Artikel 122a RL 2006/48/EG

1. Handelt ein Kreditinstitut nicht als Originator, Sponsor oder ursprünglicher Kreditgeber, so darf es einem Kreditrisiko einer Verbriefungsposition in seinem Handelsbuch oder außerhalb seines Handelsbuchs nur dann ausgesetzt sein, wenn der Originator, Sponsor oder ursprüngliche Kreditgeber gegenüber dem Kreditinstitut ausdrücklich erklärt hat, dass er kontinuierlich einen materiellen Nettoanteil ( „net economic interest” ) von mindestens 5 % halten wird.

Für den Zweck des vorliegenden Artikels gilt als „Halten eines materiellen Nettoanteils” entweder:

a)
das Halten eines Anteils von mindestens 5 % des Nominalwerts einer jeden an die Anleger verkauften oder übertragenen Tranche oder
b)
bei Verbriefungen von revolvierenden Forderungen das Halten eines Originatorenanteils von mindestens 5 % des Nominalwerts der verbrieften Forderungen oder
c)
das Halten eines Anteils von nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Forderungen, der mindestens 5 % des Nominalwerts der verbrieften Forderungen entspricht, wenn diese Forderungen ansonsten verbrieft worden wären, sofern die Zahl der potentiell verbrieften Forderungen bei der Origination mindestens 100 beträgt, oder
d)
das Halten der Erstverlusttranche und erforderlichenfalls weiterer Tranchen, die das gleiche oder ein höheres Risikoprofil aufweisen und nicht früher fällig werden als die an die Anleger verkauften oder übertragenen Tranchen, so dass der insgesamt gehaltene Anteil mindestens 5 % des Nominalwerts der verbrieften Forderungen entspricht.

Der materielle Nettoanteil wird bei der Origination berechnet und ist kontinuierlich aufrechtzuerhalten. Er unterliegt nicht der Kreditrisikominderung und keinen Short-Positionen oder sonstigen Absicherungen. Der materielle Nettoanteil wird durch den Nominalwert der außerbilanziellen Posten bestimmt.

Für die Zwecke dieses Artikels bedeutet „kontinuierlich” , dass gehaltene Positionen, Beteiligungen oder Forderungen weder abgesichert noch verkauft werden.

Die Vorschriften über den Selbstbehalt dürfen bei einer Verbriefung nicht mehrfach zur Anwendung gebracht werden.

2. Verbrieft ein EU-Mutterkreditinstitut oder eine EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft oder eine gemischte EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft oder eine ihrer Tochtergesellschaften als Originator oder Sponsor Forderungen von mehreren Kreditinstituten, Wertpapierfirmen oder anderen Finanzinstituten, die in die Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis einbezogen sind, so kann die Anforderung nach Absatz 1 auf der Grundlage der konsolidierten Lage des betreffenden EU-Mutterkreditinstituts bzw. der betreffenden EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft oder gemischten EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft erfüllt werden. Dieser Absatz findet nur dann Anwendung, wenn die Kreditinstitute, Wertpapierfirmen oder Finanzinstitute, die die verbrieften Forderungen begründet haben, selbst die Verpflichtung eingegangen sind, die Anforderungen nach Absatz 6 zu erfüllen und dem Originator oder Sponsor und dem EU-Mutterkreditinstitut bzw. der EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft oder gemischten EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft rechtzeitig die zur Erfüllung der Anforderungen nach Absatz 7 erforderlichen Informationen zu übermitteln.

3. Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn es sich bei den verbrieften Forderungen um Forderungen oder Eventualforderungen handelt, die gegenüber folgenden Einrichtungen bestehen oder von diesen umfassend, bedingungslos und unwiderruflich garantiert werden:

a)
Zentralstaaten oder Zentralbanken;
b)
Regionalregierungen, Gebietskörperschaften und öffentliche Stellen der Mitgliedstaaten;
c)
Instituten, denen nach den Artikeln 78 bis 83 ein Risikogewicht von höchstens 50 % zugewiesen wird, oder
d)
multilateralen Entwicklungsbanken.

Absatz 1 findet keine Anwendung auf

a)
Geschäfte, die auf einem klaren, transparenten und zugänglichen Index basieren, wobei die zugrunde liegenden Referenzeinheiten mit denen identisch sind, die einen stark gehandelten Index von Einheiten bilden, oder andere handelbare Wertpapiere darstellen, bei denen es sich nicht um Verbriefungspositionen handelt;
b)
Konsortialkredite, angekaufte Forderungen oder Credit Default Swaps, sofern diese nicht dazu verwendet werden, eine unter Absatz 1 fallende Verbriefung zu „verpacken” und/oder abzusichern.

