Präambel RL 2010/53/EU

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 168 Absatz 4,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

in Kenntnis der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),

nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,

in Kenntnis der Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten(2),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
In den vergangenen 50 Jahren hat sich die Organtransplantation weltweit als gängige Praxis etabliert und damit Hunderttausenden von Patienten ungeheuren Nutzen gebracht. Die Verwendung menschlicher Organe (im Folgenden „Organe” ) zu Transplantationszwecken ist in den letzten zwanzig Jahren ständig gestiegen. Sie stellt gegenwärtig die kostengünstigste Behandlung bei Nierenversagen im Endstadium dar; bei Leber-, Lungen- und Herzversagen ist sie zurzeit die einzige Behandlungsmöglichkeit.
(2)
Allerdings sind mit dem Einsatz von Organen zu Transplantationszwecken auch Risiken verbunden. Die extensive therapeutische Verwendung von Organen zu Transplantationszwecken erfordert eine Qualität und Sicherheit der Organe, die das Risiko der Krankheitsübertragung minimieren. Durch gut organisierte einzelstaatliche und internationale Transplantationssysteme und die Anwendung der besten verfügbaren Fachkenntnisse, Technologien sowie innovativer medizinischer Behandlungsverfahren können die mit transplantierten Organen verbundenen Gefahren für die Empfänger deutlich verringert werden.
(3)
Darüber hinaus hängt die Verfügbarkeit von Organen für therapeutische Zwecke von der Bereitschaft der Unionsbürger ab, Organe zu spenden. Um die öffentliche Gesundheit zu schützen und die Krankheitsübertragung durch solche Organe zu vermeiden, sollten bei ihrer Bereitstellung, Transport und Verwendung Vorsorgemaßnahmen getroffen werden.
(4)
Jedes Jahr werden Organe zwischen den Mitgliedstaaten ausgetauscht. Der Organaustausch ist eine wichtige Möglichkeit, die Zahl der verfügbaren Organe zu erhöhen, eine bessere Übereinstimmung zwischen Spender und Empfänger zu gewährleisten und damit die Transplantatqualität zu verbessern. Dies ist insbesondere für die optimale Versorgung bestimmter Patienten, wie Notfallpatienten, hochimmunisierte Patienten oder Kinder, von Bedeutung. Verfügbare Organe sollten ohne unnötige Probleme und Verzögerungen über nationale Grenzen verbracht werden können.
(5)
Die Transplantation wird jedoch von Krankenhäusern und Berufsangehörigen durchgeführt, für die unterschiedliche Rechtsordnungen gelten, wobei zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten signifikante Unterschiede in den Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen bestehen.
(6)
Deshalb bedarf es gemeinsamer Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Bereitstellung, den Transport und die Verwendung von Organen auf Unionsebene. Solche Standards würden den Organaustausch zugunsten Tausender europäischer Patienten erleichtern, die diese Art Therapie jedes Jahr benötigen. Die Rechtsvorschriften der Union sollten sicherstellen, dass Organe anerkannten Qualitäts- und Sicherheitsstandards entsprechen. Solche Standards würden dazu beitragen, die Öffentlichkeit in ihrem Vertrauen zu bestärken, dass für Organe, die aus anderen Mitgliedstaaten stammen, die gleichen grundlegenden Qualitäts- und Sicherheitsgarantien gelten wie im eigenen Land.
(7)
Zu den inakzeptablen Methoden bei der Organspende und -transplantation gehört der Organhandel, der mitunter mit Menschenhandel zum Zweck der Organentnahme verbunden ist, der eine schwere Verletzung der Grundrechte und insbesondere der Menschenwürde und der körperlichen Unversehrtheit darstellt. Obwohl die vorliegende Richtlinie primär auf die Sicherheit und die Qualität von Organen abzielt, trägt sie jedoch durch die Einrichtung zuständiger Behörden, die Zulassung von Transplantationszentren, die Einführung von Bedingungen für die Bereitstellung von Spenderorganen und von Systemen für ihre Rückverfolgbarkeit auch indirekt dazu bei, den Organhandel zu bekämpfen.
