Präambel RL 2013/11/EU
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission,
nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,
nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),
gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(2),
in Erwägung nachstehender Gründe:
- (1)
- Gemäß Artikel 169 Absatz 1 und Artikel 169 Absatz 2 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) leistet die Union durch Maßnahmen, die sie nach Artikel 114 AEUV erlässt, einen Beitrag zur Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus. Gemäß Artikel 38 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stellt die Politik der Union ein hohes Verbraucherschutzniveau sicher.
- (2)
- Gemäß Artikel 26 Absatz 2 AEUV soll der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen umfassen, in dem der freie Verkehr von Waren und Dienstleistungen gewährleistet ist. Der Binnenmarkt sollte den Verbrauchern zusätzlichen Nutzen in Form besserer Qualität, größerer Vielfalt, angemessener Preise und hoher Sicherheitsstandards für Waren und Dienstleistungen bringen, was für ein hohes Verbraucherschutzniveau sorgen sollte.
- (3)
- Die Zersplitterung des Binnenmarkts ist nachteilig für die Wettbewerbsfähigkeit, das Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Union. Für die Vollendung des Binnenmarkts ist es unerlässlich, direkte und indirekte Hemmnisse für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu beseitigen und das Vertrauen der Bürger zu stärken.
- (4)
- Die Gewährleistung des Zugangs zu einfachen, effizienten, schnellen und kostengünstigen Möglichkeiten der Beilegung inländischer und grenzübergreifender Streitigkeiten, die sich aus Kauf- oder Dienstleistungsverträgen ergeben, sollte Verbrauchern zugute kommen und somit ihr Vertrauen in den Markt stärken. Dieser Zugang sollte sich sowohl auf online als auch offline getätigte Rechtsgeschäfte beziehen und ist besonders wichtig, wenn Verbraucher über die Grenzen hinweg einkaufen.
- (5)
- Alternative Streitbeilegung (im Folgenden „AS” ) ist eine einfache, schnelle und kostengünstige Möglichkeit der außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern. Allerdings ist AS noch nicht in der gesamten Union hinreichend und durchgängig entwickelt. Es ist bedauerlich, dass trotz der Empfehlung der Kommission 98/257/EG vom 30. März 1998 betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind(3), und der Empfehlung der Kommission 2001/310/EG vom 4. April 2001 über die Grundsätze für an der einvernehmlichen Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten beteiligte außergerichtliche Einrichtungen(4), AS nicht in ordnungsgemäßer Weise aufgebaut worden ist und nicht in allen geografischen Gebieten oder Wirtschaftssektoren in der Union zufriedenstellend funktionieren. Verbraucher und Unternehmer haben noch keine Kenntnis über bestehende alternative Rechtsbehelfsverfahren, und nur ein geringer Anteil der Bürger weiß, wie eine Beschwerde bei einer AS-Stelle einzureichen ist. Sofern AS-Verfahren zur Verfügung stehen, haben sie in den verschiedenen Mitgliedstaaten ein sehr unterschiedliches Qualitätsniveau, und grenzübergreifende Streitigkeiten werden von den AS-Stellen oft nicht effektiv bearbeitet.
- (6)
- Die Unterschiede der AS in Bezug auf Flächendeckung, Qualität und Bekanntheit in den Mitgliedstaaten stellen ein Hindernis für den Binnenmarkt dar und sind einer der Gründe dafür, weshalb viele Verbraucher nicht über die Grenzen hinweg einkaufen und nicht darauf vertrauen, dass mögliche Streitigkeiten mit Unternehmern auf einfache, schnelle und kostengünstige Weise beigelegt werden können. Aus den gleichen Gründen verkaufen Unternehmer möglicherweise nicht an Verbraucher in anderen Mitgliedstaaten, in denen kein ausreichender Zugang zu hochwertigen AS-Verfahren besteht. Ferner haben Unternehmer, die in einem Mitgliedstaat niedergelassen sind, in dem hochwertige AS-Verfahren nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen, einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Unternehmern, die Zugang zu solchen Verfahren haben und somit verbraucherrechtliche Streitigkeiten schneller und kostengünstiger beilegen können.
- (7)
- Damit Verbraucher die Möglichkeiten des Binnenmarkts voll nutzen können, sollte AS für alle Arten der von dieser Richtlinie erfassten inländischen und grenzübergreifenden Streitigkeiten zur Verfügung stehen, sollten AS-Verfahren in der gesamten Union geltenden einheitlichen Qualitätsanforderungen entsprechen und sollten Verbraucher und Unternehmer von diesen Verfahren Kenntnis haben. Wegen des gestiegenen grenzübergreifenden Handels und Personenverkehrs ist es auch wichtig, dass AS-Stellen grenzübergreifende Streitigkeiten effektiv bearbeiten.
- (8)
- Wie vom Europäischen Parlament in seiner Entschließung vom 25. Oktober 2011 zu der alternativen Streitbeilegung in Zivil-, Handels- und Familiensachen und seiner Entschließung vom 20. Mai 2010 zur Schaffung eines Binnenmarkts für Verbraucher und Bürger befürwortet, sollte jeder ganzheitliche Ansatz in Bezug auf den Binnenmarkt, der Ergebnisse für seine Bürger abwirft, vorrangig ein einfaches, kostengünstiges, zweckmäßiges und zugängliches System des Rechtsschutzes schaffen.
