ANHANG I RL 2003/97/EG

BEGRIFFSBESTIMMUNGEN UND VERWALTUNGSVERFAHREN FÜR DIE EG-TYPGENEHMIGUNG

1.
BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

1.1. „Einrichtungen für indirekte Sicht” : Einrichtungen zur Beobachtung des nicht direkt einsehbaren Straßenraums in der Umgebung des Fahrzeugs. Hierbei kann es sich um herkömmliche Spiegel, um Kamera-Monitor-Systeme oder Einrichtungen anderer Art handeln, die dem Fahrer Informationen über das indirekte Sichtfeld vermitteln.

1.1.1. „Spiegel” : unter Ausschluss von Einrichtungen wie Periskopen eine Einrichtung, deren Zweck darin besteht, in dem in Anhang III Nummer 5 festgelegten Sichtfeld eine klare Sicht vom Fahrzeug aus nach hinten, nach vorn oder nach den Seiten zu ermöglichen.
1.1.1.1.
„Innenspiegel” : eine Einrichtung nach Nummer 1.1, die zur Anbringung im Fahrzeuginsassenraum bestimmt ist.
1.1.1.2.
„Außenspiegel” : eine Einrichtung nach Nummer 1.1, die zur Anbringung außen am Fahrzeug bestimmt ist.
1.1.1.3.
„Überwachungsspiegel” : ein anderer als die in Nummer 1.1.1 definierten Spiegel, der innen im Fahrzeug oder außen angebracht werden kann, um andere als die in Anhang III Nummer 5 festgelegten Sichtfelder zu vermitteln.
1.1.1.4.
„r” : Mittelwert der Krümmungsradien, die gemäß Anhang II Anlage 1 Nummer 2 auf der spiegelnden Fläche zu messen sind.
1.1.1.5.
Hauptkrümmungsradien in einem Punkt der spiegelnden Fläche (ri): die mit Hilfe des in Anhang II Anlage 1 beschriebenen Gerätes ermittelten Werte, gemessen auf dem Bogen der spiegelnden Fläche, der durch den Mittelpunkt dieser Fläche parallel zur Strecke b gemäß Definition in Anhang II Nummer 2.2.1 hindurchgeht, sowie auf dem zu dieser Strecke rechtwinkligen Bogen.
1.1.1.6.
Krümmungsradius in einem Punkt der spiegelnden Fläche (rp): das arithmetische Mittel der Hauptkrümmungsradien ri und r′i, d. h.:

1.1.1.7.
„Sphärische Fläche” : eine Fläche, deren Krümmungsradius in allen Richtungen gleich und unveränderlich ist.
1.1.1.8.
„Asphärische Fläche” : eine Fläche, deren Krümmungsradius nur in einer Richtung unveränderlich ist.
1.1.1.9.
„Asphärischer Spiegel” : ein Spiegel, der aus einem sphärischen und einem asphärischen Teil besteht und bei dem der Übergang der spiegelnden Fläche vom sphärischen zum asphärischen Teil gekennzeichnet sein muss. Die Krümmung der Hauptachse des Spiegels wird in dem vom Hauptradius der sphärischen Grundkalotte bestimmten x/y Koordinatensystem wie folgt bestimmt:

R:
Nennradius des sphärischen Teils
k:
Konstante der Krümmungsänderung
a:
Konstante für die Größe der sphärischen Grundkalotte