(8)
Gemäß Artikel 168 Absatz 7 des Vertrags über die Funktionsweise der Europäischen Union (AEUV) bleiben die einzelstaatlichen Regelungen über die medizinische Verwendung von Organen und mithin die eigentliche chirurgische Transplantationshandlung von den gemäß Artikel 168 Absatz 4 Buchstabe a des genannten Vertrags ergriffenen Maßnahmen unberührt. In Anbetracht der Zielsetzung, die mit transplantierten Organen verbundenen Gefahren zu verringern, ist es jedoch notwendig, bestimmte Vorschriften für die Transplantation und insbesondere für unbeabsichtigte und unerwartete Situationen, die während der Transplantation eintreten und die Qualität und Sicherheit der Organe beeinträchtigen können, in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie aufzunehmen.
(9)
Zur Reduzierung der Risiken und zur Maximierung des Nutzens der Transplantation müssen die Mitgliedstaaten ein wirksames System für Qualität und Sicherheit anwenden. Dieses System sollte während der gesamten Transplantationskette von der Spende bis zur Transplantation oder Entsorgung umgesetzt und beibehalten werden und sollte für das medizinische Personal sowie für die Organisation, die Räumlichkeiten, die Ausstattung, das Material, die Dokumentation und die Aufbewahrung der Aufzeichnungen gelten. Das System für Qualität und Sicherheit sollte erforderlichenfalls Audits umfassen. Die Mitgliedstaaten sollten die Zuständigkeit für die Durchführung der Tätigkeiten gemäß dem System für Qualität und Sicherheit an bestimmte Stellen, die gemäß den einzelstaatlichen Vorschriften als dafür geeignet befunden werden, einschließlich europäischer Einrichtungen für den Organaustausch, delegieren können.
(10)
Die zuständigen Behörden sollten die Einhaltung der Bereitstellungsbedingungen durch die Zulassung von Bereitstellungsorganisationen überwachen. Solche Organisationen sollten über eine ordnungsgemäße Organisation, angemessen qualifiziertes oder geschultes und kompetentes Personal sowie geeignete Einrichtungen und Materialien verfügen.
(11)
Die Nutzen-Risiko-Abwägung ist ein grundlegender Aspekt der Organtransplantation. Aufgrund des Organmangels und des Umstands, dass der Bedarf an Organen zur Transplantation durch lebensgefährliche Krankheiten entsteht, ist der allgemeine Nutzen der Organtransplantation hoch, und es werden mehr Risiken in Kauf genommen als bei Blut oder den meisten auf Geweben und Zellen basierenden Therapien. Der Kliniker spielt eine wichtige Rolle in diesem Zusammenhang, da er entscheidet, ob ein Organ sich für die Transplantation eignet oder nicht. Diese Richtlinie legt fest, welche Informationen für diese Beurteilung erforderlich sind.
(12)
Die Beurteilung potenzieller Spender im Vorfeld der Transplantation ist zentraler Bestandteil der Organtransplantation. Diese Beurteilung muss genügend Informationen liefern, damit das Transplantationszentrum eine fundierte Nutzen-Risiko-Analyse vornehmen kann. Es ist erforderlich, die Risiken und die Merkmale des Organs festzustellen und zu dokumentieren, damit das Organ einem geeigneten Empfänger zugeteilt werden kann. Zur hinreichenden Charakterisierung des Organs und des Spenders sollten Informationen aus der Krankengeschichte, der körperlichen Untersuchung und aus ergänzenden Untersuchungen eines potenziellen Spenders erhoben werden. Um eine genaue, verlässliche und objektive Anamnese zu erhalten, sollte das medizinische Team den Lebendspender und im Falle einer postmortalen Spende, sofern dies notwendig und angemessen ist, die Angehörigen des verstorbenen Spenders befragen. Bei dieser Befragung sollte das medizinische Team die Befragten gründlich über die möglichen Gefahren und Folgen von Organspende und -transplantation aufklären. Solch eine Befragung ist besonders wichtig, da die Möglichkeit, potenziell schwere übertragbare Krankheiten auszuschließen, aufgrund des Zeitdrucks bei postmortalen Organspenden eingeschränkt ist.
