Präambel RL 2015/637/EU

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 23,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments(1),

gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Die Unionsbürgerschaft ist der grundlegende Status der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten. Das Recht der Unionsbürger, in dem Hoheitsgebiet eines Drittlandes, in dem der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, nicht vertreten ist, den Schutz durch die diplomatischen und konsularischen Behörden eines anderen Mitgliedstaats unter denselben Bedingungen wie Staatsangehörige dieses Staates zu genießen, gehört zu den besonderen Rechten, die Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) den Unionsbürgern gewährt.
(2)
Der Vertrag von Lissabon hat die Unionsbürgerschaft und die mit ihr verbundenen Rechte gestärkt. Artikel 23 AEUV sieht den Erlass von Richtlinien zur Festlegung der notwendigen Kooperations- und Koordinierungsmaßnahmen zur Erleichterung des konsularischen Schutzes von nicht vertretenen Unionsbürgern vor.
(3)
Zu den Werten, auf die sich die Union gründet, zählen Solidarität, Nichtdiskriminierung und Wahrung der Menschenrechte; in ihren Beziehungen zur übrigen Welt sollte die Union ihre Werte schützen und zum Schutz ihrer Bürger beitragen. Das in Artikel 46 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta” ) niedergelegte Grundrecht auf konsularischen Schutz von nicht vertretenen Unionsbürgern unter denselben Bedingungen ist Ausdruck europäischer Solidarität. Es verleiht dem Konzept der Unionsbürgerschaft eine externe Dimension und stärkt die Identität der Union in Drittländern.
(4)
Ziel dieser Richtlinie ist die Festlegung der Kooperations- und Koordinierungsmaßnahmen zur weiteren Erleichterung des konsularischen Schutzes von nicht vertretenen Unionsbürgern. Diese Maßnahmen sollen die Rechtssicherheit sowie die wirksame Zusammenarbeit und die Solidarität zwischen den Konsularbehörden stärken.
(5)
Im Einklang mit Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c AEUV und Artikel 23 AEUV sollten die Mitgliedstaaten nicht vertretenen Unionsbürgern unter denselben Bedingungen wie ihren eigenen Staatsangehörigen konsularischen Schutz gewähren. Diese Richtlinie berührt nicht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Festlegung des Umfangs des Schutzes für ihre eigenen Staatsangehörigen.
(6)
Diese Richtlinie berührt nicht die konsularischen Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern, insbesondere ihre Rechte und Pflichten aufgrund internationaler Gepflogenheiten und Übereinkommen, insbesondere des Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 (im Folgenden „Wiener Übereinkommen” ), die die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Unionsrecht anwenden. Nach Artikel 8 des Wiener Übereinkommens können die Mitgliedstaaten konsularischen Schutz für einen anderen Mitgliedstaat wahrnehmen, sofern das betroffene Drittland keinen Einspruch erhebt. Schwierigkeiten können insbesondere bei Situationen mit Bürgern auftreten, die auch die Staatsangehörigkeit des Aufnahmelandes besitzen. Die Mitgliedstaaten sollten mit Unterstützung der konsularischen Zusammenarbeit vor Ort die notwendigen Maßnahmen in Bezug auf Drittländer ergreifen, um zu gewährleisten, dass in jedem Fall konsularischer Schutz für jeden anderen Mitgliedstaat gewährt werden kann.
(7)
Wenn nicht vertretene Bürger in Drittländern Schutz benötigen, bedarf es einer wirksamen Kooperation und Koordinierung. Der in einem Drittland vertretene Hilfe leistende Mitgliedstaat und der Mitgliedstaat, dessen Staatangehörigkeit der betroffene Bürger besitzt, sollten eng miteinander zusammenarbeiten. Die konsularische Zusammenarbeit hinsichtlich nicht vertretener Bürger kann besonders schwierig sein, da eine Absprache mit Behörden — gegebenenfalls einschließlich der zuständigen Botschaften oder Konsulate — erfolgen muss, die nicht vor Ort vertreten sind. Um die durch das Fehlen einer Botschaft oder eines Konsulats des Mitgliedstaats des Bürgers entstandene Lücke zu füllen, sollten klare und stabile Vorschriften festgelegt werden. Bestehende Maßnahmen müssen auch zur Gewährleistung eines wirksamen Schutzes geklärt werden.
