Präambel VO (EWG) 68/1017

DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf die Artikel 75 und 87,

auf Vorschlag der Kommission,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments(1),

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses(2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

Auf Grund der Verordnung Nr. 141 des Rates über die Nichtanwendung der Verordnung Nr. 17 des Rates auf den Verkehr(3) findet die Verordnung Nr. 17(4) auf Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen auf dem Gebiet des Verkehrs, welche die Festsetzung von Beförderungsentgelten und -bedingungen, die Beschränkung oder die Überwachung des Angebots an Verkehrsleistungen oder die Aufteilung der Verkehrsmärkte bewirken, sowie auf beherrschende Stellungen auf dem Verkehrsmarkt im Sinne des Artikels 86 des Vertrages keine Anwendung.

Durch die Verordnung Nr. 1002/67/EWG(5) ist die Nichtanwendung der Verordnung Nr. 17 für den Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr bis zum 30. Juni 1968 befristet worden.

Die Festlegung von Wettbewerbsregeln für den Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr stellt eine Maßnahme sowohl der gemeinsamen Verkehrspolitik als auch der allgemeinen Wirtschaftspolitik dar.

Bei der Festlegung der auf diesen Gebieten anwendbaren Wettbewerbsregeln müssen die Besonderheiten des Verkehrs berücksichtigt werden.

Die Wettbewerbsregeln für den Verkehrssektor weichen von den allgemeinen Wettbewerbsregeln ab; daher muß es den Unternehmen ermöglicht werden, die in jedem einzelnen Fall anzuwendende Regelung zu kennen.

Die Einführung einer Wettbewerbsregelung auf dem Verkehrssektor läßt es wünschenswert erscheinen, daß die gemeinsame Finanzierung oder Anschaffung von Transportmaterial zur gemeinsamen Verwendung durch bestimmte Unternehmensgemeinschaften sowie einige mit dem Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr verbundene Tätigkeiten des Verkehrshilfsgewerbes in gleichem Maße in die Regelung einbezogen werden.

Damit der Handel zwischen Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigt und der Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes nicht verfälscht wird, ist es angezeigt, Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und zwischen Unternehmen abgestimmte Verhaltensweisen sowie die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt, die derartige Wirkungen haben können, für die drei vorgenannten Verkehrsträger grundsätzlich zu verbieten.

Bestimmte Arten von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen auf dem Gebiet des Verkehrs, die ausschließlich die Anwendung technischer Verbesserungen oder eine technische Zusammenarbeit bezwecken und bewirken, können vom Kartellverbot ausgenommen werden, da sie zur Verbesserung der Produktivität beitragen. Der Rat kann sich im Lichte der Erfahrungen auf Grund der Anwendung dieser Verordnung veranlaßt sehen, die Liste dieser Arten von Vereinbarungen auf Vorschlag der Kommission zu ändern.

Um eine Verbesserung der mitunter allzu stark aufgesplitterten gewerblichen Struktur auf dem Gebiet des Straßen- und Binnenschiffsverkehrs zu fördern, ist es ferner angezeigt, Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen zur Schaffung und zum Betrieb von Unternehmensgemeinschaften des Straßen- und Binnenschiffsverkehrs, die der Durchführung von Beförderungsaufträgen einschließlich der gemeinsamen Finanzierung oder Anschaffung von Transportmaterial zur gemeinsamen Verwendung dienen, von dem Kartellverbot auszunehmen. Eine solche Globalausnahme kann nur gewährt werden, sofern die Gesamtladekapazität einer Unternehmensgemeinschaft eine bestimmte Höchstgrenze nicht übersteigt und die Kapazität der an der Gemeinschaft beteiligten Einzelunternehmen bestimmte Grenzen nicht überschreitet, die so festgesetzt sind, daß keines dieser Unternehmen eine beherrschende Stellung innerhalb der Unternehmensgemeinschaft erlangen kann. Die Kommission muß jedoch die Möglichkeit haben, gegen solche Vereinbarungen einzuschreiten, wenn sie im Einzelfall Auswirkungen haben, die mit den Bedingungen dafür, daß ein Kartell als zulässig anerkannt werden kann, unvereinbar sind und einen Mißbrauch der Ausnahme darstellen. Der Umstand, daß eine Unternehmensgemeinschaft über eine die festgesetzte Höchstgrenze überschreitende Gesamtladekapazität verfügt oder wegen der Kapazität der an der Gemeinschaft beteiligten Einzelunternehmen für die Globalausnahme nicht in Betracht kommt, schließt jedoch nicht aus, daß es sich in ihrem Fall um eine zulässige Vereinbarung, einen zulässigen Beschluß oder eine zulässige abgestimmte Verhaltensweise handeln kann, sofern sie die in dieser Verordnung hierfür festgesetzten Voraussetzungen erfüllt.