(13)
Aufgrund des Mangels an Organen, die für eine Transplantation zur Verfügung stehen, und des Zeitdrucks bei Organspenden und -transplantationen ist es notwendig, Situationen zu berücksichtigen, in denen dem Transplantationspersonal einige der zur Charakterisierung von Organ und Spender notwendigen Informationen fehlen, die in Teil A des Anhangs aufgeführt sind, der einen verbindlichen Mindestdatensatz festlegt. In diesen speziellen Fällen sollte das medizinische Team das jeweilige Risiko beurteilen, dem der potenzielle Empfänger durch den Mangel an Informationen oder durch den Abbruch der Transplantation des betreffenden Organs ausgesetzt ist. Ist die vollständige Charakterisierung eines Organs gemäß Teil A des Anhangs nicht rechtzeitig möglich oder aufgrund besonderer Umstände unmöglich, kann das Organ zur Transplantation vorgesehen werden, wenn der Verzicht auf die Transplantation für den potenziellen Empfänger eine größere Gefahr darstellen könnte. Teil B des Anhangs, der sich auf einen ergänzenden Satz von Angaben bezieht, sollte eine ausführlichere Charakterisierung von Organen und Spendern ermöglichen.
(14)
Für den Transport von Organen sollten wirksame Bestimmungen erlassen werden, um die Ischämiezeiten zu optimieren und Organschädigungen einzuschränken. Bei gleichzeitiger Wahrung der medizinischen Vertraulichkeit muss der Organbehälter klar beschriftet und mit der erforderlichen Dokumentation versehen werden.
(15)
Das Transplantationssystem sollte die Rückverfolgbarkeit der Organe von der Spende bis zum Empfang sicherstellen und sollte im Falle einer unvorhergesehenen Komplikation Warnungen auslösen können. Deshalb muss ein System geschaffen werden, mit dem sich schwerwiegende Zwischenfälle und unerwünschte Reaktionen erkennen und untersuchen lassen, damit die lebenswichtigen Interessen der Betroffenen geschützt werden.
(16)
Organspender sind oft auch Gewebespender. Die Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen für Organe sollten das bestehende Unionssystem für Gewebe und Zellen gemäß der Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Bereitstellung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen(4) ergänzen und mit ihm verbunden werden. Das bedeutet nicht, dass die Systeme für Organe und für Gewebe und Zellen zwangsläufig elektronisch gekoppelt sein sollten. Eine unerwünschte Reaktion beim Spender oder Empfänger eines Organs sollte von der zuständigen Behörde zurückverfolgt und über das Meldesystem für schwerwiegende Zwischenfälle und unerwünschte Reaktionen für Gewebe und Zellen gemäß der genannten Richtlinie gemeldet werden.
(17)
Das unmittelbar mit der Spende, Testung, Charakterisierung, Bereitstellung, Konservierung, dem Transport und der Transplantation von Organen betraute medizinische Personal sollte angemessen qualifiziert oder geschult und kompetent sein. Die Bedeutung von Transplantationskoordinatoren, die auf Krankenhausebene bestellt werden, ist vom Europarat anerkannt worden. Die Rolle der Transplantationskoordinatoren oder -koordinierungsteams sollte als Schlüssel zur Verbesserung sowohl der Effektivität des Prozesses der Organspende und -transplantation als auch der Qualität und Sicherheit der für die Transplantation vorgesehenen Organe anerkannt werden.
(18)
