Artikel 16 MiFID2 (RL 2014/65/EU)

Organisatorische Anforderungen

(1) Der Herkunftsmitgliedstaat schreibt vor, dass Wertpapierfirmen die organisatorischen Anforderungen der Absätze 2 bis 10 dieses Artikels und des Artikels 17 erfüllen.

(2) Eine Wertpapierfirma sieht angemessene Strategien und Verfahren vor, die ausreichen, um sicherzustellen, dass die Firma, ihre Geschäftsleitung, Beschäftigten und vertraglich gebundenen Vermittler den Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie sowie den einschlägigen Vorschriften für persönliche Geschäfte dieser Personen nachkommen.

(3) Eine Wertpapierfirma muss auf Dauer wirksame organisatorische und verwaltungsmäßige Vorkehrungen für angemessene Maßnahmen treffen um zu verhindern, dass Interessenkonflikte im Sinne des Artikels 23 den Kundeninteressen schaden.

Eine Wertpapierfirma, die Finanzinstrumente zum Verkauf an Kunden konzipiert, hat ein Verfahren für die Genehmigung jedes einzelnen Finanzinstruments und jeder wesentlichen Anpassung bestehender Finanzinstrumente zu unterhalten, zu betreiben und zu überprüfen, bevor es an Kunden vermarktet oder vertrieben wird.

In dem Produktgenehmigungsverfahren wird ein bestimmter Zielmarkt für Endkunden innerhalb der jeweiligen Kundengattung für jedes Finanzinstrument festgelegt und sichergestellt, dass alle einschlägigen Risiken für diesen bestimmten Zielmarkt bewertet werden und dass die beabsichtigte Vertriebsstrategie dem bestimmten Zielmarkt entspricht.

Eine Wertpapierfirma hat außerdem von ihr angebotene oder vermarktete Finanzinstrumente regelmäßig zu überprüfen und dabei alle Ereignisse zu berücksichtigen, die wesentlichen Einfluss auf das potentielle Risiko für den bestimmten Zielmarkt haben könnten. Außerdem muss sie zumindest beurteilen, ob das Finanzinstrument weiterhin den Bedürfnissen des bestimmten Zielmarkts entspricht und ob die beabsichtigte Vertriebsstrategie immer noch geeignet ist.

Eine Wertpapierfirma, die Finanzinstrumente konzipiert, stellt allen Vertreibern sämtliche sachgerechten Informationen zu dem Finanzinstrument und dem Produktgenehmigungsverfahren, einschließlich des bestimmten Zielmarkts des Finanzinstruments, zur Verfügung.

Wenn eine Wertpapierfirma Finanzinstrumente anbietet oder empfiehlt, die sie nicht konzipiert, muss sie über angemessene Vorkehrungen verfügen, um die in Unterabsatz 5 genannten Informationen zu erhalten und die Merkmale und den bestimmten Zielmarkt jedes Finanzinstruments zu verstehen.

Durch die in diesem Absatz genannten Maßnahmen, Verfahren und Vorkehrungen werden alle anderen Anforderungen nach dieser Richtlinie und der Verordnung (EU) Nr. 600/2014, einschließlich derjenigen, die sich auf Offenlegung, Eignung oder Angemessenheit, Ermittlung von Interessenkonflikten und den Umgang mit ihnen sowie Anreize beziehen, nicht berührt.

(4) Eine Wertpapierfirma trifft angemessene Vorkehrungen, um die Kontinuität und Regelmäßigkeit der Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten zu gewährleisten. Zu diesem Zweck greift sie auf geeignete und verhältnismäßige Systeme, Ressourcen und Verfahren zurück.

(5) Eine Wertpapierfirma stellt sicher, dass beim Rückgriff auf Dritte zur Wahrnehmung betrieblicher Aufgaben, die für die kontinuierliche und zufrieden stellende Erbringung bzw. Ausübung von Dienstleistungen für Kunden und Anlagetätigkeiten ausschlaggebend sind, angemessene Vorkehrungen getroffen werden, um unnötige zusätzliche Geschäftsrisiken zu vermeiden. Die Auslagerung wichtiger betrieblicher Aufgaben darf nicht dergestalt erfolgen, dass die Qualität der internen Kontrolle und die Fähigkeit der beaufsichtigenden Stelle zu überprüfen, ob die Wertpapierfirma sämtlichen Anforderungen genügt, wesentlich beeinträchtigt werden.