Trägt eine Vereinbarung, ein Beschluß oder eine abgestimmte Verhaltensweise zur Verbesserung der Qualität der Verkehrsleistungen oder auf den Märkten, auf denen Angebot und Nachfrage starken zeitlichen Schwankungen unterliegen, zur Verbesserung der Kontinuität und Stabilität der Befriedigung des Verkehrsbedarfs oder zur Steigerung der Produktivität der Unternehmen oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts bei, so sollte das Verbot für nicht anwendbar erklärt werden können. Voraussetzung hierfür ist jedoch, daß bei einer Vereinbarung, einem Beschluß oder einer abgestimmten Verhaltensweise den Interessen der Verkehrsnutzer in billiger Weise Rechnung getragen wird, den betreffenden Unternehmen nur die zur Erreichung der genannten Ziele unbedingt erforderlichen Beschränkungen auferlegt werden und diesen Unternehmen nicht die Möglichkeit gegeben wird, den Wettbewerb auf einem wesentlichen Teil des Verkehrsmarktes auch im Hinblick auf die Substitutionskonkurrenz der anderen Verkehrsträger auszuschalten.

Solange der Rat im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik keine geeigneten Maßnahmen in Kraft gesetzt hat, um die Stabilität eines einzelnen Bereiches des Verkehrsmarktes sicherzustellen, ist es — nachdem der Rat einen Krisenzustand festgestellt hat — angezeigt, in dem betreffenden Marktbereich die Vereinbarungen zu genehmigen, die zur Verringerung der sich aus der Struktur des Verkehrsmarktes ergebenden Störungen erforderlich sind.

Es ist angezeigt, daß die Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs in bezug auf öffentliche Unternehmen und Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine dieser Verordnung widersprechenden Maßnahmen treffen oder beibehalten. Es ist ferner angezeigt, daß Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, den Bestimmungen dieser Verordnung unterliegen, soweit deren Anwendung nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert, ohne daß jedoch die Entwicklung des Handelsverkehrs in einem Ausmaß beeinträchtigt wird, das dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft. Die Kommission muß die Möglichkeit haben, für die Anwendung dieser Grundsätze zu sorgen und zu diesem Zweck geeignete Richtlinien oder Entscheidungen an die Mitgliedstaaten zu richten.

Die Einzelheiten der Anwendung der materiellrechtlichen Vorschriften dieser Verordnung müssen so festgelegt werden, daß sie dem Erfordernis einer wirksamen Überwachung bei möglichst einfacher Verwaltungskontrolle entsprechen. Andererseits ist das Erfordernis der rechtlichen Sicherheit der Unternehmen zu berücksichtigen.

Es ist in erster Linie Sache der Unternehmen, zu beurteilen, ob bei ihren Vereinbarungen, Beschlüssen oder abgestimmten Verhaltensweisen den Wettbewerb beschränkende Auswirkungen oder wirtschaftlich günstige Auswirkungen, die diese Beschränkungen rechtfertigen können, überwiegen. Sie sollten auf diese Weise unter eigener Verantwortung feststellen, ob diese Vereinbarungen, Beschlüsse oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen zulässig sind oder nicht.

Den Unternehmen muß daher gestattet werden, Vereinbarungen zu schließen und anzuwenden, ohne sie bekanntgeben zu müssen; es ergibt sich somit für sie das Risiko einer rückwirkenden Nichtigkeit für den Fall, daß diese Vereinbarungen auf Grund einer Beschwerde oder von Amts wegen durch die Kommission geprüft werden, jedoch unbeschadet der Möglichkeit, daß diese Vereinbarungen im Falle einer solchen nachträglichen Prüfung rückwirkend für zulässig erklärt werden.

In gewissen Fällen können jedoch die Unternehmen die Hilfe der zuständigen Behörden wünschen, um die Gewißheit zu erlangen, daß ihre Vereinbarungen, Beschlüsse oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen mit den geltenden Vorschriften in Einklang stehen. Zu diesem Zweck sollte ein Verfahren eingeführt werden, nach dem die Unternehmen bei der Kommission einen Antrag stellen können und der wesentliche Teil dieses Antrags im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht wird, so daß betroffene Dritte Bemerkungen zu der betreffenden Vereinbarung mitteilen können. Legen die Mitgliedstaaten oder betroffene Dritte keine Beschwerden ein und teilt die Kommission nicht innerhalb einer festgesetzten Frist den Antragstellern mit, daß hinsichtlich der Zulässigkeit der betreffenden Vereinbarung erhebliche Zweifel bestehen, so gilt die Vereinbarung für die zurückliegende Zeit und für die nächsten drei Jahre als von dem Verbot freigestellt.

Wegen des Ausnahmecharakters der Vereinbarungen, die notwendig sind, um im Falle eines vom Rat festgestellten Krisenzustands die sich aus der Struktur des Verkehrsmarktes ergebenden Störungen zu verringern, sollte vorgesehen werden, daß Unternehmen, die die Genehmigung einer solchen Vereinbarung erhalten möchten, diese bei der Kommission anmelden müssen. Die Genehmigung der Kommission würde erst zum Zeitpunkt ihrer Erteilung wirksam werden. Die Gültigkeitsdauer einer solchen Genehmigung dürfte drei Jahre nach Feststellung des Krisenzustands durch den Rat nicht überschreiten und die Erneuerung der Entscheidung muß davon abhängig sein, daß der Rat erneut den Krisenzustand feststellt. Auf jeden Fall muß die Genehmigung spätestens sechs Monate nach dem Zeitpunkt, zu dem der Rat geeignete Maßnahmen zur Sicherstellung der Stabilität des von der Vereinbarung betroffenen Verkehrsmarktes in Kraft gesetzt hat, ungültig werden.