- (9)
- In ihrer Mitteilung vom 13. April 2011 mit dem Titel Binnenmarktakte — Zwölf Hebel zur Förderung von Wachstum und Vertrauen — „Gemeinsam für neues Wachstum” bezeichnete die Kommission Rechtsvorschriften über AS auch für den elektronischen Geschäftsverkehr als einen der zwölf Hebel zur Förderung des Wachstums und des Vertrauens in den Binnenmarkt sowie der Fortschritte zu seiner Vollendung.
- (10)
- In seinen Schlussfolgerungen vom 24.-25. März und vom 23. Oktober 2011 hat der Europäische Rat das Europäische Parlament und den Rat aufgefordert, bis Ende 2012 ein erstes Bündel vorrangiger Maßnahmen zu verabschieden, um dem Binnenmarkt neue Impulse zu geben. In seinen Schlussfolgerungen vom 30. Mai 2011 zu den Prioritäten für die Neubelebung des Binnenmarktes hat der Rat der Europäischen Union darüber hinaus die Bedeutung des elektronischen Geschäftsverkehrs hervorgehoben und zugestimmt, dass die verbraucherrechtlichen AS-Systeme kostengünstigen, einfachen und schnellen Rechtsschutz für Verbraucher und Unternehmer ermöglichen können. Die erfolgreiche Einführung dieser Systeme erfordert nachhaltiges politisches Engagement und Förderung seitens aller Akteure, ohne die Erschwinglichkeit, Transparenz, Flexibilität, Geschwindigkeit und Qualität der Entscheidungsfindung der AS-Stellen, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, zu gefährden.
- (11)
- Angesichts der zunehmenden Bedeutung des elektronischen Geschäftsverkehrs und insbesondere des grenzübergreifenden Handels als eine Säule der Wirtschaftstätigkeit der Union sind eine gut funktionierende AS-Infrastruktur für verbraucherrechtliche Streitigkeiten und ein angemessen berücksichtigter Rahmen zur Online-Streitbeilegung (im Folgenden „OS” ) für verbraucherrechtliche Streitigkeiten, die sich aus Online-Rechtsgeschäften ergeben, notwendig, um das Ziel der Binnenmarktakte, die Stärkung des Vertrauens der Bürger in den Binnenmarkt, zu erreichen.
- (12)
- Diese Richtlinie und die Verordnung (EU) Nr. 524/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten(5) sind zwei Gesetzgebungsinstrumente, die in einem engen Zusammenhang stehen und einander ergänzen. In der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 ist die Einrichtung einer Plattform für die Online-Streitbeilegung (im Folgenden „OS-Plattform” ) vorgesehen, die Verbrauchern und Unternehmern eine zentrale Anlaufstelle für die außergerichtliche Beilegung von Online-Streitigkeiten — durch AS-Stellen, die mit der Plattform verknüpft sind und AS mittels hochwertiger AS-Verfahren bereitstellen — bietet. Die Verfügbarkeit hochwertiger AS-Stellen in der gesamten Union ist somit eine Vorbedingung für das ordnungsgemäße Funktionieren der OS-Plattform.
- (13)
- Diese Richtlinie sollte nicht für nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse gelten. Nichtwirtschaftliche Dienstleistungen sind Dienstleistungen, die nicht für eine wirtschaftliche Gegenleistung erbracht werden. Daher sollten nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, die vom Staat oder im Namen des Staates ohne Entgelt erbracht werden, unabhängig von der Rechtsform, durch die diese Dienstleistungen erbracht werden, nicht unter diese Richtlinie fallen.
- (14)
- Diese Richtlinie sollte darüber hinaus nicht für Gesundheitsdienstleistungen im Sinne des Artikels 3 Buchstabe a der Richtlinie 2011/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung(6) gelten.
- (15)
- Die Entwicklung einer gut funktionierenden AS innerhalb der Union ist notwendig, um das Vertrauen der Verbraucher in den Binnenmarkt — unter Einschluss des elektronischen Geschäftsverkehrs — zu stärken und das Potenzial und die Möglichkeiten des grenzübergreifenden und elektronischen Handels in der Praxis auszuschöpfen. Diese Entwicklung sollte unter Wahrung der jeweiligen innerstaatlichen Rechtstraditionen auf den vorhandenen AS-Verfahren in den Mitgliedstaaten aufbauen. Sowohl bestehende als auch neu eingerichtete gut funktionierende Streitbeilegungsstellen, die den Qualitätsanforderungen dieser Richtlinie entsprechen, sollten als „AS-Stellen” im Sinne dieser Richtlinie angesehen werden. Die Verbreitung der AS kann außerdem für jene Mitgliedstaaten von Bedeutung sein, in denen es einen beträchtlichen Rückstand an anhängigen Gerichtsverfahren gibt, wodurch Unionsbürgern das Recht auf einen fairen Prozess innerhalb einer angemessenen Frist vorenthalten wird.
- (16)
- Diese Richtlinie sollte für Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern über vertragliche Verpflichtungen gelten, die sich aus sowohl online als auch offline geschlossenen Kaufverträgen oder Dienstleitungsverträgen in allen Wirtschaftssektoren außer den ausgenommenen Sektoren ergeben. Dazu sollten Streitigkeiten gehören, die sich aus dem Verkauf oder der Bereitstellung digitaler Inhalte gegen Entgelt ergeben. Diese Richtlinie sollte für Beschwerden von Verbrauchern gegen Unternehmer gelten. Sie sollte nicht für Beschwerden von Unternehmern gegen Verbraucher oder für Streitigkeiten zwischen Unternehmern gelten. Allerdings sollte sie die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, Bestimmungen über Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung solcher Streitigkeiten einzuführen oder beizubehalten.