Generell sollte der Austausch von Organen mit Drittländern von der zuständigen Behörde überwacht werden. Der Austausch von Organen mit Drittländern sollte nur dann erlaubt werden, wenn Standards erfüllt werden, die den in dieser Richtlinie vorgesehenen gleichwertig sind. Allerdings sollte die wichtige Rolle der bestehenden europäischen Einrichtungen für den Organaustausch zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern, die an solchen Organisationen beteiligt sind, berücksichtigt werden.
(19)
Uneigennützigkeit ist ein wichtiger Faktor bei Organspenden. Um die Qualität und Sicherheit der Organe zu gewährleisten, sollten Organtransplantationsprogramme auf den Grundsätzen der freiwilligen und unentgeltlichen Spende beruhen. Dies ist von grundlegender Bedeutung, weil die Nichteinhaltung dieser Grundsätze zu unvertretbaren Risiken führen könnte. Wenn die Spende nicht freiwillig und/oder zur Erzielung eines finanziellen Gewinns erfolgt, könnte die Qualität des Spendeprozesses gefährdet werden, da die Verbesserung der Lebensqualität oder die Rettung des Lebens eines Menschen nicht das hauptsächliche und/oder das einzige Ziel ist. Selbst wenn der Prozess unter Einhaltung angemessener Qualitätsstandards durchgeführt wird, könnte es der Krankengeschichte im Hinblick auf die Erkrankungen und/oder Krankheiten, die vom Spender auf den Empfänger übertragen werden können, an ausreichender Präzision mangeln, wenn diese auf den Angaben eines potenziellen Lebendspenders oder der Angehörigen eines verstorbenen potenziellen Spenders beruhen, die die Erzielung eines finanziellen Gewinns anstreben oder sich in einer Zwangslage befinden. Dies könnte zu einem Sicherheitsproblem für potenzielle Empfänger führen, da das medizinische Personal nur begrenzt in der Lage wäre, eine angemessene Risikobewertung vorzunehmen. Hier ist auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und insbesondere auf den in Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe c niedergelegten Grundsatz hinzuweisen. Dieser Grundsatz ist auch in Artikel 21 des Übereinkommens des Europarates zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin, das zahlreiche Mitgliedstaaten ratifiziert haben, festgehalten. Er findet auch in den Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation zur Transplantation von menschlichen Zellen, Gewebe und Organen, denen zufolge der menschliche Körper und seine Teile nicht Gegenstand von Handelsgeschäften sein können, seinen Niederschlag.
(20)
Andere international anerkannte Grundsätze bei der Organspende und -transplantation umfassen u. a. die Bestätigung oder Feststellung des Todes gemäß den einzelstaatlichen Vorschriften vor der Entnahme von Organen verstorbener Personen und die Zuteilung von Organen anhand transparenter, diskriminierungsfreier und wissenschaftlicher Kriterien. Auf sie sollte hingewiesen werden und sie sollten im Zusammenhang mit dem Aktionsplan der Kommission im Bereich Organspende und -transplantation Berücksichtigung finden.
(21)
In der Union bestehen verschiedene Modelle zur Erteilung der Zustimmung zu einer Organspende, darunter Einwilligungssysteme, bei denen die Zustimmung zu einer Organspende ausdrücklich eingeholt werden muss, und Widerspruchssysteme, bei denen die Spende stattfinden kann, wenn es keinen Nachweis gibt, dass ihr widersprochen worden ist. Damit Einzelpersonen diesbezüglich ihren Willen erklären können, haben einige Mitgliedstaaten besondere Register eingerichtet, in denen die Willenserklärungen erfasst werden. Die vorliegende Richtlinie lässt die breite Vielfalt an bereits bestehenden Zustimmungssystemen in den Mitgliedstaaten unberührt. Darüber hinaus verfolgt die Kommission mit ihrem Aktionsplan im Bereich Organspende und -transplantation das Ziel, die Öffentlichkeit stärker für Organspenden zu sensibilisieren und insbesondere Mechanismen zu entwickeln, durch die die Ermittlung von Organspendern in ganz Europa erleichtert wird.
(22)
