Präambel EMF (RL 2013/35/EU)

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 153 Absatz 2,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),

nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Im Vertrag ist vorgesehen, dass das Europäische Parlament und der Rat durch Richtlinien Mindestvorschriften erlassen können, die die Förderung der Verbesserung insbesondere der Arbeitsumwelt zur Gewährleistung eines höheren Schutzniveaus für die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zum Ziel haben. Diese Richtlinien sollten keine verwaltungsmäßigen, finanziellen oder rechtlichen Auflagen vorschreiben, die der Gründung und Entwicklung von kleinen und mittleren Unternehmen entgegenstehen.
(2)
Gemäß Artikel 31 Absatz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union hat jeder Arbeitnehmer das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen.
(3)
Nach dem Inkrafttreten der Richtlinie 2004/40/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (elektromagnetische Felder) (18. Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG)(3) brachten betroffene, insbesondere medizinische Kreise schwerwiegende Bedenken dahin gehend zum Ausdruck, dass sich die Durchführung dieser Richtlinie auf medizinische Anwendungen auswirken könnte, die sich auf bildgebende Verfahren stützen. Bedenken wurden auch hinsichtlich der Folgen der Richtlinie für bestimmte industrielle Verfahren geäußert.
(4)
Die Kommission hat die von den Betroffenen vorgebrachten Argumente sorgfältig geprüft und nach mehreren Konsultationen beschlossen, einige Bestimmungen der Richtlinie 2004/40/EG auf der Grundlage neuer, von international anerkannten Fachleuten vorgelegter wissenschaftlicher Erkenntnisse gründlich zu überdenken.
(5)
Die Richtlinie 2004/40/EG wurde durch die Richtlinie 2008/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(4) dahin gehend geändert, dass die Umsetzungsfrist für die Richtlinie 2004/40/EG um vier Jahre verlängert wurde und anschließend diese Umsetzungsfrist nochmals durch die Richtlinie 2012/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates(5) bis zum 31. Oktober 2013 verlängert wurde. So sollte der Kommission die Möglichkeit gegeben werden, einen neuen Vorschlag vorzulegen, und den Legislativorganen, eine auf jüngeren und besser belegten Erkenntnissen basierende neue Richtlinie zu erlassen.
(6)
Die Richtlinie 2004/40/EG sollte aufgehoben werden, und es sollten angemessenere und verhältnismäßigere Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer vor den von elektromagnetischen Feldern ausgehenden Gefährdungen eingeführt werden. Die genannte Richtlinie berücksichtigte nicht die Langzeitwirkungen einschließlich der möglichen karzinogenen Wirkungen aufgrund der Exposition gegenüber zeitvariablen elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen Feldern, da hier derzeit kein schlüssiger wissenschaftlicher Beweis für einen Kausalzusammenhang vorliegt. Die vorliegende Richtlinie zielt darauf ab, alle bekannten direkten biophysikalischen Wirkungen und indirekten Wirkungen elektromagnetischer Felder zu erfassen, um nicht nur die Gesundheit und die Sicherheit jedes einzelnen Arbeitnehmers zu schützen, sondern auch für alle Arbeitnehmer in der Union einen Mindestschutz sicherzustellen, bei gleichzeitiger Reduzierung möglicher Wettbewerbsverzerrungen.
(7)
In dieser Richtlinie werden die möglichen Langzeitwirkungen einer Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern nicht berücksichtigt, da derzeit keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse für einen Kausalzusammenhang vorliegen. Sollten solche gesicherten Erkenntnisse jedoch aufkommen, sollte die Kommission prüfen, mit welchen Mitteln diese Wirkungen am besten bekämpft werden können, und sollte das Europäische Parlament und den Rat in ihrem Bericht über die praktische Umsetzung dieser Richtlinie darüber informieren. Dabei sollte die Kommission, zusätzlich zu den entsprechenden Angaben, die sie von den Mitgliedstaaten erhält, den jüngsten vorliegenden Forschungsergebnissen und den jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung tragen, die sich aus den in diesem Bereich vorliegenden Informationen ergeben.
(8)
