Artikel 22 VO (EU) 2023/988

Besondere Pflichten der Anbieter von Online-Marktplätzen im Zusammenhang mit der Produktsicherheit

(1) Unbeschadet der allgemeinen Pflichten nach Artikel 11 der Verordnung (EU) 2022/2065 benennen Anbieter von Online-Marktplätzen eine zentrale Kontaktstelle, über die sie mit den Marktüberwachungsbehörden der Mitgliedstaaten in Bezug auf Fragen der Produktsicherheit und insbesondere zum Zweck der Meldung von gemäß Absatz 4 des vorliegenden Artikels erteilten Anordnungen auf elektronischem Wege direkt kommunizieren können.

Anbieter von Online-Marktplätzen registrieren sich beim Safety-Gate-Portal und hinterlegen auf dem Safety-Gate-Portal die Angaben zu ihrer zentralen Anlaufstelle.

(2) Unbeschadet der allgemeinen Pflichten nach Artikel 12 der Verordnung (EU) 2022/2065 benennen Anbieter von Online-Marktplätzen eine zentrale Kontaktstelle, über welche die Verbraucher in Bezug auf Fragen der Produktsicherheit direkt und schnell mit ihnen kommunizieren können.

(3) Anbieter von Online-Marktplätzen stellen sicher, dass sie über interne Verfahren zur Gewährleistung der Produktsicherheit verfügen, die es ihnen ermöglichen, die einschlägigen Anforderungen der vorliegenden Verordnung unverzüglich zu erfüllen.

(4) Was die von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 14 der Verordnung (EU) 2019/1020 übertragenen Befugnisse betrifft, so übertragen die Mitgliedstaaten ihren Marktüberwachungsbehörden die notwendige Befugnis, in Bezug auf bestimmte Inhalte, die sich auf ein Angebot eines gefährlichen Produkts beziehen, den Anbietern von Online-Marktplätzen eine Anordnung zu erteilen, solche Inhalte von ihren Online-Schnittstellen zu entfernen, den Zugang dazu zu sperren oder einen ausdrücklichen Warnhinweis anzuzeigen. Anordnungen dieser Art werden im Einklang mit den in Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2022/2065 festgelegten Mindestanforderungen erteilt.

Anbieter von Online-Marktplätzen ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um die gemäß dem vorliegenden Absatz erteilten Anordnungen entgegenzunehmen und diesen nachzukommen, und sie werden unverzüglich, in jedem Fall aber innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Eingang der Anordnung, tätig. Sie unterrichten die Marktüberwachungsbehörde auf elektronischem Wege über die Befolgung der Anordnung unter Nutzung der im Safety-Gate-Portal veröffentlichten Kontaktdaten der Marktüberwachungsbehörde.

(5) In Anordnungen gemäß Absatz 4 kann vom Anbieter eines Online-Marktplatzes verlangt werden, für den vorgeschriebenen Zeitraum alle identischen Inhalte, die sich auf ein Angebot des fraglichen gefährlichen Produkts beziehen, von seiner Online-Schnittstelle zu entfernen, den Zugang dazu zu sperren oder einen ausdrücklichen Warnhinweis anzuzeigen, sofern die Suche nach den betreffenden Inhalten auf die in der Anordnung angegebenen Informationen beschränkt ist und der Anbieter eines Online-Marktplatzes nicht verpflichtet wird, eine unabhängige Bewertung dieser Inhalte vorzunehmen, und sofern die Suche und die Entfernung auf verhältnismäßige Weise mit zuverlässigen automatisierten Instrumenten durchgeführt werden kann.

(6) Die Anbieter von Online-Marktplätzen berücksichtigen von den Marktüberwachungsbehörden gemäß Artikel 26 gemeldete regelmäßige Informationen über gefährliche Produkte, die sie über das Safety-Gate-Portal erhalten, um gegebenenfalls freiwillige Maßnahmen zur Erkennung von, Identifizierung von, Entfernung von oder Sperrung des Zugangs zu Inhalten, die Angebote gefährlicher Produkte auf ihrem Online-Marktplatz betreffen, zu ergreifen, auch unter Verwendung der interoperablen Schnittstelle zum Safety-Gate-Portal gemäß Artikel 34. Sie unterrichten die Behörde, die die Meldung an das Schnellwarnsystem Safety Gate vorgenommen hat, über alle ergriffenen Maßnahmen unter Nutzung der im Safety-Gate-Portal veröffentlichten Kontaktdaten der Marktüberwachungsbehörde.

