Artikel 9 VO (EU, Euratom) 2013/883
Verfahrensgarantien
(1) Die Untersuchungen des Amtes dienen der Ermittlung sowohl der belastenden als auch der entlastenden Fakten in Bezug auf die betroffene Person. Sie werden objektiv und unparteiisch sowie unter Einhaltung der Unschuldsvermutung und der in diesem Artikel genannten Verfahrensgarantien durchgeführt.
(2) Das Amt kann einen Betroffenen oder einen Zeugen zu jedem Zeitpunkt während einer Untersuchung befragen. Jeder Befragte hat das Recht, keine Angaben zu machen, die ihn belasten können.
Die Ladung zu einem Gespräch wird einem Betroffenen mindestens zehn Arbeitstage im Voraus übermittelt. Diese Frist kann verkürzt werden, wenn der Betroffene dem ausdrücklich zustimmt oder wenn dies aufgrund der hinreichend begründeten Dringlichkeit der Untersuchung geboten ist. In letzterem Fall darf die Frist nicht weniger als 24 Stunden betragen. Die Einladung enthält auch eine Auflistung der Rechte des Betroffenen; insbesondere wird auf sein Recht hingewiesen, sich von einer Person seiner Wahl unterstützen zu lassen.
Zeugen wird die Einladung zu einem Gespräch mindestens 24 Stunden im Voraus übermittelt. Diese Frist kann verkürzt werden, wenn der Zeuge dem ausdrücklich zustimmt oder wenn dies aufgrund der hinreichend begründeten Dringlichkeit der Untersuchung geboten ist.
Die Anforderungen nach den Unterabsätzen 2 und 3 gelten nicht für die Aufnahme von Erklärungen im Zusammenhang mit Kontrollen und Überprüfungen vor Ort. Für den Betroffenen gelten die Verfahrensgarantien im Sinne von Artikel 3 Absätze 7 und 8, insbesondere das Recht, sich von einer Person seiner Wahl vertreten zu lassen.
Ergeben sich im Laufe eines Gesprächs Hinweise darauf, dass es sich bei einem Zeugen möglicherweise um einen Betroffenen handelt, so ist das Gespräch zu beenden. Die in dem vorliegenden Absatz und in den Absätzen 3 und 4 vorgesehenen Verfahrensvorschriften kommen unverzüglich zur Anwendung. Der Zeuge wird umgehend über seine Rechte als Betroffener informiert; auf Wunsch erhält er eine Kopie des Protokolls etwaiger Erklärungen, die er zu einem früheren Zeitpunkt abgegeben hat. Das Amt darf frühere Erklärungen dieser Person nicht gegen sie verwenden, ohne ihr zunächst die Möglichkeit gegeben zu haben, zu diesen Erklärungen Stellung zu nehmen.
Das Amt erstellt ein Gesprächsprotokoll und gewährt der gehörten Person Zugang zu dem Protokoll, damit sie dem Protokoll ihre Zustimmung erteilen oder Anmerkungen hinzufügen kann. Das Amt händigt dem Betroffenen eine Kopie des Gesprächsprotokolls aus.
(3) Sobald es sich bei einer Untersuchung herausstellt, dass es sich bei einem Beamten oder sonstigem Bediensteten, einem Mitglied eines der Organe oder Einrichtungen, einem Leiter einer sonstigen Stelle oder einem Bediensteten möglicherweise um einen Betroffenen handelt, wird dieser Beamte oder sonstige Bedienstete, dieses Mitglied eines der Organe oder Einrichtungen, dieser Leiter einer sonstigen Stelle oder Bedienstete hiervon in Kenntnis gesetzt, sofern dadurch nicht die Durchführung der Untersuchung oder eines in die Zuständigkeit einer nationalen Justizbehörde fallenden Untersuchungsverfahrens beeinträchtigt wird.
(4) Unbeschadet von Artikel 4 Absatz 6 und Artikel 7 Absatz 6 ist nach Abschluss der Untersuchung und bevor sich namentlich auf eine Person beziehende Schlussfolgerungen gezogen werden, dieser Person Gelegenheit zu geben, sich zu den sie betreffenden Sachverhalten zu äußern.
Zu diesem Zweck übermittelt das Amt dem Betroffenen eine Aufforderung, schriftlich oder während eines Gesprächs mit den dazu bestimmten Bediensteten des Amtes Stellung zu nehmen. Diese Aufforderung enthält eine Zusammenfassung der sich auf den Betroffenen beziehenden Tatsachen und die nach Artikel 15 und 16 der Verordnung (EU) 2018/1725 erforderlichen Informationen; es wird eine Frist für die Übermittlung der Stellungnahme angegeben, die nicht weniger als zehn Arbeitstage ab Erhalt der Aufforderung zur Stellungnahme beträgt. Diese Frist kann verkürzt werden, wenn der Betroffene dem ausdrücklich zustimmt oder wenn dies aufgrund der hinreichend begründeten Dringlichkeit der Untersuchung geboten ist. Der abschließende Untersuchungsbericht nimmt Bezug auf etwaige Stellungnahmen.
In hinreichend begründeten Fällen, in denen die Vertraulichkeit der Untersuchung oder einer laufenden oder künftigen strafrechtlichen Ermittlung durch die EUStA oder eine nationale Justizbehörde gewahrt werden muss, kann der Generaldirektor – gegebenenfalls nach Absprache mit der EUStA oder der betroffenen nationalen Justizbehörde – beschließen, dass der Pflicht, dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, erst zu einem späteren Zeitpunkt nachgekommen wird.
Erteilt das Organ, die Einrichtung oder die sonstige Stelle in den in Anhang IX Artikel 1 Absatz 2 des Statuts genannten Fällen innerhalb eines Monats keine Antwort auf das Ersuchen des Generaldirektors, der Pflicht, dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, erst zu einem späteren Zeitpunkt nachzukommen, so gilt dies als Zustimmung.
(5) Jede gehörte Person hat das Recht, sich in jeglicher Amtssprache der Organe der Union zu äußern. Beamte und sonstige Bedienstete der Union können jedoch aufgefordert werden, sich in einer Amtssprache der Organe der Union zu äußern, die sie gründlich beherrschen.
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