ANHANG II RL 2005/12/EG

TEIL II

Diese Leitlinien verfolgen den Zweck, die Einheitlichkeit der bei Bau und Prüfung des Modells sowie bei Durchführung und Analyse der Versuche angewandten Methoden zu gewährleisten. Der Inhalt von Absatz 1 und 2 der Anlage zu Anhang I ist aus sich selbst heraus verständlich.

Nummer 3 — Schiffsmodell

3.1 Aus welchem Material das Modell angefertigt wird, ist an sich unerheblich, vorausgesetzt, dass das Modell sowohl in intaktem als auch in beschädigtem Zustand ausreichend starr ist, um zu gewährleisten, dass seine hydrostatischen Eigenschaften denen des eigentlichen Schiffs entsprechen und auch Verbiegungen des Rumpfes durch die Wirkung der Wellen zu vernachlässigen sind. Zudem müssen die beschädigten Abteilungen so genau wie möglich modelliert werden, um sicherzustellen, dass die Flutwassermenge zutreffend dargestellt ist. Da das Eindringen von Wasser (auch in kleinen Mengen) in die intakten Teile des Modells dessen Verhalten beeinflusst, sind Maßnahmen zu treffen, die dieses Eindringen verhindern. Bei Modellversuchen mit den ungünstigsten Leckfällen nach SOLAS in Bug- oder Hecknähe wurde festgestellt, dass eine progressive Flutung nicht möglich war, weil das Wasser auf Deck sich nahe der Lecköffnung ansammelte und ausfloss. So konnten die Modelle einem sehr hohen Seegang standhalten, während sie in niedrigerem Seegang mit kleineren, aber näher bei Mitte Schiff liegenden Lecks kenterten. Um dies auszuschließen, wurde die Begrenzung von ±35 % eingeführt. Umfangreiche Forschungen zur Entwicklung geeigneter Kriterien haben eindeutig ergeben, dass zusätzlich zu den wichtigen Parametern GM und Freibord für die Überlebensfähigkeit von Fahrgastschiffen auch die Fläche unter der Reststabilitätskurve einen entscheidenden Faktor darstellt. Wird also der ungünstigste Leckfall nach SOLAS zur Erfüllung der Anforderung in Nummer 3.1 gewählt, so muss der Fall angenommen werden, in dem die Fläche unter der Reststabilitätskurve am geringsten ist.

3.2
Einzelheiten des Modells

3.2.1 Da sich der Maßstab anerkanntermaßen auf das Versuchsverhalten des Modells auswirkt, muss sichergestellt sein, dass diese Auswirkungen so geringfügig wie möglich sind. Das Modell sollte möglichst groß sein, denn Einzelheiten von beschädigten Abteilungen lassen sich in großen Modellen leichter darstellen, und die Skaleneffekte sind so geringer. Daher wird für das Modell ein Maßstab von nicht weniger als 1:40, mindestens jedoch eine Länge von 3 m verlangt. Dynamische Versuche haben ergeben, dass das vertikale Ausmaß des Modells die Ergebnisse beeinträchtigen kann. Daher ist vorgeschrieben, dass das Schiff bis zu mindestens drei Aufbaunormhöhen über dem Schottendeck (Freibord) modelliert ist, so dass sich die großen Wellen des Wellenzugs nicht über dem Modell brechen.

3.2.2 Der Rumpf des Modells muss im Bereich der angenommenen Beschädigung so dünn wie möglich sein, damit die Flutwassermenge und ihr Schwerpunkt angemessen wiedergegeben sind. Die Außenhaut sollte höchstens 4 mm dick sein. Es wird eingeräumt, dass der Modellrumpf und die primären und sekundären Unterteilungselemente im Bereich des Lecks nicht immer ausreichend detailliert gebaut werden können.

3.2.3 Aufgrund dieser baulichen Beschränkungen kann es unmöglich sein, die angenommene Durchlässigkeit des Raumes genau zu berechnen. Nicht nur die Tiefgänge im intakten Zustand müssen geprüft, sondern auch diejenigen des beschädigten Modells exakt gemessen werden, um die Korrelation mit den aus der Leckstabilitätsrechnung abgeleiteten Tiefgängen zu ermitteln. Aus praktischen Gründen wird eine Toleranz von +2 mm je Tiefgang eingeräumt.

