ANHANG I RL 2009/16/EG

BESTANDTEILE DES HAFENSTAATÜBERPRÜFUNGSSYSTEMS DER GEMEINSCHAFT (gemäß Artikel 5)

Folgende Bestandteile werden in das Hafenstaatüberprüfungssystem der Union aufgenommen:

I.
Risikoprofil eines Schiffes

Das Risikoprofil eines Schiffes wird anhand einer Kombination der folgenden allgemeinen, historischen und Umweltparameter festgelegt.

1.
Allgemeine Parameter

a)
Schiffstyp

Fahrgastschiffe, Massengutschiffe und Tankschiffe für Öl, Gas, NLS oder Chemieprodukte gelten als stärker risikobehaftet.

b)
Alter des Schiffes

Mehr als zwölf Jahre alte Schiffe gelten als stärker risikobehaftet.

c)
Leistung des Flaggenstaats

i)
Schiffe, die unter der Flagge eines Staates mit hoher Festhaltequote innerhalb der Union und der unter die Pariser Vereinbarung fallenden Region fahren, gelten als stärker risikobehaftet.
ii)
Schiffe, die unter der Flagge eines Staates mit niedriger Festhaltequote innerhalb der Union und der unter die Pariser Vereinbarung fallenden Region fahren, gelten als weniger risikobehaftet.
iii)
Schiffe, die unter der Flagge eines Staates fahren, der alle in Artikel 2 Nummer 1 aufgeführten verbindlichen IMO- und IAO-Instrumente ratifiziert hat, gelten als weniger risikobehaftet.

d)
Anerkannte Organisationen

i)
Schiffe, für die Zeugnisse von anerkannten Organisationen ausgestellt wurden, deren Leistungsniveau in Bezug auf ihre Festhaltequoten innerhalb der Union und der unter die Pariser Vereinbarung fallenden Region niedrig oder sehr niedrig ist, gelten als stärker risikobehaftet.
ii)
Schiffe, für die Zeugnisse von anerkannten Organisationen ausgestellt wurden, deren Leistungsniveau in Bezug auf ihre Festhaltequoten innerhalb der Union und der unter die Pariser Vereinbarung fallenden Region hoch ist, gelten als weniger risikobehaftet.
iii)
Schiffe mit Zeugnissen, die von gemäß der Verordnung (EG) Nr. 391/2009 anerkannten Organisationen ausgestellt wurden, gelten als weniger risikobehaftet.

e)
Leistung des Unternehmens

i)
Schiffe eines Unternehmens mit niedriger oder sehr niedriger Leistung, die sich an den Mängel- und Festhaltequoten seiner Schiffe innerhalb der Union und der unter die Pariser Vereinbarung fallenden Region ablesen lässt, gelten als stärker risikobehaftet.
ii)
Schiffe eines Unternehmens mit hoher Leistung, die sich an den Mängel- und Festhaltequoten seiner Schiffe innerhalb der Union und der unter die Pariser Vereinbarung fallenden Region ablesen lässt, gelten als weniger risikobehaftet.

2.
Historische Parameter

i)
Schiffe, die mehr als einmal festgehalten wurden, gelten als stärker risikobehaftet.
ii)
Schiffe, die bei Überprüfungen in dem in Anhang II genannten Zeitraum eine geringere Zahl an Mängeln aufwiesen als die in Anhang II genannte Zahl, gelten als weniger risikobehaftet.
iii)
Schiffe, die in dem in Anhang II genannten Zeitraum nicht festgehalten wurden, gelten als weniger risikobehaftet.

Die Risikoparameter werden unter Verwendung einer Gewichtung, die die relative Auswirkung jedes Parameters auf das Gesamtrisiko des Schiffes widerspiegelt, miteinander kombiniert, um folgende Schiffsrisikoprofile festzulegen:

hohes Risiko;

Standardrisiko;

niedriges Risiko.

Bei der Festlegung dieser Risikoprofile wird den Parametern Schiffstyp, Leistung des Flaggenstaats, anerkannte Organisationen und Leistung des Unternehmens stärkeres Augenmerk gewidmet.

3.
Umweltparameter

Schiffe, die bei Überprüfungen in dem in Anhang II genannten Zeitraum eine größere Zahl an Mängeln im Zusammenhang mit Marpol 73/78, AFS 2001, dem Ballastwasser-Übereinkommen, CLC 92, dem Bunkeröl-Übereinkommen 2001, dem Nairobi-Übereinkommen und dem Hongkonger Übereinkommen aufwiesen als die in Anhang II genannte Zahl, gelten als stärker risikobehaftet.

II.
Überprüfung von Schiffen

1.
Wiederkehrende Überprüfungen

Wiederkehrende Überprüfungen werden in zuvor festgelegten Abständen durchgeführt. Ihre Häufigkeit wird anhand des Risikoprofils des Schiffes festgelegt. Der Abstand zwischen wiederkehrenden Überprüfungen von Schiffen mit hohem Risiko darf sechs Monate nicht überschreiten. Der Abstand zwischen wiederkehrenden Überprüfungen von Schiffen mit anderen Risikoprofilen wächst mit abnehmendem Risiko.