Es sollten Mindestanforderungen festgelegt werden, so dass es den Mitgliedstaaten freisteht, zum Schutz der Arbeitnehmer vorteilhaftere Bestimmungen beizubehalten oder zu erlassen, insbesondere niedrigere Auslöseschwellen oder Expositionsgrenzwerte für elektromagnetische Felder festzulegen. Die Umsetzung dieser Richtlinie sollte nicht als Rechtfertigung für eine Absenkung des in den Mitgliedstaaten bereits bestehenden Schutzniveaus benutzt werden.
(9)
Das System zum Schutz vor elektromagnetischen Feldern sollte darauf beschränkt sein, die zu erreichenden Ziele, die einzuhaltenden Grundsätze und die zu verwendenden grundlegenden Werte ohne übermäßige Einzelheiten festzulegen, damit die Mitgliedstaaten in die Lage versetzt werden, die Mindestanforderungen in gleichwertiger Weise anzuwenden.
(10)
Um Arbeitnehmer zu schützen, die elektromagnetischen Feldern ausgesetzt sind, ist die Durchführung einer effektiven und effizienten Risikobewertung erforderlich. Diese Pflicht sollte jedoch in Bezug auf die am Arbeitsplatz vorliegenden Situation verhältnismäßig sein. Deshalb sollte ein Schutzsystem entwickelt werden, das auf einfache, abgestufte und leicht verständliche Weise unterschiedliche Risiken gruppiert. Folglich kann die Bezugnahme auf eine Reihe von Indikatoren und Standardsituationen, die in Leitfäden zur Verfügung gestellt werden, den Arbeitgebern bei der Erfüllung ihrer Pflicht helfen.
(11)
Die unerwünschten Wirkungen auf den menschlichen Körper hängen von der Frequenz des elektromagnetischen Feldes oder der elektromagnetischen Strahlung ab, dem bzw. der der Körper ausgesetzt ist. Deshalb müssen die Systeme zur Begrenzung der Exposition entsprechend den jeweiligen Expositions- und Frequenzmustern gestaltet werden, um die Arbeitnehmer, die elektromagnetischen Feldern ausgesetzt sind, ausreichend zu schützen.
(12)
Eine Verringerung der Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern lässt sich wirksamer erreichen, wenn bereits bei der Planung der Arbeitsplätze Präventivmaßnahmen getroffen werden sowie wenn der Verringerung von Gefahren bereits am Entstehungsort bei der Auswahl der Arbeitsmittel, Arbeitsverfahren und Arbeitsmethoden der Vorzug gegeben wird. Bestimmungen über Arbeitsmittel und Arbeitsmethoden tragen somit zum Schutz der betroffenen Arbeitnehmer bei. Eine wiederholte Durchführung der Risikobewertung sollte allerdings vermieden werden, wenn die Arbeitsmittel die Anforderungen von einschlägigem Unionsrecht zu Produkten erfüllen, die ein strengeres Sicherheitsniveau vorschreiben als die vorliegende Richtlinie. Somit ist in einer großen Zahl von Fällen eine vereinfachte Bewertung zulässig.
(13)
Die Arbeitgeber sollten entsprechend dem technischen Fortschritt und dem wissenschaftlichen Kenntnisstand auf dem Gebiet der durch die Einwirkung von elektromagnetischen Feldern entstehenden Gefahren Anpassungen vornehmen, um den Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu verbessern.
(14)
Da es sich bei der vorliegenden Richtlinie um eine Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit(6) handelt, finden unbeschadet strengerer und/oder spezifischerer Vorschriften der vorliegenden Richtlinie die Bestimmungen der Richtlinie 89/391/EWG auf den Bereich der Exposition von Arbeitnehmern gegenüber elektromagnetischen Feldern Anwendung.
(15)
Die in dieser Richtlinie festgelegten physikalischen Größen, Expositionsgrenzwerte und Auslöseschwellen stützen sich auf die Empfehlungen der Internationalen Kommission für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection — ICNIRP) und sollten gemäß den Konzepten der ICNIRP in Betracht gezogen werden, insoweit diese Richtlinie nichts anderes vorsieht.
(16)
Um sicherzustellen, dass diese Richtlinie auf dem aktuellen Stand bleibt, sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, gemäß Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Rechtsakte hinsichtlich rein technischer Änderungen der Anhänge zu erlassen, um dem Erlass von Verordnungen und Richtlinien im Bereich der technischen Harmonisierung und Normung, dem technischen Fortschritt, Änderungen in den wichtigsten Normen oder Spezifikationen und neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen über Gefahren elektromagnetischer Felder Rechnung zu tragen und Auslöseschwellen anzupassen. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Experten, durchführt. Bei der Vorbereitung und Ausarbeitung delegierter Rechtsakte sollte die Kommission gewährleisten, dass die einschlägigen Dokumente dem Europäischen Parlament und dem Rat gleichzeitig, rechtzeitig und auf angemessene Weise übermittelt werden.