(8)
Unionsbürger sollten in einem Drittland als nicht vertreten gelten, wenn der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, dort weder eine Botschaft, noch ein Konsulat oder einen Honorarkonsul hat. Bürger sollten auch als nicht vertreten gelten, wenn die Botschaft, das Konsulat oder der Honorarkonsul vor Ort aus irgendeinem Grund nicht in der Lage ist, in einem bestimmten Fall den Schutz der betroffenen Person, der dieser nach nationalem Recht und nach nationalen Gepflogenheiten andernfalls zusteht, zu gewährleisten. Botschaften und Konsulate sollten einander über etwaige ungewöhnliche Umstände unterrichten, die ihre Fähigkeit zum konsularischen Schutz vorübergehend beeinträchtigen können. Erreichbarkeit und Nähe sollten ebenfalls in Erwägung gezogen werden: So sollte beispielsweise ein Bürger, der die Botschaft oder das Konsulat eines anderen Mitgliedstaats um konsularischen Schutz oder Hilfe ersucht, nicht an die Botschaft, das Konsulat oder den Honorarkonsul seines eigenen Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, verwiesen werden, wenn es für den Bürger aufgrund der Umstände vor Ort oder mangelnder Ressourcen nicht möglich ist, sicher zu der Botschaft, dem Konsulat oder dem Honorarkonsul seines Mitgliedstaats zu gelangen oder durch diese sicher erreicht zu werden, damit er konsularischen Schutz erhalten kann. Der Begriff der nicht vorhandenen Vertretung sollte so ausgelegt werden, dass das Recht eines nicht vertretenen Bürgers auf nicht diskriminierenden Schutz durch die Botschaft oder das Konsulat eines anderen Mitgliedstaats wirksam gewährleistet wird, wobei den Umständen jedes Einzelfalles Rechnung zu tragen ist. Bürger, die die Staatsangehörigkeit von mehr als einem Mitgliedstaat besitzen, sollten als nicht vertretene Bürger gelten, wenn in dem betroffenen Drittland keiner der Mitgliedstaaten vertreten ist, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen.
(9)
Um das in Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c AEUV verankerte Recht und das in Artikel 7 der Charta anerkannte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens wirksam zu gewährleisten, kann ein Hilfe leistender Mitgliedstaat unter Berücksichtigung des nationalen Rechts und der nationalen Gepflogenheiten je nach Umständen des Einzelfalls dazu verpflichtet sein, den die Staatsangehörigkeit eines Drittlandes besitzenden Familienangehörigen von Unionsbürgern Schutz zu gewähren. Diese Richtlinie steht dem nicht entgegen, dass während der Konsultationen, die stattfinden sollten, bevor die Hilfe geleistet wird, sich der Hilfe leistende Mitgliedstaat und der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der nicht vertretene Bürger besitzt, gegebenenfalls auf die Möglichkeit einigen können, die Hilfe für die Staatsangehörigkeit eines Drittlandes besitzende Familienmitglieder des nicht vertretenen Unionsbürgers über das Maß hinaus auszuweiten, das durch das Recht des Hilfe leistenden Mitgliedstaats oder durch dessen Gepflogenheiten vorgegeben ist, wobei den Ersuchen des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit der nicht vertretene Bürger besitzt, so weit wie möglich Rechnung getragen wird und das Vereinbarte nicht hinter den Anforderungen des Unionsrechts zurückbleiben darf. Die Mitgliedstaaten können aber unter Umständen nicht in der Lage sein, Familienangehörigen aus Drittländern bestimmte Arten des konsularischen Schutzes, beispielsweise Rückkehrausweise, zu gewähren. Soweit die Hilfe für Kinder betroffen ist, sollte im Einklang mit Artikel 24 der Charta und gemäß dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.
