ANHANG I RL 2005/12/EG

Anlage

Modellversuchsmethode

1.
Ziele

Die vorliegende Modellversuchsmethode ist eine Überarbeitung der Methode in der Anlage zum Anhang der Entschließung 14 der SOLAS-Konferenz von 1995. Seit Inkrafttreten des Übereinkommens von Stockholm wurden mehrere Modellversuche nach der bisher geltenden Versuchsmethode durchgeführt. Bei diesen Versuchen wurden verschiedene Verbesserungsmöglichkeiten festgestellt. Die neue Modellversuchsmethode berücksichtigt diese Verbesserungen und soll zusammen mit den zugehörigen Leitlinien eine zuverlässigere Beurteilung der Überlebensfähigkeit eines beschädigten Ro-Ro-Fahrgastschiffes im Seegang ermöglichen. Die unter Nummer 1.4 der Stabilitätsanforderungen in Anhang I vorgesehenen Versuche sollen die Fähigkeit des Schiffs nachweisen, einem in Nummer 4 vorgegebenen Seegang im ungünstigsten Leckfall standzuhalten.

2.
Begriffsbestimmungen

LBPLänge zwischen den Loten
HSsignifikante Wellenhöhe
Bgemallte Breite
TPKammperiode
TZNullpunktperiode

3.
Schiffsmodell

3.1 Das Modell soll sowohl in der äußeren Form als auch in der inneren Anordnung das tatsächliche Schiff wiedergeben, insbesondere alle beschädigten Räume, die sich auf den Flutungsvorgang und die Wasserübernahme auswirken. Tiefgang, Trimm, Krängung und Einsatzbeschränkung (KG) vor der Beschädigung sollen dem ungünstigsten Leckfall entsprechen. Die Versuche sollen die ungünstigsten Leckfälle in der Gesamtfläche unter der positiven GZ-Kurve nach der SOLAS-Regel II-1/8.2.3.2 (SOLAS-90-Norm) darstellen, und die Mittellinie des Lecks soll in dem folgenden Bereich liegen:

3.1.1 ± 35 % LBP von Mitte Schiff.

3.1.2 Ein zusätzlicher Versuch für den ungünstigsten Leckfall im Bereich von ± 10 % LBP von Mitte Schiff ist erforderlich, wenn der Leckfall nach Nummer 3.1 außerhalb des Bereichs von ± 10 % LBP von Mitte Schiff liegt.

3.2 Das Modell soll Folgendem genügen:

3.2.1 Die Länge zwischen den Loten (LBP) muss mindestens 3 m betragen oder, falls größer, einem Maßstab von 1:40 entsprechen, und das vertikale Ausmaß mindestens drei Normhöhen des Aufbaus über dem Schottendeck (Freibord) betragen.

3.2.2 Die Außenhaut der gefluteten Räume sollte höchstens 4 mm dick sein.

3.2.3 In intaktem wie in beschädigtem Zustand soll das Modell die korrekte Verdrängung und Tiefgangsmarken (TA, TM, TF, Steuerbord und Backbord) mit einer maximalen Toleranz von jeweils + 2 mm aufweisen. Vordere und hintere Tiefgangsmarke sollten sich so nahe wie möglich beim vorderen bzw. hinteren Lot befinden.

3.2.4 Alle beschädigten Abteilungen und Ro-Ro-Räume sollten mit den korrekten Durchlässigkeitswerten für Oberfläche und Volumen (absolute Werte und Verteilung) nachgebildet sein, so dass Flutwassermasse und -verteilung wirklichkeitsgetreu dargestellt werden.

3.2.5 Das Bewegungsverhalten des Modells sollte dem des tatsächlichen Schiffs entsprechen, wobei insbesondere die intakte GM-Toleranz und die Trägheitsradien der Schlinger- und Stampfbewegungen zu beachten sind. Beide Radien sind außerhalb des Wassers zu messen und sollten beim Schlingern zwischen 0,35B und 0,4B und beim Stampfen zwischen 0,2LOA und 0,25LOA liegen.

3.2.6 Die wichtigsten Konstruktionselemente wie wasserdichte Schotte, Entlüftungen usw. über und unter dem Schottendeck, die zu einer asymmetrischen Flutung führen können, sollen so wirklichkeitsgetreu wie möglich nachgebildet sein. Lüftungsanlagen und Vorrichtungen zum Gegenfluten sollten mit einem Querschnitt von mindestens 500 mm2 konstruiert werden.

3.2.7 Die Beschädigung sollte folgende Form aufweisen:
1.
Trapez mit einem Seitenwinkel von 15o zur Vertikalen und einer Länge an der Konstruktionswasserlinie entsprechend SOLAS-Regel II-1/8.4.1;
2.
gleichschenkliges Dreieck in der horizontalen Ebene mit einer Höhe gleich B/5 entsprechend SOLAS-Regel II-1/8.4.2; wenn Seitenverkleidungen innerhalb B/5 angebracht sind, sollte die Lecklänge im Bereich der Seitenverkleidungen mindestens 25 mm betragen;
3.
unbeschadet der Vorgaben in Nummer 3.2.7.1 und 3.2.7.2 müssen in den Modellversuchen alle Abteilungen geflutet werden, die bei der Berechnung des ungünstigsten Leckfalls nach Nummer 3.1 als beschädigt angenommen werden.

