§ 3.02 BinSchUO2018Anh II

Nachweis der Intaktstabilität für Gierseilfähren

1.
Ergänzend zu § 2.02 muss sich der Nachweis ausreichender Intaktstabilität für Gierseilfähren auf Berechnungen für Neigungen der Gierseilfähre nach Oberstrom und nach Unterstrom erstrecken.
2.
Der Nachweis ausreichender Intaktstabilität bei Neigungen nach Oberstrom ist als erbracht anzusehen, wenn die Krängung der Gierseilfähre nach Oberstrom bei einer Beladung nach Nummer 4 und voller Ausrüstung und bei Einhaltung eines Restfreibords nach Nummer 7 unter gleichzeitiger Einwirkung
a)
einer seitlichen Verschiebung der Landfahrzeuge und Personen nach Nummer 5,
b)
des Windwiderstandes nach Artikel 19.03 Nummer 5 ES-TRIN,
c)
einer seitlichen Anströmung und
d)
eines Restwasserstandes auf dem Boden des Fährkörpers nach Nummer 8
einen Winkel von 5° nicht überschreitet. Gierseilfähren mit Hilfsantrieb sind mit halbgefüllten Brennstofftanks zu rechnen. Der Nachweis ist in Form einer grafischen Hebelarmbilanz zu erbringen. Dabei sind für mindestens drei angenommene Beladungszustände nach Nummer 4 und mindestens drei Fließgeschwindigkeiten nach Nummer 6 die krängenden Hebelarme in Metern nach der Formel
und die aufrichtenden Hebelarme in Metern nach der Formel
ha = (µ · MF + MG) · sinφ – Δhq
zu ermitteln. Bei Gierseilfähren, deren Gierseil auf der Sohle des Flussbettes verlegt ist (Grundseilfähren), lautet die Formel für die krängenden Hebelarme in Metern
In diesen Formeln bedeutet:
Wq
der Widerstand aus Queranströmung bei Neigungswinkeln von 0° bis 11° in Kilonewton (kN),
WG
der Gefällewiderstand in Kilonewton (kN),
WW
der Windwiderstand in Kilonewton (kN) nach Artikel 19.03 Nummer 5 ES-TRIN,
HT
der senkrechte Abstand des Angriffspunktes des Gierseils von der Wasserlinie im Ausgangszustand in Metern (m),
BT
der horizontale Abstand des Angriffspunktes des Gierseils von Mitte Schiff in Metern (m),
α
der Winkel des Gierseils am Schiff gegen die Horizontale,
MW
das Winddruckmoment in Kilonewtonmeter (kNm) nach Artikel 19.03 Nummer 5 ES-TRIN,
MZ
das Moment aus der Verschiebung der Zuladung nach Nummer 5 in Kilonewtonmeter (kNm),
g
die Erdbeschleunigung 9,81 in Meter durch Sekundenquadrat (m/s2),
D
die Wasserverdrängung in Tonnen (t),
µMF
die vertikale Auswanderung des Formschwerpunkts in Metern (m),
MG
die metazentrische Höhe, verringert um den Abzug für freie Oberflächen entsprechend Nummer 8 in Metern (m),
φ
der Krängungswinkel der Gierseilfähre und
Δhq
die direkte Verminderung der Stabilitätshebelarme durch Queranströmung in Metern (m).
3.
Der Nachweis ausreichender Intaktstabilität bei Neigungen nach Unterstrom ist erbracht, wenn die Krängung der Gierseilfähre unter Berücksichtigung der Beladungszustände und der krängenden Einflüsse nach Nummer 2 Satz 1 einen Winkel φzul, der sich aus der Formel
ergibt, nicht überschreitet. In dieser Formel bedeutet:
φzul
der Grenzwinkel,
H – T
der Abstand des tiefsten Punkts des Fährdecks bis zur Wasserlinie bei φ = 0°, der bei Krängung der Fähre nach Unterstrom zuerst zu Wasser kommt, in Metern (m),
T
der Tiefgang bei dem zu untersuchenden Beladungsfall in Metern (m) und
B
die Breite der Gierseilfähre in Höhe des Decks an der Stelle, wo das Maß H angenommen wurde, in Metern (m).
Der Grenzwinkel darf 10° nicht überschreiten. Der Nachweis ist in Form eines grafischen Vergleichs der sich einstellenden Endneigungswinkel mit dem Grenzwinkel für mindestens drei Beladungszustände nach Nummer 4 und mindestens 3 Fließgeschwindigkeiten nach Nummer 6 zu erbringen. Dabei sind die Endneigungswinkel nach der Formel
zu errechnen. In dieser Formel bedeutet:
hkr
die Summe der krängenden Hebelarme in Metern (m),
φzul
der Grenzwinkel nach obiger Formel und
ha
der aufrichtende Hebelarm in Metern (m).
Die krängenden Hebelarme in Metern sind dabei nach der Formel
