Präambel RL 2015/1794/EU

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 153 Absatz 2 Buchstabe b in Verbindung mit Artikel 153 Absatz 1 Buchstaben b und e,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen(2),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Gemäß Artikel 153 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) können das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch Richtlinien Mindestvorschriften erlassen, die schrittweise anzuwenden sind und die der Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer dienen. Diese Richtlinien dürfen keine unverhältnismäßigen Kosten oder verwaltungsmäßigen, finanziellen oder rechtlichen Auflagen vorschreiben, die der Gründung und Entwicklung von kleinen und mittleren Unternehmen entgegenstehen, die die Triebkräfte für nachhaltiges Wachstum und dauerhafte Arbeitsplätze sind.
(2)
Die Richtlinien 2008/94/EG(4), 2009/38/EG(5) und 2002/14/EG(6) des Europäischen Parlaments und des Rates sowie die Richtlinien 98/59/EG(7) und 2001/23/EG(8) des Rates schließen bestimmte Seeleute von ihrem Anwendungsbereich aus oder ermöglichen es den Mitgliedstaaten, sie auszuschließen.
(3)
Die Kommission betonte in ihrer Mitteilung vom 21. Januar 2009 mit dem Titel „Strategische Ziele und Empfehlungen für die Seeverkehrspolitik der EU bis 2018” , dass es eines integrierten Rechtsrahmens bedarf, um die Wettbewerbsfähigkeit des maritimen Sektors zu erhöhen.
(4)
Die Existenz und/oder die Möglichkeit zur Einführung von Ausschlussregelungen kann Seeleute an der vollen Ausübung ihres Rechts auf gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen und auf Unterrichtung und Anhörung hindern oder in der vollen Ausübung dieser Rechte beschränken. Soweit die Existenz und/oder die Möglichkeit zur Einführung von Ausschlussregelungen nicht objektiv begründet ist und Seeleute nicht gleich behandelt werden, sollten Bestimmungen, die derartige Ausschlussregelungen ermöglichen, gestrichen werden.
(5)
Die derzeitige Rechtslage, die teilweise eine Folge der Besonderheiten des Seemannsberufs ist, führt zur ungleichen Behandlung derselben Arbeitnehmerkategorie durch verschiedene Mitgliedstaaten, je nachdem, ob diese Staaten von den nach geltendem Recht zulässigen Ausschlussregelungen und fakultativen Ausschlussregelungen Gebrauch machen. Zahlreiche Mitgliedstaten machen keinen oder lediglich einen eingeschränkten Gebrauch von diesen fakultativen Ausschlussregelungen.
(6)
Die Kommission hebt in ihrer Mitteilung vom 10. Oktober 2007 mit dem Titel „Eine integrierte Meerespolitik für die Europäische Union” hervor, dass eine solche Politik auf der Einsicht beruht, dass alle Fragen, die die Ozeane und Meere Europas betreffen, miteinander verbunden sind, und dass die Entwicklung meeresbezogener Maßnahmen auf koordinierte Weise erfolgen muss, wenn die gewünschten Ergebnisse erzielt werden sollen. Sie unterstreicht ferner, dass mehr und bessere Arbeitsplätze für Bürgerinnen und Bürger der Union im maritimen Sektor geschaffen und die Arbeitsbedingungen an Bord verbessert werden müssen, unter anderem durch Investitionen in Forschung, allgemeine und berufliche Bildung sowie Gesundheit und Sicherheit.
(7)
Diese Richtlinie steht im Einklang mit der Strategie Europa 2020 und ihren beschäftigungspolitischen Zielen und mit der Strategie, die die Kommission in ihrer Mitteilung vom 23. November 2010 mit dem Titel „Eine Agenda für neue Kompetenzen und Beschäftigungsmöglichkeiten: Europas Beitrag zur Vollbeschäftigung” aufgestellt hat.
(8)
Die sogenannte „blaue Wirtschaft” macht, in Form von Arbeitsplätzen und Bruttowertschöpfung, einen wesentlichen Teil der Wirtschaft der Union aus.
(9)
Gemäß Artikel 154 Absatz 2 AEUV hat die Kommission die Sozialpartner auf Unionsebene zu der Frage gehört, wie eine Unionsaktion in diesem Bereich gegebenenfalls ausgerichtet werden sollte.
(10)
Im Rahmen ihres sozialen Dialogs haben die Sozialpartner im maritimen Sektor eine Verständigung erzielt, die für diese Richtlinie von grundlegender Bedeutung ist. Mit dieser Verständigung wird für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der nötigen Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Seeleute und der erforderlichen Berücksichtigung der Besonderheiten des betreffenden Wirtschaftszweigs gesorgt.
(11)
Angesichts der Besonderheiten des maritimen Sektors und der speziellen Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern, die von den Ausschlussregelungen betroffen sind, die mit dieser Richtlinie gestrichen werden, ist es erforderlich, einige Bestimmungen der Richtlinien, die durch die vorliegende Richtlinie geändert werden, so anzupassen, dass sie die Besonderheiten des betroffenen Sektors widerspiegeln.
(12)
Angesichts der technologischen Entwicklungen der letzten Jahre — insbesondere der Kommunikationstechnologien — sollten die Anforderungen an Unterrichtung und Anhörung aktualisiert und in der geeignetsten Weise auch dadurch angewandt werden, dass zur besseren Umsetzung dieser Richtlinie neue Technologien für die Fernkommunikation genutzt, die Verfügbarkeit des Internets verbessert und seine angemessene Nutzung an Bord gewährleistet werden.
(13)
Die Rechte der von dieser Richtlinie betroffenen Seeleute, die von den Mitgliedstaaten in den nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinien 2008/94/EG, 2009/38/EG, 2002/14/EG, 98/59/EG und 2001/23/EG gewährt werden, sollten unberührt bleiben. Die Umsetzung der vorliegenden Richtlinie sollte nicht als Begründung für Rückschritte gegenüber der Situation herangezogen werden können, die in den einzelnen Mitgliedstaaten bereits besteht.
(14)
Mit dem Seearbeitsübereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation von 2006 sollen sowohl menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen für Seeleute geschaffen werden, indem für Gesundheits- und Sicherheitsstandards, angemessene Beschäftigungs-bedingungen und Berufsausbildung gesorgt wird, als auch faire Wettbewerbsbedingungen für Reeder durch die allgemeine Anwendung des Übereinkommens sichergestellt werden, sowie auf internationaler Ebene gleiche Ausgangsbedingungen für einige, aber nicht alle Rechte der Arbeitnehmer — ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit oder der Flagge des Schiffes — gewährleistet werden. Mit dem Übereinkommen, der Richtlinie 2009/13/EG(9) des Rates und den Richtlinien 2009/16/EG(10) und 2013/54/EU(11) des Europäischen Parlaments und des Rates werden die Rechte der Seeleute auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen in einer Vielzahl von Bereichen festgelegt, für Seeleute einheitliche Rechte und Arbeitsschutzbestimmungen vorgesehen und ein Beitrag zur Schaffung gleicher Ausgangsbedingungen — auch innerhalb der Union — geleistet.
(15)
Die Union sollte darauf hinwirken, die Arbeits- und Lebensbedingungen an Bord von Schiffen zu verbessern und das Innovationspotenzial auszuschöpfen, damit der maritime Sektor für Seeleute der Union, einschließlich jungen Arbeitnehmern, attraktiver wird.
(16)
Da die Ziele dieser Richtlinie, nämlich die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Seeleuten und ihre Unterrichtung und Anhörung, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, sondern — wegen des Umfangs und der Wirkungen der Maßnahmen — auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das zur Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.
(17)
Diese Richtlinie steht im Einklang mit den in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannten Grundrechten und Grundsätzen, insbesondere dem Recht auf gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen und auf Unterrichtung und Anhörung im Unternehmen. Diese Richtlinie sollte im Einklang mit diesen Rechten und Grundsätzen umgesetzt werden.
(18)
Die Richtlinien 2008/94/EG, 2009/38/EG, 2002/14/EG, 98/59/EG und 2001/23/EG sollten daher entsprechend geändert werden —