(10)
Nicht vertretene Bürger sollten bei der Botschaft oder dem Konsulat jedes Mitgliedstaats um konsularischen Schutz ersuchen können. Dies sollte die Mitgliedstaaten allerdings nicht daran hindern, praktische Vereinbarungen zu treffen, um die Zuständigkeiten für die Leistung des konsularischen Schutzes für nicht vertretene Bürger im Einklang mit dieser Richtlinie aufzuteilen. Derartige Vereinbarungen kommen den Bürgern zugute, da sie eine bessere Vorsorge für die Gewährleistung eines wirksamen Schutzes ermöglichen. Mitgliedstaaten, bei denen um Schutz ersucht wird, sollten beurteilen, ob es in einem besonderen Fall erforderlich ist, konsularischen Schutz zu gewähren, oder ob der Fall an die Botschaft oder das Konsulat überwiesen werden kann, die bzw. das gemäß einer bereits getroffenen Vereinbarung für zuständig erklärt worden ist. Die Mitgliedstaaten sollten die Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst (im Folgenden „EAD” ) über jede derartige Vereinbarung unterrichten, die von der Union und den Mitgliedstaaten veröffentlicht werden sollte, um für Transparenz gegenüber nicht vertretenen Bürgern zu sorgen.
(11)
Diese Richtlinie sollte den in einem Drittland nicht vertretenen Mitgliedstaat nicht daran hindern, einem seiner Staatsbürger konsularischen Schutz zu bieten, beispielsweise gegebenenfalls durch konsularische Online-Dienste. Dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit ein nicht vertretener Bürger besitzt, sollte es möglich sein, den Mitgliedstaat, bei dem dieser Bürger um konsularischen Schutz angesucht hat oder von dem er konsularischen Schutz erhält, um Übermittlung des Antrags oder des Falles zu ersuchen, damit er den konsularischen Schutz selbst gewähren kann. Eine solche Übertragung sollte nicht dazu führen, dass der nicht vertretene Bürger keinen konsularischen Schutz erhält.
(12)
Ungeachtet der unterschiedlichen Traditionen der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Zuständigkeiten von Honorarkonsuln, bieten letztgenannte normalerweise nicht die gleichen Dienstleistungen wie Botschaften oder Konsulate an. Da Honorarkonsuln ihr Amt oft ehrenamtlich ausüben, sollte die Entscheidung darüber, ob diese Richtlinie auf Honorarkonsuln angewendet wird, jedem einzelnen Mitgliedstaat überlassen werden. Honorarkonsuln könnten je nach den Umständen des Einzelfalles ersucht werden, nicht vertretenen Bürgern konsularischen Schutz zu gewähren.
(13)
Schutzersuchen sollten bearbeitet werden, wenn der Ersuchende einen gültigen Reisepass oder Personalausweis für Unionsbürger vorlegt. Nicht vertretene Bürger, die konsularischen Schutz benötigen, sind unter Umständen jedoch nicht mehr im Besitz ihrer Ausweisdokumente. Der grundlegende Status der Unionsbürgerschaft wird direkt durch das Recht der Union verliehen; Ausweisdokumente haben lediglich deklaratorische Bedeutung. Ist der Ersuchende nicht in der Lage, gültige Ausweisdokumente vorzulegen, sollte er seine Identität auf anderem Wege nachweisen können. Gegebenenfalls könnte die Identität der betreffenden Person durch Nachfragen bei den Behörden des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit der Ersuchende beansprucht, überprüft werden. In Bezug auf den Ersuchenden begleitende, aus Drittländern stammende Familienangehörige sollten die Behörden des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit der Ersuchende besitzt, ebenfalls in der Lage sein, den Hilfe leistenden Mitgliedstaat bei der Überprüfung der Identität und dem Bestehen einer familiären Beziehung zu dem Ersuchenden zu unterstützen.
(14)