(7) Um hinsichtlich der Produktsicherheit Artikel 31 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2022/2065 nachzukommen, verwenden Anbieter von Online-Marktplätzen mindestens das Safety-Gate-Portal.

(8) Anbieter von Online-Marktplätzen bearbeiten die Meldungen zu Fragen der Produktsicherheit gemäß Artikel 16 der Verordnung (EU) 2022/2065 in Bezug auf das über ihre Dienste online zum Verkauf angebotene Produkt unverzüglich, in jedem Fall aber innerhalb von drei Arbeitstagen nach Eingang der Meldung.

(9) Um den Anforderungen des Artikels 31 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EU) 2022/2065 hinsichtlich Informationen über die Produktsicherheit nachzukommen, gestalten und strukturieren die Anbieter von Online-Marktplätzen ihre Online-Schnittstelle so, dass Unternehmer, die das Produkt anbieten, für jedes angebotene Produkt mindestens die folgenden Informationen bereitstellen können und dass sichergestellt ist, dass die Informationen den Verbrauchern in der Produktliste angezeigt werden oder auf andere Weise leicht zugänglich sind:

a)
den Namen, den eingetragenen Handelsnamen oder die eingetragene Handelsmarke des Herstellers sowie die Postanschrift und die elekronische Adresse, unter denen der Hersteller kontaktiert werden kann,
b)
falls der Hersteller nicht in der Union niedergelassen ist: den Namen, die Postanschrift und die elekronische Adresse der verantwortlichen Person im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 dieser Verordnung oder des Artikels 4 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2019/1020,
c)
Angaben, die die Identifizierung des Produkts ermöglichen, einschließlich einer Abbildung des Produkts, seiner Art und sonstiger Produktidentifikatoren, und
d)
etwaige Warnhinweise oder Sicherheitsinformationen, die gemäß dieser Verordnung oder den anwendbaren Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union in einer Sprache, die für die Verbraucher leicht verständlich ist und die der Mitgliedstaat festlegt, in dem das Produkt auf dem Markt bereitgestellt wird, auf dem Produkt anzubringen oder ihm beizufügen sind.

(10) Zu den in Absatz 3 genannten internen Verfahren gehören Mechanismen, die es Unternehmern ermöglichen, Folgendes bereitzustellen:

a)
Informationen gemäß Absatz 9 dieses Artikels, einschließlich Informationen über den in der Union niedergelassenen Hersteller oder gegebenenfalls die verantwortliche Person im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 dieser Verordnung oder des Artikels 4 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2019/1020, und
b)
gegebenenfalls ihre Selbstbescheinigung, in der sie sich gemäß Artikel 30 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/2065 verpflichten, nur Produkte anzubieten, die der vorliegenden Verordnung und zusätzlichen Identifizierungsinformationen entsprechen.

(11) Um hinsichtlich der Produktsicherheit Artikel 23 der Verordnung (EU) 2022/2065 nachzukommen, setzen Anbieter von Online-Marktplätzen für Unternehmer, die häufig gegen die vorliegende Verordnung verstoßende Produkte anbieten, für einen angemessenen Zeitraum und nach vorheriger Warnung die Erbringung ihrer Dienste aus.

(12) Die Anbieter von Online-Marktplätzen arbeiten mit den Marktüberwachungsbehörden, mit Unternehmern und mit den betreffenden Wirtschaftsakteuren zur Unterstützung etwaiger Maßnahmen zusammen, die ergriffen werden, um die Risiken zu beseitigen oder — falls das nicht möglich ist — zu mindern, die von einem Produkt ausgehen, das über ihre Dienste online angeboten wird oder wurde.