3.2.4 Nach Messung der Lecktiefgänge kann es nötig erscheinen, die Durchlässigkeit der intakten Abteilung entweder durch die Einführung intakter Volumina oder durch zusätzliches Gewicht anzupassen. Zudem muss der Schwerpunkt des Flutwassers exakt dargestellt werden. In diesem Fall sind alle Anpassungen mit entsprechenden Sicherheitsmargen vorzunehmen. Soll das Modell mit Sperren an Deck ausgestattet werden und sind diese weniger hoch als die nachstehend beschriebenen Schotte, so muss das Modell mit CCTV (Industriefernsehen) ausgestattet sein, damit jedes „Überschwappen” und jeder Wasserstau im unbeschädigten Bereich des Decks überwacht werden kann. In diesem Fall gehört eine Videoaufzeichnung des entsprechenden Ereignisses zum Versuchsprotokoll. Die Höhe von Quer- und Längsschotten, die als wirksam in Betracht gezogen werden, um das in der betreffenden Abteilung auf dem beschädigten Ro-Ro-Deck als angesammelt angenommene Wasser zu begrenzen, muss mindestens 4 m betragen, außer bei einem Wasserstand von weniger als 0,5 m. In diesem Fall berechnet sich die Höhe des Schotts wie folgt:

    Bh = 8hw

    dabei ist Bh: Höhe des Schotts,

    hw: Wasserstand.

In jedem Fall muss die Höhe des Schotts mindestens 2,2 m betragen. Bei einem Schiff mit Hängedecks für Autos darf die Mindesthöhe des Schotts jedoch nicht geringer sein als die Höhe bis zur Unterseite des Hängedecks in seiner ausgefahrenen Stellung.

3.2.5 Damit die Bewegungseigenschaften des Modells diejenigen des echten Schiffs wiedergeben, muss das Modell in intaktem Zustand sowohl gekrängt als auch gerollt werden, um so die intakte GM und die Massenverteilung zu prüfen. Die Massenverteilung ist außerhalb des Wassers zu messen. Der Breitenträgheitsradius des tatsächlichen Schiffes sollte zwischen 0,35B und 0,4B und sein Längenträgheitsradius zwischen 0,2L und 0,25L liegen.

Anmerkung: Krängen und Rollen des Schiffes in beschädigtem Zustand können als Untersuchung zur Überprüfung der Reststabilitätskurve anerkannt werden; solche Versuche sind jedoch nicht an Stelle von Intaktversuchen zulässig.

3.2.6 Es wird vorausgesetzt, dass die Lüfter der beschädigten Abteilung des echten Schiffes für ungehindertes Fluten und Bewegen des Flutwassers angemessen sind; verringert sich jedoch der Maßstab der Lüftungsanlagen, können unerwünschte Skaleneffekte in das Modell eingetragen werden. Um sicherzugehen, dass solche Effekte nicht auftreten, wird empfohlen, die Lüftungsanlagen in einem größeren Maßstab als dem des Modells zu konstruieren, wobei sicherzustellen ist, dass dies nicht den Wasserfluss auf dem Fahrzeugdeck beeinflusst.

3.2.7 Die Form des Lecks sollte für einen Querschnitt des rammenden Schiffes in der Bugregion repräsentativ sein. Der Winkel von 15° basiert auf dem Querschnitt einer repräsentativen Auswahl von Schiffen verschiedener Typen und Größen bei einer Entfernung von B/5 vom Bug. Das gleichschenklig dreieckige Profil des prismenförmigen Lecks entspricht der Ladewasserlinie. Zudem muss, wenn Seitenverkleidungen von einer Breite unter B/5 angebracht sind, zur Vermeidung möglicher Skaleneffekte die Lecklänge im Bereich der Seitenverkleidungen mindestens 25 mm betragen.

3.3 Bei der ursprünglichen Modellversuchmethode in der Entschließung 14 der SOLAS-Konferenz von 1995 blieb das maximale Kränkungsmoment unberücksichtigt, das durch die Ansammlung von Fahrgästen, den Einsatz von Rettungsbooten, Drehen des Schiffes oder Wind verursacht werden können, obgleich solche Wirkungen in das SOLAS-Übereinkommen aufgenommen wurden. Aufgrund der Ergebnisse einer entsprechenden Untersuchung erscheint es jedoch vernünftig, diese Wirkungen zu berücksichtigen und aus praktischen Gründen eine Mindestneigung von 1° zur Lecköffnung hin beizubehalten. Es sei darauf hingewiesen, dass die durch das Drehen bedingte Krängung als unerheblich betrachtet wurde.