Eine Wertpapierfirma muss über eine ordnungsgemäße Verwaltung und Buchhaltung, interne Kontrollmechanismen, effiziente Verfahren zur Risikobewertung sowie wirksame Kontroll- und Sicherheitsmechanismen für Datenverarbeitungssysteme verfügen.

Unbeschadet der Möglichkeit der zuständigen Behörden, Zugang zu Kommunikation im Einklang mit dieser Richtlinie und mit Verordnung (EU) Nr. 600/2014 zu verlangen, muss eine Wertpapierfirma über solide Sicherheitsmechanismen verfügen, durch die die Sicherheit und Authentifizierung der Informationsübermittlungswege gewährleistet werden, das Risiko der Datenverfälschung und des unberechtigten Zugriffs minimiert und ein Durchsickern von Informationen verhindert wird, so dass die Vertraulichkeit der Daten jederzeit gewährleistet ist.

(6) Eine Wertpapierfirma sorgt dafür, dass Aufzeichnungen über alle ihre Dienstleistungen, Tätigkeiten und Geschäfte geführt werden, die ausreichen, um der zuständigen Behörde zu ermöglichen, ihrer Aufsichtspflicht nachzukommen und die in dieser Richtlinie, in der Verordnung (EU) Nr. 600/2014, in der Richtlinie 2014/57/EU und in der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 vorgesehenen Durchsetzungsmaßnahmen zu ergreifen und sich vor allem zu vergewissern, dass die Wertpapierfirma sämtlichen Verpflichtungen, einschließlich denen gegenüber den Kunden oder potenziellen Kunden und im Hinblick auf die Integrität des Marktes, nachgekommen ist.

(7) Die Aufzeichnungen enthalten die Aufzeichnung von Telefongesprächen oder elektronischer Kommunikation zumindest in Bezug auf die beim Handel für eigene Rechnung getätigten Geschäfte und die Erbringung von Dienstleistungen, die sich auf die Annahme, Übermittlung und Ausführung von Kundenaufträgen beziehen.

Diese Telefongespräche und elektronische Kommunikation umfassen auch solche, mit denen Geschäfte im Rahmen des Handels für eigene Rechnung oder die Erbringung von Dienstleistungen veranlasst werden sollen, die sich auf die Annahme, Übermittlung und Ausführung von Kundenaufträgen beziehen, auch wenn diese Gespräche und Mitteilungen nicht zum Abschluss solcher Geschäfte oder zur Erbringung solcher Dienstleistungen führen.

Eine Wertpapierfirma ergreift zu diesem Zweck alle angemessenen Maßnahmen, um einschlägige Telefongespräche und elektronische Kommunikation aufzuzeichnen, die mit Geräten erstellt oder von Geräten gesendet oder empfangen wurden, die die Firma einem Angestellten oder freien Mitarbeiter zur Verfügung gestellt hat oder deren Nutzung durch einen Angestellten oder freien Mitarbeiter von der Firma gebilligt oder gestattet wurde.

Eine Wertpapierfirma teilt Neu- und Altkunden mit, dass Telefongespräche oder -kommunikation zwischen der Wertpapierfirma und ihren Kunden, die zu Geschäften führen oder führen können, aufgezeichnet werden.

Es genügt, dies Neu- und Altkunden ein Mal vor Erbringung der Wertpapierdienstleistungen mitzuteilen.

Eine Wertpapierfirma, die ihre Kunden nicht im Voraus über die Aufzeichnung ihrer Telefongespräche oder Kommunikation informiert hat, darf für diese weder telefonische Wertpapierdienstleistungen erbringen noch telefonische Anlagetätigkeiten ausüben, wenn sich diese Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten auf die Annahme, Übermittlung und Ausführung von Kundenaufträgen beziehen.

Die Kunden dürfen ihre Aufträge über andere Kanäle platzieren, allerdings müssen solche Mitteilungen über einen dauerhaften Datenträger erfolgen, wie z. B. E-Mail, Fax oder während eines Treffens erstellte Aufzeichnungen über Kundenaufträge. Insbesondere der Inhalt der relevanten persönlichen Gespräche darf durch die Anfertigung schriftlicher Protokolle oder Vermerke aufgezeichnet werden. Diese Aufträge gelten als den telefonisch entgegengenommenen Aufträgen gleichwertig.

