Artikel 4 RL 2003/48/EG

Zahlstellen

(1) Für die Zwecke dieser Richtlinie gilt als „Zahlstelle” jeder in einem Mitgliedstaat niedergelassene Wirtschaftsbeteiligte, der eine Zinszahlung an den wirtschaftlichen Eigentümer vornimmt oder eine solche Zinszahlung zu dessen unmittelbaren Gunsten einzieht.

Für die Zwecke dieses Absatzes ist es unerheblich, ob der betreffende Wirtschaftsbeteiligte Schuldner der Forderung oder Emittent des Wertpapiers ist, die den Erträgen zugrunde liegen, oder vom Schuldner, vom Emittenten oder vom wirtschaftlichen Eigentümer mit der Zinszahlung oder deren Einziehung beauftragt ist.

Ein in einem Mitgliedstaat niedergelassener Wirtschaftsbeteiligter gilt für die Zwecke dieser Richtlinie auch als Zahlstelle, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

a)
Er nimmt eine Zinszahlung an einen anderen Wirtschaftsbeteiligten — einschließlich einer festen Niederlassung oder einer Tochtergesellschaft des ersten Wirtschaftsbeteiligten — vor, der außerhalb des Gebiets nach Artikel 7 und des räumlichen Geltungsbereichs von Abkommen oder Regelungen, die dieselben Maßnahmen wie diese Richtlinie oder diesen gleichwertige Maßnahmen vorsehen, ansässig ist, und
b)
der erste Wirtschaftsbeteiligte hat angesichts der ihm vorliegenden Informationen Grund zu der Annahme, dass der zweite Wirtschaftsbeteiligte den Ertrag an einen wirtschaftlichen Eigentümer zahlen oder zu dessen unmittelbaren Gunsten einziehen wird, bei dem es sich um eine natürliche Person handelt, die nach Kenntnis des ersten Wirtschaftsbeteiligten in Anbetracht des Artikels 3 in einem anderen Mitgliedstaat wohnhaft ist.

Sind die Bedingungen nach Unterabsatz 1 Buchstaben a und b erfüllt, so gilt die Zinszahlung des ersten Wirtschaftsbeteiligten oder die Einziehung einer Zinszahlung durch diesen als zu unmittelbaren Gunsten des wirtschaftlichen Eigentümers nach Unterabsatz 1 Buchstabe b erfolgt.

(2) Eine Einrichtung oder Rechtsvereinbarung, deren Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung sich in einem Mitgliedstaat befindet und die nach den allgemeinen Vorschriften über die direkte Besteuerung entweder dieses Mitgliedstaats oder des Mitgliedstaats, in dem sich der Ort ihrer Niederlassung befindet, oder eines Landes oder Rechtssystems, das in anderer Weise als steuerlicher Wohnsitz gilt, nicht effektiv besteuert wird, gilt als Zahlstelle kraft Vereinnahmung oder Einziehung einer Zinszahlung.

Für die Zwecke dieses Absatzes gelten die Kategorien von Einrichtungen und Rechtsvereinbarungen, die in dem Verzeichnis in Anhang II genannt werden, als nicht effektiv besteuert.

Gehört eine Einrichtung oder Rechtsvereinbarung nicht einer der in dem Verzeichnis in Anhang II genannten Kategorien an oder fällt sie zwar unter diesen Anhang, gibt aber an, effektiv besteuert zu werden, so legt der Wirtschaftsbeteiligte auf der Grundlage allgemein anerkannter Tatsachen oder amtlicher Dokumente, die von der Einrichtung oder Rechtsvereinbarung vorgelegt wurden oder aufgrund der Sorgfaltspflichten gemäß der Richtlinie 2005/60/EG verfügbar sind, fest, ob die Einrichtung oder Rechtsvereinbarung effektiv besteuert wird.

Jeder in einem Mitgliedstaat niedergelassene Wirtschaftsbeteiligte, der an eine Einrichtung oder Rechtsvereinbarung gemäß diesem Absatz, deren Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung in einem anderem Mitgliedstaat als dem Staat belegen ist, in dem der Wirtschaftsbeteiligte niedergelassen ist, eine Zinszahlung vornimmt oder für diese einzieht, unterrichtet die zuständige Behörde des Mitgliedstaats seiner Niederlassung unter Nutzung der Informationen gemäß Artikel 2 Absatz 3 Unterabsatz 4 oder sonstiger verfügbarer Informationen über Folgendes:

i)
den Namen der Einrichtung oder Rechtsvereinbarung (sofern vorhanden),
ii)
ihre Rechtsform,
iii)
den Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung,
iv)
den gemäß Artikel 8 bestimmten Gesamtbetrag der Zinszahlung, die an die Einrichtung oder Rechtsvereinbarung gezahlt oder für diese eingezogen wurde,
v)
den Zeitpunkt der letzten Zinszahlung.

