Artikel 10a RL 2009/103/EG

Schutz von Geschädigten vor Schäden infolge von Unfällen in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat bei Insolvenz eines Versicherungsunternehmens

(1) Jeder Mitgliedstaat richtet eine Stelle ein oder lässt eine Stelle zu, die mit der Aufgabe betraut ist, Geschädigte mit Wohnsitz in seinem Hoheitsgebiet mindestens bis zu den Mindestbeträgen für Sach- oder Personenschäden zu entschädigen, die durch ein von einem Versicherungsunternehmen versichertes Fahrzeug verursacht wurden, und zwar ab dem Zeitpunkt, ab dem:

a)
Das Versicherungsunternehmen Gegenstand eines Insolvenzverfahrens ist oder
b)
das Versicherungsunternehmen Gegenstand eines Liquidationsverfahrens im Sinne von Artikel 268 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie 2009/138/EG ist.

(2) Jeder Mitgliedstaat trifft geeignete Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die in Absatz 1 genannte Stelle über ausreichende Mittel verfügt, um Geschädigte gemäß den Regelungen des Absatzes 10 zu entschädigen, wenn in den in Absatz 1 Buchstaben a und b genannten Fällen Entschädigungszahlungen fällig werden. Diese Maßnahmen können auch Anforderungen zur Leistung von Finanzbeiträgen umfassen, sofern sie nur Versicherungsunternehmen auferlegt werden, die von dem Mitgliedstaat, der sie vorschreibt, zugelassen wurden.

(3) Unbeschadet etwaiger Verpflichtungen nach Artikel 280 der Richtlinie 2009/138/EG stellt jeder Mitgliedstaat sicher, dass immer dann, wenn ein zuständiges Gericht oder eine andere zuständige Behörde eine Anordnung erlässt oder einen Beschluss fasst, das Verfahren nach Absatz 1 Buchstabe a oder b gegen ein Versicherungsunternehmen, dessen Herkunftsmitgliedstaat dieser Mitgliedstaat ist, einzuleiten, diese Anordnung oder dieser Beschluss veröffentlicht wird. Die in Absatz 1 genannte Stelle, die im Herkunftsmitgliedstaat des Versicherungsunternehmens eingerichtet ist, stellt sicher, dass alle in Absatz 1 genannten Stellen in allen Mitgliedstaaten unverzüglich über diese Anordnung oder diesen Beschluss unterrichtet werden.

(4) Der Geschädigte kann einen Anspruch unmittelbar bei der in Absatz 1 genannten Stelle geltend machen.

(5) Nach Eingang der Geltendmachung des Anspruchs unterrichtet die in Absatz 1 genannte Stelle die entsprechende Stelle im Herkunftsmitgliedstaat des Versicherungsunternehmens und das Versicherungsunternehmen, das Gegenstand eines Insolvenz- oder Liquidationsverfahrens ist, oder dessen Verwalter oder Liquidator im Sinne von Artikel 268 Absatz 1 Buchstaben e bzw. f der Richtlinie 2009/138/EG darüber, dass bei ihr die Geltendmachung eines Anspruchs von dem Geschädigten eingegangen ist.

(6) Das Versicherungsunternehmen, das Gegenstand eines Insolvenz- oder Liquidationsverfahrens ist, oder sein Verwalter oder Liquidator unterrichtet die in Absatz 1 genannte Stelle, wenn es für einen Anspruch, der auch bei der in Absatz 1 genannten Stelle eingegangen ist, Entschädigung leistet oder die Eintrittspflicht bestreitet.

(7) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die in Absatz 1 genannte Stelle, unter anderem auf der Grundlage von Informationen, die ihr vom Geschädigten auf ihr Ersuchen hin übermittelt werden, dem Geschädigten innerhalb von drei Monaten ab dem Tag, an dem der Geschädigte seinen Antrag auf Entschädigung bei der Stelle gestellt hat, gemäß den geltenden nationalen Rechtsvorschriften ein mit Gründen versehenes Schadenersatzangebot oder eine mit Gründen versehene Antwort gemäß Unterabsatz 2 des vorliegenden Absatzes übermittelt.

Für die Zwecke des Unterabsatzes 1 führt die Stelle folgende Maßnahmen durch:

a)
Sie unterbreitet ein mit Gründen versehenes Schadenersatzangebot, wenn sie festgestellt hat, dass sie verpflichtet ist, eine Entschädigung gemäß Absatz 1 Buchstabe a oder b zu leisten, der Anspruch nicht bestritten wird und der Schaden teilweise oder vollständig beziffert wurde;
b)
sie gibt eine mit Gründen versehene Antwort auf die im Anspruch geltend gemachten Punkte, wenn sie festgestellt hat, dass sie nicht verpflichtet ist, eine Entschädigung gemäß Absatz 1 Buchstabe a oder b zu leisten, oder wenn die Haftung abgelehnt oder nicht eindeutig festgestellt oder der Schaden nicht vollständig beziffert wurde.

(8) Wird eine Entschädigung gemäß Absatz 7 Unterabsatz 2 Buchstabe a fällig, so zahlt die in Absatz 1 genannte Stelle dem Geschädigten die Entschädigung unverzüglich aus, in jedem Fall aber innerhalb von drei Monaten, nachdem der Geschädigte das in Absatz 7 Unterabsatz 2 Buchstabe a genannte mit Gründen versehene Schadenersatzangebot angenommen hat.

Wurde der Schaden nur teilweise beziffert, so gelten die Anforderungen an die Zahlung des Schadenersatzes gemäß Unterabsatz 1 für diesen teilweise bezifferten Schaden und ab dem Zeitpunkt der Annahme des entsprechenden mit Gründen versehenen Schadenersatzangebots.