Um eine einheitliche Anwendung der Wettbewerbsregeln für den Verkehr im Gemeinsamen Markt zu gewährleisten, ist es notwendig, die Vorschriften festzulegen, nach denen die Kommission in enger und stetiger Verbindung mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten die zur Anwendung dieser Wettbewerbsregeln erforderlichen Maßnahmen treffen kann.

Zu diesem Zweck muß die Kommission die Mitwirkung der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten erhalten und außerdem im gesamten Bereich des Gemeinsamen Marktes über die Befugnis verfügen, Auskünfte zu verlangen und Nachprüfungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um die nach dieser Verordnung verbotenen Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen sowie die nach dieser Verordnung verbotene mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung zu ermitteln.

Falls nach Ansicht eines Mitgliedstaats bei der Anwendung der Verordnung in einem bestimmten Fall Grundsatzfragen der gemeinsamen Verkehrspolitik aufgeworfen werden, sollte der Rat die Möglichkeit haben, diese Grundsatzfragen zu prüfen. Es ist angebracht, daß dem Rat alle allgemeinen Fragen unterbreitet werden können, die sich aus der Anwendung der Wettbewerbspolitik auf dem Gebiet des Verkehrs ergeben. Mit einem entsprechenden Verfahren ist sicherzustellen, daß die Entscheidung zur Anwendung dieser Verordnung in einem bestimmten Fall von der Kommission erst nach der Prüfung der Grundsatzfragen durch den Rat und unter Berücksichtigung der dabei erarbeiteten Leitsätze erlassen wird.

Zur Erfüllung ihrer Aufgabe, für die Anwendung dieser Verordnung Sorge zu tragen, muß die Kommission das Recht haben, an Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen Empfehlungen und Entscheidungen zu richten mit dem Ziel, Zuwiderhandlungen gegen die Verordnungsbestimmungen über das Verbot bestimmter Vereinbarungen, Beschlüsse und Verhaltensweisen abzustellen.

Die Beachtung der mit dieser Verordnung aufgestellten Verbote und die Erfüllung der in Anwendung dieser Verordnung den Unternehmen und Unternehmensvereinigungen auferlegten Pflichten müssen durch Geldbußen und Zwangsgelder sichergestellt werden können.

Es ist zweckdienlich, das Recht der beteiligten Unternehmen zu gewährleisten, von der Kommission angehört zu werden, dritten Personen, deren Interessen durch eine Entscheidung betroffen werden können, vorher Gelegenheit zur Äußerung zu geben sowie eine weitgehende Veröffentlichung der getroffenen Entscheidungen sicherzustellen.

Es ist angebracht, dem Gerichtshof nach Artikel 172 des Vertrages eine Zuständigkeit zu übertragen, welche die Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung bei solchen Entscheidungen umfaßt, durch welche Geldbußen oder Zwangsgelder auferlegt werden.

Um es den Unternehmen zu erleichtern, die am Tage der Veröffentlichung dieser Verordnung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften bestehenden Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen an die neue Regelung anzupassen, erscheint es zweckmäßig, daß das in dieser Verordnung aufgestellte Verbot hierfür erst nach Ablauf von sechs Monaten wirksam wird.

Es empfiehlt sich, innerhalb einer angemessenen Frist nach Abschluß der Gespräche, die mit den dritten Unterzeichnerstaaten der revidierten Rheinschiffahrtsakte geführt werden, an der Verordnung in ihrer Gesamtheit die Änderungen vorzunehmen, die unter Berücksichtigung der Verpflichtungen aus der revidierten Rheinschiffahrtsakte erforderlich werden könnten.

Es ist angezeigt, an der Verordnung die Änderungen vorzunehmen, die sich gegebenenfalls nach den binnen drei Jahren gewonnenen Erfahrungen als notwendig erweisen. Unter Berücksichtigung der Entwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik während des genannten Zeitraums ist insbesondere zu prüfen, ob es zweckmäßig ist, den Anwendungsbereich der Verordnung auf Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen sowie auf die mißbräuchliche Ausnutzung beherrschender Stellungen, die den Handel zwischen den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen, auszudehnen —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. Nr. 205 vom 11. 12. 1964, S. 3505/64.

(2)

ABl. Nr. 103 vom 12. 6. 1965, S. 1792/65.

(3)

ABl. Nr. 124 vom 28. 11. 1962, S. 2751/62.

(4)

ABl. Nr. 13 vom 21. 2. 1962, S. 204/62.

(5)

ABl. Nr. 306 vom 16. 12. 1967, S. 1.

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