- (17)
- Die Mitgliedstaaten sollten nationale Bestimmungen für nicht unter diese Richtlinie fallende Verfahren beibehalten oder einführen können, wie interne Beschwerdeverfahren, die vom Unternehmer betrieben werden. Solche internen Beschwerdeverfahren können ein effektives Mittel zur frühzeitigen Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten darstellen.
- (18)
- Die Definition des Begriffs „Verbraucher” sollte natürliche Personen, die außerhalb ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handeln, umfassen. Wird ein Vertrag jedoch teils im Rahmen, teils außerhalb des Rahmens des Gewerbes einer Person abgeschlossen (Verträge mit doppeltem Zweck) und ist der gewerbliche Zweck so gering, dass er im Gesamtkontext des Geschäfts als nicht überwiegend erscheint, sollte die betreffende Person ebenfalls als Verbraucher gelten.
- (19)
- Einige bestehende Rechtsakte der Union enthalten bereits Bestimmungen über AS. Damit für Rechtssicherheit gesorgt ist, sollte vorgesehen werden, dass diese Richtlinie bei Kollisionen Vorrang hat, außer es ist in ihr ausdrücklich etwas anderes vorgesehen. Insbesondere sollte diese Richtlinie die Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen(7) nicht berühren, die bereits einen Rahmen für Mediationssysteme auf Unionsebene für grenzübergreifende Streitfälle schafft, ohne dass die Anwendung jener Richtlinie auf interne Mediationssysteme ausgeschlossen wird. Die vorliegende Richtlinie soll horizontal für alle Arten von AS-Verfahren gelten, einschließlich der von der Richtlinie 2008/52/EG erfassten AS-Verfahren.
- (20)
- Nicht nur innerhalb der Union, sondern auch innerhalb der Mitgliedstaaten gibt es sehr unterschiedliche AS-Stellen. Diese Richtlinie sollte für alle gemäß dieser Richtlinie in einer Liste geführten Stellen gelten, die auf Dauer eingerichtet sind und die Beilegung von Streitigkeiten zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer in einem AS-Verfahren anbieten. Diese Richtlinie kann auch, wenn die Mitgliedstaaten dies beschließen, Streitbeilegungsstellen erfassen, die den Parteien verbindliche Lösungen auferlegen. Ein außergerichtliches Verfahren, das ad hoc für eine einzelne Streitigkeit zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer eingerichtet wird, sollte jedoch nicht als AS-Verfahren gelten.
- (21)
- Innerhalb der Union und auch innerhalb der Mitgliedstaaten gibt es ebenso sehr unterschiedliche AS-Verfahren. Dies können Verfahren sein, mit denen eine AS-Stelle die Parteien mit dem Ziel zusammenbringt, sie zu einer gütlichen Einigung zu veranlassen, oder Verfahren, mit denen eine AS-Stelle eine Lösung vorschlägt, oder Verfahren, mit denen eine AS-Stelle eine Lösung auferlegt. Es kann sich auch um eine Kombination von zwei oder mehr derartigen Verfahren handeln. Diese Richtlinie sollte die Gestalt der AS-Verfahren in den Mitgliedstaaten unberührt lassen.
- (22)
- Verfahren vor Streitbeilegungsstellen, bei denen die mit der Streitbeilegung betrauten natürlichen Personen ausschließlich vom Unternehmer beschäftigt werden oder ausschließlich von diesem irgendeine Art von Vergütung erhalten, sind häufig einem Interessenkonflikt ausgesetzt. Daher sollten diese Verfahren grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen werden, es sei denn, ein Mitgliedstaat beschließt, dass diese Verfahren als AS-Verfahren gemäß dieser Richtlinie anerkannt werden können, und sofern diese Stellen den in dieser Richtlinie dargelegten spezifischen Anforderungen in Bezug auf Unabhängigkeit und Unparteilichkeit vollständig genügen. AS-Stellen, die eine Streitbeilegung im Wege derartiger Verfahren anbieten, sollten einer regelmäßigen Bewertung hinsichtlich ihrer Erfüllung der Qualitätsanforderungen dieser Richtlinie, einschließlich der besonderen zusätzlichen Anforderungen, mit denen ihre Unabhängigkeit sichergestellt wird, unterworfen werden.
- (23)
- Diese Richtlinie sollte weder für Verfahren vor vom Unternehmer betriebenen Verbraucherbeschwerdestellen noch für unmittelbare Verhandlungen zwischen den Parteien gelten. Außerdem sollte sie nicht in Fällen gelten, in denen ein Richter im Rahmen eines Gerichtsverfahrens versucht, eine gütliche Einigung herbeizuführen.