Insbesondere verfahren Anbieter von Online-Marktplätzen wie folgt:

a)
Sie sorgen dafür, dass sie Verbrauchern geeignete und rechtzeitige Informationen bereitstellen, unter anderem indem sie

i)
im Falle eines Produktsicherheitsrückrufs, von dem sie tatsächlich Kenntnis haben, oder wenn bestimmte Informationen Verbrauchern zur Kenntnis gebracht werden müssen, um die sichere Verwendung eines Produkts zu gewährleisten (im Folgenden „Sicherheitswarnung” ), gemäß Artikel 35 oder 36 oder gemäß beiden Artikeln direkt alle betroffenen Verbraucher unterrichten, die über ihre Schnittstellen das betreffende Produkt erworben haben;
ii)
Informationen über Produktsicherheitsrückrufe auf ihren Online-Schnittstellen veröffentlichen;

b)
sie unterrichten den betreffenden Wirtschaftsakteur von der Entscheidung, den Inhalt, der sich auf ein Angebot eines gefährlichen Produkts bezieht, zu entfernen oder den Zugang dazu zu sperren;
c)
sie arbeiten mit den Marktüberwachungsbehörden und mit den betreffenden Wirtschaftsakteuren zusammen, um für wirksame Produktrückrufe zu sorgen, auch indem sie Produktrückrufe nicht behindern;
d)
sie unterrichten über das Safety-Business-Gateway die Marktüberwachungsbehörden der Mitgliedstaaten, in denen das jeweilige Produkt auf dem Markt bereitgestellt worden ist, unverzüglich von auf ihren Online-Schnittstellen angebotenen gefährlichen Produkten, von denen sie tatsächlich Kenntnis haben, indem sie die ihnen vorliegenden sachdienlichen Informationen über das Risiko für die Gesundheit und Sicherheit von Verbrauchern, über die nach Mitgliedstaat aufgeschlüsselte Anzahl an noch auf dem Markt befindlichen Produkten, sofern verfügbar, und über etwaige Korrekturmaßnahmen, die nach ihrem Wissen bereits ergriffen worden sind, angeben;
e)
sie arbeiten in Bezug auf ihnen gemeldete Unfälle zusammen, unter anderem indem sie

i)
den betreffenden Unternehmern und Wirtschaftsakteuren unverzüglich die Informationen mitteilen, die sie über Unfälle oder Sicherheitsprobleme erhalten haben, wenn sie Kenntnis davon haben, dass das fragliche Produkt von jenen Unternehmern über ihre Schnittstellen angeboten wurde;
ii)
über das Safety-Business-Gateway unverzüglich jeden Unfall melden, von dem sie unterrichtet worden sind und der zu einem ernsten Risiko für oder einer tatsächlichen Schädigung der Gesundheit oder Sicherheit eines Verbrauchers führt, die durch ein auf ihrem Online-Marktplatz bereitgestelltes Produkt verursacht werden, und den Hersteller darüber informieren;

f)
sie arbeiten mit Strafverfolgungsbehörden auf Unions- und nationaler Ebene, einschließlich des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF), durch einen regelmäßigen und strukturierten Informationsaustausch über Angebote, die von Anbietern von Online-Marktplätzen auf der Grundlage dieses Artikels entfernt wurden, zusammen;
g)
sie gestatten den Zugang zu ihren Schnittstellen für die von Marktüberwachungsbehörden zur Identifizierung gefährlicher Produkte eingesetzten Online-Tools;
h)
sie arbeiten bei der Ermittlung der Lieferkette gefährlicher Produkte, soweit möglich, durch Beantwortung von Datenanfragen zusammen, falls die einschlägigen Informationen nicht öffentlich zugänglich sind;
i)
falls Anbieter von Online-Marktplätzen oder Online-Verkäufer technische Hindernisse für die Extraktion von Daten aus ihren Online-Schnittstellen (data scraping) eingerichtet haben, ermöglichen sie den Marktüberwachungsbehörden auf deren begründetes Ersuchen die Extraktion solcher Daten nur zu Zwecken der Produktsicherheit auf der Grundlage der von den ersuchenden Marktüberwachungsbehörden bereitgestellten Identifizierungsparameter.

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