4. Die Kreditinstitute sind vor der Investition und gegebenenfalls anschließend in der Lage, den zuständigen Behörden gegenüber nachzuweisen, dass sie bei jeder einzelnen Verbriefungspositionen in den nachfolgend genannten Punkten über umfassende und gründliche Kenntnis verfügen und entsprechend den in ihrem Handelsbuch und außerhalb ihres Handelsbuchs gehaltenen Positionen sowie dem Risikoprofil ihrer Investitionen in verbriefte Positionen förmliche Vorschriften und Verfahren umgesetzt haben, um diese zu analysieren und zu erfassen:

a)
nach Absatz 1 erfolgte Mitteilungen der Originatoren oder Sponsoren zum „net economic interest” , den sie kontinuierlich an der Verbriefung behalten;
b)
Risikomerkmale der einzelnen Verbriefungsposition;
c)
Risikomerkmale der Forderungen, die der Verbriefungsposition zugrunde liegen;
d)
Ruf und erlittene Verluste bei früheren Verbriefungen der Originatoren oder Sponsoren in den betreffenden Forderungsklassen, die der Verbriefungsposition zugrunde liegen;
e)
Erklärungen und Offenlegungen der Originatoren oder Sponsoren oder ihrer Beauftragten oder Berater über die gebotene Sorgfalt, die sie im Hinblick auf die verbrieften Forderungen und gegebenenfalls im Hinblick auf die Besicherungsqualität der verbrieften Forderungen walten lassen;
f)
gegebenenfalls Methoden und Konzepte, nach denen die Besicherung der verbrieften Forderungen bewertet wird, sowie Vorschriften, die der Originator oder Sponsor zur Gewährleistung der Unabhängigkeit des Bewerters vorgesehen hat, und
g)
alle strukturellen Merkmale der Verbriefung, die wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der Verbriefungsposition des Kreditinstituts haben können.

Die Kreditinstitute führen in Bezug auf ihre Verbriefungspositionen regelmäßig selbst geeignete Stresstests durch. Dabei können sie sich auf die von einer Ratingagentur entwickelten finanziellen Modelle stützen, sofern sie auf Anfrage nachweisen können, dass sie vor der Investition die Strukturierung der Modelle und die diesen zugrunde liegenden relevanten Annahmen mit der gebotenen Sorgfalt validiert haben und die Methoden, Annahmen und Ergebnisse verstanden haben.

5. Handeln Kreditinstitute nicht als Originatoren, Sponsoren oder ursprüngliche Kreditgeber, richten sie entsprechend den in ihrem Handelsbuch und außerhalb ihres Handelsbuchs gehaltenen Positionen sowie dem Risikoprofil ihrer Investitionen in verbriefte Positionen förmliche Verfahren ein, um Informationen über die Entwicklung der Forderungen, die ihren Verbriefungspositionen zugrunde liegen, laufend und zeitnah zu beobachten. Gegebenenfalls umfasst dies Folgendes: Art der Forderung, Prozentsatz der Kredite, die mehr als 30, 60 und 90 Tage überfällig sind, Ausfallquoten, Quote der vorzeitigen Rückzahlungen, unter Zwangsvollstreckung stehende Kredite, Art der Sicherheit und Belegung, Frequenzverteilung von Kreditpunktebewertungen und anderen Bonitätsbewertungen für die zugrunde liegenden Forderungen, sektorale und geografische Diversifizierung, Frequenzverteilung der Beleihungsquoten mit Bandbreiten, die eine angemessene Sensitivitätsanalyse erleichtern. Sind die zugrunde liegenden Forderungen selbst Verbriefungspositionen, so verfügen die Kreditinstitute nicht nur hinsichtlich der zugrunde liegenden Verbriefungstranchen über die in diesem Unterabsatz genannten Informationen (z. B. Name des Emittenten und Bonität), sondern auch hinsichtlich der Merkmale und der Entwicklung der den Verbriefungstranchen zugrunde liegenden Pools.

Kreditinstitute müssen gründliche Kenntnisse aller strukturellen Merkmale einer Verbriefungstransaktion besitzen, die die Entwicklung ihrer mit der Transaktion verknüpften Kreditrisiken wesentlich beeinflussen können, wie etwa vertragliche Wasserfall-Strukturen und damit verbundene Auslöserquoten ( „Trigger” ), Bonitätsverbesserungen, Liquiditätsverbesserungen, Marktwert-Trigger und die geschäftsspezifische Definition des Ausfalls.