- (24)
- Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass unter diese Richtlinie fallende Streitigkeiten einer AS-Stelle vorgelegt werden können, die die Anforderungen dieser Richtlinie erfüllt und gemäß der Richtlinie in einer Liste geführt wird. Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit haben, dieser Pflicht dadurch nachzukommen, dass sie entweder auf bereits bestehende gut funktionierende AS-Stellen zurückgreifen und gegebenenfalls deren Zuständigkeitsbereich anpassen, oder dadurch, dass sie die Einrichtung neuer AS-Stellen vorsehen. Diese Richtlinie sollte die Arbeit bestehender Streitbeilegungsstellen, die im Rahmen nationaler Verbraucherschutzbehörden der Mitgliedstaaten tätig sind, nicht einschränken, sofern dort staatliche Bedienstete mit der Streitbeilegung betraut sind. Staatliche Bedienstete sollten als Vertreter sowohl der Verbraucher- als auch der Unternehmerinteressen gelten. Diese Richtlinie sollte die Mitgliedstaaten nicht zur Schaffung einer speziellen AS-Stelle für jeden Einzelhandelssektor verpflichten. Falls dies erforderlich ist, um die vollständige sektorspezifische und geografische Abdeckung durch AS und den Zugang zu AS zu gewährleisten, sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, die Einrichtung einer ergänzenden AS-Stelle vorzusehen, die für diejenigen Streitigkeiten zuständig ist, die nicht in die Zuständigkeit anderer spezieller AS-Stellen fallen. Ergänzende AS-Stellen sollen Verbrauchern und Unternehmern Sicherheit bieten, indem gewährleistet wird, dass keine Lücken hinsichtlich des Zugangs zu AS-Stellen bestehen.
- (25)
- Diese Richtlinie sollte die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, Rechtsvorschriften über Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung von verbrauchervertraglichen Streitigkeiten beizubehalten oder einzuführen, die den in dieser Richtlinie festgelegten Anforderungen genügen. Darüber hinaus sollten AS-Stellen im Hinblick auf ihren effektiven Betrieb die Möglichkeit haben, im Einklang mit den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sie eingerichtet sind, Verfahrensregeln beizubehalten oder einzuführen, nach denen sie unter bestimmten Umständen ablehnen können, sich mit Streitigkeiten zu befassen, beispielsweise wenn eine Streitigkeit zu komplex ist und deshalb besser vor Gericht gelöst werden sollte. Verfahrensregeln, die es den AS-Stellen ermöglichen, die Behandlung einer Streitigkeit abzulehnen, sollten jedoch den Zugang der Verbraucher zu AS-Verfahren nicht erheblich beeinträchtigen, einschließlich im Fall von grenzübergreifenden Streitigkeiten. Die Mitgliedstaaten sollten daher bei der Festlegung von Schwellenbeträgen stets berücksichtigen, dass der tatsächliche Wert des Streitgegenstandes in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich sein kann und die Festlegung eines unverhältnismäßig hohen Schwellenwertes in einem Mitgliedstaat den Zugang zu AS-Verfahren für Verbraucher aus anderen Mitgliedstaaten beeinträchtigen könnte. Die Mitgliedstaaten sollten nicht verpflichtet sein, dafür zu sorgen, dass der Verbraucher seine Beschwerde bei einer anderen AS-Stelle einreichen kann, wenn eine AS-Stelle, bei der die Beschwerde zuerst eingereicht wurde, es aufgrund ihrer Verfahrensregeln abgelehnt hat, sich damit zu befassen. In solchen Fällen sollte gelten, dass die Mitgliedstaaten ihrer Pflicht zur Gewährleistung der vollständigen Abdeckung der AS-Stellen nachgekommen sind.
- (26)
- Diese Richtlinie sollte es ermöglichen, dass in einem Mitgliedstaat niedergelassene Unternehmer in den Zuständigkeitsbereich einer AS-Stelle fallen, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist. Um die Abdeckung und den Zugang der Verbraucher zu AS in der Union zu verbessern, sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, zu beschließen, sich auf AS-Stellen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat oder regionale, länderübergreifende oder europaweite AS-Stellen zu stützen, wenn Unternehmer aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten in den Zuständigkeitsbereich derselben AS-Stelle fallen. Die Inanspruchnahme von AS-Stellen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat oder länderübergreifender oder europaweiter AS-Stellen sollte jedoch unbeschadet der Verantwortung der Mitgliedstaaten erfolgen, die vollständige Abdeckung durch und den Zugang zu AS-Stellen zu gewährleisten.
- (27)
- Diese Richtlinie sollte das Recht der Mitgliedstaaten zur Beibehaltung oder Einführung von AS-Verfahren zur Beilegung mehrerer gleicher oder ähnlicher Streitigkeiten zwischen einem Unternehmer und mehreren Verbrauchern unberührt lassen. Umfassende Folgenabschätzungen zu kollektiven außergerichtlichen Vergleichen sollten durchgeführt werden, bevor diese Vergleiche auf Unionsebene vorgeschlagen werden. Ein effektives System des kollektiven Rechtsschutzes und der leichte Zugang zu AS sollten einander ergänzende und nicht sich gegenseitig ausschließende Verfahren sein.
- (28)
- Die Verarbeitung von Informationen über unter diese Richtlinie fallende Streitigkeiten sollte mit den Regelungen zum Schutz persönlicher Daten vereinbar sein, die von den Mitgliedstaaten durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr(8) erlassen wurden.
- (29)
- Vertraulichkeit und Privatsphäre sollten während des AS-Verfahrens jederzeit gewährleistet sein. Die Mitgliedstaaten sollten zum Schutz der Vertraulichkeit der AS-Verfahren in nachfolgenden zivil- und handelsrechtlichen Gerichts- oder Schiedsverfahren angeregt werden.
- (30)
- Die Mitgliedstaaten sollten gleichwohl gewährleisten, dass AS-Stellen alle systematischen oder signifikanten Problemstellungen, die häufig auftreten und zu Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern führen, öffentlich zugänglich machen. Die diesbezüglichen Informationen könnten von Empfehlungen begleitet sein, wie derartige Probleme in Zukunft vermieden oder gelöst werden können, um die Standards der Unternehmer zu erhöhen und den Austausch von Informationen und bewährten Verfahren zu fördern.