Der Umfang des konsularischen Schutzes unter dieser Richtlinie sollte festgelegt werden, damit geklärt werden kann, welche Koordinierungs- und Kooperationsmaßnahmen notwendig sind. Der konsularische Schutz für nicht vertretene Bürger sollte die Hilfe in einer Reihe typischer Situationen einschließen, in denen Mitgliedstaaten ihren Staatsangehörigen konsularischen Schutz je nach den Umständen des Einzelfalles gewähren, beispielsweise bei Festnahme oder Inhaftierung, bei schweren Unfällen oder Erkrankungen sowie im Todesfall; ferner sollte er die Unterstützung und Rückführung in Notfällen und die Ausstellung von Rückkehrausweisen umfassen. Da der notwendige Schutz stets von den tatsächlichen Umständen abhängt, sollte der konsularische Schutz nicht auf die ausdrücklich in dieser Richtlinie genannten Situationen begrenzt werden.
(15)
Gegebenenfalls sollten die Wünsche des Bürgers angemessen respektiert werden; dies gilt auch für die Frage, ob Familien- oder sonstige Angehörige informiert werden sollten, und wenn ja, wer. Ebenso ist im Todesfall den Wünschen der nächsten Angehörigen Rechnung zu tragen, welche Vorkehrungen in Bezug auf die sterblichen Überreste des Verstorbenen zu treffen sind. Der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der nicht vertretene Bürger besitzt, sollte für diese Kontakte zuständig sein.
(16)
Die Behörden der Mitgliedstaaten sollten eng zusammenarbeiten und sich untereinander und mit der Union, insbesondere der Kommission und dem EAD, im Geiste der Solidarität und des gegenseitigen Respekts abstimmen. Um eine rasche und wirksame Zusammenarbeit zu gewährleisten, sollten die Mitgliedstaaten die Informationen über die einschlägigen Kontaktstellen in den Mitgliedstaaten über die sichere Website des EAD (Consular OnLine) bekanntgeben und ständig aktualisieren.
(17)
In Drittländern wird die Union durch die Delegationen der Union vertreten, die in enger Zusammenarbeit mit den diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Mitgliedstaaten zur Verwirklichung des Rechts der Unionsbürger auf konsularischen Schutz gemäß Artikel 35 des Vertrags über die Europäische Union beitragen. Mit dieser Richtlinie wird der bereits vom EAD und von den Delegationen der Union — insbesondere in Krisensituationen — geleistete Beitrag im Einklang mit dem Beschluss 2010/427/EU des Rates(2), insbesondere dessen Artikel 5 Absatz 10, vollständig anerkannt und weiter verbessert werden.
(18)
Was die Zusammenarbeit vor Ort anbelangt, so sollten die Zuständigkeiten und jeweiligen Aufgaben aller einschlägigen Akteure geklärt werden, damit sichergestellt ist, dass nicht vertretene Bürger den Schutz erhalten, auf den sie im Einklang mit dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung Anspruch haben. Bei der konsularischen Zusammenarbeit vor Ort sollten nicht vertretene Bürger in angemessener Weise Berücksichtigung finden, indem beispielsweise Informationen über einschlägige Kontaktstellen eingeholt und regelmäßig aktualisiert und den Botschaften und Konsulaten der Mitgliedstaaten sowie den Delegationen der Union vor Ort zur Verfügung gestellt werden.
(19)
Bei den Treffen zur konsularischen Zusammenarbeit vor Ort, die in enger Abstimmung mit den Delegationen der Union veranstaltet werden, sollten regelmäßig Informationen zu Angelegenheiten von nicht vertretenen Bürgern, wie die Sicherheit der Bürger, Haftbedingungen, konsularische Mitteilungen und Zugang zum konsularischen Schutz sowie Zusammenarbeit im Krisenfall ausgetauscht werden. Bei diesen Treffen sollten vertretene Mitgliedstaaten bei Bedarf praktische Vereinbarungen treffen, um den wirksamen Schutz von nicht vertretenen Bürgern zu gewährleisten. Derartige Vereinbarungen sind unter Umständen nicht erforderlich, wenn z. B. die Anzahl der nicht vertretenen Bürger gering ist.
(20)
