (EU) 2022/2578 zur Einführung eines Marktkorrekturmechanismus zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger der Union und der Wirtschaft vor überhöhten Preisen (im Folgenden „MKM-Verordnung” ) wird für Aufträge zum Handel mit Derivaten der Title Transfer Facility (TTF) und Derivaten, die mit anderen virtuellen Handelspunkten (VHP) in der Union verbunden sind, und deren Laufzeiten zwischen einem Monat und einem Jahr betragen, ein befristeter Marktkorrekturmechanismus geschaffen. Dieser Marktkorrekturmechanismus findet folglich auf alle Warenderivate Anwendung, die an einem geregelten Markt gehandelt werden und deren Basiswert eine Transaktion mit Gas an einem beliebigen VHP in der Union ist.
(2)
Nach Artikel 1 der MKM-Verordnung gilt der Marktkorrekturmechanismus für Aufträge zum Handel mit TTF-Derivaten und Derivaten, die mit anderen VHP in der Union verbunden sind.
(3)
In der MKM-Verordnung werden die technischen Einzelheiten für die Anwendung des Marktkorrekturmechanismus nur für Aufträge zum Handel mit TTF-Derivaten, nicht aber für Aufträge zum Handel mit den mit anderen VHP verbundenen Derivaten festgelegt. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass der Marktkorrekturmechanismus schnellstmöglich auf TTF-Derivate angewandt werden musste, die gemeinhin als Standardpreisindikator auf den europäischen Gasmärkten angesehen werden, und dass die Anwendung des Mechanismus auf Aufträge zum Handel mit Derivaten, die mit anderen VHP verbunden sind, zusätzliche Vorbereitungen erforderte. Aus diesem Grund wird der Kommission in der MKM-Verordnung die Befugnis übertragen, einen Durchführungsrechtsakt zur Festlegung der technischen Einzelheiten für die Anwendung des Marktkorrekturmechanismus auf Derivate festzulegen, die mit solchen anderen VHP verbunden sind, insbesondere was das Eintreten eines Marktkorrekturereignisses und die Anwendung einer dynamischen Gebotsobergrenze bei solchen Derivaten betrifft. In der MKM-Verordnung wird der Kommission auch die Befugnis übertragen, bestimmte der mit anderen VHP verbundenen Derivate ausnahmsweise vom Marktkorrekturmechanismus auszunehmen.
(4)
Die Festlegung der technischen Einzelheiten für die Anwendung des Marktkorrekturmechanismus auf die mit solchen anderen VHP verbundenen Derivate und die Möglichkeit, bestimmte dieser mit anderen VHP verbundenen Derivate vom Anwendungsbereich des Marktkorrekturmechanismus auszunehmen, sollte sich auf die in Artikel 9 Absatz 2 der MKM-Verordnung genannten Kriterien stützen, nämlich die Liquidität, die Verfügbarkeit von Informationen über die Preise von mit anderen VHP verbundenen Derivaten und die Auswirkungen, die eine Ausweitung des Marktkorrekturmechanismus auf mit anderen VHP verbundene Derivate auf die Gasflüsse innerhalb der Union, die Versorgungssicherheit und die Stabilität der Finanzmärkte hätte. Bei der Festlegung der technischen Einzelheiten und bei der möglichen Ausnahme sollten auch die Folgenabschätzungen berücksichtigt werden, die ACER und ESMA nach Artikel 8 Absatz 2 der MKM-Verordnung bis zum 1. März 2023 vorzulegen hatten.