- (31)
- Die Mitgliedstaaten sollten gewährleisten, dass AS-Stellen in Bezug auf Verbraucher und Unternehmer Streitigkeiten in fairer, praktischer und verhältnismäßiger Art und Weise auf der Grundlage einer objektiven Bewertung der Umstände der Beschwerde und unter gebührender Berücksichtigung der Rechte der Parteien beilegen.
- (32)
- Die Unabhängigkeit und Integrität der AS-Stellen ist wesentlich für das Vertrauen der Bürger darin, dass AS-Verfahren ihnen ein faires und unabhängiges Ergebnis ermöglichen. Die natürlichen Personen oder kollegialen Gremien, die für AS verantwortlich sind, sollten unabhängig von all denen sein, die ein Interesse am Ergebnis haben könnten; sie sollten darüber hinaus keinem Interessenkonflikt unterworfen sein, der sie davon abhalten könnte, eine Entscheidung in fairer, unparteiischer und unabhängiger Art und Weise zu treffen.
- (33)
- Die mit AS betrauten natürlichen Personen sollten nur dann als unparteiisch gelten, wenn auf sie kein Druck ausgeübt werden kann, der ihre Haltung gegenüber der Streitigkeit beeinflussen könnte. Um die Unabhängigkeit ihres Handelns zu gewährleisten, sollten diese Personen auch für einen ausreichend langen Zeitraum berufen werden, und sie sollten an keine Weisungen einer Partei oder ihrer Vertreter gebunden sein.
- (34)
- Damit keine Interessenkonflikte auftreten, sollten die mit AS betrauten natürlichen Personen alle Umstände offenlegen, die geeignet sind, ihre Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zu beeinträchtigen oder Interessenkonflikte mit einer der Parteien der Streitigkeit, die sie beilegen sollen, entstehen zu lassen. Hierbei könnte es sich um ein direktes oder indirektes finanzielles Interesse am Ausgang des AS-Verfahrens oder um eine persönliche oder geschäftliche Beziehung mit einer oder mehreren der Parteien innerhalb der drei Jahre vor Beginn der Amtszeit der betreffenden natürlichen Personen, einschließlich ihrer Tätigkeit — außer zum Zweck der AS — für einen Berufs- oder Wirtschaftsverband, dessen Mitglied eine der Parteien ist, oder für ein anderes Mitglied des Berufs- oder Wirtschaftsverbands handeln.
- (35)
- Es muss insbesondere dafür gesorgt werden, dass kein derartiger Druck vorhanden ist, wenn die mit AS betrauten natürlichen Personen vom Unternehmer beschäftigt werden oder von diesem irgendeine Art von Vergütung erhalten. Daher sollten spezifische Anforderungen für den Fall vorgesehen werden, dass die Mitgliedstaaten beschließen, dass Streitbeilegungsverfahren als AS-Verfahren gemäß dieser Richtlinie gelten können. Wenn mit der AS betraute natürliche Personen ausschließlich von einem Berufs- oder Wirtschaftsverband, dessen Mitglied der Unternehmer ist, beschäftigt werden oder irgendeine Art von Vergütung erhalten, sollten ihnen ein getrennter zweckgebundener Haushalt in ausreichender Höhe für die Ausübung ihrer Aufgaben zur Verfügung stehen.
- (36)
- Für den Erfolg der AS und besonders für das nötige Vertrauen in die sie betreffenden AS-Verfahren ist es entscheidend, dass die mit der AS betrauten natürlichen Personen über das erforderliche Fachwissen, einschließlich eines allgemeinen Rechtsverständnisses, verfügen. Insbesondere sollten diese Personen über ausreichende allgemeine Rechtskenntnisse verfügen, um die rechtlichen Folgen der Streitigkeit zu verstehen, wobei es nicht erforderlich sein sollte, dass sie für den Berufsstand der Juristen qualifiziert sind.
- (37)
- Die Anwendung bestimmter Qualitätsgrundsätze auf AS-Verfahren stärkt das Vertrauen sowohl der Verbraucher als auch der Unternehmer in diese Verfahren. Solche Qualitätsgrundsätze wurden auf Unionsebene erstmals in den Empfehlungen 98/257/EG und 2001/310/EG entwickelt. Diese Richtlinie verleiht einigen der in den genannten Empfehlungen der Kommission verankerten Grundsätzen Verbindlichkeit und legt damit ein Bündel von Qualitätsanforderungen fest, die für alle AS-Verfahren gelten, die von einer der Kommission gemeldeten AS-Stelle durchgeführt werden.
- (38)
- Diese Richtlinie sollte Qualitätsanforderungen für AS-Stellen schaffen, die das gleiche Schutzniveau und die gleichen Rechte für die Verbraucher sowohl bei inländischen als auch bei grenzübergreifenden Streitigkeiten gewährleisten sollten. Die Richtlinie sollte die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, Vorschriften zu erlassen oder beizubehalten, die über die Regelungen in dieser Richtlinie hinausgehen.
- (39)
- AS-Stellen sollten zugänglich und transparent sein. Zur Gewährleistung der Transparenz von AS-Stellen und AS-Verfahren ist es erforderlich, dass die Parteien vor einer etwaigen Einleitung eines AS-Verfahrens klare und zugängliche Informationen erhalten, die sie benötigen, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können. Die Bereitstellung dieser Informationen für Unternehmer sollte nicht verpflichtend sein, wenn ihre Teilnahme an AS-Verfahren durch nationales Recht vorgeschrieben ist.
