Artikel 15 RL 2011/36/EU
Schutz von Kindern, die Opfer von Menschenhandel sind, bei Strafermittlungen und Strafverfahren
(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die zuständigen Behörden im Einklang mit der Stellung der Opfer in der betreffenden Rechtsordnung in den Fällen, in denen die Träger der elterlichen Verantwortung nach einzelstaatlichem Recht ein Kind aufgrund eines Interessenkonflikts zwischen ihnen und dem Opfer nicht in Strafverfahren vertreten dürfen, für die strafrechtlichen Ermittlungen und Verfahren einen Vertreter des Kindes, das Opfer von Menschenhandel ist, benennen.
(2) Die Mitgliedstaaten stellen im Einklang mit der Stellung der Opfer in der betreffenden Rechtsordnung sicher, dass Opfer von Menschenhandel im Kindesalter unverzüglich Zugang zu unentgeltlicher Rechtsberatung sowie zu unentgeltlicher rechtlicher Vertretung, auch zum Zweck der Geltendmachung einer Entschädigung, haben, sofern sie nicht über ausreichende Mittel verfügen.
(3) Unbeschadet der Verteidigungsrechte treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass bei strafrechtlichen Ermittlungen und Strafverfahren wegen einer Straftat im Sinne der Artikel 2 und 3 Folgendes beachtet wird:
- a)
- Die Vernehmung des Opfers im Kindesalter findet statt, sobald der Sachverhalt den zuständigen Behörden gemeldet wurde, wobei ungerechtfertigte Verzögerungen vermieden werden.
- b)
- Die Vernehmung des Opfers im Kindesalter findet erforderlichenfalls in Räumen statt, die für diesen Zweck ausgestattet sind oder entsprechend angepasst wurden.
- c)
- Die Vernehmung des Opfers im Kindesalter wird erforderlichenfalls von oder unter Einschaltung von speziell ausgebildeten Fachleuten durchgeführt.
- d)
- Sofern dies möglich und angezeigt ist, werden sämtliche Vernehmungen des Opfers im Kindesalter von denselben Personen durchgeführt.
- e)
- Es sollten möglichst wenige Vernehmungen durchgeführt werden; zudem sollten Vernehmungen nur dann durchgeführt werden, wenn sie für die strafrechtlichen Ermittlungen und das Strafverfahren unabdingbar sind.
- f)
- Das Opfer im Kindesalter kann von einem Vertreter oder gegebenenfalls einem Erwachsenen nach Wahl des Kindes begleitet werden, es sei denn, dass in Bezug auf diese Person eine begründete gegenteilige Entscheidung getroffen wurde.
(4) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass bei strafrechtlichen Ermittlungen wegen einer Straftat im Sinne der Artikel 2 und 3 sämtliche Vernehmungen des Opfers im Kindesalter oder gegebenenfalls eines Zeugen im Kindesalter auf Videoband aufgenommen und diese Aufnahmen gemäß den Vorschriften seines nationalen Rechts als Beweismaterial in Gerichtsverhandlungen verwendet werden können.
(5) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass bei Strafverfahren wegen einer Straftat nach den Artikeln 2 und 3 Folgendes angeordnet werden kann:
- a)
- Die Vernehmung findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und
- b)
- die Vernehmung des Opfers im Kindesalter im Gerichtssaal kann stattfinden, ohne dass das Opfer im Gerichtssaal anwesend ist, insbesondere durch Einsatz geeigneter Kommunikationstechnologie im Gerichtssaal.
(6) Dieser Artikel gilt unbeschadet des Artikels 12.
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