(17)
Wenn rein technische Änderungen der Anhänge erforderlich werden, sollte die Kommission eng mit dem Beratenden Ausschuss für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz zusammenarbeiten, der durch den Beschluss des Rates vom 22. Juli 2003(7) eingesetzt wurde.
(18)
In außergewöhnlichen Fällen, wenn Gründe äußerster Dringlichkeit es zwingend erfordern, wie etwa eine mögliche unmittelbare Gefährdung der Gesundheit und Sicherheit von Arbeitnehmern durch elektromagnetische Felder, sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, das Dringlichkeitsverfahren auf von der Kommission erlassene delegierte Rechtsakte anzuwenden.
(19)
Die Mitgliedstaaten haben sich gemäß der Gemeinsamen Politischen Erklärung der Mitgliedstaaten und der Kommission vom 28. September 2011 zu erläuternden Dokumenten(8) dazu verpflichtet, in begründeten Fällen zusätzlich zur Mitteilung ihrer Umsetzungsmaßnahmen ein oder mehrere Dokumente zu übermitteln, in denen der Bezug zwischen den Bestandteilen einer Richtlinie und den entsprechenden Teilen innerstaatlicher Umsetzungsinstrumente erläutert wird. In Bezug auf diese Richtlinie hält der Gesetzgeber die Übermittlung derartiger Dokumente für gerechtfertigt.
(20)
Ein System, das Expositionsgrenzwerte und Auslöseschwellen vorsieht, sollte als Hilfsmittel angesehen werden, das die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus im Hinblick auf gesundheitsschädliche Wirkungen und Sicherheitsrisiken, die sich aus der Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern ergeben können, erleichtert. Ein solches System kann aber mit spezifischen Bedingungen bei bestimmten Tätigkeiten in Konflikt geraten, etwa bei der Nutzung bildgebender Verfahren auf Basis der Magnetresonanz im medizinischen Bereich. Daher ist es notwendig, diesen besonderen Bedingungen Rechnung zu tragen.
(21)
Um den Besonderheiten der Streitkräfte Rechnung zu tragen und ihren wirksamen Einsatz und ihre wirksame Interoperabilität — auch bei gemeinsamen internationalen militärischen Übungen — zu ermöglichen, sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, gleichwertige oder spezifischere Schutzsysteme wie etwa international vereinbarte Standards, wie zum Beispiel NATO-Normen, anzuwenden, sofern gesundheitsschädliche Wirkungen und Sicherheitsrisiken vermieden werden.
(22)
Arbeitgeber sollten verpflichtet werden sicherzustellen, dass Risiken durch elektromagnetische Felder am Arbeitsplatz ausgeschlossen oder auf ein Mindestmaß reduziert werden. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass die in dieser Richtlinie festgelegten Expositionsgrenzwerte in bestimmten Fällen und unter hinreichend begründeten Umständen lediglich zeitweilig überschritten werden. In derartigen Fällen sollten die Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen treffen, um dafür zu sorgen, dass die Expositionsgrenzwerte so schnell wie möglich wieder eingehalten werden.
(23)
Ein System, das ein hohes Schutzniveau in Bezug auf die möglichen gesundheitsschädlichen Wirkungen und die Sicherheitsrisiken einer Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern gewährleistet, sollte spezifische Arbeitnehmergruppen, die besonders gefährdet sind, angemessen berücksichtigen und Probleme durch Störungen bei medizinischen Geräten, etwa metallischen Prothesen, Herzschrittmachern und Defibrillatoren, Cochlea-Implantaten und sonstigen Implantaten oder am Körper getragenen medizinischen Geräten, oder Auswirkungen auf den Betrieb solcher Geräte vermeiden. Probleme durch Störungen insbesondere bei Herzschrittmachern können bei Werten unterhalb der Auslöseschwellen auftreten und sollten deshalb entsprechenden Vorkehrungen und Schutzmaßnahmen unterliegen —

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. C 43 vom 15.2.2012, S. 47.

(2)

Standpunkt des Europäischen Parlaments vom11. Juni 2013. (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 20. Juni 2013.

(3)

ABl. L 159 vom 30.4.2004, S. 1.

(4)

ABl. L 114 vom 26.4.2008, S. 88.

(5)

ABl. L 110 vom 24.4.2012, S. 1.

(6)

ABl. L 183 vom 29.6.1989, S. 1.

(7)

ABl. C 218 vom 13.9.2003, S. 1.

(8)

ABl. C 369 vom 17.12.2011, S. 14.

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