- (40)
- Gut funktionierende AS-Stellen sollten online und offline Streitbeilegungsverfahren zügig innerhalb von 90 Kalendertagen abschließen, gerechnet vom Zeitpunkt des Eingangs der vollständigen Beschwerdeakte mit allen einschlägigen Unterlagen zu der betreffenden Beschwerde bei der AS-Stelle bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Ergebnis des AS-Verfahrens bekannt gegeben wird. Die AS-Stelle, bei der eine Beschwerde eingereicht wurde, sollte die Parteien benachrichtigen, nachdem sie alle zur Durchführung des AS-Verfahrens nötigen Unterlagen erhalten hat. In hoch komplexen Ausnahmefällen, einschließlich in Fällen, in denen eine der Parteien aus berechtigten Gründen nicht an dem AS-Verfahren teilnehmen kann, sollten die AS-Stellen die Möglichkeit haben, die Frist zwecks Prüfung des jeweiligen Falls zu verlängern. Die Parteien sind von jeder derartigen Fristverlängerung und von der zu erwartenden Zeitspanne bis zur Beilegung der Streitigkeit zu unterrichten.
- (41)
- AS-Verfahren sollten für Verbraucher vorzugsweise kostenlos sein. Werden Kosten geltend gemacht, sollten die AS-Verfahren für die Verbraucher zugänglich, attraktiv und mit niedrigen Kosten verbunden sein. Daher sollten die Kosten eine Schutzgebühr nicht übersteigen.
- (42)
- AS-Verfahren sollten fair sein, sodass die Parteien einer Streitigkeit in vollem Umfang über ihre Rechte und die Folgen von Entscheidungen, die sie im Rahmen eines AS-Verfahrens treffen, informiert sind. AS-Stellen sollten die Verbraucher über ihre Rechte informieren, bevor sie einer vorgeschlagenen Lösung zustimmen oder diese befolgen. Beide Parteien sollten ihre Angaben und Nachweise auch einreichen können, ohne persönlich anwesend zu sein.
- (43)
- Eine Vereinbarung zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer darüber, Beschwerden bei einer AS-Stelle einzureichen, sollte für den Verbraucher nicht bindend sein, wenn sie vor dem Entstehen der Streitigkeit getroffen wurde und wenn sie dazu führt, dass dem Verbraucher das Recht entzogen wird, die Gerichte für die Beilegung des Streitfalls anzurufen. Ferner sollte bei AS-Verfahren, bei denen die Streitigkeit durch das Auferlegen einer verbindlichen Lösung beigelegt werden soll, die auferlegte Lösung nur dann verbindlich für die Parteien sein, wenn die Parteien vorher über den verbindlichen Charakter der Lösung informiert wurden und sie dies ausdrücklich akzeptiert haben. Die ausdrückliche Zustimmung des Unternehmers sollte nicht erforderlich sein, wenn in den nationalen Rechtsvorschriften bestimmt ist, dass diese Lösungen für die Unternehmer verbindlich sind.
- (44)
- In AS-Verfahren, bei denen die Streitigkeit beigelegt werden soll, indem dem Verbraucher eine Lösung auferlegt wird, sollte die auferlegte Lösung — sofern keine Rechtskollision vorliegt — nicht dazu führen, dass der Verbraucher den Schutz verliert, der ihm durch die Bestimmungen gewährt wird, von denen gemäß dem Recht des Mitgliedstaats, in dem der Verbraucher und der Unternehmer ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Liegt eine Rechtskollision vor, bei der das für den Kauf- oder Dienstleistungsvertrag geltende Recht gemäß Artikel 6 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I)(9) bestimmt wird, so sollte die von der AS-Stelle auferlegte Lösung nicht dazu führen, dass der Verbraucher den Schutz verliert, der ihm durch die Bestimmungen gewährt wird, von denen nicht durch Vereinbarung gemäß dem Recht des Mitgliedstaats, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, abgewichen werden darf. Liegt eine Rechtskollision vor, bei der das für den Kauf- oder Dienstleistungsvertrag geltende Recht gemäß Artikel 5 Absätze 1 bis 3 des Übereinkommens von Rom vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht(10) bestimmt wird, so sollte die von der AS-Stelle auferlegte Lösung nicht dazu führen, dass der Verbraucher den Schutz verliert, der dem Verbraucher durch die zwingenden Vorschriften des Rechts des Mitgliedstaats, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, gewährt wird.
- (45)
- Das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und das Recht auf ein unparteiisches Gericht gehören zu den durch Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegten Grundrechten. Daher dürfen AS-Verfahren nicht so gestaltet sein, dass sie gerichtliche Verfahren ersetzen oder Verbrauchern oder Unternehmern das Recht nehmen, den Schutz ihrer Rechte vor Gericht einzufordern. Diese Richtlinie sollte die Parteien nicht daran hindern, ihr Recht auf Zugang zu den Gerichten wahrzunehmen. Konnte eine Streitigkeit nicht mit Hilfe eines bestimmten AS-Verfahrens, dessen Ergebnis nicht verbindlich ist, beigelegt werden, so sollten die Parteien in der Folge nicht daran gehindert werden, ein Gerichtsverfahren hinsichtlich dieser Streitigkeit einzuleiten. Es sollte den Mitgliedstaaten freistehen, die geeigneten Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu wählen. Sie sollten die Möglichkeit haben, unter anderem vorzusehen, dass Verjährungsfristen nicht während eines AS-Verfahrens ablaufen.