Eine klare Aufgabenteilung zwischen vertretenen und nicht vertretenen Mitgliedstaaten und den Delegationen der Union ist für eine angemessene Krisenvorsorge und -bewältigung unverzichtbar. Die Notfallplanung sollte daher koordiniert und nicht vertretene Bürger sollten dabei umfassend miteinbezogen werden. Zu diesem Zweck sollten Mitgliedstaaten, die vor Ort über keine Botschaft oder kein Konsulat verfügen, im Rahmen der dortigen Krisenreaktion und -vorsorge sämtliche verfügbaren und wichtigen Informationen zu ihren Bürgern im Hoheitsgebiet bereitstellen. Diese Informationen sollten im Krisenfall angemessen aktualisiert werden. Die zuständigen Botschaften und Konsulate sowie Delegationen der Union sollten informiert und — falls nötig — in Vereinbarungen über die Krisenvorsorge eingebunden werden. Nicht vertretene Bürger sollten über diese Vereinbarungen informiert werden. Der federführende Mitgliedstaat oder der die Hilfe koordinierende Mitgliedstaat bzw. die die Hilfe koordinierenden Mitgliedstaaten koordinieren im Krisenfall auf nicht diskriminierende Weise die Unterstützung für nicht vertretene Bürger und die Nutzung der verfügbaren Evakuierungskapazitäten auf der Grundlage der vereinbarten Planung und der Entwicklungen vor Ort.
(21)
Die Interoperabilität zwischen konsularischen und anderen Krisenbewältigungsexperten sollte vor allem durch ihre Teilnahme an interdisziplinären Krisenteams, wie zum Beispiel den Teams im Rahmen der Krisenreaktion und der operativen Koordinierung sowie der Krisenbewältigungsstrukturen des EAD und im Rahmen des Katastrophenschutzverfahrens der Union(3), gefördert werden.
(22)
Falls erforderlich, sollte es möglich sein, für den konsularischen Schutz von nicht vertretenen Bürgern, um die Unterstützung durch das Katastrophenschutzverfahren der Union zu ersuchen. Um diese Unterstützung könnte beispielsweise der federführende Mitgliedstaat bzw. der für die Koordinierung der Hilfe zuständige Mitgliedstaat bzw. könnten die hierfür zuständigen Mitgliedstaaten ersuchen.
(23)
Der in dieser Richtlinie verwendete Begriff des federführenden Staates bezeichnet einen oder mehrere Mitgliedstaaten, der/die in einem bestimmten Drittland vertreten sind und im Krisenfall für die Koordinierung und Leitung der Hilfsmaßnahmen für nicht vertretene Bürger zuständig ist/sind. Das Konzept des federführenden Staates gemäß den entsprechenden Leitlinien der Union(4) könnte im Einklang mit dem Unionsrecht und insbesondere im Einklang mit dieser Richtlinie weiter ausgebaut werden.
(24)
Wird ein Mitgliedstaat über ein Ersuchen um konsularischen Schutz von einer Person, die behauptet, ein nicht vertretener Bürger zu sein, informiert oder geht bei ihm ein solches Ersuchen ein, so sollte er vor der Hilfeleistung — abgesehen von äußersten Notfällen — stets unverzüglich Kontakt mit dem Mitgliedstaat aufnehmen, dessen Staatsangehörigkeit dieser Bürger besitzt, und ihm sämtliche relevanten Informationen zukommen lassen. Der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der betreffende Bürger besitzt, sollte im Gegenzug unverzüglich alle für den betreffenden Fall relevanten Informationen liefern. Diese Konsultation sollte es dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Bürger besitzt, ermöglichen, die Übermittlung des Ersuchens oder des Falles zu beantragen, damit er den konsularischen Schutz selbst gewähren kann. Diese Konsultation sollte es den betreffenden Mitgliedstaaten außerdem ermöglichen, einschlägige Informationen auszutauschen, um beispielsweise zu gewährleisten, dass ein nicht vertretener Bürger sein Recht auf konsularischen Schutz gemäß Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c AEUV nicht missbräuchlich nutzt. Auf diese Richtlinie können sich Unionsbürger im Falle eines Missbrauchs nicht berufen.
(25)
Gegenseitige Solidarität und Zusammenarbeit schließen auch finanzielle Aspekte ein. Diejenigen Mitgliedstaaten, die ihren eigenen Bürgern konsularischen Schutz in Form von finanzieller Unterstützung leisten, tun dies als letztes Mittel und lediglich in Ausnahmefällen, in denen Bürger nicht auf anderem Wege, wie durch eine Überweisung von Familienangehörigen, Freunden oder vom Arbeitgeber, Geldmittel erhalten können. Nicht vertretene Bürger sollten unter den gleichen Bedingungen finanzielle Unterstützung erhalten wie die Staatsangehörigen des Hilfe leistenden Mitgliedstaats. Vom nicht vertretenen Bürger sollte die Unterzeichnung einer Verpflichtung zur Rückzahlung der entstandenen Kosten an den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, verlangt werden, wenn auch von den Staatsangehörigen des Hilfe leistenden Mitgliedstaats in derselben Situation die Rückzahlung dieser Kosten an ihren Mitgliedstaat verlangt wird. Vom nicht vertretenen Bürger kann dann der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, die Rückzahlung dieser Kosten, einschließlich einer anfallenden Konsulargebühr, verlangen.