Artikel 8 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr(5) verbietet grundsätzlich die Verarbeitung von Gesundheitsdaten, legt aber dabei eine begrenzte Zahl von Ausnahmen fest. Gemäß der Richtlinie 95/46/EG muss zudem der für die Verarbeitung Verantwortliche die geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen ergreifen, um die personenbezogenen Daten vor versehentlicher oder unrechtmäßiger Zerstörung, zufälligem Verlust, Änderung, unberechtigter Weitergabe oder unberechtigtem Zugang und vor jeder anderen Form der unrechtmäßigen Verarbeitung zu schützen. Es sollte sichergestellt werden, dass strenge Vertraulichkeitsvorschriften und Sicherheitsmaßnahmen für den Schutz der personenbezogenen Daten von Spendern und Empfängern im Einklang mit der Richtlinie 95/46/EG bestehen. Im Rahmen der Ausarbeitung eines Systems für die Übermittlung von organbezogenen Daten an Drittländer und aus Drittländern kann die zuständige Behörde darüber hinaus auch die nationale Datenschutzüberwachungsbehörde konsultieren. Es sollte der allgemeine Grundsatz gelten, dass die Identität des Empfängers/der Empfänger dem Spender oder dessen Familie und umgekehrt nicht bekannt gegeben wird, unbeschadet geltender Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, gemäß denen es unter bestimmten Umständen zulässig sein könnte, den Spendern oder deren Familien sowie den Empfängern von Organen Zugang zu dieser Information zu gewähren.
(23)
In den meisten Mitgliedstaaten gibt es sowohl Lebendspende als auch postmortale Spende. Die Lebendspende hat sich im Laufe der Jahre so entwickelt, dass auch dann gute Ergebnisse erzielt werden können, wenn Spender und Empfänger nicht genetisch verwandt sind. Lebendspender sollten angemessen beurteilt werden, damit ihre Eignung für die Spende festgestellt und damit das Risiko der Krankheitsübertragung auf die Empfänger minimiert wird. Zudem sind Lebendspender sowohl bei den Untersuchungen zur Feststellung ihrer Eignung als auch beim Entnahmeverfahren Risiken ausgesetzt. Es kann zu medizinischen, chirurgischen, sozialen, finanziellen oder psychologischen Komplikationen kommen. Die Höhe des Risikos hängt insbesondere davon ab, welches Organ gespendet wird. Daher ist es erforderlich, Lebendspenden so durchzuführen, dass das körperliche, seelische und soziale Risiko des einzelnen Spenders und des Empfängers minimiert und das Vertrauen der Bevölkerung in das Gesundheitswesen nicht beeinträchtigt wird. Der potenzielle Lebendspender muss eine unabhängige Entscheidung auf der Grundlage aller sachdienlichen Informationen treffen können und sollte im Voraus über Zweck und Art der Spende sowie Folgen und Risiken aufgeklärt werden. In diesem Zusammenhang und um zu gewährleisten, dass die Grundsätze der Organspende beachtet werden, sollte der bestmögliche Schutz von Lebendspendern sichergestellt werden. Es sollte auch darauf hingewiesen werden, dass einige Mitgliedstaaten Unterzeichner des Übereinkommens des Europarats zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin und dessen Zusatzprotokolls über die Transplantation von Organen und Geweben menschlichen Ursprungs sind. Umfassende Aufklärung, ordnungsgemäße Bewertung und angemessene Nachsorge sind die international anerkannten Maßnahmen zum Schutz von Lebendspendern, die außerdem dazu beitragen, die Qualität und Sicherheit von Organen zu gewährleisten.
(24)
Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten sollten eine Schlüsselrolle bei der Gewährleistung der Qualität und Sicherheit von Organen über die gesamte Kette von der Spende bis zur Transplantation und bei der Beurteilung ihrer Qualität und Sicherheit während der gesamten Genesungsphase des Patienten und der darauf folgenden Nachsorge spielen. Dazu ist es notwendig, ergänzend zum Meldesystem für schwerwiegende Zwischenfälle und unerwünschte Reaktionen maßgebliche Daten über Transplantationsergebnisse zu erfassen, um die Qualität und Sicherheit zur Transplantation bestimmter Organe umfassender bewerten zu können. Der Austausch solcher Informationen zwischen den Mitgliedstaaten würde EU-weit eine weitere Verbesserung von Spenden und Transplantationen fördern. Wie in der Empfehlung Rec(2006)15 des Ministerkomitees des Europarats an die Mitgliedstaaten über den Hintergrund, die Aufgaben und Zuständigkeiten einer nationalen Transplantationsorganisation (NTO) betont wird, empfiehlt es sich, eine einzige gemeinnützige, amtlich anerkannte Einrichtung mit der Gesamtverantwortung für Spende, Zuteilung, Rückverfolgbarkeit und Rechenschaftspflicht zu betrauen. Je nach Zuständigkeitsverteilung in den Mitgliedstaaten kann jedoch auch eine Kombination lokaler, regionaler, nationaler und/oder internationaler Stellen zusammenarbeiten, um Spende, Zuteilung und/oder Transplantation zu koordinieren, sofern es einen Rahmen gibt, der Rechenschaftspflicht, Zusammenarbeit und Effizienz sicherstellt.
(25)
Die Mitgliedstaaten sollten für Verstöße gegen die aufgrund dieser Richtlinie erlassenen nationalen Vorschriften Sanktionen festlegen und sicherstellen, dass diese Sanktionen angewendet werden. Diese Sanktionen sollten wirksam, angemessen und abschreckend sein.
(26)
Zur Anpassung des Anhangs sollte die Kommission ermächtigt werden, gemäß Artikel 290 AEUV delegierte Rechtsakte zu erlassen. Die Kommission sollte den in Teil A des Anhangs festgelegten Satz von Mindestangaben nur in Ausnahmesituationen, in denen dies aufgrund einer ernsten Gefahr für die menschliche Gesundheit gerechtfertigt ist, ergänzen oder abändern und den in Teil B des Anhangs festgelegten Satz von ergänzenden Angaben zur Anpassung an den wissenschaftlichen Fortschritt und die internationale Arbeit im Bereich der Qualität und Sicherheit von zur Transplantation bestimmten Organen ergänzen oder abändern. Es ist von besonderer Wichtigkeit, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Sachverständigen, durchführt.
(27)
Der Austausch von Organen zwischen den Mitgliedstaaten macht es erforderlich, dass von der Kommission einheitliche Regeln für die Verfahren sowohl der Übermittlung von Informationen über Organe und über die Charakterisierung des Spenders als auch der Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit von Organen und der Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und unerwünschter Reaktionen beschlossen werden sollten, um für die ausgetauschten Organe die höchsten Qualitäts- und Sicherheitsstandards zu gewährleisten. Nach Artikel 291 AEUV müssen die Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren, im Voraus durch eine gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren angenommene Verordnung festgelegt werden. Bis zur Annahme dieser neuen Verordnung findet weiterhin der Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse(6) Anwendung, mit Ausnahme des nicht anwendbaren Regelungsverfahrens mit Kontrolle.
(28)
Da die Ziele dieser Richtlinie, nämlich die Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Transplantation in den menschlichen Körper bestimmte Organe, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können und deshalb unter Berücksichtigung des Umfangs der Maßnahmen besser auf Unionsebene zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das zur Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus —

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. C 306 vom 16.12.2009, S. 64.

(2)

ABl. C 192 vom 15.8.2009, S. 6.

(3)

Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2010 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 29. Juni 2010.

(4)

ABl. L 102 vom 7.4.2004, S. 48.

(5)

ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31.

(6)

ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23.

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