und die aufrichtenden Hebelarme nach der Formel
zu berechnen. Die Definition der einzelnen Summanden und Faktoren entspricht der Definition in Nummer 2; für Wq ist jedoch nur der Wert für 0° Neigung einzusetzen.
4.
Für die Berechnung nach den Nummern 2 und 3 ist eine gemischte Beladung Z aus Landfahrzeugen und 45 Personen in homogener Verteilung anzunehmen. Sie ist für jeweils einen Rechengang in
Z1 = (  0 · PF) + (0 · PP) (Gierseilfähre leer),
Z2 = (0,5 · PF) + (1 · PP) (halbe Zuladung),
Z3 = (  1 · PF) + (1 · PP) (ganze Zuladung)
aufzuteilen, wobei Z das Gewicht der Zuladung in Tonnen, PF das Gewicht der Landfahrzeuge in Tonnen und PP das Gewicht von 45 Personen in Tonnen ist.
5.
Das Moment aus der seitlichen Verschiebung der Zuladung ist nach folgender Formel zu berechnen:
MZ = Zn · e
In dieser Formel bedeutet:
Zn
das Gewicht der Zuladung Z2 oder Z3 in Tonnen (t),
e
den größten seitlichen Verschiebungsweg der Zuladung aus der Mittellängsachse der Gierseilfähre in Metern (m).
Sind die Schrammborde so gesetzt, dass eine seitliche Verschiebung der Landfahrzeuge nicht möglich ist, so ist nur die seitliche Verschiebung der Personen nach der Formel
MZ = PP · e
in die Rechnung einzusetzen.
6.
In den Berechnungen nach den Nummern 2 und 3 ist die mittlere Fließgeschwindigkeit des Wassers vornehmlich bei:
a)
Niedrigwasserstand (NW),
b)
Mittelwasserstand (MW) und
c)
Hochwasserstand (HW)
zu berücksichtigen. Die Werte müssen sich nachweisbar auf die Fährstelle beziehen und müssen vom zuständigen Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt bestätigt sein. Eine Querprofilzeichnung der Fährstelle ist der Rechnung beizufügen.
7.
Bei Neigungen der Gierseilfähre nach Oberstrom entsprechend Nummer 2 muss
a)
der Restfreibord auf der Oberstromseite mindestens 0,10 m und bei
b)
Gierseilfähren mit zusätzlichem wasserdichten Deckaufsatz auf der Oberstromseite mindestens 0,10 m, jedoch nicht weniger als die größte Höhe des Deckaufsatzes über dem Fährdeck,
betragen. Für den Restfreibord gilt folgende Formel:
FR = H – TS
In dieser Formel bedeutet:
FR
der Restfreibord in Metern (m),
H
die Seitenhöhe bis zum tiefsten Punkt des Fährdecks in Metern (m),
TS
die Aufstauhöhe in Metern (m).
Bei Gierseilfähren mit Deckssprung, bei denen die hochgezogene Außenhaut ein festes Schanzkleid bildet, kann der Restfreibord vom Anlenkpunkt der Landeklappen oder vom tiefsten nicht wasserdichten Punkt des Schanzkleids abgesetzt werden; der tiefere Punkt ist maßgebend.
8.
In den Berechnungen nach den Nummern 2 und 3 ist ein Restwasserstand von 0,02 m im Fährkörper anzunehmen.
9.
Als Ergebnisse der Berechnung sind festzulegen:
a)
bei Belastung der Gierseilfähre ausschließlich mit Personen
aa)
die höchstzulässige Anzahl der Fahrgäste,
bb)
die Verdrängung (m3),
b)
bei Belastung der Gierseilfähre mit Personen, Landfahrzeugen oder sonstigen Lasten
aa)
die höchstzulässige Anzahl der Fahrgäste,
bb)
die Tragfähigkeit in Tonnen (t) einschließlich 45 Personen,
cc)
das zulässige Gesamtgewicht eines von mehreren Landfahrzeugen in Tonnen (t),
dd)
das zulässige Gesamtgewicht des schwersten und einzigen Landfahrzeugs in Tonnen (t),
ee)
die zulässige Achslast einer Einzelachse und einer Doppelachse von Landfahrzeugen in Tonnen (t)
jeweils bei Niedrigwasserstand, Mittelwasserstand und Hochwasserstand.
10.
Während der Fahrt und bei Be- und Entladen der Fähre darf der höchstzulässige Krängungswinkel nach § 3.02 Nummer 3 nicht überschritten und der Restfreibord nach § 3.02 Nummer 7 nicht unterschritten werden, wobei beim Be- und Entladevorgang die Fähre freischwimmend zu betrachten ist, es sei denn, das Fährgefäß wird beim Abstützen auf der Rampe durch eine kraftschlüssige Verbindung in einer festen Lage gehalten.

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