(5)
Bei TTF-Derivaten wird der Marktkorrekturmechanismus aktiviert, wenn ein Marktkorrekturereignis eintritt, d. h., wenn der von ICE Endex B.V. veröffentlichte Abwicklungspreis für TTF-Front-Month-Derivate mehr als 180 EUR/MWh beträgt und an drei aufeinanderfolgenden Arbeitstagen 35 EUR über dem Referenzpreis liegt. Bei Derivaten, die mit anderen VHP in der Union verbunden sind, sollte der Marktkorrekturmechanismus zum selben Zeitpunkt, d. h. bei Eintreten desselben Marktkorrekturereignisses, aktiviert werden. Hierfür sprechen im Wesentlichen zwei Gründe. Erstens weisen viele der Derivate, die mit anderen VHP als der TTF verbunden sind, im Vergleich zu TTF-Derivaten eine geringere Liquidität auf. Würde der Marktkorrekturmechanismus ausgehend von illiquiden Terminkontrakten aktiviert, wäre er manipulationsanfällig und die Aktivierung könnte unnötigerweise oder verspätet erfolgen. Zweitens könnte sich, wenn der Marktkorrekturmechanismus nur bei einigen VHP-Derivaten aktiviert würde, der Handel auf die mit anderen VHP verbundenen Derivate verlagern, was beispielsweise aufgrund von Arbitrage der Marktteilnehmer zwischen korrigierten und nicht korrigierten Derivaten zu Verzerrungen an den Energie- oder Finanzmärkten der Union führen könnte und zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher ginge. Zu dieser Einschätzung gelangt auch die ACER in ihrer Folgenabschätzung, wo es heißt, dass der Marktkorrekturmechanismus auch bei Derivaten, die mit anderen VHP in der Union verbunden sind, ausgehend vom Abwicklungspreis bei TTF-Front-Month-Derivaten gemäß Artikel 4 Absatz 1 der MKM-Verordnung aktiviert werden sollte.
(6)
Bei Eintreten eines Marktkorrekturereignisses gilt der MKM-Verordnung zufolge eine dynamische Gebotsobergrenze, wonach Marktbetreiber keine Aufträge für TTF-Derivate annehmen und Teilnehmer am TTF-Derivatemarkt keine Aufträge für TTF-Derivate abgeben sollten, die im Zeitraum zwischen dem Fälligkeitsdatum des TTF-Front-Month-Derivats und dem Fälligkeitsdatum des TTF-Front-Year-Derivats fällig werden und um 35 EUR/MWh über dem von der ACER am Vortag veröffentlichten Referenzpreis liegen. Diese dynamische Gebotsobergrenze ist auch für Aufträge für mit anderen VHP verbundene Derivate sinnvoll und muss zu diesem Zweck nicht geändert werden. Wie bei den TTF-Derivaten kommt ein Aufschlag für die Versorgungssicherheit von 35 EUR/MWh bei einer Reihe von mit anderen VHP verbundenen Derivaten der durchschnittlichen Differenz zwischen dem Referenzpreis und dem Preis für Terminkontrakte mit einmonatiger Laufzeit im Sommer 2022 am nächsten und spiegelt dieser Betrag die Kosten möglicher Infrastrukturengpässe beim Transport von Gas von LNG-Terminals in anderen Regionen der Union nach Kontinentaleuropa wider. Die Anwendung derselben Sicherheitsobergrenze auf alle VHP-Derivate dürfte darüber hinaus das Risiko einer übermäßigen Verlagerung des Handels auf bestimmte VHP begrenzen und auch das Risiko eindämmen, dass der Wettbewerb zwischen verschiedenen Regionen in der Union um LNG verzerrt wird, was eine Fragmentierung der Märkte innerhalb der Union nach sich ziehen könnte. In ihrer Folgenabschätzung schließt sich die ACER der Einschätzung an, dass die für Aufträge für TTF-Derivate geltende dynamische Gebotsobergrenze auch für Aufträge für mit anderen VHP verbundene Derivate geeignet ist.
(7)
Die Kommission ist der Auffassung, dass der Marktkorrekturmechanismus ausnahmslos für alle mit anderen VHP verbundenen Derivate gelten sollte. In ihren Folgenabschätzungen teilen ACER und ESMA diesen Standpunkt, insbesondere, dass die Aufnahme der anderen VHP keine signifikanten nachteiligen Auswirkungen auf die Finanz- oder Gasmärkte hat. ACER wie ESMA weisen darauf hin, dass die Ausweitung des Marktkorrekturmechanismus auf die mit anderen VTP verbundenen Derivate eingeschränkten zusätzlichen Nutzen mit sich bringen könnte, dass die meisten dieser Derivate nicht über ausreichende Liquidität verfügen und dass einigen zentralen Clearing-Gegenparteien durch Änderung ihrer Ausfallmanagementprozesse zusätzliche Kosten entstehen könnten. Mit Blick auf die Umsetzung der MKM-Verordnung schlossen sich allerdings sowohl die ACER als auch die ESMA der Schlussfolgerung der Kommission an, dass die Anwendung des Marktkorrekturmechanismus auf alle mit anderen VHP verbundenen Derivate keine signifikanten nachteiligen Auswirkungen auf die Finanz- oder Gasmärkte hat. In ihrer Bewertung hat sich die Kommission im Einklang mit Artikel 9 Absatz 2 der MKM-Verordnung insbesondere auf die folgenden Kriterien gestützt.