1.1.1.10.
„Mittelpunkt der spiegelnden Fläche” : der Flächenschwerpunkt des sichtbaren Bereichs der spiegelnden Fläche.
1.1.1.11.
„Abrundungsradius der Bestandteile des Rückspiegels” : der Radius  „c” eines Kreisbogens, der der Abrundung des betreffenden Teils am ähnlichsten ist.
1.1.1.12.
„Augenpunkte des Fahrers” : zwei Punkte, die 65 mm voneinander entfernt sind und in 635 mm Höhe senkrecht über dem in Anlage 6 definierten R-Punkt des Fahrersitzes liegen.Bei Sitzen mit festem Rückenlehnenwinkel wird die Lage der Augenpunkte nach den Bestimmungen in Anlage 7 dieses Anhangs korrigiert. Die Verbindungsgerade der Augenpunkte liegt rechtwinklig zur senkrechten Längsmittelebene des Fahrzeugs. Die Mitte dieser Verbindungsgeraden liegt in der senkrechten Längsebene, die durch den vom Hersteller angegebenen Mittelpunkt des Fahrersitzplatzes geht.
1.1.1.13.
„Ambinokulare Sicht” : das gesamte sich aus der Überlagerung der monokularen Sichtfelder des rechten und des linken Auges ergebende Sichtfeld (siehe nachstehende Abbildung 1).
1.1.1.14.
„Spiegelgruppe” : die Gesamtheit aller Einrichtungen, die eine oder mehrere gleiche Eigenschaften oder Funktionen haben. Sie werden wie folgt eingeteilt:

Gruppe I: Innenrückspiegel, die das in Anhang III Nummer 5.1 festgelegte Sichtfeld vermitteln;

Gruppe II und III: Hauptaußenrückspiegel, die die in Anhang III Nummern 5.2 und 5.3 festgelegten Sichtfelder vermitteln;

Gruppe IV: Weitwinkel-Außenspiegel, die das in Anhang III Nummer 5.4 festgelegte Sichtfeld vermitteln;

Gruppe V: Nahbereichs- oder Anfahr-Außenspiegel, die das in Anhang III Nummer 5.5 festgelegte Sichtfeld vermitteln.

Gruppe VI: Frontspiegel, die das in Anhang III Nummer 5.6 festgelegte Sichtfeld vermitteln.

1.1.2. „Kamera-Monitor-Einrichtung für indirekte Sicht” : eine Einrichtung nach Nummer 1.1 bei der das Sichtfeld durch eine Kombination aus Kamera und Monitor nach Nummer 1.1.2.1 und 1.1.2.2 vermittelt wird.
1.1.2.1.
„Kamera” : eine Einrichtung, bei der ein Objektiv ein Bild der Außenwelt auf die lichtempfindliche Schicht eines elektronischen Bildwandlers projiziert, der es in ein Videosignal wandelt.
1.1.2.2.
„Monitor” : eine Einrichtung, die ein Videosignal in ein Bild im sichtbaren Spektralbereich wandelt.
1.1.2.3.
„Erkennung” : die Fähigkeit, ein Objekt auf eine bestimmte Entfernung von seinem Hintergrund bzw. seiner Umgebung zu unterscheiden.
1.1.2.4.
„Leuchtdichtekontrast” : der Helligkeitsunterschied zwischen einem Objekt und seinem unmittelbaren Hintergrund bzw. seiner unmittelbaren Umgebung, durch den das Objekt von seinem Hintergrund bzw. seiner Umgebung unterschieden werden kann.
1.1.2.5.
„Auflösung” : das kleinste Detail, das ein Wahrnehmungssystem erfassen, d. h. als abgesetzt von einem größeren Ganzen erkennen kann. Die Auflösung des menschlichen Auges wird als Sehschärfe bezeichnet.
1.1.2.6.
„Kritisches Objekt” : ein kreisrundes Objekt mit einem Durchmesser D0 = 0,8 m(1).
1.1.2.7.
„Kritische Wahrnehmungsleistung” : die Wahrnehmungsleistung, zu der das menschliche Auge unter verschiedenen Bedingungen in der Regel fähig ist. Im Straßenverkehr gilt ein Objekt mit einer Ausdehnung von 8 Bogensekunden des Sehwinkels als gerade noch wahrnehmbar.
1.1.2.8.
„Sichtfeld” : der Teil des dreidimensionalen Raumes, in dem ein kritisches Objekt von der Einrichtung für indirekte Sicht erfasst und wiedergegeben werden kann. Das Sichtfeld wird bestimmt durch die Größe und Gestalt der von einer Einrichtung einsehbaren Fläche am Boden und kann durch die Erfassungsreichweite des Systems begrenzt sein.
1.1.2.9.
„Erfassungsreichweite” : die am Boden gemessene Entfernung zwischen dem Sichtbezugspunkt und dem fernsten Punkt, an dem ein kritisches Objekt gerade noch erkennbar ist (d. h. an dem seine Ausdehnung der kritischen Wahrnehmungsleistung entspricht).
1.1.2.10.
„Kritisches Sichtfeld” : der Bereich, in dem ein kritisches Objekt von einer Einrichtung für indirekte Sicht erfasst werden muss. Es wird bestimmt durch einen Winkel und eine oder mehrere Erfassungsreichweiten.
1.1.2.11.
„Sichtbezugspunkt” : der Punkt, auf den das vorgeschriebene Sichtfeld bezogen ist. Das ist der Punkt am Boden, in dem sich die Projektion einer senkrechten Ebene durch die Augenpunkte des Fahrers mit einer parallel zur Längsmittelebene des Fahrzeugs und 20 cm außerhalb des Fahrzeugs verlaufenden Ebene schneidet.
1.1.2.12.
„Sichtbarer Spektralbereich” : vom menschlichen Auge wahrnehmbarer Bereich des Spektrums, der zwischen 380 und 780 nm Wellenlänge liegt.