3.4 Sofern eine Differenz im GM-Wert beim tatsächlichen Ladezustand gegenüber der GM-Beschränkungskurve (abgeleitet von der SOLAS-90-Norm) auftritt, kann die Verwaltung zulassen, dass diese Differenz im Modellversuch berücksichtigt wird. In diesem Fall ist die GM-Beschränkungskurve wie folgt anzupassen: d = dS-0,6 (dS-dLS) dabei ist dS: Schottentiefgang und dLS: Leertiefgang. Die angepasste Kurve ist eine gerade Linie zwischen dem im Modellversuch beim Schottentiefgang herangezogenen GM-Wert und dem Schnittpunkt zwischen der ursprünglichen SOLAS-90-Kurve und dem Tiefgang d.

Nummer 4 — Versuchsverfahren

4.1
Wellenspektren

Das JONSWAP-Spektrum ist deshalb zu verwenden, weil es bezüglich Fetch und Dauer begrenzte Seen beschreibt, die den meisten Seegangsbedingungen weltweit entsprechen. Hierbei ist nicht nur die Kammperiode, sondern auch die Nullpunktperiode des Wellenzugs auf Korrektheit zu überprüfen. Für jeden Testlauf ist das Wellenspektrum aufzunehmen und zu dokumentieren. Die Messungen für diese Aufnahmen sind an der Messsonde nahe der Wellenmaschine durchzuführen. Zudem ist das Modell so auszurüsten, dass seine Bewegungen (Rollen, Tauchen und Stampfen) sowie seine Lage (Krängung, Senkung und Trimm) während des ganzen Versuchs überwacht und aufgezeichnet werden. Es hat sich als unpraktisch erwiesen, absolute Grenzwerte für die signifikante Wellenhöhe, die Kammperiode und die Nullpunktperiode der Modellwellenspektren festzusetzen. Daher wurde eine Marge von 5 % eingeräumt.

4.2 Um zu vermeiden, dass das Befestigungssystem die Schiffsbewegungen beeinflusst, muss die Führung (an der das Befestigungssystem angebracht ist) der tatsächlichen Driftgeschwindigkeit des Modells entsprechen. Bei einem Seegang mit unregelmäßigen Wellen wird die Driftgeschwindigkeit nicht konstant bleiben; eine konstante Führungsgeschwindigkeit würde zu Driftschwingungen mit niedriger Frequenz und hoher Amplitude führen, die das Bewegungsverhalten des Modells beeinträchtigen könnten.

4.3 Durch die Versuche soll mit möglichst hoher Verlässlichkeit ermittelt werden, ob ein unsicheres Schiff unter den vorgesehenen Bedingungen kentert. Im Hinblick auf die statistische Zuverlässigkeit ist eine ausreichende Zahl von Versuchen mit verschiedenen Wellenzügen erforderlich. Dazu wird eine Mindestzahl von zehn Testläufen als angemessen betrachtet.

Nummer 5 — Überlebenskriterien

Der Inhalt dieser Nummer ist aus sich selbst heraus verständlich.

Nummer 6 — Versuchsgenehmigung

Folgende Dokumente sind dem Bericht an die Verwaltung beizufügen:
a)
Leckstabilitätsrechnungen für das schwerste SOLAS- bzw. Mittschiffsleck (sofern unterschiedlich);
b)
allgemeine Skizze der Modellanordnung mit Konstruktions- und Ausrüstungsdetails;
c)
Berichte vom Krängungsversuch und Messungen der Trägheitsradien;
d)
nominale und gemessene Wellenspektren (an den drei verschiedenen Stellen für eine repräsentative Darstellung und bei den Versuchen mit dem Modell an der Messsonde nahe der Wellenmaschine);
e)
repräsentative Aufzeichnungen der Bewegungen, Lage und Drift des Modells
f)
maßgebliche Videoaufnahmen.

Anmerkung:

Alle Versuche müssen von der Verwaltung bezeugt werden.

© Europäische Union 1998-2021

Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.