(8)
Erstens sind Informationen über die Preise der mit anderen VHP verbundenen, unter den vorliegenden Durchführungsrechtsakt fallenden Derivate ohne Weiteres verfügbar, da diese Derivate an geregelten Märkten gehandelt werden, die regelmäßig Preisinformationen zur Verfügung stellen.
(9)
Zweitens führt die fehlende Liquidität bei einigen der mit anderen VHP verbundenen Derivate in der Praxis nicht zu signifikanten Umsetzungsproblemen, da die Kommission als Auslöser für die Aktivierung des Marktkorrekturmechanismus bei anderen VHP bewusst die hochliquiden TTF-Terminkontrakte mit einmonatiger Laufzeit gewählt hat.
(10)
Drittens ist es unwahrscheinlich, dass die Ausweitung auf mit anderen Hubs verbundene Derivate signifikante nachteilige Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit haben wird. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das Hauptinstrument zur Vermeidung von Versorgungssicherheitsproblemen, der in der Gebotsobergrenze eingerechnete „Aufschlag” (Aufschlag gegenüber den LNG-Marktpreisen oder „Sicherheitsobergrenze” gemäß Erwägungsgrund 19 der MKM-Verordnung), für alle Derivate gelten und sicherstellen wird, dass der Marktkorrekturmechanismus nicht die Fähigkeit der Union beeinträchtigt, LNG zu beschaffen. Da die Anwendung des Marktkorrekturmechanismus befristet ist und die Gasflüsse innerhalb der Union aus einer komplexen Reihe von Positionen resultieren, die sich nicht nur aus Derivatekontrakten ergeben, sondern auch auf viele andere Elemente zurückzuführen sind, auf die der Marktkorrekturmechanismus keinen Einfluss hat, wie langfristige Lieferverpflichtungen, kurzfristige Geschäfte und Kassageschäfte sowie außerbörsliche Transaktionen, ist es außerdem unwahrscheinlich, dass die Ausweitung signifikante nachteilige Auswirkungen auf die Gasflüsse innerhalb der EU haben wird.
(11)
Schließlich dürfte sich die Ausweitung des Marktkorrekturmechanismus nicht signifikant auf die Stabilität der Finanzmärkte auswirken, da mehr als 90 % der an geregelten Märkten in der Union gehandelten Erdgasderivate TTF-Derivate sind. Was die potenziellen zusätzlichen Kosten angeht, die einigen zentralen Clearing-Gegenparteien bei einer Änderung ihres Ausfallmanagementprozesses entstehen könnten, stellte die ESMA fest, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ihrer Folgenabschätzung keine zentrale Clearing-Gegenpartei Informationen vorgelegt hatte, aus denen hervorgeht, dass die MKM-Verordnung signifikante Änderungen erfordern könnte.
(12)
In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen kommt die Kommission zu dem Schluss, dass kein mit anderen VHP verbundenes Derivat ausnahmsweise vom Anwendungsbereich der MKM-Verordnung ausgenommen werden sollte.