Die natürlichen Personen, die als wirtschaftliche Eigentümer der an eine Einrichtung oder Rechtsvereinbarung nach Unterabsatz 1 dieses Absatzes gezahlten oder für diese eingezogenen Zinszahlung gelten, werden nach den Vorschriften des Artikels 2 Absatz 4 bestimmt. Kommt Artikel 2 Absatz 4 Buchstabe c zur Anwendung, so übermittelt die Einrichtung oder Rechtsvereinbarung — falls einer natürlichen Person zu einem späteren Zeitpunkt ein Anspruch auf die Vermögenswerte, aus denen die Zinszahlungen erwachsen, oder auf andere Vermögensvorteile, die anstelle der Zinszahlung zu gewähren sind, entsteht — der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet, die Informationen nach Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 2. Die Einrichtung oder Rechtsvereinbarung meldet der zuständigen Behörde auch jede Änderung des Ortes ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung.

Die Pflichten gemäß Unterabsatz 5 bestehen für zehn Jahre ab dem Zeitpunkt der letzten Zinszahlung, die von der Einrichtung oder Rechtsvereinbarung vereinnahmt oder eingezogen wurde, oder ab dem letzten Zeitpunkt, zu dem einer natürlichen Person ein Anspruch auf die Vermögenswerte, aus denen die Zinszahlungen erwachsen, oder auf andere Vermögenswerte, die der Zinszahlung entsprechen, entstanden ist, je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist.

Hat eine Einrichtung oder Rechtsvereinbarung in einem Fall, in dem Artikel 2 Absatz 4 Buchstabe c zur Anwendung kommt, den Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, so übermittelt die zuständige Behörde des ersten Mitgliedstaats der zuständigen Behörde des neuen Mitgliedstaats die folgenden Informationen:

i)
den Betrag der von der Einrichtung oder Rechtsvereinbarung vereinnahmten oder für sie eingezogenen Zinszahlung, der nach wie vor nicht von früheren Ansprüchen auf die betreffenden Vermögenswerte abgedeckt wird;
ii)
den Zeitpunkt der letzten Zinszahlung, die von der Einrichtung oder Rechtsvereinbarung vereinnahmt oder für sie eingezogen wurde, oder den letzten Zeitpunkt, zu dem einer natürlichen Person ein Anspruch auf die gesamten oder einen Teil der Vermögenswerte, aus denen die Zinszahlungen erwachsen, oder auf andere Vermögenswerte, die anstelle der Zinszahlung zu gewähren sind, entstanden ist, je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist.

Dieser Absatz findet keine Anwendung, wenn die Einrichtung oder Rechtsvereinbarung den Nachweis erbringt, dass einer der folgenden Fälle auf sie zutrifft:

a)
Es handelt sich um einen Organismus für gemeinsame Anlagen oder einen anderen Investmentfonds oder ein anderes Investmentsystem gemäß der Definition in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe d Ziffern i und iii oder Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben e Ziffern i und iii;
b)
es handelt sich um eine Einrichtung, die Altersversorgungsleistungen oder Versicherungsdienstleistungen erbringt, oder um ein Unternehmen, das von einer solchen Einrichtung mit der Verwaltung ihrer Vermögenswerte beauftragt wurde;
c)
sie ist nach dem geltenden Verfahren des Mitgliedstaats, in dem sich ihr steuerlicher Wohnsitz oder der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet, als nach den allgemeinen Vorschriften über die direkte Besteuerung zur Befreiung von der effektiven Besteuerung berechtigt anerkannt, weil sie ausschließlich gemeinnützigen, karitativen Zwecken dient;
d)
sie stellt gemeinsam gehaltenes wirtschaftliches Eigentum dar, bezüglich dessen der Wirtschaftsbeteiligte, der die Zahlung vornimmt oder einzieht, die Identität und den Wohnsitz aller wirtschaftlichen Eigentümer nach Artikel 3 festgestellt hat und damit nach Absatz 1 selbst die Zahlstelle ist.

(3) Eine Einrichtung nach Absatz 2, die einem Organismus für gemeinsame Anlagen oder einem Investmentfonds oder Investmentsystem für gemeinsame Anlagen nach Absatz 2 Unterabsatz 8 Buchstabe a ähnlich ist, hat die Möglichkeit, sich für die Zwecke dieser Richtlinie als einen Organismus, einen Investmentfond oder ein Investmentsystem dieser Art behandeln zu lassen.

Nutzt eine Einrichtung die Möglichkeit nach Unterabsatz 1, so stellt der Mitgliedstaat, in dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet, eine entsprechende Bescheinigung aus. Die Einrichtung legt die Bescheinigung dem Wirtschaftsbeteiligten, der die Zinszahlung vornimmt oder einzieht, vor. Der Wirtschaftsbeteiligte ist in diesem Fall von den Pflichten gemäß Absatz 2 Unterabsatz 4 befreit.

Zur Gewährleistung der wirksamen Anwendung dieser Richtlinie regeln die Mitgliedstaaten die Einzelheiten der in Unterabsatz 1 genannten Wahlmöglichkeit für die Einrichtungen, deren Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung sich in ihrem Hoheitsgebiet befindet.

© Europäische Union 1998-2021

Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.