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. C 226 vom 16.7.2014, S. 35.

(2)

ABl. C 174 vom 7.6.2014, S. 50.

(3)

Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 2015 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 18. September 2015.

(4)

Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283 vom 28.10.2008, S. 36).

(5)

Richtlinie 2009/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen (ABl. L 122 vom 16.5.2009, S. 28).

(6)

Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft (ABl. L 80 vom 23.3.2002, S. 29).

(7)

Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (ABl. L 225 vom 12.8.1998, S. 16).

(8)

Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. L 82 vom 22.3.2001, S. 16).

(9)

Richtlinie 2009/13/EG des Rates vom 16. Februar 2009 zur Durchführung der Vereinbarung zwischen dem Verband der Reeder in der Europäischen Gemeinschaft (ECSA) und der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF) über das Seearbeitsübereinkommen 2006 und zur Änderung der Richtlinie 1999/63/EG (ABl. L 124 vom 20.5.2009, S. 30).

(10)

Richtlinie 2009/16/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über die Hafenstaatkontrolle (ABl. L 131 vom 28.5.2009, S. 57).

(11)

Richtlinie 2013/54/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 über bestimmte Verantwortlichkeiten der Flaggenstaaten für die Einhaltung und Durchsetzung des Seearbeitsübereinkommens 2006 (ABl. L 329 vom 10.12.2013, S. 1).

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