- (46)
- Um effizient tätig zu werden, sollten AS-Stellen über hinreichende personelle, materielle und finanzielle Ressourcen verfügen. Die Mitgliedstaaten sollten in ihren Hoheitsgebieten über die angemessene Form der Finanzierung von AS-Stellen entscheiden, ohne dabei die Finanzierung von bereits vorhandenen Stellen einzuschränken. Diese Richtlinie sollte die Frage unberührt lassen, ob AS-Stellen durch die öffentliche Hand oder privat oder durch eine Kombination aus beidem finanziert werden. AS-Stellen sollten jedoch dabei unterstützt werden, insbesondere Formen der privaten Finanzierung in Erwägung zu ziehen und eine Finanzierung durch die öffentliche Hand nur nach Ermessen der Mitgliedstaaten zu nutzen. Diese Richtlinie sollte nicht die Möglichkeit von Unternehmen und Berufs- und Wirtschaftsverbänden berühren, Finanzmittel für AS-Stellen bereitzustellen.
- (47)
- Im Fall einer Streitigkeit müssen Verbraucher rasch herausfinden können, welche AS-Stellen für ihre Beschwerde zuständig sind und ob der betreffende Unternehmer sich an einem bei einer AS-Stelle eingeleiteten Verfahren beteiligen wird. Unternehmer, die sich verpflichten, AS-Stellen zur Beilegung von Streitigkeiten mit Verbrauchern einzuschalten, sollten die Verbraucher über die Adresse und die Website der AS-Stelle oder AS-Stellen informieren, die für sie zuständig ist bzw. sind. Die Informationen sollten klar, verständlich und leicht zugänglich sein, und zwar, sofern der Unternehmer eine Website besitzt, auf dieser Website und gegebenenfalls in den allgemeinen Geschäftsbedingungen für Kauf- oder Dienstleistungsverträge zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher. Die Unternehmer sollten die Möglichkeit haben, auf ihren Websites und in den allgemeinen Geschäftsbedingungen für die betreffenden Verträge zusätzliche Informationen zu ihren internen Streitbeilegungsverfahren oder zu anderen Möglichkeiten, wie sie zur Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten ohne Einschaltung einer AS-Stelle direkt kontaktiert werden können, aufzuführen. Kann eine Streitigkeit nicht direkt beigelegt werden, sollte der Unternehmer dem Verbraucher auf Papier oder einem anderen dauerhaften Datenträger die Informationen zu den einschlägigen AS-Stellen bereitstellen und dabei angeben, ob er sie in Anspruch nehmen wird.
- (48)
- Die Verpflichtung der Unternehmer, die Verbraucher über die AS-Stellen zu informieren, die für diese Unternehmer zuständig sind, sollte unbeschadet der Bestimmungen über die Information der Verbraucher über außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren in anderen Unionsrechtsakten, die zusätzlich zu den einschlägigen Informationspflichten gemäß dieser Richtlinie gelten sollten, gelten.
- (49)
- Diese Richtlinie sollte nicht vorschreiben, dass Unternehmer sich an AS-Verfahren beteiligen müssen oder dass das Ergebnis solcher Verfahren für sie verbindlich ist, wenn ein Verbraucher eine Beschwerde gegen sie eingereicht hat. Um jedoch sicherzustellen, dass Verbraucher Zugang zu Rechtsbehelfen haben und nicht verpflichtet sind, auf ihre Ansprüche zu verzichten, sollten Unternehmer so weit wie möglich ermutigt werden, an AS-Verfahren teilzunehmen. Diese Richtlinie sollte daher nationale Rechtsvorschriften unberührt lassen, nach denen die Teilnahme von Unternehmern an solchen Verfahren verpflichtend ist oder durch Anreize oder Sanktionen gefördert wird oder die Ergebnisse der Verfahren für die Unternehmer bindend sind, sofern diese Rechtsvorschriften die Parteien nicht daran hindern, ihr Recht gemäß Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auf Zugang zum Gerichtssystem wahrzunehmen.
- (50)
- Um einen unnötigen Aufwand für AS-Stellen zu vermeiden, sollten die Mitgliedstaaten die Verbraucher ermutigen, vor Einreichen einer Beschwerde bei einer AS-Stelle Kontakt mit dem Unternehmer aufzunehmen, um das Problem bilateral zu lösen. In vielen Fällen würde dies den Verbrauchern ermöglichen, ihre Streitigkeiten rasch und frühzeitig beizulegen.
- (51)
- Mitgliedstaaten sollten bei der Entwicklung von AS-Systemen Vertreter von Berufsverbänden, Wirtschaftsverbänden und Verbraucherverbänden einbeziehen, insbesondere im Hinblick auf die Grundsätze der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit.
- (52)
- Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass AS-Stellen bei der Beilegung grenzübergreifender Streitigkeiten kooperieren.
- (53)
- Netze von AS-Stellen, wie beispielsweise das Streitbeilegungs-Netzwerk für den Finanzdienstleistungssektor „FIN-NET” im Bereich der Finanzdienstleistungen, sollten innerhalb der Union gestärkt werden. Die Mitgliedstaaten sollten den Beitritt von AS-Stellen zu solchen Netzen fördern.