(26)
Diese Richtlinie sollte die Aufteilung der anfallenden Kosten und die Erstattungen sicherstellen. Ist die Gewährung des konsularischen Schutzes für einen nicht vertretenen Bürger mit der Unterzeichnung einer Verpflichtung zur Rückzahlung verbunden, sollte der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der nicht vertretene Bürger besitzt, dem Hilfe leistenden Mitgliedstaat die angefallenen Kosten erstatten. Die Entscheidung, ob die angefallenen Kosten erstattet werden müssen, sollte dem Hilfe leistenden Mitgliedstaat überlassen werden. Der Hilfe leistende Mitgliedstaat und der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der nicht vertretene Bürger besitzt, sollten die Möglichkeit haben, innerhalb bestimmter Fristen, detaillierte Vereinbarungen betreffend die Rückzahlung zu treffen.
(27)
Der einem nicht vertretenen Bürger gewährte konsularische Schutz bei Festnahme oder Inhaftierung kann je nach den Umständen des Einzelfalls mit ungewöhnlich hohen Reise-, Unterbringungs- oder Übersetzungskosten für die diplomatischen oder konsularischen Behörden des Hilfe leistenden Mitgliedstaats verbunden sein. Der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der nicht vertretene Bürger besitzt, sollte während der Konsultationen, die vor der Hilfeleistung erfolgen sollten, über diese möglichen Kosten unterrichtet werden. Der Hilfe leistende Staat sollte in der Lage sein, den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der nicht vertretene Bürger besitzt, um Erstattung der ungewöhnlich hohen Kosten zu ersuchen. Der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der betreffende Bürger besitzt, sollte dem Hilfe leistenden Mitgliedstaat die angefallenen Kosten erstatten. Der Hilfe leistende Mitgliedstaat und der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der nicht vertretene Bürger besitzt, sollten die Möglichkeit haben, innerhalb bestimmter Fristen, detaillierte Vereinbarungen betreffend die Rückzahlung zu treffen. Gemäß dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung können Mitgliedstaaten, dessen Staatsangehörigkeit nicht vertretene Bürger besitzen, von diesen nicht die Erstattung von solchen Kosten verlangen, die die Staatsangehörigen des Hilfe leistenden Mitgliedstaats nicht zu erstatten brauchen.
(28)
Die Finanzverfahren sollten für Krisensituationen vereinfacht werden. In Anbetracht der Besonderheiten derartiger Situationen, wie der Notwendigkeit einer schnellen, eine beträchtliche Anzahl von Bürgern betreffenden Reaktion, sollte keine Rückzahlungsverpflichtung erforderlich sein, damit der Hilfe leistende Mitgliedstaat die Erstattung durch den/die Mitgliedstaat/en, dessen/deren Staatsangehörigkeit die nicht vertretenen Bürger besitzen, ersuchen kann und diese auch erhält. Die Mitgliedstaaten, dessen Staatsangehörigkeit die nicht vertretenen Bürger besitzen, sollten dem Hilfe leistenden Mitgliedstaat bzw. den Hilfe leistenden Mitgliedstaaten die angefallenen Kosten erstatten. Die Entscheidung, ob und wie die angefallenen Kosten erstattet werden müssen, sollte dem Hilfe leistenden Mitgliedstaat bzw. den Hilfe leistenden Mitgliedstaaten überlassen werden. Der Hilfe leistende Mitgliedstaat und der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der nicht vertretene Bürger besitzt, sollten die Möglichkeit haben, innerhalb bestimmter Fristen, detaillierte Vereinbarungen betreffend die Rückzahlung zu treffen. In einem Krisenfall, der negative Auswirkungen auf eine große Anzahl von Unionsbürgern hat oder haben kann, könnten die Kosten — falls der Hilfe leistende Mitgliedstaat dies beantragt — durch die Mitgliedstaaten, dessen Staatsangehörigkeit die nicht vertretenen Bürger besitzen, anteilsmäßig erstattet werden, indem die angefallenen Kosten durch die Anzahl der unterstützten Bürger geteilt werden.