Sind die Anforderungen der Absätze 4, 7 und dieses Absatzes in einem wesentlichen Punkt aufgrund von Fahrlässigkeit oder Unterlassung seitens des Kreditinstituts nicht erfüllt, so stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die zuständigen Behörden gegen das betreffende Kreditinstitut ein angemessenes zusätzliches Risikogewicht von mindestens 250 % des Risikogewichts (mit einer Obergrenze von 1250 %) verhängen, das abgesehen von diesem Absatz für die einschlägigen Verbriefungspositionen nach Anhang IX Teil 4 gelten würde, und dass das Risikogewicht mit jedem weiteren Verstoß gegen die Sorgfaltsbestimmungen schrittweise angehoben wird. Die zuständigen Behörden berücksichtigen die für bestimmte Verbriefungen gemäß Absatz 3 geltenden Ausnahmen durch Herabsetzung des Risikogewichts, das sie andernfalls gemäß diesem Artikel bei einer Verbriefung verhängen würden, auf die Absatz 3 Anwendung findet.

6. Sponsor-Kreditinstitute und originierende Kreditinstitute wenden bei Forderungen, die verbrieft werden sollen, dieselben soliden, klar definierten Kreditvergabekriterien im Sinne von Anhang V Nummer 3 an wie bei Forderungen, die sie selbst halten wollen. Zu diesem Zweck wenden die originierenden Kreditinstitute und die Sponsor-Kreditinstitute dieselben Verfahren für die Genehmigung und gegebenenfalls Änderung, Verlängerung und Refinanzierung von Krediten an. Die Kreditinstitute wenden dieselben Analysestandards auch auf Beteiligungen oder Übernahmen von Verbriefungsemissionen an, die von Dritten erworben werden, und zwar unabhängig davon, ob diese Beteiligungen oder Übernahmen in ihrem Handelsbuch oder außerhalb ihres Handelsbuchs gehalten werden sollen.

Sind die Anforderungen nach Unterabsatz 1 des vorliegenden Absatzes nicht erfüllt, so darf das originierende Kreditinstitut Artikel 95 Absatz 1 nicht anwenden und das originierende Kreditinstitut darf die verbrieften Forderungen bei der Berechnung seiner Eigenkapitalanforderungen gemäß dieser Richtlinie nicht unberücksichtigt lassen.

7. Die Sponsor-Kreditinstitute und die originierenden Kreditinstitute legen den Anlegern gegenüber offen, in welcher Höhe sie sich nach Absatz 1 verpflichtet haben, einen „net economic interest” an der Verbriefung zu behalten. Die Sponsor-Kreditinstitute und die originierenden Kreditinstitute stellen sicher, dass künftige Anleger problemlosen Zugang zu allen wesentlichen einschlägigen Daten über Bonität und Entwicklung der einzelnen zugrunde liegenden Forderungen, Cashflows und Sicherheiten einer Verbriefungsposition sowie zu Informationen haben, die notwendig sind, um umfassende und fundierte Stresstests in Bezug auf die Cashflows und Besicherungswerte, die hinter den zugrunde liegenden Forderungen stehen, durchführen zu können. Zu diesem Zweck werden die „wesentlichen einschlägigen Daten” zum Zeitpunkt der Verbriefung oder, wenn die Art der Verbriefung dies erfordert, zu einem späteren Zeitpunkt bestimmt.

8. Die Absätze 1 bis 7 gelten für neue Verbriefungen, die ab dem 1. Januar 2011 emittiert werden. Nach dem 31. Dezember 2014 gelten die Absätze 1 bis 7 für bestehende Verbriefungen, bei denen zugrunde liegende Forderungen nach diesem Datum neu hinzukommen oder andere ersetzen. Die zuständigen Behörden können beschließen, die Anforderungen der Absätze 1 und 2 in Zeiten allgemein angespannter Marktliquidität zeitweise auszusetzen.

9. Die zuständigen Behörden veröffentlichen die folgenden Informationen:

a)
allgemeine Kriterien und Methoden, die zur Überprüfung der Einhaltung der Absätze 1 bis 7 bis 31. Dezember 2010 beschlossen wurden;
b)
unbeschadet der Bestimmungen des Kapitels 1 Abschnitt 2 eine zusammenfassende Beschreibung der Ergebnisse der aufsichtlichen Überprüfung und eine Beschreibung der bei Verstößen gegen die Absätze 1 bis 7 auferlegten Maßnahmen in Form eines jährlichen Berichts ab dem 31. Dezember 2011.

Die Anforderung gemäß diesem Absatz gilt vorbehaltlich des Artikels 144 Unterabsatz 2.

10. Die EBA berichtet der Kommission jährlich über die Einhaltung dieses Artikels durch die zuständigen Behörden.

Um eine kohärente Harmonisierung dieses Artikels zu gewährleisten, entwickelt die EBA zur Angleichung der Aufsichtspraktiken in Bezug auf diesen Artikel Entwürfe technischer Regulierungsstandards, einschließlich Maßnahmen im Fall eines Verstoßes gegen die Sorgfalts- und die Risikomanagementpflichten. Die EBA legt diese Entwürfe technischer Standards der Kommission bis 1. Januar 2014 vor.

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 2 genannten technischen Regulierungsstandards nach dem in den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 festgelegten Verfahren zu erlassen.

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