1.1.3. „Sonstige Einrichtungen für indirekte Sicht” : Einrichtungen nach Nummer 1.1, bei denen das Sichtfeld weder durch einen Spiegel noch durch eine Kombination aus Kamera und Motor vermittelt wird.

1.1.4. „Typ einer Einrichtung für indirekte Sicht” : Einrichtungen für indirekte Sicht, die sich in folgenden wesentlichen Merkmalen nicht unterscheiden:

Auslegung der Einrichtung, gegebenenfalls einschließlich der Befestigung am Aufbau;

bei Spiegeln: Spiegelgruppe, Form, Abmessungen und Krümmungsradius der spiegelnden Fläche;

bei Kamera-Monitor-Einrichtungen: Erfassungsreichweite und Erfassungswinkel.

1.2. Fahrzeugklassen M1, M2, M3, N1, N2, N3: die in Anhang II Teil A der Richt linie 70/156/EWG definierten Fahrzeugklassen.

1.2.1. „Fahrzeugtyp hinsichtlich der indirekten Sicht” : Kraftfahrzeuge, die sich in folgenden wesentlichen Merkmalen nicht unterscheiden:
1.2.1.1.
Typ der Einrichtung für indirekte Sicht;
1.2.1.2.
Teile des Aufbaus, die das Sichtfeld einschränken;
1.2.1.3.
Koordinaten des R-Punktes;
1.2.1.4.
vorgeschriebene Anordnung und Typgenehmigungszeichen der vorgeschriebenen und (sofern vorhanden) der zulässigen Einrichtungen für indirekte Sicht.

2.
ANTRAG AUF ERTEILUNG DER EG-BAUTEIL-TYPGENEHMIGUNG FÜR EINE EINRICHTUNG FÜR INDIREKTE SICHT

2.1. Der Antrag auf Erteilung der EG-Bauteil-Typgenehmigung für einen Typ einer Einrichtung für indirekte Sicht ist vom Hersteller zu stellen.

2.2. Anlage 1 enthält das Muster des Beschreibungsbogens.

2.3. Für jeden Typ einer Einrichtung für indirekte Sicht ist dem Antrag Folgendes beizufügen:
2.3.1.
Im Fall von Spiegeln vier Prüfmuster: drei Spiegel für die Prüfungen und ein Spiegel, der von der Prüfstelle für später eventuell notwendige Prüfungen einbehalten wird. Die Prüfstelle kann weitere Exemplare anfordern.
2.3.2.
Im Fall von sonstigen Einrichtungen für indirekte Sicht ein Prüfmuster aller Teile.

3.
KENNZEICHNUNG

Die zur EG-Bauteil-Typgenehmigung eingereichten Exemplare eines Spiegeltyps oder eines Typs einer sonstigen Einrichtung für indirekte Sicht sind deutlich lesbar und dauerhaft mit der Fabrik- oder Handelsmarke des Antragstellers zu kennzeichnen, und es ist eine ausreichend große Fläche zur Anbringung des EG-Bauteil-Typgenehmigungszeichens vorzusehen. Diese Fläche muss auf den in Nummer 1.2.1.2 der Anlage 1 zu diesem Anhang genannten Zeichnungen angegeben sein.