Die Mitgliedstaaten führen eine wiederkehrende Überprüfung bei folgenden Schiffen durch:

bei jedem Schiff mit hohem Risikoprofil, das in den vergangenen sechs Monaten nicht in einem Hafen oder Ankerplatz innerhalb der Union oder der unter die Pariser Vereinbarung fallenden Region überprüft wurde. Schiffe mit hohem Risiko kommen ab dem fünften Monat für eine Überprüfung in Betracht;

bei jedem Schiff mit Standardrisikoprofil, das in den vergangenen zwölf Monaten nicht in einem Hafen oder Ankerplatz innerhalb der Union oder der unter die Pariser Vereinbarung fallenden Region überprüft wurde. Schiffe mit Standardrisiko kommen ab dem zehnten Monat für eine Überprüfung in Betracht;

bei jedem Schiff mit niedrigem Risikoprofil, das in den vergangenen 36 Monaten nicht in einem Hafen oder Ankerplatz innerhalb der Union oder der unter die Pariser Vereinbarung fallenden Region überprüft wurde. Schiffe mit niedrigem Risiko kommen ab dem 24. Monat für eine Überprüfung in Betracht.

2.
Zusätzliche Überprüfungen

Schiffe, für die folgende Prioritätsfaktoren oder unerwartete Faktoren gelten, werden unabhängig von dem Zeitraum, der seit ihrer letzten wiederkehrenden Überprüfung vergangen ist, einer Überprüfung unterzogen. Ob eine solche zusätzliche Überprüfung aufgrund unerwarteter Faktoren erforderlich ist, bleibt jedoch dem fachlichen Urteil des Besichtigers überlassen.

2A.
Prioritätsfaktoren

Schiffe, für die folgende Prioritätsfaktoren gelten, werden unabhängig von dem Zeitraum, der seit ihrer letzten wiederkehrenden Überprüfung vergangen ist, einer Überprüfung unterzogen:

Schiffe, deren Klasse seit der letzten Überprüfung in der Union oder der unter die Pariser Vereinbarung fallenden Region aus Sicherheitsgründen ruhte oder zurückgezogen wurde;

Schiffe, die Gegenstand eines Berichts oder einer Mitteilung eines anderen Mitgliedstaats waren;

Schiffe, die in der Überprüfungsdatenbank nicht identifiziert werden können;

Schiffe,

die auf der Fahrt zum Hafen an einem Zusammenstoß beteiligt waren, auf Grund gelaufen sind oder gestrandet sind;

bei denen der Verdacht eines Verstoßes gegen die Einleitvorschriften für gefährliche Stoffe oder sonstige Stoffe besteht;

die Schiffsmanöver auf unberechenbare oder unsichere Weise durchgeführt haben und dabei gegen von der IMO verabschiedete Routenvorschriften oder Praktiken und Verfahren der sicheren Navigation verstoßen haben;

die zuvor mit einem Verbot belegt wurden (erste Überprüfung nach Aufhebung der Zugangsverweigerung); oder

die an einem ernsthaften Zwischenfall beteiligt waren, insbesondere einem schweren Brand an Bord, einem Ausfall eines Motors oder einem tödlichen Unfall.

2B.
Unerwartete Faktoren

Schiffe, für die folgende unerwartete Faktoren gelten, können unabhängig von dem Zeitraum, der seit ihrer letzten wiederkehrenden Überprüfung vergangen ist, einer Überprüfung unterzogen werden. Die Entscheidung, eine solche zusätzliche Überprüfung durchzuführen, bleibt dem fachlichen Urteil der zuständigen Behörde überlassen:

Schiffe, die Zeugnisse mit sich führen, die von einer ehemals anerkannten Organisation ausgestellt wurden, der seit der letzten Überprüfung in der Union oder der unter die Pariser Vereinbarung fallenden Region die Anerkennung entzogen wurde;

Schiffe, bei denen Lotsen oder Hafenbehörden oder -stellen offensichtliche Auffälligkeiten gemeldet haben, die gemäß Artikel 23 dieser Richtlinie die sichere Fahrt dieser Schiffe gefährden oder eine Gefährdung für die Umwelt darstellen können. Diese Berichte können Informationen von Schiffsverkehrsdiensten über die Fahrten von Schiffen enthalten;

Schiffe, die es versäumt haben, den einschlägigen in der Richtlinie (EU) 2019/883 genannten Meldeanforderungen nachzukommen;

Schiffe, die Gegenstand eines Berichts oder einer Beschwerde – einschließlich einer Beschwerde an Land – vonseiten des Kapitäns, eines Besatzungsmitglieds oder einer Person oder Organisation mit einem berechtigten Interesse am sicheren Betrieb des Schiffes, den Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord oder der Verhütung von Verschmutzung waren, es sei denn, der betreffende Mitgliedstaat betrachtet den Bericht oder die Beschwerde als offenkundig unbegründet;