- (54)
- Eine enge Zusammenarbeit zwischen AS-Stellen und nationalen Behörden sollte die wirksame Anwendung von Rechtsakten der Union im Bereich des Verbraucherschutzes stärken. Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten die Zusammenarbeit zwischen den AS-Stellen unterstützen, um den Austausch von bewährten Verfahren und Fachwissen zwischen AS-Stellen zu fördern und Probleme im Zusammenhang mit der Durchführung der AS-Verfahren zu diskutieren. Diese Zusammenarbeit sollte unter anderem durch das bevorstehende Verbraucherprogramm der Union unterstützt werden.
- (55)
- Damit gewährleistet ist, dass AS-Stellen ordnungsgemäß und effektiv funktionieren, sollten sie genau überwacht werden. Zu diesem Zwecke sollte jeder Mitgliedstaat eine oder mehrere zuständige Behörden benennen, die diese Aufgabe ausführen. Die Kommission und die nach dieser Richtlinie zuständigen Behörden sollten eine Liste der dieser Richtlinie entsprechenden AS-Stellen veröffentlichen und aktualisieren. Die Mitgliedstaaten sollten gewährleisten, dass die AS-Stellen, das Europäische Netz der Verbraucherzentren und gegebenenfalls die gemäß dieser Richtlinie bezeichneten Einrichtungen diese Liste auf ihren Websites durch einen Link zur Website der Kommission und wann immer möglich auf einem dauerhaften Datenträger in ihren Räumlichkeiten veröffentlichen. Außerdem sollten die Mitgliedstaaten ebenfalls einschlägige Verbraucher- und Wirtschaftsverbände dazu ermutigen, die Liste zu veröffentlichen. Die Mitgliedstaaten sollten ferner für die angemessene Verbreitung von Informationen darüber sorgen, was Verbraucher im Fall einer Streitigkeit mit einem Unternehmer machen sollten. Außerdem sollten die zuständigen Behörden regelmäßige Berichte über die Entwicklung und das Funktionieren der AS-Stellen in ihren Mitgliedstaaten veröffentlichen. Die AS-Stellen sollten den zuständigen Behörden die spezifischen Informationen liefern, auf denen diese Berichte beruhen sollten. Die Mitgliedstaaten sollten den AS-Stellen empfehlen, sich bei der Bereitstellung dieser Informationen an die Empfehlung 2010/304/EU der Kommission vom 12. Mai 2010 zur Verwendung einer harmonisierten Methodik zur Klassifizierung und Meldung von Verbraucherbeschwerden und Verbraucheranfragen(11) zu halten.
- (56)
- Es ist notwendig, dass die Mitgliedstaaten Vorschriften über Sanktionen für Verstöße gegen die zur Einhaltung dieser Richtlinie angenommenen nationalen Bestimmungen festlegen und dafür sorgen, dass diese Vorschriften durchgesetzt werden. Die Sanktionen sollten wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.
- (57)
- Im Interesse einer verstärkten grenzübergreifenden Zusammenarbeit bei der Durchsetzung dieser Richtlinie sollte die Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden ( „Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz” )(12) durch Aufnahme eines Verweises auf diese Richtlinie in ihren Anhang geändert werden.
- (58)
- Die Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen(13) (Richtlinie über Unterlassungsklagen) sollte durch Aufnahme eines Verweises auf die vorliegende Richtlinie in ihren Anhang geändert werden, damit die durch die vorliegende Richtlinie geschützten kollektiven Interessen der Verbraucher gewahrt bleiben.
- (59)
- Gemäß der Gemeinsamen Politischen Erklärung vom 28. September 2011 der Mitgliedstaaten und der Kommission zu Erläuternden Dokumenten(14) haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, in begründeten Fällen zusätzlich zur Mitteilung ihrer Umsetzungsmaßnahmen ein oder mehrere Dokumente zu übermitteln, in denen der Zusammenhang zwischen den Bestandteilen einer Richtlinie und den entsprechenden Teilen nationaler Umsetzungsinstrumente erläutert wird. In Bezug auf diese Richtlinie hält der Gesetzgeber die Übermittlung derartiger Dokumente für gerechtfertigt.
- (60)
- Da das Ziel dieser Richtlinie, nämlich durch Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus ohne Einschränkung des Zugangs der Verbraucher zu den Gerichten einen Beitrag zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts zu leisten, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann und daher besser auf Unionsebene zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.
- (61)
- Diese Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, namentlich in den Artikeln 7, 8, 38 und 47, anerkannt sind.
- (62)
- Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde gemäß Artikel 28 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft zum freien Datenverkehr(15) konsultiert und hat am 12. Januar 2012 eine Stellungnahme(16) abgegeben —
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
Fußnote(n):
- (1)
ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 93.
- (2)
Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 12. März 2013 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 22. April 2013.
- (3)
ABl. L 115 vom 17.4.1998, S. 31.
- (4)
ABl. L 109 vom 19.4.2001, S. 56.
- (5)
Siehe Seite 1dieses Amtsblatts.
- (6)
ABl. L 88 vom 4.4.2011, S. 45.
- (7)
ABl. L 136 vom 24.5.2008, S. 3.
- (8)
ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31.
- (9)
ABl. L 177 vom 4.7.2008, S. 6.
- (10)
ABl. L 266 vom 9.10.1980, S. 1.
- (11)
ABl. L 136 vom 2.6.2010, S. 1.
- (12)
ABl. L 364 vom 9.12.2004, S. 1.
- (13)
ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30.
- (14)
ABl. C 369 vom 17.12.2011, S. 14.
- (15)
ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1.
- (16)
ABl. C 136 vom 11.5.2012, S: 1.
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