4.
ANTRAG AUF ERTEILUNG DER EG-TYPGENEHMIGUNG FÜR EIN FAHRZEUG FÜR DEN ANBAU DER EINRICHTUNGEN FÜR INDIREKTE SICHT

4.1. Der Antrag auf Erteilung der EG-Typgenehmigung für ein Fahrzeug für die Einrichtungen für indirekte Sicht ist vom Hersteller zu stellen.

4.2. Anlage 3 enthält das Muster des Beschreibungsbogens.

4.3. Für jeden Fahrzeugtyp ist dem Antrag Folgendes beizufügen:
4.3.1.
Ein für den Typ repräsentatives Fahrzeug, das erforderlichenfalls in Abstimmung mit der technischen Prüfstelle bestimmt wird.

5.
EG-BAUTEIL-TYPGENEHMIGUNG

5.1.
Wenn die einschlägigen Anforderungen erfüllt sind, wird für einen Spiegel oder eine sonstige Einrichtung für indirekte Sicht die EG-Bauteil-Typgenehmigung erteilt und eine Typgenehmigungsnummer gemäß Anhang VII der Richtlinie 70/156/EWG vergeben.
5.2.
Dieselbe Nummer darf nicht für einen anderen Typ einer Einrichtung für indirekte Sicht vergeben werden.
5.3.
Anlage 2 enthält das Muster des EG-Typgenehmigungsbogens.

6.
TYPGENEHMIGUNGSZEICHEN

Jede Einrichtung für indirekte Sicht, die einem nach dieser Richtlinie genehmigten Typ entspricht, muss ein EG-Bauteil-Typgenehmigungszeichen gemäß Anlage 5 tragen.

7.
EG-FAHRZEUG-TYPGENEHMIGUNG

7.1.
Wenn die einschlägigen Anforderungen erfüllt sind, wird für Fahrzeugtypen die EG-Fahrzeug-Typgenehmigung erteilt.
7.2.
Anlage 4 enthält das Muster des EG-Typgenehmigungsbogens.
7.3.
Für jeden Fahrzeugtyp wird eine Typgenehmigungsnummer gemäß Anhang VII der Richtlinie 70/156/EWG vergeben. Ein Mitgliedstaat darf die gleiche Nummer nicht für einen anderen Fahrzeugtyp vergeben.

8.
ÄNDERUNG DES TYPS UND ÄNDERUNGEN DER TYPGENEHMIGUNGEN

8.1.
Im Fall von Änderungen des Fahrzeugtyps oder des Typs einer Einrichtung für indirekte Sicht, die gemäß dieser Richtlinie genehmigt wurden, gilt Artikel 5 der Richtlinie 70/156/EWG.

9.
ÜBEREINSTIMMUNG DER PRODUKTION (FAHRZEUGE UND BAUTEILE)

9.1.
Es sind Maßnahmen zur Sicherstellung der Übereinstimmung der Produktion gemäß Artikel 10 der Richtlinie 70/156/EWG zu treffen.

Fußnote(n):

(1)

Ein System für indirekte Sicht dient zur Erkennung anderer Verkehrsteilnehmer, die für die Fahrt des Fahrzeugs relevant sind. Die Relevanz eines Verkehrsteilnehmers wird bestimmt von seiner Position und seiner (potenziellen) Geschwindigkeit. Annähernd proportional der Geschwindigkeit von Fußgängern, Radfahrern und Mopedfahrern nimmt ihre Größe zu. Unter dem Aspekt der Erkennbarkeit ist ein Mopedfahrer (D = 0,8) in 40 m Entfernung einem Fußgänger (D = 0,5) in 25 m Entfernung äquivalent. Der Mopedfahrer wird zum kritischen Objekt bestimmt, weil seine Geschwindigkeit am höchsten ist. Zur Beurteilung der Erkennungsleistung ist folglich ein Objekt mit einem Durchmesser von 0,8 m zu verwenden.

© Europäische Union 1998-2021

Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.