Schiffe, bei denen ein unbehobener ISM-Mangel gemeldet wurde (drei Monate nach Ausstellung des Mangels);

Schiffe, die vor mehr als drei Monaten bereits festgehalten wurden;

Schiffe, bei denen Probleme mit der Ladung gemeldet wurden, insbesondere schädliche und gefährliche Ladungen;

Schiffe, die auf eine Weise betrieben wurden, dass von ihnen eine Gefahr für Personen, Sachen oder die Umwelt ausgeht;

Schiffe, bei denen aus verlässlicher Quelle bekannt wurde, dass ihre Risikoparameter von den erfassten Parametern abweichen und das Risikoniveau dadurch höher ausfällt;

Schiffe, für die ein Aktionsplan zur Beseitigung von Mängeln nach Artikel 19 Absatz 2a vereinbart wurde, bei denen jedoch die Umsetzung dieses Plans nicht von einem Besichtiger überprüft wurde.

3.
Auswahlverfahren
3A.
Schiffe der Prioritätsstufe I werden wie folgt überprüft:

a)
Eine erweiterte Überprüfung wird bei folgenden Schiffen durchgeführt:

bei jedem Schiff mit hohem Risikoprofil, das in den vergangenen sechs Monaten nicht überprüft wurde;

bei jedem Fahrgastschiff, Massengutschiff und Tankschiff für Öl, Gas, NLS oder Chemieprodukte mit Standardrisikoprofil, das älter als zwölf Jahre ist und in den vergangenen zwölf Monaten nicht überprüft wurde.

b)
Eine Erstüberprüfung bzw. eine gründlichere Überprüfung wird bei folgenden Schiffen durchgeführt:

bei allen anderen Schiffen als Fahrgastschiffen, Massengutschiffen und Tankschiffen für Öl, Gas, NLS oder Chemieprodukte mit Standardrisikoprofil, die älter als zwölf Jahre sind und in den vergangenen zwölf Monaten nicht überprüft wurden.

c)
Im Falle eines Prioritätsfaktors

wird jedes Schiff mit hohem Risikoprofil und jedes Fahrgastschiff, Massengutschiff und Tankschiff für Öl, Gas, NLS oder Chemieprodukte, das älter als zwölf Jahre ist, entsprechend dem fachlichen Urteil des Besichtigers einer gründlicheren Überprüfung oder einer erweiterten Überprüfung unterzogen;

wird jedes andere Schiff, das kein Fahrgastschiff, Massengutschiff und Tankschiff für Öl, Gas, NLS oder Chemieprodukte und älter als zwölf Jahre ist, einer gründlicheren Überprüfung unterzogen;

wird jedes Schiff im Zuge der ersten Überprüfung nach Aufhebung einer Zugangsverweigerung einer erweiterten Überprüfung unterzogen.

3B.
Beschließt die zuständige Behörde, ein Schiff der Prioritätsstufe II zu überprüfen, so gilt Folgendes:

a)
Eine erweiterte Überprüfung wird bei folgenden Schiffen durchgeführt:

bei jedem Schiff mit hohem Risikoprofil, das in den vergangenen fünf Monaten nicht überprüft wurde;

bei jedem Fahrgastschiff, Massengutschiff und Tankschiff für Öl, Gas, NLS oder Chemieprodukte mit Standardrisikoprofil, das älter als zwölf Jahre ist und in den vergangenen zehn Monaten nicht überprüft wurde; oder

bei jedem Fahrgastschiff, Massengutschiff und Tankschiff für Öl, Gas, NLS oder Chemieprodukte mit niedrigem Risikoprofil, das älter als zwölf Jahre ist und in den vergangenen 24 Monaten nicht überprüft wurde.

b)
Eine Erstüberprüfung bzw. eine gründlichere Überprüfung wird bei folgenden Schiffen durchgeführt:

bei allen anderen Schiffen als Fahrgastschiffen, Massengutschiffen und Tankschiffen für Öl, Gas, NLS oder Chemieprodukte mit Standardrisikoprofil, die älter als zwölf Jahre sind und in den vergangenen zehn Monaten nicht überprüft wurden; oder

bei allen anderen Schiffen als Fahrgastschiffen, Massengutschiffen und Tankschiffen für Öl, Gas, NLS oder Chemieprodukte mit niedrigem Risikoprofil, die älter als zwölf Jahre sind und in den vergangenen 24 Monaten nicht überprüft wurden.

c)
Im Falle eines unerwarteten Faktors

wird jedes Schiff mit hohem Risikoprofil oder jedes Fahrgastschiff, Massengutschiff und Tankschiff für Öl, Gas, NLS oder Chemieprodukte, das älter als zwölf Jahre ist, entsprechend dem fachlichen Urteil des Besichtigers einer gründlicheren Überprüfung oder einer erweiterten Überprüfung unterzogen;

wird jedes andere Schiff, das kein Fahrgastschiff, Massengutschiff und Tankschiff für Öl, Gas, NLS oder Chemieprodukte und älter als zwölf Jahre ist, einer gründlicheren Überprüfung unterzogen.

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