3.3 Das Modell in gefluteter Gleichgewichtslage sollte eine zusätzliche Krängung entsprechend dem Krängungsmoment Mh = max(Mpass; Mlaunch)-Mwind erhalten, wobei der endgültige Krängungswinkel zur Lecköffnung hin nicht weniger als 1o betragen darf. Mpass, Mlaunch und Mwind entsprechend SOLAS-Regel II-1/8.2.3.4. Bei vorhandenen Schiffen kann diese Krängung mit 1o angenommen werden.

4.
Versuchsdurchführung

4.1 Das Modell soll in einem langkämmigen, unregelmäßigen Seegang nach dem JONSWAP-Spektrum mit signifikanter Wellenhöhe HS, Überhöhungsfaktor γ = 3,3 und Kammperiode TP= 4HSTZ = TP/1,285 getestet werden. HS ist die signifikante Wellenhöhe im Einsatzgebiet, die mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 10 % im Jahr nicht überschritten wird, jedoch begrenzt auf maximal 4 m. Darüber hinaus gilt Folgendes:

4.1.1 Das Becken soll breit genug sein (mindestens LBP + 2 m), um Berührungen oder sonstige Wechselwirkungen mit dem Beckenrand auszuschließen;

4.1.2 das Becken soll tief genug sein (mindestens 1 m), um eine realistische Wellenbildung zu erzielen;

4.1.3 vor dem Modellversuch ist der Wellenzug an drei verschiedenen Stellen des Driftbereichs zu messen, um eine repräsentative Darstellung zu gewährleisten;

4.1.4 eine der Wellenmesssonden ist nahe der Wellenmaschine an der Stelle anzubringen, an der sich das Modell zu Beginn des Versuchs befindet;

4.1.5 HS und TP dürfen eine Schwankungsbreite von höchstens ± 5 % bezogen auf die drei Stellen aufweisen;

4.1.6 für die Genehmigung der Versuche ist eine Toleranz von + 2,5 % bei HS, ± 2,5 % bei TP und ± 5 % bei TZ an der Messsonde nahe der Wellenmaschine einzuräumen.

4.2 Das Modell sollte frei driftend sein, ohne Vertäuung, und quer zur See (Kurs 90o) liegen, wobei die Lecköffnung auf die anrollenden Wellen gerichtet ist. Um während des Modellversuchs einen Kurs von etwa 90o quer zur See zu halten, sollten folgende Voraussetzungen gegeben sein:

4.2.1 Steuerleinen für kleinere Kurskorrekturen sind symmetrisch an der Mittellinie von Bug und Heck zwischen KG-Position und Leckwasserlinie anzubringen;

4.2.2 und die Geschwindigkeit der Führung sollte der tatsächlichen Driftgeschwindigkeit des Modells entsprechen und ist gegebenenfalls anzupassen.

4.3 Es sollten mindestens zehn Versuche durchgeführt werden. Die Dauer eines Versuchs muss so bemessen sein, dass sich ein stationärer Zustand einstellt, sie soll jedoch mindestens 30 Min. Realzeit betragen. Für jeden Versuch ist eine andere Ausführung des Wellenzugs vorzunehmen.

5.
Überlebenskriterien

Das Modell ist als sicher anzusehen, wenn sich bei den Testläufen nach Nummer 4.3 ein stationärer Zustand einstellt. Das Modell gilt als gekentert, wenn Rollwinkel von mehr als 30o zur senkrechten Achse oder eine gleich bleibende (durchschnittliche) Krängung von mehr als 20o während einer Dauer von über 3 Min. Realzeit auftreten, auch wenn ein stationärer Zustand eingetreten ist.

6.
Versuchsnachweis

6.1 Das Modellversuchsprogramm ist von der Verwaltung vorher zu genehmigen.

6.2 Über die Versuche sind ein Bericht und Videoaufnahmen oder andere Bildaufzeichnungen mit allen wichtigen Angaben zum Modell und den Versuchsergebnissen anzufertigen, die von der Verwaltung zu genehmigen sind. Sie sollten mindestens die theoretischen und gemessenen Wellenspektren und Statistiken (HS, TP, TZ) der Wellenhöhe für die repräsentative Darstellung an den drei verschiedenen Stellen des Beckens, und zu den Versuchen mit dem Modell die Zeitserien der wichtigsten Statistiken der gemessenen Wellenhöhe nahe der Wellenmaschine sowie Aufzeichnungen der Roll-, Tauch- und Stampfbewegungen und der Driftgeschwindigkeit des Modells enthalten.

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