Eine Wertpapierfirma ergreift alle angemessenen Maßnahmen um zu verhindern, dass ein Angestellter oder freier Mitarbeiter mithilfe privater Geräte Telefongespräche oder elektronische Mitteilungen erstellt, sendet oder empfängt, die die Firma nicht aufzeichnen oder kopieren kann.

Die in Einklang mit diesem Absatz gespeicherten Aufzeichnungen werden den betreffenden Kunden auf Anfrage zur Verfügung gestellt und fünf Jahre aufbewahrt. Wenn dies von der zuständigen Behörde verlangt wird, werden sie bis zu sieben Jahre aufbewahrt.

(8) Eine Wertpapierfirma, die Kunden gehörende Finanzinstrumente hält, trifft geeignete Vorkehrungen, um deren Eigentumsrechte — insbesondere für den Fall der Insolvenz der Wertpapierfirma — an diesen Finanzinstrumenten zu schützen und zu verhindern, dass die Finanzinstrumente eines Kunden ohne dessen ausdrückliche Zustimmung für eigene Rechnung verwendet werden.

(9) Eine Wertpapierfirma, die Kunden gehörende Gelder hält, trifft geeignete Vorkehrungen, um die Rechte der Kunden zu schützen und — außer im Falle von Kreditinstituten — zu verhindern, dass die Gelder der Kunden für eigene Rechnung verwendet werden.

(10) Eine Wertpapierfirma schließt keine Finanzsicherheiten in Form von Rechtsübertragungen mit Kleinanlegern zur Besicherung oder Deckung bestehender oder künftiger, tatsächlicher, möglicher oder voraussichtlicher Verpflichtungen der Kunden ab.

(11) Im Falle von Zweigniederlassungen von Wertpapierfirmen ist die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem sich die Zweigniederlassung befindet, unbeschadet der direkten Zugriffsmöglichkeit der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaats der Wertpapierfirma auf diese Aufzeichnungen, für die Kontrolle der Einhaltung der Absätze 6 und 7 in Bezug auf die von der Zweigniederlassung getätigten Geschäfte verantwortlich.

Die Mitgliedstaaten können den Wertpapierfirmen unter außergewöhnlichen Umständen zusätzlich zu den Bestimmungen in den Absätzen 8, 9 und 10 und den entsprechenden delegierten Rechtsakten nach Absatz 12 Anforderungen betreffend den Schutz der Vermögenswerte der Kunden vorschreiben. Diese Anforderungen müssen sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig sein und der Steuerung spezifischer Risiken für den Anlegerschutz oder die Marktintegrität, die angesichts der Umstände der Marktstruktur dieses Mitgliedstaats besonders bedeutsam sind, dienen, sofern die Wertpapierfirmen den Schutz der Vermögenswerte und Gelder der Kunden gewährleisten.

Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission unverzüglich etwaige Anforderungen mit, die sie gemäß diesem Absatz mindestens zwei Monate vor Inkrafttreten der betreffenden Anforderung vorzuschreiben beabsichtigen. Die Mitteilung enthält eine Begründung für diese Anforderung. Durch solche zusätzlichen Anforderungen werden die Rechte von Wertpapierfirmen nach den Artikeln 34 und 35 nicht eingeschränkt oder in sonstiger Weise berührt.

Die Kommission nimmt innerhalb von zwei Monaten ab der Mitteilung gemäß Unterabsatz 3 zu der Verhältnismäßigkeit und der Begründung der zusätzlichen Anforderungen Stellung.

Die Mitgliedstaaten dürfen zusätzliche Anforderungen beibehalten, sofern sie der Kommission im Einklang mit Artikel 4 der Richtlinie 2006/73/EG vor dem 2. Juli 2014 gemeldet wurden und die in diesem Artikel festgelegten Bedingungen erfüllt sind.

Die Kommission unterrichtet die Mitgliedstaaten über die zusätzlichen Anforderungen, die gemäß diesem Absatz vorgeschrieben werden, und veröffentlicht sie auf ihrer Website.

(12) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 89 zu erlassen, um die in den Absätzen 2 bis 10 dieses Artikels festgelegten konkreten organisatorischen Anforderungen zu präzisieren, die Wertpapierfirmen und in Einklang mit Artikel 41 zugelassenen Zweigniederlassungen von Drittlandfirmen vorzuschreiben sind, die verschiedene Wertpapierdienstleistungen, Anlagetätigkeiten und/oder Nebendienstleistungen oder entsprechende Kombinationen erbringen oder ausüben.

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