(9) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die in Absatz 1 genannte Stelle über alle erforderlichen Befugnisse und Zuständigkeiten verfügt, um zu gegebener Zeit in allen Phasen der in diesem Artikel genannten Verfahren mit anderen derartigen Stellen in anderen Mitgliedstaaten, mit gemäß Artikel 25a eingerichteten oder zugelassenen Stellen in allen Mitgliedstaaten und mit anderen interessierten Parteien, einschließlich Versicherungsunternehmen, die Gegenstand eines Insolvenz- oder Liquidationsverfahrens sind, mit deren Verwaltern oder Liquidatoren und mit den zuständigen nationalen Behörden der Mitgliedstaaten zusammenarbeiten zu können. Diese Zusammenarbeit umfasst die Anforderung, Entgegennahme und Übermittlung von Informationen, gegebenenfalls auch über die Einzelheiten konkreter Ansprüche.

(10) Ist der Herkunftsmitgliedstaat des in Absatz 1 genannten Versicherungsunternehmens nicht der Mitgliedstaat, in dem der Geschädigte seinen Wohnsitz hat, so hat die in Absatz 1 genannte Stelle im Wohnsitzmitgliedstaat des Geschädigten, die den Geschädigten gemäß Absatz 8 entschädigt hat, gegenüber der in Absatz 1 genannten Stelle im Herkunftsmitgliedstaat des Versicherungsunternehmens Anspruch auf vollständige Erstattung des als Schadenersatz gezahlten Betrags.

Die in Absatz 1 genannte Stelle im Herkunftsmitgliedstaat des Versicherungsunternehmens leistet die Zahlung an die in Absatz 1 genannte Stelle im Wohnsitzmitgliedstaat des Geschädigten, die den Geschädigten gemäß Absatz 8 entschädigt hat, innerhalb einer angemessenen Frist von höchstens sechs Monaten, nachdem sie einen entsprechenden Antrag auf Erstattung erhalten hat, sofern diese Stellen nicht schriftlich etwas anderes vereinbart haben.

Die Ansprüche des Geschädigten gegen den Unfallverursacher oder dessen Versicherungsunternehmen gehen auf die Stelle über, die die Entschädigung nach Unterabsatz 1 geleistet hat, mit Ausnahme der Ansprüche des Geschädigten gegen den Versicherungsnehmer oder einen anderen Versicherten, der den Unfall verursacht hat, soweit die Haftung des Versicherungsnehmers oder anderen Versicherten nach dem anwendbaren nationalen Recht durch das zahlungsunfähige Versicherungsunternehmen gedeckt wäre. Jeder Mitgliedstaat ist verpflichtet, ein von einem anderen Mitgliedstaat vorgesehenen Forderungsübergang anzuerkennen.

(11) Die Absätze 1 bis 10 berühren nicht das Recht der Mitgliedstaaten:

a)
die Entschädigung durch die in Absatz 1 genannte Stelle als subsidiär oder nicht subsidiär zu betrachten;
b)
Vorkehrungen für die Regulierung von Ansprüchen aus demselben Unfall zu treffen zwischen

i)
der in Absatz 1 genannten Stelle;
ii)
der/den Person/en, die für den Unfall verantwortlich ist/sind;
iii)
anderen Versicherungsunternehmen oder Einrichtungen der sozialen Sicherheit, die zur Entschädigung des Geschädigten verpflichtet sind.

(12) Die Mitgliedstaaten gestatten es der in Absatz 1 genannten Stelle nicht, die Zahlung von Schadenersatz von anderen als den in dieser Richtlinie festgelegten Bedingungen abhängig zu machen. Insbesondere gestatten die Mitgliedstaaten es der in Absatz 1 genannten Stelle nicht, die Zahlung von Schadenersatz von der Anforderung abhängig zu machen, dass der Geschädigte einen Nachweis erbringt, dass die haftpflichtige juristische oder natürliche Person zahlungsunfähig ist oder die Zahlung verweigert.

(13) Die in Absatz 1 genannten Stellen oder die in Unterabsatz zwei des vorliegenden Absatzes genannten Stellen sind bestrebt, bis zum 23. Dezember 2023 eine Vereinbarung zur Umsetzung dieses Artikels in Bezug auf ihre Aufgaben und Verpflichtungen und die Verfahren für Erstattungen gemäß diesem Artikel zu schließen.

Zu diesem Zweck ergreift jeder Mitgliedstaat bis zum 23. Juni 2023 folgende Maßnahmen:

a)
Er richtet die in Absatz 1 genannte Stelle ein oder lässt sie zu und beauftragt sie, eine solche Vereinbarung auszuhandeln und abzuschließen, oder
b)
er benennt eine Einrichtung und beauftragt sie, eine solche Vereinbarung auszuhandeln und abzuschließen, dessen Vertragspartei die in Absatz 1 genannte Stelle bei ihrer Einrichtung oder Zulassung wird.

Die in Unterabsatz 1 genannte Vereinbarung wird der Kommission unverzüglich übermittelt.

Wenn die in Unterabsatz 1 genannte Vereinbarung nicht bis zum 23. Dezember 2023 geschlossen wurde, ist die Kommission befugt, delegierte Rechtsakte gemäß dem Verfahren des Artikels 28b zu erlassen, um die verfahrenstechnischen Aufgaben und Pflichten der in Absatz 1 genannten Stellen bei der Erstattung festzulegen.

© Europäische Union 1998-2021

Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.