(13)
Um auch weiterhin das ordnungsgemäße Funktionieren der Derivatemärkte zu gewährleisten und es den Marktteilnehmern zu ermöglichen, ihre Risikopositionen angemessen zu steuern, darf diese Verordnung auf keinen Fall in Kontrakte eingreifen, die vor ihrem Inkrafttreten geschlossen wurden. Aus demselben Grund sollten die Marktteilnehmer in der Lage sein, Positionen in mit anderen VHP verbundenen Derivaten, die vor der Anwendung dieser Verordnung eingegangen wurden, wirksam auszugleichen. Infolgedessen sollte die dynamische Gebotsobergrenze weder für vor Inkrafttreten dieser Verordnung geschlossene Kontrakte noch für Geschäfte gelten, bei denen Marktteilnehmer Positionen aus mit anderen VHP verbundenen Derivatekontrakten, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung geschlossen wurden, ausgleichen oder abbauen können. Darüber hinaus spielen zentrale Clearing-Gegenparteien eine Schlüsselrolle bei der Gewährleistung des ordnungsgemäßen Funktionierens der Märkte für TTF-Derivate, indem sie das Gegenparteirisiko mindern. Ebenso wichtig ist es, dafür zu sorgen, dass aus der Ausweitung des Mechanismus auf andere VHP bei einem Ausfall eines Clearingmitglieds kein Risiko für zentrale Clearing-Gegenparteien erwächst, die die einschlägigen Instrumente clearen. Diese zentralen Clearing-Gegenparteien sollten daher in der Lage sein, Ausfallmanagementprozesse durchzuführen, ohne der Gebotsobergrenze zu unterliegen. Deshalb sollte die dynamische Gebotsobergrenze nicht für Geschäfte gelten, die im Rahmen eines von einer zentralen Clearing-Gegenpartei organisierten Ausfallmanagementprozesses durchgeführt werden.
(14)
Es gibt keinen Grund, weshalb andere Gestaltungsmerkmale des Marktkorrekturmechanismus nicht auf mit anderen VHP verbundene Derivate anzuwenden wären. Dies schließt die Regelungen für die Aussetzung des Marktkorrekturmechanismus ein. Es sei darauf hingewiesen, dass — wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Marktkorrekturereignis unmittelbar bevorsteht — die Aktivierung des Marktkorrekturmechanismus gemäß Artikel 4 Absatz 8 ausgesetzt werden sollte, wenn dies zu unbeabsichtigten Marktstörungen führen würde. Ebenso sollte der Marktkorrekturmechanismus nach Artikel 6 jederzeit ausgesetzt werden, wenn die dynamische Sicherheitsobergrenze zu schwerwiegenden Marktstörungen führen würde, die die Versorgungssicherheit, die verbindlichen Ziele für die Nachfragesenkung, die Stabilität und das ordnungsgemäße Funktionieren der Märkte für Energiederivate oder die Gasflüsse innerhalb der Union beeinträchtigen würden, erhebliche Unterschiede zwischen den Gasmarktpreisen innerhalb der Union oder zu anderen Regionen der Welt zur Folge hätten oder die Gültigkeit bestehender Gaslieferverträge beeinträchtigen würden. Bei der Bewertung unbeabsichtigter Marktstörungen sollten die Auswirkungen auf den europäischen Markt insgesamt und insbesondere auf jeden VHP, auf den der Marktkorrekturmechanismus anwendbar ist, berücksichtigt werden; im Falle einer solchen unbeabsichtigten Marktstörung würde der Aussetzungsbeschluss nach Artikel 6 der MKM-Verordnung anwendbar.
(15)
Aufgrund der volatilen und unvorhersehbaren Lage auf dem Erdgasmarkt muss sichergestellt werden, dass der Marktkorrekturmechanismus so rasch wie möglich auf mit anderen VHP verbundene Derivate angewandt werden kann, wenn die Bedingungen für seine Aktivierung erfüllt sind. Daher sollten die technischen Einzelheiten für die Anwendung des Marktkorrekturmechanismus auf mit anderen VHP verbundene Derivate bis zum 31. März 2023 festgelegt werden. Allerdings sollte dieser Durchführungsrechtsakt erst ab dem 1. Mai 2023 gelten, damit die Unternehmen, die die VHP — ausgenommen der TTF — in der Union betreiben, die erforderlichen Anpassungen vornehmen können.
(16)
Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des MKM-Ausschusses —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

Verordnung (EU) 2022/2578 des Rates vom 22. Dezember 2022 zur Einführung eines Marktkorrekturmechanismus zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger der Union und der Wirtschaft vor überhöhten Preisen (ABl. L 335 vom 29.12.2022, S. 45).

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