(29)
Diese Richtlinie sollte drei Jahre nach ihrer Umsetzungsfrist überprüft werden. Insbesondere sollte anhand der von den Mitgliedstaaten zur Umsetzung und praktischen Anwendung der Richtlinie gelieferten Informationen, einschließlich einschlägiger Statistiken und Fallbeispiele, bewertet werden, ob die Finanzverfahren für eine angemessene Lastenaufteilung überarbeitet werden müssen. Die Kommission sollte einen Bericht vorbereiten und etwaige zusätzliche Maßnahmen in Betracht ziehen, darunter gegebenenfalls einen Vorschlag zur Änderung dieser Richtlinie, damit Unionsbürger ihr Recht auf konsularischen Schutz leichter wahrnehmen können.
(30)
Die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen dieser Richtlinie durch die Mitgliedstaaten erfolgt nach Maßgabe der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(5).
(31)
Die vorliegende Richtlinie sollte günstigere nationale Bestimmungen unberührt lassen, sofern sie mit dieser Richtlinie vereinbar sind.
(32)
Gemäß der Gemeinsamen Politischen Erklärung der Mitgliedstaaten und der Kommission zu Erläuternde Dokumente vom 28. September 2011(6) haben die Mitgliedstaaten sich verpflichtet, in begründeten Fällen zusätzlich zur Mitteilung ihrer Umsetzungsmaßnahmen ein oder mehrere Dokumente zu übermitteln, in denen der Zusammenhang zwischen den Bestandteilen einer Richtlinie und den entsprechenden Teilen nationaler Umsetzungsinstrumente erläutert wird. In Bezug auf diese Richtlinie hält der Gesetzgeber die Übermittlung derartiger Dokumente für gerechtfertigt.
(33)
Ziel dieser Richtlinie ist die Förderung des konsularischen Schutzes, wie er in der Charta verbrieft ist. Sie steht in Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta anerkannt wurden; dazu zählen vor allem der Grundsatz der Nichtdiskriminierung, das Recht auf Leben und Unversehrtheit der Person, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, die Rechte des Kindes und das Recht auf Verteidigung und ein unparteiisches Gericht. Diese Richtlinie sollte unter Wahrung dieser Rechte und Grundsätze umgesetzt werden.
(34)
Entsprechend dem in der Charta enthaltenen Diskriminierungsverbot sollten die Mitgliedstaaten diese Richtlinie ohne Diskriminierung zwischen den Begünstigten dieser Richtlinie etwa aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung umsetzen.
(35)
Beschluss 95/553/EG der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten(7) sollte aufgehoben werden —

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

Stellungnahme vom 25. Oktober 2012 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(2)

Beschluss 2010/427/EU des Rates vom 26. Juli 2010 über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes (ABl. L 201 vom 3.8.2010, S. 30).

(3)

Beschluss Nr. 1313/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über ein Katastrophenschutzverfahren der Union (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 924).

(4)

Leitlinien der Europäischen Union für die Umsetzung des Konzepts des federführenden Staates bei der konsularischen Zusammenarbeit (ABl. C 317 vom 12.12.2008, S. 6).

(5)

Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31).

(6)

ABl. C 369 vom 17.12.2011, S. 14.

(7)

Beschluss 95/553/EG der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 19. Dezember 1995 über den Schutz der Bürger der Europäischen Union durch die diplomatischen und konsularischen Vertretungen (ABl. L 314 vom 28.12.1995, S. 73).

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